Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 04.12.2007; Aktenzeichen 4 B 285/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Tatbestand
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
aa) Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob im Rahmen der Prüfung der Gleichwertigkeit gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV eine rein quantitative Betrachtung der Ausbildungsgänge vorgenommen werden kann.
Die Frage wird vor dem Hintergrund gestellt, dass der Kläger seine Eintragung in die Liste der bauvorlageberechtigten Ingenieure anstrebt. Das Verwaltungsgericht und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht haben ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen dafür nach dem einschlägigen sächsischen Landesrecht nicht, weil er nicht berechtigt sei, aufgrund einer Ausbildung im Bauingenieurwesen bzw. als Angehöriger einer Fachrichtung des Bauingenieurwesens die Berufsbezeichnung “Ingenieur” zu führen. Die Ausbildung des Klägers an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte Ernst Thälmann im Pionierwesen habe die für Bauingenieure typischen Kenntnisse nicht in einer gewissen Breite vermittelt und sich nicht im Schwerpunkt auf Planung, Berechnung und Ausführung von konstruktiven Ingenieurbauten, von Hoch- und Tiefbauten, Verkehrsbauten, Bauvorhaben der Wasserwirtschaft und Baubetrieb bezogen. Der Kläger habe auch aus Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV keinen Anspruch auf Anerkennung der Gleichwertigkeit seiner Ausbildung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang die Ausbildung des Klägers mit der “am ehesten” vergleichbaren Ausbildung in einem Hochschul- und Fachhochschulstudiengang in der Fachrichtung Bauwesen an den Hochschulen (Universitäten) der Bundeswehr in Bezug gesetzt und dabei auf die Curricula abgestellt.
Unter welchen Voraussetzungen eine Gleichwertigkeit im Sinne des Art. 37 Abs. 1 EV vorliegt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Urteil vom 10. Dezember 1997 – BVerwG 6 C 10.97 – BVerwGE 106, 24 = Buchholz 111 Art. 37 EV Nr. 4). Danach muss es für die Anerkennung der “Gleichwertigkeit” nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV genügen, wenn “Niveaugleichheit” des in der ehemaligen DDR erworbenen Abschlusses vorliegt, d.h. wenn ein Ausbildungsniveau festgestellt wird, das auch bei der Aufnahme neuer beruflicher Betätigung im weiteren fachlichen Feld, in dem der Abschluss erworben wurde, nach geeigneten individuellen Bemühungen um die Beseitigung vorhandener Defizite eine erfolgreiche selbständige Einarbeitung – ggf. unter Anleitung – in die beruflichen Anforderungen erwarten lässt. Die Voraussetzungen dafür sind (a.a.O. S. 38 bzw. S. 19):
– Es muss sich um einander fachlich angenäherte Ausbildungen handeln;
– die Bildungseinrichtungen müssen bzw. mussten die gleichen oder zu mindest etwa gleichgewichtige Zulassungsvoraussetzungen fordern;
– der Umfang der absolvierten Ausbildung muss bzw. musste einen ähnlich weitgefassten Rahmen haben;
– das Ausbildungsangebot muss bzw. musste niveaugleich strukturiert sein
– und die Art der Prüfungen sowie der Studienabschluss bzw. der Bildungsabschluss müssen in einem vergleichbaren Verfahren erworben worden sein bzw. erworben werden.
Dabei ist kein strenger, sondern ein eher “großzügiger” Maßstab anzulegen. “Niveaugleichheit” bedeutet hiernach in erster Linie eine formelle und funktionale Gleichheit; inhaltlich setzt sie nur eine fachliche Annäherung voraus. Strengere Anforderungen sind – soweit nicht Sonderregelungen greifen – nur für den Vergleich mit Abschlüssen zu stellen, die einen unmittelbaren Zugang zu einem nach seinen Ausbildungsvoraussetzungen reglementierten Beruf vermitteln.
Nach diesen Maßstäben, die von dem Kläger nicht in Zweifel gezogen werden, kann schon eine “rein quantitative” Betrachtung der Ausbildungsgänge zur Verneinung der Gleichwertigkeit führen. Lassen schon der Umfang der Ausbildung und ihre Strukturierung den Schluss auf die Gleichwertigkeit nicht zu, so bedarf es keiner weitergehenden Erwägungen.
bb) Mit dem Vorwurf der Verkennung der Maßstäbe, nach denen die Gleichwertigkeit festgestellt werden muss, kann die rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht dargetan werden.
cc) Soweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit begründet wird, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass die Niveaugleichheit bereits deshalb feststehe, weil eine Durchführungsbestimmung der DDR die Gleichstellung des Abschlusses “Ingenieur für Pionierwesen” mit dem Abschluss “Bauingenieur” angeordnet habe, kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht angenommen werden. Die Ausführungen des Klägers dazu beziehen sich auf nicht revisibles Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 6 B 52.05 – GewArch 2006, 149 ≪150≫ m.w.N.) ist das Recht der ehemaligen DDR nur insoweit revisibel, als es durch Bundesrecht weiterhin für anwendbar erklärt ist. Das trifft auf die Erste Durchführungsbestimmung (des Ministers für Nationale Verteidigung) zur Förderungsverordnung vom 25. März 1982 (GBl DDR I S. 261) nicht zu (Art. 9 Abs. 2 EV i.V.m. Anlage II Kap. IX, Kap. XIX Sachgebiet B). Die Überprüfung der Gleichwertigkeit muss daher aus bundesrechtlicher Sicht allein nach den bereits dargestellten Maßstäben für die Anwendung des Art. 37 Abs. 1 EV vorgenommen werden. Das muss nicht erst in einem Revisionsverfahren geklärt werden.
b) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es. Der Kläger wirft dem Berufungsgericht eine fehlerhafte Anwendung der im Urteil vom 10. Dezember 1997 entwickelten Maßstäbe vor, zeigt aber keine davon abweichenden rechtlichen Obersätze des Berufungsurteils auf.
c) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
Der Kläger hält dem Berufungsgericht vor, es habe sich nicht mit der Thematik auseinandergesetzt, dass der Kläger evtl. Defizite in den Ausbildungsgängen durch eigene intensive Arbeitstätigkeit, Fort- und Weiterbildung kompensiert habe. Das Gericht habe die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben. Damit rügt der Kläger – ohne dies zu benennen – die Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und eine fehlende Sachaufklärung (§ 86 VwGO). Die Rüge geht fehl.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Die Freiheit, die dieser Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände (Urteil vom 17. Januar 1980 – BVerwG 5 C 7.79 – Buchholz 431.1 Architekten Nr. 5 S. 17). Sie ist nach der einen Seite hin begrenzt durch das jeweils anzuwendende Recht und dessen Auslegung. Alles was (noch) Rechtsfindung ist, entzieht sich – eben deshalb – einer Deckung durch den Überzeugungsgrundsatz. Nach der anderen Seite ergibt sich die Grenze daraus, dass der Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen werden kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, z.B. an der Missachtung gesetzlicher Beweisregeln oder an der Berücksichtigung von Tatsachen, die sich weder auf ein Beweisergebnis noch sonst wie auf den Akteninhalt stützen lassen (Beschluss vom 26. Februar 2004 – BVerwG 6 B 55.03 – Buchholz 448.6 § 10 KDVG Nr. 1).
Das Gebot der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verlangt ferner, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Das Gericht darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Danach liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteile vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338; vom 25. Juni 1992 – BVerwG 3 C 16.90 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 68 und vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪208 f.≫). In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Darin liegt eine Verletzung des sachlichen Rechts. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass das Gericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt und seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten sowie den festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde gelegt hat (Urteile vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 5. Juli 1994 a.a.O.). Wenn das Gericht in seiner Entscheidung jedoch gewichtige Tatsachen oder Tatsachenkomplexe, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt, unerwähnt lässt, so spricht dies dafür, dass es den entsprechenden Tatsachenstoff entweder nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat. Der Überzeugungsbildung des Gerichts liegt dann nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugrunde (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O.).
Dem Kläger ist darin Recht zu geben, dass das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung äußerst knapp formuliert hat. Aus der Verweisung auf das erstinstanzliche Urteil lässt sich indessen entnehmen, dass das Berufungsgericht sich dessen Rechtsauffassung und dessen tatsächliche Würdigung zu eigen gemacht hat. Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem in seinem Urteil auf das Urteil des Senats vom 10. Dezember 1997 und damit auf die dort dargelegten Rechtsgrundsätze verwiesen. Daraus ergibt sich, dass es die Ansicht vertreten hat, dass die Niveaugleichheit der in Betracht kommenden Abschlüsse festzustellen ist. Die Niveaugleichheit setzt die Feststellung der Erfüllung der bereits dargestellten Anforderungen an die Ausbildung, die Bildungseinrichtungen, den Umfang der Ausbildung, die Struktur des Ausbildungsangebots sowie die Vergleichbarkeit der Verfahren zur Erlangung des Abschlusses voraus, die es erwarten lässt, dass auch bei der Aufnahme neuer beruflicher Betätigung im weiteren fachlichen Feld, in dem der Abschluss erworben wurde, nach geeigneten individuellen Bemühungen um die Beseitigung vorhandener Defizite eine erfolgreiche selbständige Einarbeitung – ggf. unter Anleitung – in die beruflichen Anforderungen stattfindet. Fehlt es bereits an den Kriterien der Niveaugleichheit der Ausbildung in dem dargelegten Sinne, kann dies danach nicht durch eigene Bemühungen um eine Beseitigung etwaiger Defizite ausgeglichen werden. Das entspricht auch der sonstigen Situation von “Autodidakten”: Wer die formalen Zugangsvoraussetzungen zu einem Beruf nicht erworben hat, kann dies nicht dadurch ausgleichen, dass er die für den Beruf erforderlichen fachlichen Anforderungen erfüllt.
Unter diesen Umständen brauchte der Vortrag des Klägers zu seinen Studien und Arbeiten im Urteil nicht eigens aufgeführt zu werden.
Erst recht war es nicht erforderlich, darüber Beweise zu erheben. Kam es nach der in diesem Zusammenhang allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf die Studien und Arbeiten des Klägers nicht an, so brauchte es sich darüber auch keine Gewissheit zu verschaffen.
Entscheidungsgründe
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Graulich
Fundstellen