Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 05.11.2008; Aktenzeichen 4 K 32/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 900,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, weil eine Grundsatzbedeutung bereits nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt worden ist.
Rz. 3
Die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Frage,
„ob mehrere kleine Ämter auf nachgeordneter Kreisebene für sich allein ein Vorschubleisten begründen können”,
bedarf schon deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits dahin geklärt ist, dass allein aus der Innehabung nachgeordneter (ehrenamtlicher) Parteifunktionen auf Kreisebene nicht hergeleitet werden kann, dass der Betreffende gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet hat (Urteil vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 3 C 39.05 – BVerwGE 127, 56 ≪59 ff.≫, Beschluss vom 1. August 2007 – BVerwG 5 B 148.07 – juris). Zudem würde sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren auch so nicht stellen. Denn das Verwaltungsgericht hat weder den Rechtssatz aufgestellt noch sich in der Sache darauf gestützt, dass die Innehabung mehrerer kleiner Ämter in der NSDAP auf nachgeordneter Kreisebene für sich allein ein Vorschubleisten begründen könne. Vielmehr hat es entschieden, dass der Großvater der Kläger „in der Gesamtschau seiner Tätigkeiten für, vor und während des Nationalsozialismus die Schwelle eines erheblichen Vorschubleistens, wie vom Ausschlussgrund vorausgesetzt, deutlich überschritten” habe (UA S. 12). Dabei hat es nicht nur auf die verschiedenen Ämter abgestellt, die der Großvater der Kläger innerhalb der NSDAP und ihren Gliederungen wahrgenommen hat, sondern unter anderem auch die Art und Weise ihrer Ausübung gewürdigt und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt.
Rz. 4
Die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„ob ein Parteieintritt bereits Ende 1930 als Kriterium für ein erhebliches Vorschubleisten i.S.v. § 1 Abs. 4 AusglLeistG angesehen werden kann”,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Auch diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Rahmen einer Einzelfallwürdigung, die das Verwaltungsgericht hier in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt hat, auch der Umstand des Parteieintritts im Jahre 1930 – jedenfalls dann, wenn der Parteibeitritt wie hier gewissermaßen der Auftakt für ein weiteres aktives Eintreten für die Ziele der NSDAP nach außen gewesen ist – als ein Gesichtspunkt für die Frage, ob das Verhalten des Betroffenen insgesamt die Schwelle zum erheblichen Vorschubleisten überschritten hat, berücksichtigt werden darf.
Rz. 5
Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zum einen zwar nicht allein aus der bloßen Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen hergeleitet werden kann, dass aber zum anderen bereits in der Phase der Errichtung und nicht erst nach der Etablierung des nationalsozialistischen Systems ein erhebliches Vorschubleisten möglich war (vgl. Urteile vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 – BVerwGE 123, 142; vom 23. Februar 2006 – BVerwG 3 C 22.05 – Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 6 und vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 3 C 39.05 – BVerwGE 127, 56 sowie zusammenfassend: Beschluss vom 1. August 2007 a.a.O.). Zudem ist in der Rechtsprechung geklärt, dass in Fällen, in denen eine Indizwirkung (vgl. dazu etwa Urteil vom 26. Februar 2009 – BVerwG 5 C 4.08 – NVwZ-RR 2009, 625) nicht eingreift, im Wege einer umfassenden Einzelfallwürdigung zu prüfen ist, ob die Unterstützungshandlungen des Betreffenden für das nationalsozialistische System den qualifizierten Anforderungen an die Erheblichkeit des Vorschubleistens genügen (Urteil vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 – BVerwGE 127, 236 ≪241≫; Beschlüsse vom 14. Januar 2008 – BVerwG 5 B 199.07 –, ZOV 2008, 99; vom 4. Juni 2009 – BVerwG 5 B 16.09 – juris Rn. 6). Dabei muss eine Tätigkeit für die NSDAP oder eine ihrer Gliederungen nicht notwendig hauptamtlich ausgeübt worden sein. Maßgeblich für die erforderliche umfassende Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles sind vielmehr zum einen der Umfang und die Dauer der Tätigkeit, die mit dem Amt oder seiner Funktion verbundenen Aufgaben und Befugnisse und der daraus resultierende Nutzen für das nationalsozialistische System (Urteil vom 14. Dezember 2006 a.a.O.). Zum anderen kommt es maßgeblich darauf an, wie der Betreffende sein Amt oder seine Funktion ausgeübt hat (Urteil vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 3 C 39.05 – BVerwGE 127, 56 ≪66≫; Beschluss vom 14. Januar 2008 a.a.O.). Gegebenenfalls kann auch erst eine Gesamtschau sämtlicher systemfördernder Handlungen die Annahme rechtfertigen, dass die Schwelle des erheblichen Vorschubleistens überschritten worden ist (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2006 a.a.O. ≪59≫ Rn. 21; Beschluss vom 13. November 2006 – BVerwG 5 B 33.06 – ZOV 2007, 179).
Rz. 6
Damit ist geklärt, dass für eine solche, mit einer umfassenden Einzelfallwürdigung verbundene Gesamtschau auch der Zeitpunkt des Eintritts in die NSDAP ein Kriterium – im Sinne eines Gesichtspunktes unter vielen – für ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG sein kann, wenn der Eintritt in einer Phase erfolgt ist, in der diese Partei noch um die „Machtergreifung” gekämpft hat. Das gilt insbesondere dann, wenn dieser Gesichtspunkt – wie hier – im Zusammenhang mit weiteren (zeitnahen) Aktivitäten des Betreffenden zugunsten des nationalsozialistischen Systems steht und zu würdigen ist. Für die Grundsatzrüge ist dabei unerheblich, dass entgegen der Darstellung der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 5) das Verwaltungsgericht zudem gerade nicht „allein das Datum des Eintritts in die NSDAP” als Entscheidungskriterium für ein Vorschubleisten angesehen hat. Vielmehr hat es diesen Gesichtspunkt im Zusammenhang gewürdigt mit der kurz nach dem Parteieintritt des Großvaters der Kläger erfolgten (Mit-) Gründung der NSDAP-Ortsgruppe W. und den darin von ihm ausgeübten Funktionen, mit denen eine „lebhafte propagandistische Tätigkeit …, die weit über das Ortsgruppengebiet hinausging und sich schließlich auf den Kreis erstreckte” verbunden gewesen sei (UA S. 11). Dem frühen Parteibeitritt komme – so das Verwaltungsgericht – deshalb besondere Bedeutung zu, „da sich der Großvater der Kläger damit zeitgleich nicht nur nach außen als Anhänger der Grundgedanken des Nationalsozialismus zu erkennen gegeben” habe, „sondern durch die Mitgründung seiner Ortsgruppe und der Übernahme zunächst im Dezember 1930 der Ämter des Schriftführers und des Pressewarts, 1931 dann des stellvertretenden Ortsgruppenleiters auf örtlicher Ebene an der Installierung bzw. Festigung dieses Unrechtssystems aktiv mitgewirkt” habe (UA S. 11).
Rz. 7
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Rz. 8
Als verfahrensfehlerhaft rügt die Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe in verschiedener Hinsicht ihrer Ansicht nach unzureichende Sachverhaltsfeststellungen getroffen (Beschwerdebegründung S. 5 – 9). Damit legt die Beschwerde einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dar. Ein solcher ist nämlich nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26; vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hieran fehlt es bereits insofern, als es die Beschwerde durchweg versäumt, Verfahrensvorschriften zu benennen, gegen die das Verwaltungsgericht verstoßen haben soll, so dass bereits unklar ist, welche konkreten Verfahrensverstöße sie rügen will.
Rz. 9
Soweit die Beschwerde mit dem Vorbringen, die Feststellungen des Verwaltungsgerichts seien unzureichend oder beruhten lediglich auf Vermutungen, jeweils Aufklärungsrügen (Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) hat erheben wollen, sind die so verstandenen Verfahrensrügen durchweg unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO entsprechend bezeichnet worden sind. Eine diesen Anforderungen genügende Sachaufklärungsrüge verlangt nämlich die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O.; vom 2. März 2007 – BVerwG 5 B 63.06 – juris). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde in keiner Weise gerecht.
Rz. 10
Auch soweit die Beschwerde sinngemäß die Rüge erheben wollte, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt entgegen den Anforderungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlerhaft gewürdigt (etwa mit den Einwänden, dass die verschiedenen Parteiämter des Großvaters der Kläger – u.a. mangels konkret nachgewiesener Unrechtshandlungen – die Annahme seiner Unwürdigkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht rechtfertigen könnten), hat sie damit einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt. Denn ihr Vorbringen richtet sich insoweit der Sache nach nicht gegen die verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Feststellung bestimmter Tatsachen, sondern gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist jedoch in revisionsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen (Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 Nr. 266; vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19), es sei denn – und dies legt die Beschwerde gerade nicht dar –, der gerügte Verstoß beträfe allein den Tatsachenbereich (Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271; Beschluss vom 9. März 2005 – BVerwG 8 B 103.04 – Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 32) oder bestehe in einer willkürlichen, etwa Denkgesetze verletzenden Würdigung.
Rz. 11
Soweit die Beschwerde mit ihrem Vorbringen die Würdigung des Verwaltungsgerichts der Sache nach als rechtsfehlerhaft (weil gegen § 1 Abs. 4 AusglLeistG verstoßend) angreifen will, verkennt sie, dass die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel des Verfahrens leidet, gerade vom materiellrechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen ist, auch wenn dieser Standpunkt – was hier nicht erkennbar ist – verfehlt sein sollte (stRspr., vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪119≫). Mit einem in das Gewand der Verfahrensrüge gekleideten Angriff gegen die Anwendung und Auslegung des materiellen Rechts lässt sich weder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz noch ein sonstiger die Zulassung der Verfahrensrevision rechtfertigender Verfahrensfehler dartun.
Rz. 12
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Dr. Störmer
Fundstellen