Verfahrensgang

VG Berlin (Aktenzeichen 29 A 471.95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 214 250 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das angefochtene Urteil weicht nicht von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1. Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem Urteil vom 5. März 1998 (– BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140, S. 421) ab. Das Verwaltungsgericht hat nicht sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt, die Inanspruchnahme eines Grundstücks stelle bereits dann eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG dar, wenn das zur Begründung ausgeführte Vorhaben nicht den Vorschriften des Aufbaugesetzes und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften entspreche. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht ausdrücklich von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 1 Abs. 3 VermG aus, wonach die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit für die Annahme einer unlauteren Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) nicht ausreicht (UA S. 8). Jedoch könne eine Enteignung u.a. dann eine unlautere Machenschaft darstellen, wenn der wahrheitsgemäß angegebene Enteignungszweck offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, so dass die herangezogenen Normen nur den äußeren Schein der Gesetzmäßigkeit begründen sollten. Auch insoweit folgt das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urteil vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 41.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28 S. 57 ≪59 f.≫). Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Einzelfall zu dem Ergebnis gelangt, dass der wahrheitsgemäß angegebene Enteignungszweck offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte. Selbst wenn dies nicht zuträfe, läge darin keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Das von der Beschwerde genannte Urteil vom 5. März 1998 (– BVerwG 7 C 8.97 – a.a.O. ≪427≫) enthält im Übrigen nicht den Satz, eine offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckte Enteignung sei lediglich ein Rechtsanwendungsfehler, der für sich allein keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG begründe. Vielmehr wird ausdrücklich auf das Urteil vom 28. Juli 1994 (– BVerwG 7 C 41.93 – a.a.O.) Bezug genommen. Einen darüber hinausgehenden Rechtssatz enthält die von der Beschwerde herangezogene Passage nicht. Es kommt hinzu, dass es sich in dem durch das Urteil vom 5. März 1998 entschiedenen Fall um eine Enteignung zwecks Umbau eines Gebäudes zu einem Verwaltungsgebäude für den FDGB handelte. Das Verwaltungsgericht geht ausdrücklich davon aus, dass die Enteignung zum Bau eines Verwaltungsgebäudes für den FDGB zulässig gewesen wäre (vgl. UA S. 10). Die Enteignung eines Grundstücks, um darauf ein Einfamilienhaus zur Wohnraumversorgung eines Spitzenfunktionärs zu errichten, sei dagegen offensichtlich von keiner Rechtsgrundlage gedeckt gewesen.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,

ob die Inanspruchnahme eines Grundstücks bereits dann eine unlautere Maßnahme i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn das zur Begründung ausgeführte Vorhaben nicht den Vorschriften des Aufbaugesetzes und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften entspricht.

Die Beschwerde meint, diese Frage sei jedenfalls dann klärungsbedürftig, wenn sich ihre Beantwortung nicht bereits aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1998 (– BVerwG 7 C 8.97 – a.a.O.) ergebe. Die Frage lässt sich aber ohne weiteres anhand der vorliegenden, oben angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im verneinenden Sinne beantworten (vgl. auch Urteile vom 28. April 1999 – BVerwG 8 C 3.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 4 S. 9 ≪16≫ und vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6 S. 22 ≪27≫).

3. Es kann dahinstehen, ob ein Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß bezeichnet wird (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Jedenfalls liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. In Auslegung und Anwendung des Rechts der DDR ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Enteignung zu dem vorliegenden Zweck offensichtlich von keiner Rechtsgrundlage gedeckt war. Dies hat es im Einzelnen begründet. Selbst wenn dies unzutreffend sein sollte und das Verwaltungsgericht bei einer näheren Überprüfung des DDR-Rechts (u.a. durch Lektüre von DDR-Rechtsprechung und DDR-Rechtsliteratur) zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, läge darin keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Soweit die Beschwerde die Vernehmung von „sachkundigen Zeitzeugen” vermisst, verkennt sie, dass eine solche Vernehmung nur zur Ermittlung einer sich aus der Auslegung der Rechtsnormen nicht ergebenden Verwaltungspraxis in Betracht käme. Dass die Beigeladene zu 2 insoweit substantiierte Angaben gemacht und entsprechende Beweisanträge gestellt oder auch nur angeregt hätte, legt die Beschwerde nicht dar.

Selbst wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) rügen, liegt kein Verfahrensmangel vor. Das angefochtene Urteil ist kein Überraschungsurteil. Die Frage, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks für den wahrheitsgemäß angegebenen Zweck zulässig war, war erkennbar entscheidungserheblich. U.a. war sie vom Kläger sinngemäß angesprochen worden. So hat er in seiner Klagebegründung vom 18. September 1996 (VG-Akte, Bl. 20) die Auffassung vertreten, ein Machtmissbrauch liege darin, dass das „Vehikel des Aufbaugesetzes” für einen hochrangigen Funktionär angewandt worden sei. In seinem Widerspruchsbescheid vom 29. November 1995 hatte der Beklagte eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG mit der Begründung verneint, die Enteignungsmaßnahme sei nach den in der ehemaligen DDR geltenden Regelungen durchgeführt worden (vgl. Widerspruchsbescheid S. 9, Bl. 17 der VG-Akte). Für die Beigeladene zu 2 war daher ohne weiteres erkennbar, dass die Frage, ob die den Widerspruchsbescheid tragende Begründung richtig ist, im vorliegenden Klageverfahren entscheidungserheblich sein konnte. Es wäre daher ihre Sache gewesen, näher auszuführen, warum ihres Erachtens die Bestimmungen des DDR-Rechts beachtet wurden. Eines besonderen Hinweises des Gerichts bedurfte es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Krauß, Golze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI604779

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