Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 12.07.2001; Aktenzeichen 2 S 2060/98)

 

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Gebührenbescheid der Beklagten vom 20. Oktober 1994 einen Gebührenanteil von 1 571,13 DM für Trichinenschaukosten enthielt. Insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Juni 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Juli 2001 unwirksam.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Juli 2001 zurückgewiesen.

Die Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen Kläger und Beklagte je zur Hälfte; die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 777,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beklagte hat den angefochtenen Gebührenbescheid aufgehoben, soweit darin ein Gebührenanteil für Trichinenschau enthalten war. Insoweit haben die Beteiligten – die Beklagte sinngemäß durch Mitteilung der Teilaufhebung – den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. In diesem Umfang ist das Verfahren daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen und sind die vorinstanzlichen Urteile gemäß § 269 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO für unwirksam zu erklären.

Die danach verbleibende Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von dem Kläger beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen bedürfen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs eindeutig geklärt sind.

Das gilt zunächst für die Frage, ob die Bundesländer selbständig in flächendeckender Form von den EG-Pauschalgebühren abweichen können oder ob diese Möglichkeit durch das Gemeinschaftsrecht ausschließlich dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland vorbehalten ist. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in einer ganzen Reihe von Entscheidungen ausgesprochen, es sei dem einzelnen Bundesland gestattet, gemäß der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG i.V.m. Anhang A Kap. 1 Nr. 4 Buchst. b flächendeckend und nicht nur für einzelne Betriebe von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen (vgl. zuletzt Urteil vom 18. Oktober 2001 – BVerwG 3 C 1.01 – UA S. 20). Der Ansicht des Klägers, nur die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat dürfe eine solche Regelung treffen, ist dadurch die Grundlage entzogen. Auch der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. September 1999 (Rs C-374/97 – „Feyrer”) ausgesprochen, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass das Gemeinschaftsrecht der Übertragung der Regelungskompetenz für eine Abweichung von den EG-Pauschalgebühren auf die Bundesländer nicht entgegensteht.

Ebenso geklärt ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage der „Herabzonung” des Referenzgebietes auf das einzelne Bundesland. In dem genannten Urteil vom 9. September 1999 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Frage der Kostendeckung nicht notwendigerweise auf das Gebiet des Mitgliedstaats bezogen sein muss, sondern dass das Gemeinschaftsrecht eine Regelung zulässt, die Gebühren bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten vorsieht (a.a.O., Tz 41). Die Versuche des Prozessbevollmächtigten des Klägers, trotz dieser völlig eindeutigen Aussagen noch einen Klärungsbedarf zu konstruieren, sind nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der in verschiedenen Facetten aufgeworfenen Frage einer zulässigen Rückwirkung der landesrechtlichen Gebührenvorschriften hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. Oktober 2001 (BVerwG 3 C 1.01) bereits festgestellt, dass das Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung kostendeckender Fleischbeschaugebühren vom Landesgesetzgeber rückwirkend durch den Erlass entsprechender Normen behoben werden konnte. Weder das Gemeinschaftsrecht noch das innerstaatliche Verfassungsrecht geben insoweit zu Zweifeln Anlass. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine überlange Rückwirkungsdauer von 7,5 Jahren rügt, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil vorliegend eine derart lange Rückwirkung nicht relevant geworden ist. Der angefochtene Gebührenbescheid betrifft den Januar 1994, so dass die Frage, ob sich bestimmte Normen Rückwirkung bis zum 1. Januar 1991 beilegen durften, hier keine Rolle spielt.

Nicht nachvollziehbar ist schließlich, welcher Klärungsbedarf sich aus der Rückwirkungsfrage einerseits und dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts andererseits ergeben soll. Da das Gemeinschaftsrecht unzweifelhaft den Mitgliedstaaten die Befugnis eingeräumt hat, von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen, kann eine Regelung, die die dafür gegebenen Voraussetzungen beachtet, den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht tangieren.

2. Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von den in der Beschwerde bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab.

Das gilt insbesondere für den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 1997 (BVerwG 3 NB 3.94). Die Aussagen dieses Beschlusses sind nicht nur zu einer gänzlich anderen Fassung der Richtlinie 85/73/EWG ergangen als das angefochtene Urteil. Inzwischen hat auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 1999 (Rs C 374/97 – „Feyrer”) für die spätere Fassung der Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten zur Übertragung der Abweichungskompetenz auf andere staatliche Ebenen und zur Herabzonung des Referenzgebiets anerkannt. Damit kann der seinerzeitige Beschluss des Senats nicht mehr als Grundlage einer Abweichungsrüge dienen.

Die gerügte Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 1996 (BVerwG 3 C 7.95 – BVerwGE 102, 39) liegt ebenfalls nicht vor, weil die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das neue Recht die Möglichkeit einer Kompetenzübertragung auf die Bundesländer eindeutig anerkannt hat. Auch im Übrigen gehen die erhobenen Abweichungsrügen offenkundig fehl.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO, soweit das Verfahren eingestellt worden ist; insoweit entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen ergibt sie sich für die Vorinstanzen aus § 155 Abs. 1 VwGO und für das Beschwerdeverfahren aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI838440

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