Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 13 LB 1198/01) |
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2001 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die beantragte Prozesskostenhilfe kann den Klägern nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Verletzung von Verfahrensrecht (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) sind nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die Beschwerde wirft im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht verneinten Gruppenverfolgung yezidischer Religionszugehöriger in Armenien die Frage auf, ob die Annahme eines Verfolgungsprogramms voraussetze, dass dieses unmittelbar darauf angelegt sei, alle Angehörigen der Minderheit in asylerheblichen Rechtsgütern zu verletzen, oder ob hierfür nicht auch eine mittelbare Verletzung einer Minderheit mit starker Intensität ausreiche, mit dem Ziel, diese dauerhaft zu unterdrücken. Sie zeigt aber auch nicht ansatzweise auf, inwieweit sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die für das Revisionsverfahren bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), die Frage nach einem staatlichen Verfolgungsprogramm überhaupt stellen würde. Denn für eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung der Yeziden durch den armenischen Staat gibt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, das insoweit in zulässiger Weise auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug nimmt, keinerlei Anhaltspunkte (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts, UA S. 10 f.). Auch die Beschwerde selbst beruft sich an anderer Stelle (Beschwerdebegründung S. 3, 4. Absatz) nur auf eine mittelbare staatliche Verfolgung, weil der armenische Staat bei Übergriffen gegen Yeziden grundsätzlich nicht schutzbereit sei. Im Übrigen sind die mit der Frage nach dem Vorliegen einer Gruppenverfolgung zusammenhängenden Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. etwa die Urteile vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 und vom 30. April 1996 – BVerwG 9 C 170.95 – BVerwGE 101, 123). Dies gilt auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine von privaten Dritten betriebene (Gruppen-)Verfolgung dem Staat als mittelbare (Gruppen-)Verfolgung zugerechnet werden kann (vgl. etwa Urteile vom 15. Mai 1990 – BVerwG 9 C 17.89 – BVerwGE 85, 139, 142 ff. und vom 24. Juni 1990 – BVerwG 9 C 46.89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 130; BVerwGE 80, 315, 335 und 83, 216, 235). Einen weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Auch die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG und § 86 Abs. 1 VwGO) genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Kläger zu ihrer individuellen Verfolgung in dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und erwogen, zeigt sie keine Umstände auf, die einen solchen Verfahrensverstoß ergeben. Den Gründen der Berufungsentscheidung lässt sich vielmehr entnehmen, dass das Berufungsgericht sich ausdrücklich mit diesem ergänzenden Vorbringen der Kläger im Berufungsverfahren auseinander gesetzt hat (BA S. 3 f.). Von einer Nichtberücksichtigung dieses Vortrags kann daher nicht gesprochen werden.
Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe in seiner Anhörungsmitteilung nach § 130 a VwGO lediglich auf die Rechtsprechung des Senats zur Gruppenverfolgung von Yeziden in Armenien hingewiesen, aber keinerlei Angaben über die Beurteilung des individuellen Verfolgungsvorbringens der Kläger gemacht, ist damit eine Gehörsverletzung ebenfalls nicht aufgezeigt. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Anhörung zum Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO unmissverständlich erkennen lässt, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu entscheiden beabsichtigt (Urteil vom 21. März 2000 – BVerwG 9 C 39.99 – BVerwGE 111, 69). Diesen Anforderungen genügte das Anhörungsschreiben des Berufungsgerichts, mit dem den Beteiligten die Absicht mitgeteilt wurde, „die Berufung im Beschlusswege zurückzuweisen”. Eines weitergehenden Hinweises auf die zu erwartende Beurteilung des individuellen Verfolgungsvorbringens der Kläger hätte es allenfalls dann bedurft, wenn diese für die Kläger aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs überraschend gewesen wäre. Hiervon kann vorliegend angesichts der Tatsache, dass sowohl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch das Verwaltungsgericht die Angaben der Kläger zu 1 und 2 über ihre Vorverfolgung als unglaubhaft angesehen haben, nicht die Rede sein.
Soweit die Beschwerde eine Gehörsverletzung darin sieht, dass das Berufungsgericht im Beschlusswege nach § 130 a VwGO entschieden hat, ohne den Klägern Gelegenheit zu geben, sich nochmals im Rahmen einer mündlichen Verhandlung den „tatsächlich nicht bestehenden Widersprüchen” des individuellen Verfolgungsvorbringens zu stellen, wird auch damit ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt. Ob das Berufungsgericht den ihm nach § 130 a VwGO eröffneten Weg der Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung beschreitet, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen hin überprüfbar ist (stRspr; z.B. Beschluss vom 10. April 1992 – BVerwG 9 B 142.91 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 5). Einen solchen Ermessensfehler legt die Beschwerde nicht dar. Das Berufungsgericht hat das individuelle Verfolgungsvorbringen der Kläger in Übereinstimmung mit dem Bundesamt und insbesondere in Übereinstimmung mit dem auf einer eingehenden persönlichen Anhörung der Kläger zu 1 und 2 beruhenden Urteil des Verwaltungsgerichts wegen zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten für unglaubhaft gehalten. Inwiefern bei dieser Sachlage zur Wahrung des rechtlichen Gehörs die Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung für die anwaltlich vertretenen Kläger nicht ausreichend gewesen und eine erneute persönliche Anhörung geboten gewesen sein sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich. Sie wendet sich in Wahrheit gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Würdigung des tatsächlichen Vorbringens der Kläger durch das Berufungsgericht. Darauf kann aber eine Gehörsrüge nicht gestützt werden.
Die Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß erhoben. Die Beschwerde macht zwar geltend, das Berufungsgericht hätte eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes dazu einholen müssen, ob der Kläger zu 1 in Armenien tatsächlich polizeilich gesucht wird und dass dies politisch motiviert ist. Sie legt aber nicht – wie erforderlich – dar, inwiefern sich dem Berufungsgericht ausgehend von seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung eine solche, von den Klägern selbst nicht beantragte Beweiserhebung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, obwohl sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem – unglaubhaften – Vorbringen der Kläger zu 1 und 2 noch aus dem von ihnen vorgelegten Dokument, dessen Echtheit das Berufungsgericht unterstellt hat, Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung ergaben.
Soweit die Beschwerde mit ihrem Vorbringen zur Gruppenverfolgung von Yeziden in Armenien sinngemäß auch rügen will, dass das Berufungsgericht nicht die hierzu beantragten weiteren Auskünfte oder Sachverständigengutachten eingeholt habe, führt dieses Vorbringen ebenfalls nicht auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Das Berufungsgericht hat die Einholung weiterer Sachverständigengutachten mit der Begründung abgelehnt, dass die bereits vorliegenden, in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel zur Beurteilung der Verfolgungslage ausreichten, und sich insoweit im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteil bezogen. Inwiefern dies prozessrechtlich zu beanstanden sein soll, legt die Beschwerde, die auf diese Begründung auch nicht ansatzweise eingeht, nicht dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Dr. Eichberger
Fundstellen