Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäudeeigentum, selbständiges –. Klagebefugnis des Grundeigentümers gegen vermeintlich unrichtige Bestimmung des Gebäudeeigentümers. Adressat eines Verwaltungsakts. Drittschutz
Leitsatz (amtlich)
Hat die Behörde gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 2 Satz 1 EGBGB entschieden, dass Gebäudeeigentum entstanden ist und wem es zusteht, so fehlt es dem betroffenen Grundstückseigentümer, der nur die Feststellung angefochten hat, wem das Gebäudeeigentum zusteht, an der Klagebefugnis.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 2 b i.V.m. Vermögenszuordnungsgesetz
Verfahrensgang
VG Dresden (Entscheidung vom 29.03.2000; Aktenzeichen 11 K 3717/96) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 29. März 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren die Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion C. vom 28. Oktober 1996, in dem festgestellt wird, dass an dem dort näher bezeichneten Garagengebäude selbständiges Gebäudeeigentum der Beigeladenen entstanden ist. Die Kläger sind Eigentümer des Flurstücks, auf dem das Gebäude mit einer Teilfläche liegt.
Das Gebäude war in den Jahren 1968/69 von der LPG „N. D.” M. errichtet worden. Diese LPG schloss sich am 1. Januar 1973 mit anderen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zur Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion „S. S.” (KAP) zusammen. Nach Ansicht der Beklagten ist das Eigentum an dem streitgegenständlichen Gebäude im Jahre 1979 auf die aus der KAP entstandene LPG Pflanzenproduktion „S. S.” S. und nach deren Umwandlung im Jahre 1991 in die Agrargenossenschaft „S. S.” S. e.G. (die Beigeladene) auf diese übergegangen. Nach Ansicht der Kläger steht das Gebäudeeigentum hingegen der an dem Zusammenschluss vom 1. Januar 1973 ebenfalls beteiligten LPG Tierproduktion L. i.L. zu; die Zuordnung an die Beigeladene sei rechtswidrig und verletze sie (die Kläger) in ihren Rechten.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Oberfinanzdirektion C. vom 28. Oktober 1996 insoweit aufzuheben, als dort festgestellt wird, dass die Agrargenossenschaft „S. S.” S. e.G. Eigentümerin des Garagengebäudes mit Materiallager ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da die Kläger von der Entscheidung, wem das Gebäudeeigentum zustehe, nicht in eigenen Rechten betroffen sein könnten. Ungeachtet dessen sei die Klage jedoch auch unbegründet. Die Beigeladene sei Rechtsnachfolgerin in Hinblick auf das streitgegenständliche Gebäude. Im gleichen Sinne hat sich auch die Beigeladene geäußert.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Kläger könnten allenfalls in ihrem Eigentumsrecht (Art. 14 GG) verletzt sein. Dies sei jedoch nicht der Fall, denn durch die Feststellung der Beklagten gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 1 EGBGB, dass die Beigeladene Eigentümerin des Gebäudes geworden sei, ändere sich an der Eigentümerstellung der Kläger hinsichtlich ihres Flurstücks nichts. Ob der Beigeladenen – als Nutzerin – z.B. ein Ankaufsrecht oder die Bestellung eines Erbbaurechts hinsichtlich der Gebäudefläche gemäß § 15 Abs. 1 SachenRBerG zur Seite stehe, sei nämlich erst im Rahmen des Sachenrechtsbereinigungsverfahrens zu entscheiden. Hierbei könnten die Kläger auch etwaige Einwendungen oder Einreden nach den §§ 28 bis 31 SachenRBerG geltend machen. Deshalb könne offen bleiben, ob die Feststellung der Beklagten, die Beigeladene sei Eigentümerin des Gebäudes geworden, rechtmäßig sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Kläger begründen ihre Revision wie folgt:
Für die bevorstehende Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum sei es von großer Bedeutung, ob die Beigeladene oder die LPG L. i.L. Gebäudeeigentümerin sei. Im Falle einer Zusammenführung nach dem 8. Buch des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes habe die Neuordnungsbehörde eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der die Interessen der Beteiligten unter Beachtung agrarstruktureller Belange gegeneinander abzuwägen seien. Hierbei sei nicht unwichtig, ob ein werbendes landwirtschaftliches Unternehmen (wie die Beigeladene) oder eine nicht-werbende Gesellschaft (wie die LPG L. i.L.) Gebäudeeigentümerin sei. Die Chancen der Kläger, ihr Grundeigentum zu behalten, seien daher größer, wenn der angefochtene Bescheid aufgehoben und Gebäudeeigentum zugunsten der LPG L. i.L. festgestellt würde. Entsprechendes gelte bei einem etwaigen Verfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und vertieft ihr Vorbringen aus der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Den Klägern fehlt mangels eigener Rechtsbetroffenheit die Befugnis, gegen den angegriffenen Zuordnungsbescheid zu klagen (§ 42 Abs. 2 VwGO). Insoweit verletzt das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Klagebefugnis stillschweigend bejaht und die Klage als unbegründet, statt als unzulässig, abgewiesen hat, Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das ändert aber nichts daran, dass das Urteil sich im Ergebnis als richtig erweist und aufrecht zu erhalten ist (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat die von ihm mit der Revisionszulassung verknüpfte Frage, ob eine eventuell unrichtige Feststellung, wer Gebäudeeigentümer ist (Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 1 EGBGB), die jeweiligen Grundstückseigentümer in ihren Rechten verletze, zu Recht verneint. Dies entspricht dem Beschluss des erkennenden Senats vom 11. Mai 2000 – BVerwG 3 B 24.00 – (VIZ 2000, 663 = ZOV 2000, 409), in dem es heißt:
„Ist zu Lasten eines Grundstückseigentümers davon auszugehen, dass selbständiges Gebäudeeigentum zugunsten des früheren Nutzers entstanden ist, so wird die Rechtsposition des Grundstückseigentümers grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass die Zuordnung an einen anderen hätte erfolgen müssen (vgl. Urteil vom 21. Mai 1997 – BVerwG 3 C 31.96 – Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 13).”
Der Senat hält nach erneuter Überprüfung an dieser Rechtsprechung fest und kommt zu dem Ergebnis, dass es in Fällen dieser Art bereits an der Sachurteilsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.
Die Klagebefugnis verlangt von den Klägern die plausible Geltendmachung, durch den angegriffenen Bescheid in rechtlich relevanter Weise berührt zu sein. Durch das Erfordernis einer subjektiven Beschwer sollen Popularklagen und solche Klagen ausgeschlossen werden, mit denen außerrechtliche Interessen verfolgt werden. Eine solche Beschwer ist dann nicht gegeben, wenn die geltend gemachten Rechte unter Zugrundelegung des Klagevorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder den Klägern zustehen können, eine Verletzung subjektiver Rechte – trotz etwaiger objektiver Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes – somit nicht in Betracht kommt. Ob eine die Klagebefugnis begründende Rechtsposition anzuerkennen ist, beantwortet sich anhand der Rechtsnormen, auf denen der Verwaltungsakt beruht sowie ggf. solcher, deren Berücksichtigung zu Unrecht unterblieben ist. Dabei muss es sich um Normen handeln, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm zumindest auch den Individualinteressen des jeweiligen Klägers derart zu dienen bestimmt sind, dass dieser die Einhaltung des Rechtssatzes soll verlangen können (stRspr, vgl. Urteile vom 17. Juni 1993 – BVerwG 3 C 3.89 – BVerwGE 92, 313; Buchholz 451.74 § 10 Nr. 4 S. 4 sowie vom 3. August 2000 – BVerwG 3 C 30.99 – DVBl 2001, 563; NJW 2001, 909). Diese Voraussetzungen liegen bei den Klägern des hier zu entscheidenden Rechtsstreits nicht vor.
Allerdings wird die Klagebefugnis im Allgemeinen den Adressaten eines angegriffenen Verwaltungsaktes zugestanden (vgl. Urteil vom 26. Oktober 1995 – BVerwG 3 C 27.94 – Buchholz 451.74 § 18 Nr. 6; BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1997 – 2 BvL 55, 56/92 – BVerfGE 97, 49, 62 f.). Dies könnte zugunsten der Kläger sprechen, denn ihnen ist der Zuordnungsbescheid vom 28. Oktober 1996 – versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung – zugestellt worden, nachdem sie zuvor auch angehört worden waren. Wegen der Besonderheit des hier in Rede stehenden Regelungskomplexes können die Kläger gleichwohl nicht als Adressaten der von ihnen – allein – angefochtenen Feststellung, die Beigeladene sei Gebäudeeigentümerin, gelten. Der Bescheid enthält nämlich zwei selbständige „Regelungen” im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG: zum einen eine Regelung dahin gehend, dass „Gebäudeeigentum entstanden ist”, und zum anderen eine Regelung darüber, „wem es zusteht” (Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Dementsprechend lautet sein Ausspruch:
„Gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 2 EGBGB in Verbindung mit § 13 Abs. 2 LPG-Gesetz (1959) wird festgestellt, daßan dem vorgenannten Gebäude selbständiges Gebäudeeigentum entstanden ist.
Es wird festgestellt, daß die Agrargenossenschaft”S. S.„S. e.G. Eigentümerin des … genannten Gebäudes ist.”
Zweifellos sind die Kläger Adressaten hinsichtlich der ersten – nicht angefochtenen – Regelung. Diese greift in ihre Position als Grundstückseigentümer ein, indem sie die ohne sie gegebene Erstreckung des Eigentums an Grund und Boden auf das darauf befindliche Gebäude unterbindet. Vergleichbares gilt aber nicht für die zweite Regelung. Wie noch darzulegen sein wird, berührt dieser Verwaltungsakt die Kläger nur mittelbar-tatsächlich, ohne dass den zugrunde liegenden rechtlichen Bestimmungen eine hierauf zielende Absicht zu entnehmen wäre. Dies reicht trotz der Bekanntgabe des Bescheids zur Begründung einer Adressatenstellung nicht aus (vgl. Urteil vom 13. Oktober 1994 – BVerwG 7 C 15.94 – BVerwGE 97, 39, 41; Buchholz 113 § 4 Nr. 5).
Die die Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides bildende Bestimmung des Art. 233 § 2 b EGBGB ordnet bestimmten Genossenschaften kraft Gesetzes nutzungsrechtsloses Eigentum an Gebäuden zu, die sie auf fremden Grund und Boden errichtet haben. Ziel dieser durch Art. 8 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) eingeführten Regelung war es, den betroffenen Genossenschaften im Vorgriff auf die Sachenrechtsbereinigung eine Beleihungsgrundlage zu verschaffen, über die sie bis dahin mangels grundbuchlich gesicherter Nutzungsrechte an den betreffenden Grundstücken nicht verfügten (vgl. BTDrucks 12/2480 S. 79 sowie 12/2944 S. 46). Mit dieser Zielsetzung vereinbart sich die Annahme, die Regelung diene zumindest auch dem Interesse der Grundstückseigentümer an einer objektiv richtigen Festlegung des Gebäudeberechtigten, schon deshalb nicht, weil daraus resultierende Widerspruchs- und Klagerechte die Lösung der Liquiditätsprobleme der Genossenschaften erschwert bzw. verzögert hätten.
Gegen eine solche drittschützende Intention spricht nach Ansicht des Senats vor allem die vom Gesetzgeber in Fällen der vorliegenden Art eingeräumte Möglichkeit der Beteiligten, eine von den materiellrechtlichen Bestimmungen über den Vermögensübergang abweichende Bestimmung zu treffen, sofern dabei die Rechte anderer Zuordnungsberechtigter nicht verletzt werden (Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 2 EGBGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG). Die Grundstückseigentümer sind in Hinblick auf das auf ihren Grundstücken entstandene Gebäudeeigentum weder zuordnungsberechtigt, noch werden ihre Eigentumsrechte durch den zugunsten des – vermeintlichen – Gebäudeeigentümers ergehenden Zuordnungsbescheid „gestaltet” (vgl. Urteil vom 27. Juli 1995 – BVerwG 7 C 32.94 – Buchholz 428.2 § 2 Nr. 2). Sie sind insoweit am Einigungsverfahren nicht beteiligt und haben deshalb auch solche Vereinbarungen hinzunehmen, durch die das Gebäudeeigentum einem anderen als dem kraft Gesetzes Berechtigten zugesprochen wird. Ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf den „richtigen” Gebäudeeigentümer wäre damit unvereinbar.
Auch das von den Klägern angeführte Sachenrechtsbereinigungsgesetz und das Landwirtschaftsanpassungsgesetz sind nicht geeignet, die Annahme zu stützen, der Gesetzgeber habe den Grundstückseigentümern eine Rechtsposition einräumen wollen, in die – bei unstreitig bestehendem Gebäudeeigentum – durch eine unrichtige behördliche Feststellung des Gebäudeeigentümers eingegriffen werde. Ob die Kläger bei dem Bemühen, ihr streitbefangenes Grundstückseigentum nicht einzubüßen, Erfolg haben, hängt zwar maßgeblich vom Gebäudeeigentümer, insbesondere seiner Verhaltensweise und Interessenlage, ab. Eine daraus im Einzelfall resultierende vorteilhafte Situation ist jedoch nicht Ausfluss einer normativ beabsichtigten Privilegierung der betreffenden Grundstückseigentümer. Die Frage, welchen Gebrauch der Gebäudeeigentümer von seinen Rechten macht, betrifft nur die mittelbar-tatsächlichen Folgen einer Gebäudeeigentümerbestimmung und strahlt auf die Grundeigentümer nur reflexhaft als Chance oder Risiko aus. Die eigentliche Rechtsposition der Kläger ist unabhängig von der jeweiligen Identität der Gebäudeeigentümer, denn die mit dem Gebäudeeigentum verbundenen Rechte stehen prinzipiell allen Gebäudeeigentümern unterschiedslos zu. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob als Gebäudeeigentümerin eine in Liquidation befindliche oder eine operativ tätige Genossenschaft in Frage kommt. Selbst wenn im Sinne der Kläger einer LPG i.L. das Gebäudeeigentum zugeordnet worden wäre, hätten sie dessen Übertragung an ein aktives Unternehmen und die damit verbundene Verschlechterung ihrer Chance auf Behalt des Grundstücks nicht verhindern können. Das um das Gebäudeeigentum entleerte Grundeigentum erweist sich somit insgesamt als eine Rechtsgrundlage, aus der ein Abwehrrecht gegen eine vermeintlich unrichtige Festlegung des Gebäudeeigentümers nicht herzuleiten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2001 durch Dallügge Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BuW 2001, 783 |
NJ 2001, 558 |