Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzgrundstück. Bereitstellung von Ersatzgrundstücken durch die Gemeinde. kommunales Eigentum;. kommunale Grundstücke. kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Erbbaurecht. Fälligkeit des Bescheidungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zu Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 –.
Normenkette
VermG §§ 9, 21 Abs. 3, § 30a Abs. 1 S. 1; VwGO § 113 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 17. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Übereignung eines Ersatzgrundstücks an die Klägerinnen anstelle des diesen entzogenen und 1987/1988 von den Eheleuten G. redlich erworbenen Einfamilienhausgrundstücks.
Im Februar 1990 beantragten die Klägerinnen die Rückübertragung dieses in K. (Ortsteil Neue M.) belegenen Grundstücks. In einer Besprechung bei dem Beklagten am 4. Dezember 1991 erklärten sie, daß auch ein gleichwertiges Ersatzgrundstück in Betracht komme. Mit mehreren, nicht näher substantiierten Schreiben teilte die beigeladene Stadt K. Ende 1991 und Anfang 1992 mit, daß sie Ersatzgrundstücke nicht zur Verfügung stellen könne. Mit Bescheid vom 30. Januar 1992 lehnte das zuständige Vermögensamt den Antrag auf Rückübertragung des entzogenen Grundstücks ab und stellte fest, daß den Klägerinnen ein Entschädigungsanspruch zustehe; Art und Höhe der Entschädigung würden durch gesonderten Bescheid festgesetzt. Diesem Bescheid war ein Schreiben vom selben Tag beigefügt, in dem ausgeführt wurde, die Stadtverwaltung K. könne kein Ersatzgrundstück stellen. Der Beklagte habe daher zunächst einen Grundlagenbescheid erteilt; über die konkrete Form der Entschädigung werde noch gesondert entschieden. Den Widerspruch der Klägerinnen wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1996 zurück.
Mit der Klage haben die Klägerinnen zunächst ihr Begehren auf Rückübertragung weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 4. Januar 1999 haben sie die Klage zurückgenommen, soweit diese den Antrag auf Rückübertragung zum Gegenstand hatte. Die Klägerinnen haben nur noch beantragt, den Beklagten zu verpflichten, über die Übereignung eines Ersatzgrundstücks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beigeladene hat erklärt, sie habe für den Ortsteil Neue M. eine Liste aufgestellt, aus der sich ergebe, daß vergleichbare Grundstücke entweder mit Rechtsansprüchen nach dem Vermögensgesetz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz und Schuldrechtsanpassungsgesetz behaftet seien oder sich im Anlagevermögen der zu 100 % in ihrem Eigentum stehenden Städtischen Wohnungsbaugesellschaft befänden. Im übrigen vergebe sie seit 1993 und in Zukunft aufgrund entsprechender Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung bebaubare Grundstücke nur noch im Wege des Erbbaurechts.
Mit Urteil vom 17. Februar 1999 (ZOV 1999, 313) hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerinnen auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Entsprechend dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – (BVerwGE 107, 205) hätten die Klägerinnen einen Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks. Die Gemeinden müßten ihren Grundstücksbestand daraufhin überprüfen, welche Grundstücke sie dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen als Ersatzgrundstücke zur Verfügung stellen könnten. Die pauschale Auskunft der Beigeladenen genüge dieser Verpflichtung nicht. Es kämen Grundstücke im gesamten Stadtgebiet der Beigeladenen in Betracht; einzubeziehen seien sowohl vermietete Grundstücke als auch solche, die im Eigentum einer Eigengesellschaft zur Wohnungsversorgung stünden. Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse bestehe bei der Übereignung vermieteter Grundstücke nicht, wenn der neue Eigentümer auf eine Eigenbedarfskündigung verzichte. Die Vorgehensweise der Beigeladenen, alle kommunalen Baugrundstücke ausschließlich als Erbbaurechte zu vergeben, mißachte ihre auch gegenüber den Klägerinnen bestehende Verpflichtung nach § 9 VermG.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der die Verletzung materiellen Rechts bei der entscheidungstragenden Annahme, den Klägerinnen stehe ein Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks zu, geltend gemacht wird.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 17. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend sowohl von der Zulässigkeit der Klage (– 1. –) als auch von der fristgerechten Anmeldung des Anspruchs (– 2. –) ausgegangen und hat den Beklagten zu Recht zur Bescheidung des Antrags auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks gemäß §§ 9, 21 Abs. 3 VermG verpflichtet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; – 3. –). Auch die bei der Bescheidung zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts steht im wesentlichen mit Bundesrecht in Einklang; ergänzend gelten die Modifizierungen durch dieses Revisionsurteil (– 4. –).
1. Die Klage ist zulässig. Ihr stehen weder – wie der Beklagte meint – eine bestandskräftige Regelung der Art der Entschädigung noch das fehlende Vorverfahren bezüglich des allein noch streitigen Anspruchs auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks entgegen.
Der angefochtene Bescheid vom 1. September 1994 traf entgegen der Ansicht des Beklagten weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Entscheidung über den Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks, sondern stellte lediglich die Berechtigung des Klägers dem Grunde nach fest und hielt dessen Entschädigungsanspruch im übrigen einer späteren Regelung offen; deshalb hatte die ursprüngliche Klage auch nicht im Wege der Auslegung die Frage der Ersatzgrundstücksübereignung zum Gegenstand. Die Regelung in Ziffer 1 Satz 3 des Bescheides vom 30. Januar 1992, wonach Art und Höhe der Entschädigung durch gesonderten Bescheid festgesetzt würden, enthält nämlich angesichts der ausdrücklichen Offenhaltung der Entschädigungsart trotz des beigefügten, gerade nicht zum Bestandteil des Bescheids gemachten Begleitschreibens nicht mit der für den Betroffenen erforderlichen Eindeutigkeit zugleich eine Ablehnung des Antrags nach §§ 9, 21 VermG. Für den bereits im Dezember 1991 erstmals gestellten, somit unbeschiedenen Antrag auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks lagen danach die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) vor. Sollte hingegen das dem angefochtenen Bescheid beigefügte Begleitschreiben als Ablehnung des Ersatzgrundstücksanspruchs zu werten sein, würden sich sowohl der nicht eingeschränkte Widerspruch als auch der Widerspruchsbescheid – wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat – auch auf den Anspruch aus §§ 9, 21 VermG erstrecken, so daß dann aus diesem Grunde die Klage zulässig wäre.
2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht den Anspruch aus den §§ 9, 21 Abs. 3 VermG einer sachlichen Überprüfung unterzogen. Die Ausschlußfrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG steht dem im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entgegen, weil die Klägerinnen einen entsprechenden Anspruch hilfsweise schon im Dezember 1991 angemeldet haben (vgl. i.ü. zur Geltung der Antragsfrist bei Ansprüchen gemäß § 9 VermG: Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Bescheidung des – somit nicht verfristeten – Antrags auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks verpflichtet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Diese Vorgehensweise entspricht der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 –, a.a.O., S. 206 f.), der sich der erkennende Senat anschließt. Der wegen redlichen Erwerbs von der Restitution Ausgeschlossene hat danach grundsätzlich gemäß §§ 9, 21 Abs. 3 VermG einen Anspruch auf Überlassung eines Ersatzgrundstücks, wenn – erstens – ein in kommunalem Eigentum stehendes Grundstück im gleichen Stadt- oder Gemeindegebiet zur Verfügung steht und – zweitens – einer Eigentumsübertragung keine berechtigten Interessen entgegenstehen. Da die Ersatzgrundstücke dem Vermögen der Gemeinde entstammen, stehen sie für diesen Zweck angesichts des vom Vermögensgesetz respektierten Vorrangs der kommunalen Aufgaben der Gemeinden nicht ohne weiteres zur Verfügung (a.a.O. S. 209). Die generelle Verweigerung der Überlassung von zu Unrecht auf den Ortsteil Neue M. beschränkten Ersatzgrundstücken durch die Beigeladene im vorliegenden Verfahren mißachtet aber trotz des bestehenden weiten kommunalpolitischen Spielraums (vgl. Urteil vom 17. September 1998, a.a.O., S. 209 f.) die rechtliche Verpflichtung der Gemeinden (auch) gegenüber den Restitutionsberechtigten. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dies im Rahmen des Klageverfahrens gegen den Beklagten inzident überprüft und die Verweigerung durch die Beigeladene zutreffend gegen den geltend gemachten Anspruch nicht durchgreifen lassen. Zwar kann es sich neben den bereits in dem Urteil vom 17. September 1998 (a.a.O. S. 210) erwähnten Zielen im Rahmen zulässiger kommunalpolitischer Zwecksetzung halten, bei entsprechendem Bedarf in der jeweiligen Gemeinde etwa ein bestimmtes Kontingent von Mietwohngrundstücken in kommunalem Eigentum zu erhalten oder ein bestimmtes Kontingent von Grundstücken nur im Wege von Erbbaurechten zu vergeben. Eine generelle oder bedarfsunabhängige Verweigerung mißachtet jedoch die auch von der Gemeinde zu berücksichtigenden Rechte des Restitutionsberechtigten aus den §§ 9, 21 VermG und schließt deshalb den Anspruch auf Überlassung eines Ersatzgrundstücks nicht aus.
b) Da somit nicht feststeht, daß die Beigeladene bei gesetzesgemäßer Wahrnehmung und Prüfung ihrer Verpflichtung auch gegenüber den Klägerinnen kein in ihrem Eigentum stehendes, für kommunale Zwecke nicht benötigtes und daher „freies” Ersatzgrundstück zur Verfügung stellen kann, ist die Klage entgegen der Ansicht des Beklagten nicht abweisungsreif. Da andererseits auch nicht feststeht, ob bei der rechtlich gebotenen loyalen Mitwirkung der Beigeladenen ein vergleichbares Ersatzgrundstück zur Verfügung gestellt werden kann, ist die Sache insgesamt noch nicht spruchreif.
c) Angesichts des schon bei der Frage, ob ein Ersatzgrundstück zur Verfügung steht (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 VermG), bedeutsamen kommunalpolitischen, insbesondere auch planerischen Ermessens der Gemeinde und der daraus resultierenden Besonderheit dieses vermögensrechtlichen Anspruchs mußte das Verwaltungsgericht auch nicht selbst weiter ermitteln, ob die Beigeladene bei rechtmäßiger Handhabung ihrer Verpflichtung entgegen ihrer bisherigen pauschalen Stellungnahme „freie”, nicht für kommunale Zwecke gebundene Grundstücke besitzt; vielmehr durfte es deren unsubstantiierte pauschale Einlassung als Begründung dafür heranziehen, daß der Anspruch der Klägerinnen auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks bisher nicht erfüllt und deshalb der noch offene Antrag nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts durch den Beklagten zu bescheiden ist. Die entscheidende Tatbestandsvoraussetzung des hier streitigen vermögensrechtlichen Anspruchs – nämlich die Verfügbarkeit eines vergleichbaren Ersatzgrundstücks – ist nämlich durch eine Verschränkung von kommunalpolitischen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen geprägt. In dem Urteil vom 17. September 1998 (a.a.O.) ist insoweit zutreffend ausgeführt, daß die Verfügbarkeit etwaiger Ersatzgrundstücke davon abhängt, ob und in welcher Weise die Gemeinde im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung mit ihren Grundstücken bestimmte – vorrangige – Aufgaben verfolgt; dabei sind nicht nur bereits tatsächlich ausgeübte, sondern auch in Aussicht genommene künftige kommunale Nutzungen zu Lasten des Restitutionsberechtigten zu berücksichtigen. So wird etwa auch die plausibel belegte Vorhaltung von Grundstücken als Tauschobjekte für bestimmte kommunale Planungsvorhaben von dem weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Gemeinden noch abgedeckt sein. Die Gemeinden sind in dem gesteckten Rahmen so lange weitgehend frei, kommunalpolitische Erwägungen einzubringen, wie sie ihre grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur Überprüfung ihres Bestandes nicht von vornherein und generell negieren. Es ist deshalb nach der gesetzlichen Konstruktion dieses vermögensrechtlichen Anspruchs zunächst Sache des Beklagten – also des Vermögensamtes –, die Versagungsgründe der Gemeinde zu prüfen und im Rahmen der Bescheidung des Anspruchs zu berücksichtigen bzw. – falls die Verweigerung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt – gegebenenfalls mit Hilfe der Rechtsaufsicht auf die Gemeinde einzuwirken. Im gerichtlichen Streitfall führt die Inzidentüberprüfung des gemeindlichen Verhaltens (Urteil vom 17. September 1998, a.a.O., S. 211) deshalb – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – zur Bescheidungsverpflichtung.
4. Das angefochtene Urteil hat die von dem Beklagten bei der ihm auferlegten Bescheidung des Antrages zu beachtende Rechtsauffassung im wesentlichen im Einklang mit Bundesrecht formuliert (vgl. Urteil vom 17. September 1998, a.a.O., S. 215); soweit Ergänzungen veranlaßt sind, ergeben sie sich aus diesem Revisionsurteil.
a) Zu den in Betracht kommenden Ersatzgrundstücken in kommunalem Eigentum (§ 21 Abs. 3 VermG) zählen entgegen der offenbaren Auffassung der Beigeladenen alle Grundstücke im Gemeindegebiet, nicht lediglich die im engeren örtlichen Bereich des ursprünglich entzogenen Grundstücks gelegenen. Diese Annahme legt schon der Wortlaut des § 21 Abs. 3 Satz 1 VermG nahe. Denn dort ist von dem „gleichen Stadt- oder Gemeindegebiet” und nicht etwa von dem gleichen Stadt- oder Ortsteil die Rede.
b) In den Kreis der in Betracht kommenden Ersatzgrundstücke sind auch die im Eigentum von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften stehenden Grundstücke einzubeziehen; davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Der Wortlaut des § 21 Abs. 3 VermG steht dem nicht entgegen. „Kommunales Eigentum” in diesem Sinne muß nicht zwangsläufig als Bucheigentum verstanden werden. Vielmehr liegt es im Blick auf die Zielsetzung der Ersatzgrundstücksregelung nahe, den Begriff des kommunalen Eigentums in einem wirtschaftlichen Sinne dahin gehend zu verstehen, daß darunter jedenfalls auch der im Eigentum einer kommunalen Eigengesellschaft stehende Grundbesitz zu fassen ist. Für diese weite Auslegung spricht schließlich auch die Parallele zu § 7 Abs. 5 VermG. Danach steht der Ersatzanspruch – d.h. der Anspruch auf Wertausgleich für Investitionen gemäß § 7 Abs. 1 VermG – dem Entschädigungsfonds zu, wenn eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft gegenwärtiger Verfügungsberechtigter ist. Bei kommunaleigenen Kapitalgesellschaften ist Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Bestimmung auch die Gemeinde (vgl. Beschluß vom 24. März 1997 – BVerwG 3 B 200.96 – Buchholz 428 § 7 VermG Nr. 3). Diese Gleichstellung von Kommune und Eigengesellschaft wird mit § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG begründet, wonach Verfügungsberechtigter bei Kapitalgesellschaften deren unmittelbarer oder mittelbarer Anteilseigner ist; ferner damit, daß sich die Zuordnung von Ersatzansprüchen an den Entschädigungsfonds nach Belieben unterlaufen ließe, wenn die Übertragung des Vermögenswertes an eine Eigengesellschaft dieser das Recht auf den Ersatzanspruch verschaffen würde. Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise auch für den Anspruch aus § 9 i.V.m. § 21 Abs. 3 VermG. Dementsprechend stellt auch § 7 Abs. 5 VZOG Gebietskörperschaften und Kapitalgesellschaften, deren sämtliche Aktien oder Geschäftsanteile sich unmittelbar oder mittelbar in der Hand einer Gebietskörperschaft befinden, gleich.
c) Auch vermietete Grundstücke in kommunalem Eigentum sind – wie bereits dargelegt – nicht von vornherein aus dem Kreis der in Betracht kommenden Ersatzgrundstücke ausgeschlossen. Auch das hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt. Allerdings kann es sich – wie ebenfalls bereits erwähnt – im Rahmen des weiten kommunalpolitischen Spielraums der Gemeinden halten, ein bestimmtes Kontingent von Mietwohngrundstücken in kommunalem Eigentum zu erhalten oder kommunale Grundstücke in bestimmtem Umfang als Erbbaurechte zu vergeben, um insoweit auf den örtlichen Mieten- oder Grundstücksmarkt in bestimmter Weise zugunsten ihrer Bürger einzuwirken. Etwaige berechtigte Interessen der Mieter im Sinne von § 21 Abs. 3 Satz 1 VermG hat das Vermögensamt zu beachten. Diesen kann gegebenenfalls durch einen entsprechenden Verzicht des Restitutionsklägers auf die Eigenbedarfskündigung hinreichend Rechnung getragen werden. Auf diesem Wege würde der bei kommunalem Eigentum faktisch bestehende Schutz vor Eigenbedarfskündigungen verlängert werden; die darin liegende Besserstellung von Mietern eines Ersatzgrundstücks gegenüber Mietern eines gemäß § 3 VermG zu restituierenden entzogenen Grundstücks rechtfertigt sich wegen der für Ersatzgrundstücke insoweit besonderen gesetzlichen Regelung in § 21 Abs. 3 Satz 1 VermG.
d) Der Beklagte wird die etwaigen Versagungsgründe der Beigeladenen unter Berücksichtigung ihres sowohl gegenwärtige als auch künftige Nutzungsabsichten umfassenden weiten kommunalpolitischen Spielraums gegebenenfalls im Wege der Amtshilfe (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG – Brdbg) unter Einschaltung der Kommunalaufsicht zu überprüfen haben. Bei seiner Entscheidung wird er – wie bereits im Urteil vom 17. September 1998 (a.a.O., S. 215) ausgeführt – unter den zur Verfügung stehenden Grundstücken dasjenige auszuwählen haben, das unter dem Gesichtspunkt der vorhandenen Bausubstanz, der Lage und der tatsächlichen Nutzbarkeit dem entzogenen Grundstück wertmäßig möglichst nahekommt, um einen Wertausgleich nach § 9 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 4 VermG möglichst weitgehend zu vermeiden. Sollte wegen einer die Zahl der bereitgestellten Ersatzgrundstücke übersteigenden Zahl von Berechtigten eine personelle Auswahl erforderlich werden, kann neben den genannten Kriterien auch die Frage Bedeutung gewinnen, ob ein Berechtigter das Ersatzgrundstück persönlich nutzen will und diese Absicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.
e) Die Entscheidung des Beklagten einschließlich einer eventuell erforderlichen personellen Auswahl ist vorzunehmen, sobald die Beigeladene – gegebenenfalls mit Hilfe der Rechtsaufsicht – unter Berücksichtigung ihrer auch gegenüber den Klägerinnen bestehenden Verpflichtung aus §§ 9, 21 VermG angegeben hat, welche in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke nicht für die Erfüllung kommunaler Zwecke benötigt werden und deshalb zur Verfügung stehen. Das hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt. Die gegenteilige Auffassung (vgl. VG Potsdam ZOV 1999, 322 und VG Chemnitz ZOV 2000, 59) – es sei der Abschluß aller die Gemeinde betreffenden Restitutionsverfahren abzuwarten – trifft nicht zu. Denn der streitige Bescheidungsanspruch ist mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung fällig (vgl. § 271 BGB). Dem Vermögensgesetz als dem maßgeblichen materiellen Recht (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1989 – BVerwG 8 C 17.87 – BVerwGE 84, 157 ≪160≫ und vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 60.93 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 8) läßt sich keine abweichende Regelung entnehmen. Der Umstand, daß auch die Ansprüche auf Entschädigung in Geld gemäß § 1 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EntschG erst ab 1. Januar 2004 schrittweise wirtschaftlich realisiert werden können, zwingt nicht dazu, den Anspruch auf Stellung eines Ersatzgrundstücks ohne zeitliche Begrenzung bis zu einem Zeitpunkt hinauszuschieben, zu dem alle Restitutionsansprüche im Bereich der jeweiligen Gemeinde abgeschlossen sind. Diese Auffassung würde – ohne daß das Vermögensgesetz hierfür eine tragfähige Grundlage enthielte – die Verwirklichung des Anspruchs aus den §§ 9, 21 VermG von dem Verhalten Dritter (Gemeinden, Beteiligte anderer Verfahren, Vermögensämter, Gerichte) abhängig machen, auf die der Berechtigte keinerlei Einfluß hat. Gerade weil die Bescheidung aller Restitutionsansprüche aus einer Gemeinde noch einige Zeit auf sich warten lassen dürfte, verbieten die der Regelung zugrundeliegenden Gedanken eines sozialverträglichen Ausgleichs (Urteil vom 18. Mai 1995 – BVerwG 7 C 19.94 – BVerwGE 98, 261 ≪271 f.≫) und der realen Folgenbeseitigung (Urteil vom 17. September 1998, a.a.O., S. 214) ein derartiges Hinausschieben der Anspruchsverwirklichung. Deshalb sind die Gemeinden auch nicht – wie der Beklagte im Verhandlungstermin befürchtet hat – genötigt, Grundstücke hierfür in Reserve zu halten, was der Gesetzgeber ausdrücklich nicht vorgesehen hat (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 9) und sich überdies als unerwünschtes Investitionshemmnis auswirken würde.
Demgegenüber verlieren die Einwände gegen die sofortige Fälligkeit des Bescheidungsanspruchs an Gewicht. Zwar ist unübersehbar, daß die von den Restitutionsklägern ebenfalls kaum beeinflußbare Bearbeitungsreihenfolge und Bearbeitungsgeschwindigkeit der Vermögensämter und der Gerichte sich auf den Kreis der gegebenenfalls konkurrierenden Bewerber um Ersatzgrundstücke und damit zwangsläufig auch auf die tatsächlichen Erfolgschancen auswirkt. Diese Folge ist unvermeidbar. Sie wird aber dadurch gemildert, daß auch der Kreis der verfügbaren Ersatzgrundstücke nicht unverändert bleibt. Er muß sich nicht zwangsläufig zu Lasten derjenigen Berechtigten verkleinern, deren Fälle später entschieden werden. Vielmehr kann sich die Zahl verfügbarer Ersatzgrundstücke bei zeitlich später anstehenden Auswahlentscheidungen auch vergrößert haben, etwa weil ursprüngliche kommunalpolitische Planungen, die zu einer Bindung bestimmter kommunaler Grundstücke geführt hatten, inzwischen aufgegeben worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller ist wegen Krankheit an der Unterzeichnung verhindert. Krauß, Sailer, Krauß, Golze, Postier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2000 durch Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558357 |
VIZ 2000, 460 |
ZAP-Ost 2000, 399 |