Entscheidungsstichwort (Thema)
Fernmeldeobersekretärin. kinderreiche Familie. Alleinverdienerin. keine Dienstunfähigkeit im streitbefangenen Zeitraum. vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst im Zeitraum von rund neun Monaten. Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst
Normenkette
BBG § 54 S. 1, § 73 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 19.06.2002; Aktenzeichen XVIII VL 12/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XVIII – … –, vom 19. Juni 2002 im Disziplinarmaß aufgehoben.
Die Fernmeldeobersekretärin … wird aus dem Dienst entfernt.
Ihr wird ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von zwölf Monaten bewilligt.
Die Beamtin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I.
1. In dem ordnungsgemäß eingeleiteten Disziplinarverfahren hat der Bundesdisziplinaranwalt die am … in … geborene Beamtin angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass sie
1. in der Zeit vom 28. August 1999 bis 14. Dezember 1999, vom 8. bis 12. Mai 2000, vom 29. bis 31. Mai 2000, vom 21. September 2000 bis 14. Februar 2001 und vom 5. bis 9. März 2001 ungenehmigt dem Dienst ferngeblieben ist und
2. Anordnungen für anberaumte ärztliche Untersuchungstermine (30. Oktober und 5. Dezember 2000) unbeachtet gelassen hat.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch das mit der Berufung angegriffene Urteil vom 19. Juni 2002 ein schuldhaftes Dienstvergehen im angeschuldigten Umfang als erwiesen angesehen und die jeweiligen Dienstbezüge der Beamtin um ein Dreißigstel auf die Dauer von sechzig Monaten gekürzt.
a) Das Bundesdisziplinargericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Die Beamtin hat das in folgenden Einzelverfehlungen liegende Dienstvergehen begangen:
1. Schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst
a) Fehlzeitraum vom 28. August 1999 bis 14. Dezember 1999
Die Beamtin war in der Zeit vom 9. August bis 27. August 1999 nach den Attesten des Allgemeinmediziners Dr. med. B.… dienstunfähig erkrankt. Seit dem 28. August 1999 blieb sie dem Dienst bis zum 14. Dezember 1999 unentschuldigt fern, und obwohl sie mit Schreiben der Niederlassung D.… vom 27. September 1999 aufgefordert wurde, innerhalb einer Woche die fehlenden Atteste vorzulegen und auf die besoldungsrechtlichen Konsequenzen bei deren Nichtvorlage hingewiesen wurde, kam die Beamtin dieser Aufforderung nicht nach. Des Weiteren schrieb der die Beamtin betreuende betriebliche Sozialberater, der Zeuge F.…, sie am 15. Oktober 1999 an und bat sie dringlich um Einreichung der fehlenden Atteste. Die Beamtin reagierte hierauf mit einem Antwortschreiben, in dem sie Ausführungen zu ihrer allgemeinen und gesundheitlichen Situation machte und ärztliche Atteste in Aussicht stellte. Mit Schreiben vom 5. November 1999 wurde sie von der Niederlassung erneut aufgefordert, ihre Dienstunfähigkeit durch Atteste zu belegen. Gleichzeitig wurde sie auf die disziplinarrechtlichen Konsequenzen einer Verweigerung hingewiesen. Am 24. November 1999 ging bei dem Niederlassungsleiter ein Schreiben der Beamtin, datiert auf den 16. November 1999, ein, in dem sie für ihr Verhalten um Entschuldigung bat. Sie führte aus, Depressionen gehabt zu haben und außerdem in der 25. bis 26. Woche mit ihrem … Kind schwanger zu sein. Gleichzeitig kündigte sie die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Arztes an und bat um Nachsicht in Bezug auf die angekündigte Einbehaltung ihrer Dienstbezüge.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 1999 wurde für den Zeitraum vom 28. August 1999 bis 14. Dezember 1999 der Verlust ihrer Dienstbezüge gemäß § 9 BBesG festgestellt.
Der die Beamtin behandelnde Arzt, Dr. B.…, hat in seiner Vernehmung vom 21. September 2000 ausgesagt, dass ihn die Beamtin am 19. August 1999 und dann erst wieder am 15. Dezember 1999 in der Praxis aufgesucht habe. Er könne keine Angaben dazu machen, ob sie in dem in Rede stehenden Zeitraum dienstunfähig erkrankt gewesen sei, da zur Beurteilung dessen der damalige konkrete Zustand entscheidend gewesen wäre. Die Beamtin habe keine Thrombose, sondern venöse Beschwerden gehabt, aus denen jedoch per se keine Dienstunfähigkeit herzuleiten gewesen sei. Er könne nicht nachvollziehen, dass die Beamtin seine Praxis angeblich nicht hätte aufsuchen können. Erforderlichenfalls hätte er einen Hausbesuch gemacht, wenn die Beamtin nicht hätte gehen können. Insgesamt sei die Beamtin – so seine Einschätzung – mit der Frage der Krankschreibung sehr “leichtfertig umgegangen”.
Die Beamtin hat in ihrer Vernehmung vom 3. August 2000 – und vor der erkennenden Kammer des Bundesdisziplinargerichts – ihr Fehlverhalten eingeräumt, jedoch vorgebracht, für den fraglichen Zeitpunkt dienstunfähig erkrankt gewesen zu sein. Sie hat dargelegt, dass sie die erneute Schwangerschaft physisch und psychisch stark belastet habe. Sie könne ihr damaliges Verhalten nicht anders erklären. Ihren Arzt habe sie bei der letzten Konsultation am 19. August 1999 nicht über die bestehende Schwangerschaft und ihre psychischen Beschwerden informiert, da sie zu diesem Zeitpunkt die Schwangerschaft immer noch aus dem Bewusstsein zu verdrängen versucht habe. Sie habe seit 1994 eine Schilddrüsenunterfunktion mit Herz- und Kreislaufproblemen und Übergewicht. Einem operativen Eingriff würde sie sich aber derzeit nicht unterziehen wollen. Außerdem leide sie an einer Thrombose im rechten Bein. Vor dem Bundesdisziplinargericht hat sie dann richtig gestellt, dass es sich um eine Arthrose handele. Zum Zeitpunkt ihrer Krankschreibung vom 9. August bis 27. August 1999 habe sie unter Kreislaufbeschwerden und Wasser im Körper, insbesondere in den Händen und Beinen, gelitten. Einen Psychotherapeuten bzw. einen anderen Arzt habe sie im fraglichen Zeitraum nicht aufgesucht. Sie sei seinerzeit nicht gut drauf gewesen, habe allerdings das Minimum, also die Versorgung ihrer Kinder, geleistet, ansonsten aber ihren “Hintern nicht hoch gebracht”, um irgend etwas Vernünftiges zuwege zu bringen, besonders also, sich ärztliche Atteste ausstellen zu lassen oder zum Dienst zu erscheinen, obwohl sie “immer gern” bei der Post gearbeitet habe. So sei es ihr zum Beispiel – trotz Kritik ihres Mannes – auch “piepegal” gewesen, ob ihre Haare bis in die Kniekehlen gereicht hätten u.s.w.
Die Behauptung der Beamtin, sie sei für den in Rede stehenden Zeitraum dienstunfähig erkrankt gewesen, ist nach der Überzeugung der erkennenden Kammer des Bundesdisziplinargerichtes widerlegt. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass die Beamtin für den in Rede stehenden Zeitraum 28. August 1999 bis 14. Dezember 1999 letztmalig am 19. August 1999 ihren behandelnden Arzt, nämlich Dr. B.…, in seiner Praxis aufgesucht hat. Erst am 15. Dezember 1999 wurde sie erneut in seiner Praxis wieder vorstellig. Dies ist unstrittig und ergibt sich eindeutig auch aus der Aussage des Zeugen Dr. B.… in seiner Vernehmung vom 21. September 2000. Das Nichtaufsuchen eines Arztes über annähernd vier Monate ist zwingend als Indiz dafür zu werten, dass bei der Beamtin eine Krankheit nicht vorgelegen hat, die die Annahme einer Dienstunfähigkeit gerechtfertigt hätte. Die Notwendigkeit der Abklärung von anhaltenden Gesundheitsbeschwerden drängt sich bei jedem ernsthaft in seiner Gesundheit beeinträchtigten Menschen schon aufgrund eines Eigeninteresses geradezu auf. Nimmt er in dieser Situation keine professionelle Hilfe in Anspruch, dann kann der Grad seiner Beeinträchtigung von nicht so erheblicher Bedeutung sein, dass er nicht in der Lage ist, seinen Dienst zu verrichten.
Auch unter dem Aspekt, dass der Beamtin vom 9. August 1999 bis einschließlich 27. August 1999 von dem Zeugen Dr. B.… eine Dienstunfähigkeit bescheinigt worden ist, ergibt sich keine andere Sichtweise, die für eine Dienstunfähigkeit der Beamtin über diesen Zeitpunkt hinaus spricht, ungeachtet der Tatsache, dass der objektive Aussagewert von Privatattesten ohnehin fraglich ist. Der Zeuge Dr. B.… hat in seiner Vernehmung vom 21. September 2000 klar bekundet, dass ursächlich für die Annahme der Dienstunfähigkeit der Beamtin für den Zeitraum bis 27. August 1999 Kreislaufbeschwerden sowie Beschwerden aufgrund ihres Übergewichts gewesen seien. Hinzu seien auch psychische Probleme getreten, da die Beamtin neben ihrem Ehemann ihre … Kinder habe versorgen müssen. Dabei muss aber auch im Auge behalten werden, dass ihr Ehemann “Hausmann” war und ist und damit eine Aufsichts- und Bezugsperson für die Kinder ständig vorhanden war.
Da sich allerdings für die Beamtin über vier Monate hinweg nicht die Notwendigkeit stellte, ihren behandelnden Arzt aufzusuchen, muss bei lebensnaher Betrachtung des Sachverhalts daraus geschlossen werden, dass die für den Zeitraum vom 9. August 1999 bis 27. August 1999 diagnostizierten Gesundheitsstörungen die Beamtin nicht weiter beeinträchtigt haben. Dies um so mehr, als bei ihr seit Mitte Juni 1999 eine Schwangerschaft bestand, bei der es sich schon ganz allgemein aufdrängt, ärztlichen Beistand zu suchen, insbesondere dann, wenn – wie behauptet – sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen.
Ein Grund für die vermeintliche Dienstunfähigkeit der Beamtin kann auch nicht in Schwangerschaftsproblemen bestanden haben. Die Beamtin war seit Mitte Juni 1999 schwanger. Ihren behandelnden Arzt hat sie allerdings über diese Schwangerschaft erst am 15. Dezember 1999 in Kenntnis gesetzt. Bei ihrem letzten Praxisbesuch am 19. August 1999 hat sie trotz ihrer angeblich vorliegenden und ihre Dienstunfähigkeit auslösenden Erkrankung hierüber keine Angaben gemacht. Da ihre angeblichen Probleme gerade zu diesem Zeitpunkt nach ihrer Darstellung akut gewesen sind, ist kein vernünftiger Grund erkennbar, warum sie diese Wesentlichkeit ausgerechnet ihrem Arzt, mithin einer Vertrauensperson, nicht mitgeteilt hat. Diese Verhaltensweise der Beamtin spricht eindeutig dafür, dass es sich bei ihr nicht um gravierende körperliche und psychische Beeinträchtigungen gehandelt haben kann, da nach menschlichem Ermessen jede Mutter – auch wenn die ungewollte Schwangerschaft sie psychisch und physisch belastet – sich bei massiven körperlichen Beeinträchtigungen ihrem Arzt auf jeden Fall offenbaren würde, allein schon um ihr Kind vor möglichen Schäden zu bewahren, was auch bei laienhafter medizinischer Sicht sehr schnell durch Anwendung nicht schwangerschaftstauglicher Medikamentation eintreten könnte.
Auch handelt es sich bei der von der Beamtin vorgetragenen psychischen Belastung durch die Schwangerschaft, die sich darin geäußert haben soll, dass sie sich “irgendwie geschämt habe, mit … Jahren ein Kind zu bekommen” und das Gefühl gehabt habe, nur noch einen Wert zu haben, um Kinder zu bekommen und darum “sich am liebsten nur zu Hause aufgehalten und wie in ein Schneckenhaus zurückgezogen” habe, um eine nicht sehr gewichtige Aussage. Wie sie selbst ausführte, war sie nicht gänzlich apathisch oder “habe die Decke angestarrt”, sondern habe durchaus sich selbst, ihren Mann und ihre Kinder versorgen können. Dies ist auch ihrem Anschreiben an den Sozialbetreuer der Einleitungsbehörde, den Zeugen F.…, zu entnehmen, in dem sie ihre finanziellen Interessen zu vertreten weiß. Insoweit lag bei der Beamtin keine reaktive Depression mit schwersten Ausfallerscheinungen vor, die sie äußerlich erkennbar in tiefste Teilnahmslosigkeit versetzt hat. Damit lag nach der Überzeugung der erkennenden Kammer kein absolutes “Nicht-Können” hinsichtlich der Erfüllung ihrer Dienstpflichten, sondern vielmehr eher ein “Nicht-Wollen” vor. Dies wird auch von dem Zeugen Dr. B.… bestätigt, der das Vorliegen einer Suizidgefahr oder vergleichbare Risiken bei der Beamtin verneint hat.
Auch subjektiv war der Beamtin bewusst, dass sie nicht berechtigt gewesen ist, ohne Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Befundes dem Dienst fernzubleiben. Dies geht zum einen aus ihren zuvor genannten Schreiben hervor, in denen sie ausdrücklich darauf hinweist, dass ihr Verhalten nicht richtig sei; zum anderen daraus, dass sie mehrfach schriftlich aufgefordert wurde, entsprechende Atteste vorzulegen bzw. ihren Dienst aufzunehmen, wodurch ihr ihre korrekten Verhaltenspflichten immer wieder klar vor Augen geführt wurden.
Nach Würdigung aller Indizien und unter Ausschluss vernünftiger Zweifel steht fest, dass die Beamtin in dem in Rede stehenden Zeitraum dienstfähig gewesen ist und damit schuldhaft ihrem Dienst ferngeblieben ist.
b) Fehlzeitraum von Montag, dem 8. Mai 2000, bis Freitag, dem 12. Mai 2000
Nach weiteren Dienstunfähigkeiten und nach Ablauf der Mutterschutzfrist (6. Mai 2000) für das am … geborene Kind …, unterließ es die Beamtin am Montag, dem 8. Mai 2000 wieder ihren Dienst aufzunehmen. Gründe, warum sie an der Dienstaufnahme gehindert gewesen war, teilte sie nicht mit. Stattdessen legte sie zu einem späteren Zeitpunkt ein ärztliches Attest, ausgestellt von Herrn Dr. B.… am 16. Mai 2000, vor, in dem ihr Dienstunfähigkeit vom 15. Mai bis 26. Mai 2000 bescheinigt wurde.
Der Verlust der Dienstbezüge der Beamtin für den Zeitraum vom 8. Mai bis 14. Mai 2000 wurde mit Verfügung vom 29. Mai 2000 förmlich festgestellt.
Die Beamtin räumt zu ihrer Entlastung ein, dass sie irrtümlich angenommen hätte, der Mutterschutz habe erst am 13. Mai 2000 geendet. Bei der Einlassung der Beamtin handelt es sich um eine Schutzbehauptung. Nach lebensnaher Betrachtung des Sachverhalts hätte ein Blick in den Kalender und eine einfache Berechnung der achtwöchigen Schutzfrist ausgereicht, um auf das zutreffende Datum des Dienstbeginns zu kommen – insbesondere, wenn man vorher schon … Kinder geboren hat. Auch ein kurzer Anruf in der Dienststelle hätte bei noch bestehenden Unsicherheiten die notwendige Klarheit gebracht. Der behauptete Irrtum war für die Beamtin mithin vermeidbar. Darüber hinaus war es nicht das erste Mal, dass die Beamtin sich bei den Daten ihrer Dienstaufnahme geirrt haben will. Schon im Jahre 1995 blieb sie ohne Vorlage eines ärztlichen Attestes dem Dienst fern. Auch zum damaligen Zeitpunkt berief sie sich zu ihrer Entlastung darauf, sich bei der Zeitdauer ihrer Krankschreibung geirrt zu haben.
Auch aus den vor und nach dieser Fehlzeit ausgestellten ärztlichen Attesten des Zeugen Dr. B.… kann ebenfalls nicht der Rückschluss auf eine Dienstunfähigkeit der Beamtin für diesen Zeitraum gezogen werden, da sie eben einen ganz bestimmten Zeitraum definieren. Auf die konkrete Frage führte der Zeuge nämlich aus, dass die Kriterien für die Dienstunfähigkeit eines Patienten sehr unterschiedlich seien und sich nicht nur in körperlichen Beschwerden äußern würden. Als Arzt müsse er auch die psychischen und subjektiven Befindlichkeiten berücksichtigen. Diese hingen von sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten wie z.B. der Konstitution, der Tätigkeit und der beruflichen Stellung der Betroffenen ab.
Die Beamtin ist für den Zeitraum vom 8. Mai 2000 bis 12. Mai 2000 ihrem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben.
c) Fehlzeit von Montag, dem 29. Mai 2000, bis Mittwoch, dem 31. Mai 2000
Eine ärztlich bescheinigte Dienstunfähigkeit, ausgestellt von Herrn Dr. B.…, lag für den Zeitraum vom 15. Mai bis 26. Mai 2000 vor. Mithin hätte die Beamtin am Montag, den 29. Mai 2000 ihren Dienst wieder aufnehmen müssen, was sie unterließ. Gründe für ihr Nichterscheinen wurden von ihr nicht mitgeteilt.
Für diesen Zeitraum wurde ebenfalls der Verlust der Dienstbezüge förmlich festgestellt.
Die Beamtin wendet ein, dass sie ihren Hausarzt Dr. B.… am Montag, den 29. Mai 2000, nicht habe aufsuchen können, da sie nicht habe gehen können. Sie habe mit ihrem Arzt telefoniert, der allein deswegen natürlich keinen Hausbesuch habe machen wollen. Dieser habe sie für den nächstmöglichen Termin bestellt, an dem es ihr wieder körperlich möglich gewesen wäre, ihn aufzusuchen. Andere Möglichkeiten hätten sich für sie nicht ergeben. Ihr ältester Sohn habe zu diesem Zeitpunkt noch keinen Führerschein gehabt und sei bis zum späten Nachmittag in der Schule gewesen. Auch ihr Ehemann sei nicht in der Lage gewesen, sie zum Arzt zu bringen, da er die Kinder habe beaufsichtigen müssen.
Die Einlassungen der Beamtin sind widerlegt durch die Aussage ihres behandelnden Arztes, des Zeugen Dr. B.… Der Zeuge hat in seiner Vernehmung vom 21. September 2000 ausgesagt, dass die Beamtin unter venösen Beschwerden litt, keinesfalls aber unter einer Thrombose. Allerdings seien venöse Beschwerden keine Krankheit, aus denen eine Dienstunfähigkeit herzuleiten sei. Er könne auch nicht nachvollziehen, dass die Beamtin zeitweilig nicht habe in seine Praxis kommen können, weil sie nicht habe gehen können und sie niemand gefahren habe. Er hätte einen Hausbesuch gemacht, wenn die Patientin nicht hätte gehen können. Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit des Zeugen zu zweifeln, bestehen für die erkennende Kammer nicht.
d) Fehlzeit vom 21. September 2000 bis 14. Februar 2001
Nachdem die Beamtin vom 7. August 2000 bis 31. August 2000 Dienste verrichtete, erkrankte sie erneut und legte ärztliche Dienstunfähigkeitsatteste, ausgestellt von Dr. B.…, bis einschließlich 20. September 2000 vor. Sie nahm ihren Dienst am 21. September 2000 aber nicht auf. Gründe hierzu wurden von ihr auch nicht mitgeteilt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2000 wurde sie aufgefordert, unverzüglich ein ärztliches Attest vorzulegen. Ein ärztliches Attest wurde aber erst für den Zeitraum ab 15. Februar 2001 vorgelegt.
Nachdem die Beamtin keine Reaktion zeigte, wurden ihr mit Verfügung vom 16. Oktober 2000 die Bezüge gemäß § 9 BBesG ab dem 21. September 2000 einbehalten.
e) Fehlzeit vom 5. März 2001 bis 9. März 2001
Nachdem die Beamtin für den Zeitraum vom 15. Februar 2001 bis 23. Februar 2001 eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung, nunmehr ausgestellt von Dr. … W.…, und für den Zeitraum vom 26. Februar 2001 bis 2. März 2001, ausgestellt von dem Vertreter von Frau Dr. W.…, Dr. … F.…, vorlegte, fehlte sie erneut vom 5. März 2001 bis einschließlich 9. März 2001 ohne Angabe von Gründen bzw. ohne Vorlage eines Attestes. Für den Zeitraum vom 10. März 2001 bis zum 30. März 2001 attestierte ihr Frau Dr. W.…, dienstunfähig krank zu sein.
Erst am 31. März 2001 nahm die Beamtin ihren Dienst wieder auf.
Zu den Vorwürfen d) und e) hat die Beamtin sich nicht explizit eingelassen. Gleichwohl ist sie auch als überführt anzusehen. Am 21. September 2000 war sie bei der Vernehmung des Zeugen Dr. B.… zugegen und hatte am Nachmittag desselben Tages – wie in der Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer deutlich wurde und was der Zeuge schon in seiner Vernehmung mitteilte – bei diesem einen Arzttermin. Einen ersten Besuch bei einer Psychotherapeutin, der für den 4. September 2000 vorgesehen war, hatte die Beamtin schon im Vorfeld des 21. September 2000 auf eine Woche später verschoben. Anrufe des Untersuchungsführers seit Jahresanfang 2001 unter dem Privatanschluss der Beamtin schlugen fehl. Entweder war eines ihrer Kinder am Telefon oder es konnte niemand erreicht werden.
Die Beamtin hat an weiteren Beweisaufnahmen im Untersuchungsverfahren trotz ordnungsgemäßer Ladungen dann auch nicht mehr teilgenommen. Sie hat für einen Zeitraum von ca. 4 1/2 Monaten keinen Arzt aufgesucht. Es ist auffällig, dass der Tag der mündlichen Vernehmung des Arztes (21. September 2000) zugleich den Beginn der monatelangen Fehlzeit der Beamtin darstellt und sie den Zeugen Dr. B.… später wohl nicht mehr konsultiert hat, da spätere Dienstunfähigkeiten von anderen Ärzten attestiert wurden. Die Beamtin hat dazu vor dem Bundesdisziplinargericht ausgesagt, sie hätte nach der Vernehmung am 21. September 2000 zu Dr. B.… kein Vertrauen mehr gehabt, weil jener den Geschehensablauf so schief und auch falsch dargestellt hätte, dass sie nur das Gefühl gehabt hätte, er wolle “seinen Hals retten”. So sei seine Aussage, er hätte einen Hausbesuch gemacht, wenn sie es gewollt hätte, eine glatte Lüge gewesen.
Darüber hinaus ist die Beamtin, wie nachfolgend unter Anschuldigungspunkt 2. ausgeführt, den Ladungen zu betriebsärztlichen Untersuchungen, anberaumt für den 30. Oktober und den 5. Dezember 2000, nicht gefolgt. Diese Verhaltensweise erhärtet die Feststellung, dass sie sich bewusst jedweder ärztlichen Untersuchung entziehen wollte, um Feststellungen über ihren tatsächlichen Gesundheitszustand zu verhindern.
Die Beamtin ist also vorsätzlich für den Zeitraum vom 21. September 2000 bis 14. Februar 2001 und 5. März 2001 bis 9. März 2001 ihrem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben.
2. Nichtwahrnehmung von anberaumten betriebsärztlichen Untersuchungsterminen
a) Untersuchungstermin am 30. Oktober 2000
Am 11. Oktober 2000 wurde die Beamtin schriftlich aufgefordert, sich am 30. Oktober 2000, 10.00 Uhr, bei der Betriebsärztin zur Prüfung ihrer Dienstfähigkeit vorzustellen. Diesen Termin hat die Beamtin ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen.
b) Untersuchungstermin am 5. Dezember 2000
Mit Schreiben vom 3. November 2000 wurde die Beamtin erneut zur ärztlichen Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit geladen. Auch diesen Termin hat sie nicht wahrgenommen, obwohl sie ausdrücklich über die disziplinarrechtlichen Folgen einer Verweigerung hingewiesen worden war.
b) Das Bundesdisziplinargericht hat das festgestellte Verhalten dahin gewürdigt, die Beamtin habe damit gegen ihre Pflichten verstoßen, sich mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG), ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die ihr Beruf erfordert (§ 54 Satz 3 BBG), die Anordnungen und allgemeinen Richtlinien ihrer Vorgesetzten auszuführen (§ 55 Satz 2 BBG) und dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihres Dienstvorgesetzten fernzubleiben (§ 73 Abs. 1 BBG). Damit habe sie ein als eine Einheit zu bewertendes innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) vorsätzlich begangen, das die Verhängung einer Gehaltskürzung erforderlich mache.
Zwar werde vorsätzlich unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst von nicht unerheblicher Dauer häufig mit der disziplinaren Höchstmaßnahme geahndet. Dies sei jedoch keine Regelrechtsprechung. Vielmehr stehe der ganze in § 5 BDO aufgeführte Katalog von Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung, und die Bewertung des Dienstvergehens müsse ausschließlich an den Besonderheiten des Einzelfalles orientiert werden. Dabei könne die Dauer des schuldhaft ungenehmigten Fernbleibens für das Gewicht des Dienstvergehens von ausschlaggebender Bedeutung sein, weil sie ein gewichtiges Indiz für die Annahme abgeben könne, die Beamtin habe sich innerlich von ihrem Dienstverhältnis gelöst und sich von ihrem Dienstherrn distanziert. Letztendlich entscheidend seien jedoch die Ursachen für das schuldhaft ungenehmigte Fernbleiben, weil sie für die Persönlichkeit der Beamtin, ihre Motive und vor allem auch für die Prognose ihres künftigen Verhaltens kennzeichnend seien. Dabei habe die Rechtsprechung insbesondere auch bei einem längerfristigen ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses dann für möglich gehalten, wenn es sich bei den Ursachen für das Fernbleiben um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt habe und die Aussicht auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten deshalb begründet gewesen sei.
Solche mildernden Umstände lägen hier vor. Der Beamtin sei zwar durch die wiederholten Dienstantrittsaufforderungen, Mahnungen, Verlustfeststellungen ihrer Dienstbezüge und Warnungen ihrer Vorgesetzten ihre Verpflichtung zur Dienstverrichtung deutlich vor Augen geführt worden. Sie habe sich dem in grobem Maße widersetzt. Ihr kämen jedoch Milderungsgründe zugute. Die Kammer könne der Beamtin nachfühlen, dass es in heutiger Zeit als ungewöhnlich angesehen werde, wenn man mit … Lebensjahren sein … Kind zur Welt bringe. Die Kammer glaube der Beamtin auch, dass diese sich deswegen geschämt und das Gefühl entwickelt habe, die Umwelt würde sie nur noch als eine Art “Gebärmaschine” einordnen. Keineswegs sei das Verhalten der Beamtin dahin zu würdigen, dass diese sich aufgrund ihres wiederholten ungenehmigten Fernbleibens von ihrem Dienst und ihrem Dienstherrn gelöst, also auch die “innere Kündigung” vollzogen und an einem Fortbestand ihres Beamtenverhältnisses offensichtlich kein Interesse mehr gehabt habe. Ferner spreche für die Beamtin, dass diese seit ihrer letzten Dienstunfähigkeitszeit (bis 30. März 2001) nachweislich in einer 6-Tage-Wochenschicht ohne jeglichen Ausfall Dienste geleistet habe. Dies berechtige zu einer günstigen Prognose.
3. Gegen dieses Urteil hat der Bundesdisziplinaranwalt rechtzeitig Berufung eingelegt, diese auf das Disziplinarmaß beschränkt und beantragt, die Beamtin aus dem Dienst zu entfernen. Er begründet seine Berufung wie folgt: Die Beamtin sei insgesamt rund neun Monate dem Dienst unentschuldigt ferngeblieben. Wer über einen so langen Zeitraum das Gebot missachte, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, könne nicht verlangen, dass ihm der Dienstherr weiterhin das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauen entgegen bringe. Das gelte insbesondere, wenn hartnäckig gegen die Dienstleistungspflicht verstoßen werde. Bei derart längerfristigem Verhalten sei eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses dann für möglich gehalten worden, wenn es sich bei den Ursachen für dieses Verhalten um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt habe, so dass deshalb ein künftig pflichtgemäßes Verhalten zu erwarten sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, insbesondere lägen sie nicht in der von der Beamtin behaupteten Scham, in ihrem Alter noch ein (…) Kind bekommen zu haben. Nicht dies sei die als persönlichkeitsfremd behauptete Ursache für die langen Fehlzeiten, sondern eine über Jahre hinweg beobachtete Neigung zur Unzuverlässigkeit. Eine Abhängigkeit von äußeren Ereignissen oder Einwirkungen sei nicht maßgebend gewesen. Bei der Prognose müsse außerdem berücksichtigt werden, dass die Beamtin wohl nur unter dem Eindruck des förmlichen Disziplinarverfahrens zur regelmäßigen Dienstleistung zurückgefunden habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts ist begründet und führt zur Entfernung der Beamtin aus dem Dienst.
1. Das vor dem 1. Januar 2002 eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nach bisherigem Recht, das heißt nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01 – NVwZ 2002, 1515).
2. Das Rechtsmittel ist nach Antrag und Begründung ausdrücklich auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Senat ist daher an die erstinstanzlichen Tat- und Schuldfeststellungen und die Bewertung als Dienstvergehen gebunden. Er hat lediglich über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
Nach den bindenden Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts ist die Beamtin in fünf Fällen für eine Dauer von insgesamt fast neun Monaten schuldhaft unerlaubt dem Dienst ferngeblieben, und zwar davon jedenfalls in drei Fällen (zu Anschuldigungspunkt 1a, d und e) mit einer Gesamtdauer von insgesamt über acht Monaten vorsätzlich. Das legt bereits, wenn nicht schwerwiegende Milderungsgründe gegeben sind, die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme nahe. Außerdem hat die Beamtin vorsätzlich die beiden anberaumten amtsärztlichen Untersuchungstermine unbeachtet gelassen.
a) Im Vordergrund der disziplinarischen Bewertung steht die wiederholte Dienstverweigerung der Beamtin. Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, Grundpflicht eines jeden Beamten (vgl. z.B. Urteil vom 7. November 1990 – BVerwG 1 D 33.90 – ≪BVerwG DokBer B 1991, 49≫). Ohne die pflichtgemäß, d.h. im verbindlich festgelegten Umfang und nach Maßgabe der Dienstpläne zu erbringende Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt – auch für kürzere Zeitspannen –, so ergibt sich die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Dauer der Dienstverweigerung selbst sowie aus dem Umstand, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist (Urteil vom 7. November 1990, a.a.O). Setzt sich der Beamte gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung, dass in aller Regel seine Entfernung aus dem Dienst die Folge sein muss (Urteil vom 7. November 1990, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Höchstmaßnahme stets in den Fällen ausgesprochen, in denen der Beamte ununterbrochen vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben war (z.B. Urteile vom 12. Juni 1997 – BVerwG 1 D 10.95 – und vom 10. Juni 1998 – BVerwG 1 D 39.96 –). Bei einem schuldhaft ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst von ununterbrochen ca. sieben Wochen bewegt sich die zu verhängende Maßnahme – je nach den Umständen des Einzelfalls – im Grenzbereich zwischen Dienstentfernung und Degradierung, wenn der Beamte vorsätzlich gehandelt hat (Urteil vom 22. April 1991 – BVerwG 1 D 62.90 – ≪BVerwGE 93, 78 = BVerwG DokBer B 1991, 189≫).
Nach dem Maßstab der Dauer der vorsätzlich unerlaubten Dienstsäumnis ist im vorliegenden Fall die Entfernung der Beamtin aus dem Dienst unerlässlich.
b) Die disziplinare Höchstmaßnahme ist jedoch beim Fernbleiben vom Dienst von insgesamt nicht unerheblicher Dauer keineswegs ausnahmslos mit der Folge ausgesprochen worden, dass nur bestimmte Milderungsgründe die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses ermöglichen. Der Senat hat vielmehr wiederholt hervorgehoben, dass es bei der Beurteilung des Dienstvergehens des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst auch auf die Ursachen hierfür und damit auf die Persönlichkeit des Beamten, seine Motive und – vor allem – auf die Prognose seines zukünftigen Verhaltens ankommt. Er hat insbesondere auch bei längerfristigem Fernbleiben vom Dienst die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses dann für möglich gehalten, wenn es sich bei den Ursachen für den Dienstausfall um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt hat und wenn die Aussicht auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten deshalb begründet war (vgl. z.B. Urteile vom 22. April 1991, a.a.O. und vom 12. Dezember 1979 – BVerwG 1 D 108.78 – ≪BVerwGE 63, 315 f.≫).
Als ein derart ursächlich gewordenes äußeres Ereignis hat das Bundesdisziplinargericht den “in heutiger Zeit als ungewöhnlich anzusehenden” Umstand angeführt, im …. Lebensjahr das … Kind zur Welt zu bringen; die Kammer glaube der Beamtin, dass sie sich dessen “geschämt” und das Gefühl entwickelt habe, die Umwelt werde sie nur noch als eine Art “Gebärmaschine” einordnen. Das Gericht scheint daraus den Schluss auf ein einmaliges vorübergehendes und persönlichkeitsfremdes Versagen der Beamtin gezogen zu haben, ohne dies indessen auszusprechen. Dieser Schluss wäre aber jedenfalls nicht für das gesamte Fehlverhalten der Beamtin zutreffend. Die jüngste Tochter … wurde am … geboren, also deutlich nach der ersten umfangreichen Fehlzeit, die in der Zeit vom 28. August bis 14. Dezember 1999 stattfand. Diese Fehlzeit hatte also etwa 6 1/2 Monate vor der Geburt begonnen. Psychische Probleme im Zusammenhang mit der Schwangerschaft hatte der behandelnde Arzt Dr. B.… – neben Kreislaufbeschwerden und Problemen mit dem Übergewicht – zwar bei der letzten Krankschreibung vom 15. Dezember 1999 berücksichtigt. Zuvor aber ist die Beamtin über Monate hin nicht mehr bei ihrem Arzt erschienen; von ihrer Schwangerschaft hatte der Arzt erst zu diesem späten Zeitpunkt nach sechs Monaten Schwangerschaft erfahren. Daraus hat das Bundesdisziplinargericht den Schluss gezogen, dass vorher keine gravierenden körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen vorgelegen haben könnten. Es hat nicht nur die Dienstfähigkeit bejaht, sondern auch ein Verschulden in der Form des Vorsatzes. Aufgrund der Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß ist der Senat an diese Feststellungen gebunden. Er muss daher auch davon ausgehen, dass selbst die in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellte Behauptung einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit der Beamtin nicht so weit hätte gehen können, dass Dienstfähigkeit oder vorsätzliches Handeln ausgeschlossen wären.
Ob das bezeichnete Schamgefühl über die Geburt hinaus überhaupt weiter bestanden hat, mag als zweifelhaft angesehen werden, letztlich jedoch offen bleiben. Jedenfalls aber für die vierte Fehlzeit ist seine Maßgeblichkeit zu verneinen. Die Beamtin blieb dem Dienst hier in der Zeit vom 21. September 2000 bis zum 14. Februar 2001 fern, nachdem sie zuvor vom 7. bis 31. August 2000 wieder Dienst geleistet hatte und danach nur vorübergehend krank geschrieben war. Inzwischen war auch mehr als ein halbes Jahr seit der Geburt vergangen. Nach diesem Zeit- und Geschehensablauf kann jedenfalls für den letzten Zeitraum schwerlich von einer Ursächlichkeit des vom Bundesdisziplinargericht in den Vordergrund gerückten Schamgefühls die Rede sein. Dieses war – wie die Arbeitsaufnahme zeigt – subjektiv überwunden und auch von der Beamtin selbst nur im Zusammenhang mit der ersten Fehlzeit geltend gemacht worden. Zu den letzten beiden Fehlzeiten hat sie sich nach den Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts kennzeichnenderweise überhaupt nicht explizit eingelassen (UA S. 11 oben). Nach den zutreffenden Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts war die Ursache für die letzte, mehr als vier Monate währende
Fehlzeit auch eine andere: Im Anschluss an den ungünstigen Verlauf der Beweisaufnahme durch Vernehmung ihres Hausarztes wollte sie sich jeglicher weiteren Untersuchung auf ihre Dienstfähigkeit entziehen. Deshalb hat sie sich über die lange Zeit überhaupt nicht mehr gemeldet. Aus eben diesem Grunde hat sie auch den Ladungen zur amtsärztlichen Untersuchung keine Folge geleistet. Eine andere Erklärung dafür ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt die geäußerte Enttäuschung über das Aussageverhalten ihres Hausarztes insoweit keine anderweitigen nachvollziehbaren Schlüsse zu: Eine etwaige persönliche Enttäuschung hätte keinen Grund geben können, sich der Untersuchung durch einen Betriebsarzt so hartnäckig, wie hier geschehen, zu entziehen. Sie bietet auch keinen Ansatz an Erklärung dafür, warum die Beamtin mehr als vier Monate lang überhaupt keinen Arzt – auch nicht einen solchen ihrer Wahl – aufgesucht hat.
War das genannte Schamgefühl jedenfalls nicht die Ursache für das Fehlverhalten der Beamtin nach der Niederkunft, so kann die Überwindung dieses Gefühls allein schwerlich als tragfähige Grundlage einer günstigeren Prognose für das künftige Verhalten der Beamtin herhalten. Es müssten dann weitere Gründe hinzutreten. Diese könnten in der Überlastung des nicht berufstätigen – damals noch einem Fernstudium nachgehenden – Ehemannes mit der Haushaltsführung gesehen werden. Möglicherweise mag auch eine gewisse Resignation und Gleichgültigkeit gegenüber finanziellen Einbußen aus dem Verlust der Dienstbezüge eine Rolle gespielt haben. Die Beamtin und ihre Familie lebten während des hier in Rede stehenden Zeitraums seit gut einem Jahrzehnt innerhalb der Pfändungsfreigrenzen. Für sie machte es offenbar keinen gravierenden wirtschaftlichen Unterschied aus, ob sie Sozialhilfe und Kindergeld erhielt oder aber die um die Pfändungen gekürzten Dienstbezüge. In diese Richtung weist vor allem, dass sie sich gegen die Feststellungen über den Verlust der Dienstbezüge vom 22. Dezember 1999, 29. Mai, 14. Juli und vom 16. Oktober 2000 nicht gewehrt und sich von ihnen insbesondere auch nicht hat beeindrucken lassen. Beide hier erörterten Umstände (die familiäre Überlastung des Ehemannes und die Überschuldung) bestehen aber fort und belasten deshalb auch die Prognose über das künftige Verhalten der Beamtin.
Eine positive Prognose bedürfte daher weiterer Absicherung. Aus der vorangegangenen Dienstzeit ergeben sich derart positive Aspekte nicht. Selbst das Bundesdisziplinargericht geht nicht etwa von einem persönlichkeitsfremden Verhalten und auch nicht von einer nur vorübergehenden und inzwischen überwundenen negativen Lebensphase aus. Es erwähnt immerhin, dass die Beamtin schon 1995 dem Dienst ohne Vorlage eines ärztlichen Attests ferngeblieben sei. Die Personalakte enthält auch Hinweise, dass es schon zehn Jahre vorher ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst gegeben hat. Dass das frühere Dienstverhältnis frei von Belastungen gewesen wäre, lässt sich angesichts dieser Vorfälle und – soweit es das Jahr 1985 betrifft freilich als getilgt anzusehenden – disziplinarischen Vorbelastungen schwerlich sagen. Negative Schlüsse aus der getilgten Vorbelastung dürfen zwar nicht gezogen werden. Jedoch besteht umgekehrt keine Veranlassung, daraus, dass die Beamtin insoweit als nicht vorbelastet gilt, den wahrheitswidrigen Schluss auf eine früher beanstandungsfreie Diensttätigkeit und ein zuletzt persönlichkeitsfremdes Verhalten zu ziehen. Derartiges wird von der Beamtin auch gar nicht erst ins Feld geführt. Hinzu kommt, dass gegen die Beamtin am 14. Juli 1997 ein förmliches Disziplinarverfahren wegen zweckwidriger Verwendung von Beihilfeleistungen eingeleitet worden war; dieses wurde mit Verfügung vom 22. Januar 1998 gemäß § 64 Abs. 2 i.V.m. § 3 BDO eingestellt, da der Beamtin trotz erheblichen Gewichts des Dienstvergehens besondere Umstände zugestanden wurden, die ausnahmsweise die Einstellung des Verfahrens rechtfertigten. Die in der Einstellungsverfügung enthaltene Feststellung dieses Dienstvergehens gilt nicht als getilgt (§ 119 Abs. 3 BDO). In ihrer Gesamtheit bestätigen diese Umstände den Schluss des Bundesdisziplinaranwalts auf eine über Jahre hinweg zu beobachtende Neigung zur Unzuverlässigkeit, die durch das angeschuldigte Verhalten belegt werde.
Darüber hinaus belastet die Beamtin, dass sie einen erheblichen Teil ihres Fehlverhaltens noch fortgesetzt hat, und zwar insbesondere bei der letzten umfangreichen Fehlzeit vorsätzlich, obwohl ihr durch wiederholte Dienstantrittsaufforderungen, Mahnungen, durch insgesamt vier Feststellungsbescheide über den Verlust ihrer Dienstbezüge sowie durch weitere Warnungen ihrer Vorgesetzten ihre Verpflichtung zur Dienstverrichtung mehr als deutlich vor Augen geführt worden war. Selbst die 1999/2000 stark gestiegene Verschuldung und die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens durch Verfügung vom 9. Mai 2000 haben sie von der Fortsetzung ihres Fehlverhaltens bis zum März 2001 nicht abhalten können. Nimmt man noch das zum zweiten Anschuldigungspunkt festgestellte Nichtbeachten der Ladungen zu betriebsärztlichen Untersuchungen am 30. Oktober und 5. Dezember 2000 hinzu, aus dem das Bundesdisziplinargericht zu Recht den Schluss gezogen hat, dass sich die Beamtin seinerzeit bewusst jedweder ärztlichen Untersuchung entziehen wollte, so ergeben sich deutliche Hinweise auf die Hartnäckigkeit ihrer Bereitschaft zum bewussten Hintanstellen ihrer Dienstpflichten hinter ihre persönlichen Interessen.
Dem in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag des Verteidigers der Beamtin, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben zu der Frage, inwieweit vor und nach der Geburt der Tochter … bei der Beamtin psychische Beeinträchtigungen vorgelegen haben, die es ihr erschwert haben, sich in einer Belastungssituation zu Gunsten der Dienstpflicht zu entscheiden, war nicht nachzugehen. Nach § 25 BDO i.V.m. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO war der Beweisantrag abzulehnen, weil die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Selbst wenn ein ärztliches Sachverständigengutachten eine verminderte Schuldfähigkeit der Beamtin im fraglichen Zeitraum ergeben sollte, hätte dies auf die zu treffende Entscheidung keinen Einfluss. Eine maßnahmemindernde Wirkung verminderter Schuldfähigkeit kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht, wenn das Dienstvergehen in der Verletzung einer elementaren, selbstverständlichen und einfach zu befolgenden Pflicht besteht (Urteile vom 27. August 1986 – BVerwG 1 D 28.86 –, 10. Juli 1996 – BVerwG 1 D 98.95 – und 26. September 2000 – BVerwG 1 D 10.99 –). Dies ist bei der Dienstleistungspflicht als primäre und leicht einsehbare Pflicht eines jeden Beamten der Fall.
Was aus dem bisherigen Verlauf des Dienstverhältnisses an Positivem verbleibt, ist die recht ordentliche Beurteilung, welche die Beamtin zuletzt erhalten hat sowie die zwei Jahre beanstandungsfreier Diensttätigkeit seit dem 2. April 2001, die ihr von ihrer Dienststelle nochmals bescheinigt worden sind.
Dieses Verhalten kommt – zumal wenn man es als vom bereits eingeleiteten Disziplinarverfahren beeinflusst ansieht – jedoch zu spät und ist für sich genommen angesichts der belastenden Umstände als tragfähige Grundlage für eine positive Prognose zu wenig. Dies hat die Beamtin auch wohl selbst erkannt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesdisziplinargericht hat sie ihr verändertes Verhalten auf das Einwirken ihrer Mutter in dem letzten Gespräch vor deren Ableben zurückgeführt, das ihr Auftrieb gegeben habe. Ob allein darin die Gewähr für ein dauerhaft pflichtmäßiges Dienstverhalten gesehen werden kann, ist doch sehr zweifelhaft. Eine Unterstützung durch die Mutter kommt nun – nach deren Tod – nicht mehr in Betracht.
In der mündlichen Berufungsverhandlung haben sich zusätzlich zu der vorgelegten Bescheinigung keine gravierenden neuen Gesichtspunkte für eine günstige Prognose ergeben. Angesichts der Dauer und Hartnäckigkeit des Verstoßes und seiner Einbettung in eine über Jahre hinweg zu beobachtende Unzuverlässigkeit kann schließlich auch nicht der Milderungsgrund der Überwindung einer negativen Lebensphase durchgreifen.
3. Der Senat hat der Beamtin einen Unterhaltsbeitrag auf die Dauer von 12 Monaten – wegen ihrer besonderen persönlichen Verhältnisse – mit dem nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BDO zulässigen Höchstsatz von 75 vom Hundert bewilligt. Damit hat er den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beamtin Rechnung getragen. Weist die Beamtin nach, dass sie sich während des gesamten Bewilligungszeitraums nachdrücklich, aber letztlich erfolglos um eine andere Erwerbstätigkeit bemüht hat, so kann ihr auf ihren Antrag vom dann zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. § 85 Abs. 7 BDG) gem. § 110 Abs. 2 BDO bei fortbestehender Bedürftigkeit ein Unterhaltsbeitrag neu bewilligt werden (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2002 – BVerwG 1 DB 34.01 –).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 ff. BDO.
Unterschriften
Albers, Heeren, Müller
Fundstellen