Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 6 K 1314/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 580 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die allein auf Verfahrensrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Sie legt weder eine fehlerhafte Ablehnung der Beweisanträge des Klägers noch eine sonstige Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO dar.
Rz. 3
Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Ablehnung der drei Beweisanträge des Klägers nicht begründet oder die Begründung jedenfalls nicht in das Sitzungsprotokoll aufgenommen, trifft nicht zu. Aus der vom Kläger nicht gerügten Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2008 ergibt sich, dass die Beweisanträge “wegen Entscheidungsunerheblichkeit abgelehnt” wurden und der Vorsitzende der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam diese Begründung näher erläuterte.
Rz. 4
Nach § 86 Abs. 1 VwGO bestand auch keine Verpflichtung, mindestens einem der Beweisanträge nachzugehen. Bei der Prüfung der Frage, ob die verlangte Beweiserhebung hätte durchgeführt werden müssen, ist von der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auszugehen. Danach waren die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich.
Rz. 5
Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung stellt das angegriffene Urteil für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der unlauteren Machenschaften nicht auf eine zutreffende oder auch nur vertretbare Anwendung der DDR-Vorschriften ab, deren Geltung und Wortlaut Gegenstand der beiden ersten Beweisanträge sind, sondern vielmehr darauf, wie § 10 des Verteidigungsgesetzes der DDR vom 20. September 1961 in der gelebten Rechtswirklichkeit der DDR verstanden und angewendet wurde. Danach stellte eine Grundstücksveräußerung im Vorfeld einer drohenden Enteignung für die Errichtung von Sperranlagen nach § 10 des Verteidigungsgesetzes keinen manipulativen Zugriff auf das “Mauergrundstück” dar. Denn die Veräußerung war ebenso wie die Enteignung von der Rechtsordnung der DDR in der Auslegung, die sie in deren Rechtspraxis gefunden hatte, gedeckt (zur Veräußerung vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 351 ff. und Beschluss vom 19. Dezember 2001 – BVerwG 8 B 130.01 – ZOV 2002, 55; zur Enteignung vgl. Beschlüsse vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33 S. 67 ff. und vom 19. Mai 2008 – BVerwG 8 B 109.07 – ZOV 2008, 171 f.).
Rz. 6
Auf die im dritten Beweisantrag angesprochenen Umstände und Ursachen der sogenannten Grenzzwischenfälle kam es nach der dargelegten materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht an. Es musste den Wahrheitsgehalt der Erklärungen der DDR-Organe zur Rechtfertigung der damaligen Rechtspraxis nicht überprüfen, weil nach seiner Auslegung des § 1 Abs. 3 VermG nur die Rechtspraxis selbst entscheidungserheblich war, nicht jedoch die Frage, ob sie wahrheitsgemäß begründet wurde oder hätte gerechtfertigt werden können. Die zu § 1 Abs. 3 VermG entwickelten Auslegungsgrundsätze gelten nach – zutreffender – Auffassung des Verwaltungsgerichts ungeachtet des Umstandes, dass die Sperranlagen sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR waren (vgl. Beschlüsse vom 19. Dezember 2001 – BVerwG 8 B 130.01 – und vom 19. Mai 2008 – BVerwG 8 B 109.07 –, jeweils a.a.O. und m.w.N.).
Rz. 7
Dem Verwaltungsgericht musste sich deshalb auch keine weitere, über die abgelehnten Beweisanträge hinausgehende Aufklärung der außenpolitischen und militärischen Situation der DDR, der historischen Funktion ihrer Grenzanlagen oder der damaligen Rechtfertigungsversuche aufdrängen. Soweit die Beschwerde die Auslegung des § 1 Abs. 3 VermG angreift und meint, diese stelle zu Unrecht auf willkürliches Handeln im Einzelfall ab, erhebt sie materiellrechtliche Einwände, die nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden können.
Rz. 8
2. Der Vorwurf einer Verletzung des § 108 Abs. 1 VwGO führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision, da kein Verfahrensmangel dargelegt wird.
Rz. 9
Grundsätzlich ist die Sachverhalts- und Beweiswürdigung Teil der materiell-rechtlichen Rechtsanwendung. Verfahrensfehler sind nur im Rahmen einer Indizienbeweisführung in Gestalt denkfehlerhafter Schlüsse von Hilfs- auf Haupttatsachen denkbar. Einen solchen Verstoß gegen Denkgesetze zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht einen denklogisch allein möglichen Schluss nicht gezogen hätte. Stattdessen stützt sie ihre abweichende Würdigung auf das Einbeziehen von Umständen, die nach der oben dargelegten verwaltungsgerichtlichen Auslegung des § 1 Abs. 3 VermG rechtlich irrelevant sind, aus deren historischer Betrachtung die Beschwerde aber eine dem Kläger günstigere Bewertung herleiten will.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Dr. Held-Daab
Fundstellen