Entscheidungsstichwort (Thema)
Assoziation EWG-Türkei. Türkei, Assoziierung der –. Assoziationsrat, Beschluss des – s. Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrats. Diskriminierungsverbot, assoziationsrechtliches –. Diskriminierungsverbot, gemeinschaftsrechtliches –. Gleichbehandlungsgebot, türkischer Staatsangehöriger auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit. soziale Sicherheit, Diskriminierungsverbot türkischer Staatsangehöriger auf dem Gebiet der –. persönlicher Anwendungsbereich des ARB Nr. 3/80. sachlicher Anwendungsbereich des ARB Nr. 3/80. Arbeitnehmerbegriff, assoziationsrechtlicher –. „Wanderarbeitnehmer”. Flüchtlinge im Assoziationsrecht. „Familienleistungen” im Gemeinschafts- bzw. assoziationsrechtlichen Verständnis. Erziehungsgeld als Familienleistung. Landeserziehungsgeld. Bundeserziehungsgeld. Kindergeld. Richtlinie als Rechtsvorschrift im Assoziationsrecht. Rechtsvorschrift, Richtlinie als – im Assoziationsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gleichbehandlungsvorschrift in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 ARB Nr. 3/80 erfasst auch Arbeitnehmer bzw. deren Familienangehörige mit türkischer Staatsangehörigkeit, die nicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gewandert sind (keine „Wanderarbeitnehmer” im gemeinschaftsrechtlichen Sinne sind) und/oder ihren erlaubten Aufenthalt in einem Mitgliedstaat auf ein erfolgreiches Asylbegehren zurückführen.
2. Eine „Familienleistung” im Sinne des den sachlichen Anwendungsbereich regelnden Art. 4 ARB Nr. 3/80 setzt keine Leistung voraus, die speziell der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern bzw. deren Familienangehörigen dient. Auch Leistungen wie beispielsweise Kindergeld, Bundes- sowie Landeserziehungsgeld, die unabhängig davon gewährt werden, ob der Berechtigte Arbeitnehmer ist oder nicht, können daher Familienleistungen sein (im Anschluss an EuGH, Urteile vom 10. Oktober 1996 – Rs. C-245/94 und 312/94 – Slg. 1996, I – 4895, 4929 sowie vom 4. Mai 1999 – Rs. C-262/96 – Slg. 1999, I – 2685, 2743; insoweit Aufgabe des Urteils vom 18. Dezember 1992 – BVerwG 7 C 12.92 – BVerwGE 91, 327, 333 f.).
Normenkette
Abkommen EWG-Türkei (1963) Art. 9; ARB Nr. 3/80 Art. 2, 3 Abs. 1, Art. 4; EWGV 1408/71
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 12.03.2001; Aktenzeichen 1 S 1334/00) |
VG Karlsruhe (Entscheidung vom 16.03.2000; Aktenzeichen 6 K 1840/98) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. März 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Bundesland Baden-Württemberg, Erziehungsgeld nach einschlägigem Landesrecht beanspruchen darf, obwohl er innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht als Arbeitnehmer gewandert ist und das Gebiet der Gemeinschaft als Asylsuchender erreicht hat.
Der Kläger reiste im Jahre 1994 in das Bundesgebiet ein und ist – ebenso wie seine Ehefrau und das gemeinsame im Jahre 1993 in der Türkei geborene Kind – seit 1994/1995 als Asylberechtigter anerkannt; er ist kranken- und rentenversichert. Während sein auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld gerichteter Antrag ebenso erfolglos war wie der gegen die Versagung gerichtete Widerspruch, ist seinem Begehren in den beiden tatsachengerichtlichen Instanzen im Wesentlichen stattgegeben worden. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Beklagte zur erneuten Bescheidung verpflichtet hat, durch Urteil vom 12. März 2001 mit folgender Begründung zurückgewiesen:
Das Land Baden-Württemberg gewähre im Anschluss an den Bezugszeitraum für das Bundeserziehungsgeld (Gesetz vom 31. Januar 1994, BGBl I S. 180, mit späteren Änderungen) ein Landeserziehungsgeld im Rahmen der im Staatshaushaltsplan verfügbaren Mittel nach Maßgabe von Richtlinien. Die Richtlinien bestimmten vor allem den Kreis der Antragsberechtigten, die Bezugszeiträume, die Höhe sowie die Einkommensgrenzen; die Richtlinien würden von der Beklagten strikt angewendet. Ermessensspielräume sähen die Richtlinien unbeschadet des Umstands, dass es sich bei dem Erziehungsgeld um eine freiwillige Leistung des Landes handele, nicht vor, was insgesamt zu einer Selbstbindung der Beklagten geführt habe. Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 dürfe der Kläger nicht anders gestellt werden als Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union. Denn sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich des vorgenannten Beschlusses seien durch den Kläger und dessen Begehren erfüllt.
Namentlich sei entgegen der Annahme der Beklagten unbeachtlich, dass der Kläger nicht aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft in das Bundesgebiet (und auch nicht als Arbeitnehmer aus der Türkei ins Bundesgebiet) eingereist ist. Der Assoziationsrats-Beschluss setze keine „Wanderungsbewegung” in physischer Hinsicht voraus, sondern knüpfe lediglich an den Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen – und dessen Beschäftigung bzw. Familienangehörigeneigenschaft – in einem Mitgliedstaat an.
Soweit es sich bei dem Kläger um einen anerkannten Flüchtling handele, stehe auch dies der Anwendbarkeit des Beschlusses nicht entgegen. Unbeschadet des Umstands, dass Gegenstand des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (ABl EG 1964 Nr. 217 S. 3685 = BGBl 1964 II S. 510) die Errichtung einer Assoziation sei, die die Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien u.a. durch schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer fördern solle, könne auch ein anerkannter Flüchtling in den Genuss des vorgenannten Beschlusses und namentlich des Diskriminierungsverbots seines Art. 3 gelangen; eine einschränkende Bestimmung des Inhalts, dass für Personen, die aus der Türkei geflohen sind, etwas anderes gelten könnte als für andere türkische Staatsangehörige unter im Übrigen gleichen Voraussetzungen, sei nicht ersichtlich. Deswegen sei das Land Baden-Württemberg der supranationalen Bindungswirkung des Assoziationsrats-Beschlusses ebenso unterworfen wie die Bundesrepublik Deutschland.
Auch der sachliche Geltungsbereich des Beschlusses könne nicht verneint werden. Bei der von dem Kläger beanspruchten Leistung handele es sich um eine „Familienleistung” im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h ARB 3/80, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) für das Bundeserziehungsgeld entschieden habe. Sei das Bundeserziehungsgeld eine Familienleistung, die dem Ausgleich von Familienlasten diene und auch dazu bestimmt sei, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und die finanziellen Nachteile abzumildern, die der Verzicht auf ein Vollerwerbseinkommen bedeute, so gelte dies auch für das Landeserziehungsgeld, das die Erziehungskraft der Familien stärken und ihre Erziehungsleistung anerkennen solle. Dass das Landeserziehungsgeld als freiwillige Leistung gewährt werde, ändere nichts an seinem Charakter als Familienleistung, zumal eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung von der Beklagten nicht getroffen werde, sondern sie entsprechend den bindenden Vorgaben der genannten Richtlinie verfahre.
Die vom Berufungsgericht wegen Divergenz (BVerwGE 91, 327) zugelassene Revision zielt auf Klageabweisung und ist im Kern wie folgt begründet:
Das angefochtene Urteil verkenne in mehrfacher Hinsicht die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80.
Zunächst habe der Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 nicht auf türkische Staatsangehörige ausgedehnt werden dürfen, die sich niemals in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu Zwecken der Erwerbstätigkeit aufgehalten haben. Soweit sich der VGH insoweit auf jüngere Rechtsprechung des EuGH berufe, sei diese hinsichtlich der Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bedenklich. Die Gemeinschaft besitze nämlich grundsätzlich keine Kompetenz zur Koordination der zwischenstaatlichen Beziehungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit mit Drittstaatsangehörigen. Der Assoziationsrats-Beschluss sei daher dahin auszulegen, dass er sich auf die Regelung der Koordinierung der zwischenstaatlichen sozialen Berechtigungen, die von türkischen Staatsangehörigen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten erworben worden sind, beschränke. In die gleiche Richtung weise Art. 39 des Zusatzprotokolls zum Abkommen, der die Befugnis des Assoziationsrats, Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit zu treffen, auf solche Arbeitnehmer einschränke, „die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern”. Nach allem greife der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 nur insoweit Platz, als ein türkischer Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitend wirtschaftlich tätig geworden sei.
Eine Verkennung des Bedeutungsgehalts des in Rede stehenden Gleichbehandlungsgrundsatzes liege auch darin, dass der VGH diesen auf Personen angewendet habe, die als Flüchtlinge nach Deutschland eingereist sind; er beziehe sich nur auf solche Staatsangehörige des Drittstaates, die als Arbeitnehmer und gerade nicht als Flüchtlinge in die Gemeinschaft eingewandert sind.
Was den sachlichen Anwendungsbereich des Assoziationsrats-Beschlusses anlange, so dürfe das Landeserziehungsgeld nicht als Familienleistung qualifiziert werden. Sogar unter der Voraussetzung, dass die im Jahre 1996 ergangene Rechtsprechung des EuGH zum Bundeserziehungsgeld zutreffend sein sollte, dürften wesentliche Unterschiede zwischen dem Bundes- und dem Landeserziehungsgeld nicht außer Acht gelassen werden. Das Bundeserziehungsgeld werde gewährt auf der Grundlage eines gesetzlichen Tatbestandes, das Landeserziehungsgeld als freiwillige Leistung ausschließlich nach Maßgabe der haushaltsrechtlich verfügbaren Mittel. Die vom Land Baden-Württemberg in Anspruch genommene haushaltsrechtliche Gestaltungsfreiheit dürfe durch abweichende gerichtliche Entscheidungen nicht eingeschränkt werden, weil die in Rede stehende Leistung nicht im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung „aufgrund eines gesetzlichen Tatbestandes gewährt” werde. Zu Recht sei daher in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Landeserziehungsgeld ein ausschließlich familienpolitischer Charakter zu- und ein sozialpolitischer abgesprochen worden. Ferner dürfe der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf die hier fragliche regional beschränkte Leistung angewendet werden. Denn Grundvoraussetzung dafür, dass eine Leistung einem der in Art. 4 Abs. 1 ARB 3/80 bzw. Verordnung (EWG) 1408/71 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherheit zugeordnet werden könne, sei die Zugehörigkeit zu einem „nationalen” System der sozialen Sicherheit.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt mit seinen entscheidungstragenden Annahmen kein Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO.
Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) aus Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (ABl EG 1983 Nr. C 110 S. 60; abgedruckt in: GK-AuslR, VIII – 9.3) – ARB 3/80 – einen Anspruch des Klägers abgeleitet, als türkischer Staatsangehöriger im Hinblick auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld nach Maßgabe der Landeserziehungsgeld-Richtlinien vom 3. Juli 1995 in der Fassung der Dritten Änderung (GABl 1995, S. 455) – RL-LErzG – mit deutschen Staatsangehörigen (sowie EU-Staatsangehörigen) unter im Übrigen gleichen Voraussetzungen gleichbehandelt zu werden. Die Voraussetzungen des vorgenannten Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 sind sämtlich erfüllt.
Namentlich treffen die entscheidungstragenden Annahmen des angefochtenen Urteils zu, wonach Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 unmittelbare Wirkung in dem Sinne zukommt, dass sich betroffene Bürger vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf sie berufen können (hierzu 1.), sowohl der persönliche Anwendungsbereich im Sinne von Art. 2 ARB 3/80 (hierzu 2.) als auch der sachliche Anwendungsbereich im Sinne des Art. 4 ARB 3/80 (hierzu 3.) erfüllt sind und schließlich die in Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 vorgesehene Rechtsfolge mangels einer im Beschluss enthaltenen anderweitigen Regelung im Streitverfahren eingreift (hierzu 4.).
1. In Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 hat der Assoziationsrat – gestützt auf das vorgenannte Abkommen EWG-Türkei, also nicht auf Art. 39 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 – bestimmt, dass die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die „dieser Beschluss gilt”, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates haben.
a) Diese Vorschrift ist – wie der EuGH entschieden hat (Urteil vom 14. März 2000 – Rs. C-102/98 und C 211/98 – Slg. 2000, I – 1287, 1311, 1326 Rn. 36) – für den Bereich der sozialen Sicherheit die Durchführungs- und Konkretisierungsvorschrift zu Art. 9 Abkommen EWG-Türkei, wonach – dem in Art. 7 des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft verankerten Grundsatz „entsprechend” – jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Im vorliegenden Zusammenhang kann es sich dabei nur um die Gleichbehandlung türkischer Staatsangehöriger mit Staatsangehörigen der Gemeinschaft handeln, denn Art. 9 Abkommen EWG-Türkei verlangt eine „entsprechende” Anwendung des originären gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots.
b) Zu Recht hat der VGH auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 bejaht.
Der EuGH hat mit Urteil vom 4. Mai 1999 – Rs. C-262/96 – (Slg. 1999, I – 2685, 2743 = InfAuslR 1999, 324; bestätigt mit Urteil vom 14. März 2000 – Rs. C-102/98 und C-211/98 – a.a.O. Rn. 35) entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 im Geltungsbereich des Beschlusses einen eindeutigen, unbedingten Grundsatz aufstelle, der ausreichend bestimmt sei, um von einem nationalen Gericht angewendet werden zu können, und daher geeignet sei, die Rechtsstellung des Einzelnen zu regeln; aus der unmittelbaren Wirkung dieser Vorschrift folge, dass sich die Bürger, für die sie gilt, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf sie berufen können. Diese Rechtsprechung macht sich der erkennende Senat zu Eigen; insoweit macht auch die Revision keine beachtlichen Einwände geltend.
Daraus folgt für den Streitfall, dass die von Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 vorgesehene Rechtsfolge auch im Hinblick auf die hier in Rede stehende Leistung (Landeserziehungsgeld) entgegen deren geschriebenen Teilvoraussetzungen (deutsche bzw. EU-Staatsangehörigkeit) dann eingreift, wenn der persönliche und der sachliche Geltungsbereich des Beschlusses zu bejahen sind:
2. Der Kläger fällt in den persönlichen Geltungsbereich gemäß Art. 2 ARB 3/80, denn er ist Arbeitnehmer, für den die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats (der Bundesrepublik Deutschland) gelten bzw. galten, und er ist nach den tatsächlichen Feststellungen des VGH türkischer Staatsangehöriger.
a) Art. 1 Buchst. b ARB 3/80 enthält eine im Streitfall erfüllte Definition des in Art. 2 ARB 3/80 verwendeten Arbeitnehmerbegriffs.
Hierzu hat der EuGH im vorerwähnten Urteil vom 4. Mai 1999 (a.a.O. Rn. 76 ff.) entschieden, dass sich die Definition des persönlichen Geltungsbereiches in Art. 2 ARB 3/80 an die entsprechende Definition in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABl EG Nr. L 149 S. 2, i.d.F. der Verordnung Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983, ABl EG Nr. L 230 S. 8) – VO (EWG) Nr. 1408/71 – anlehne (Rn. 84) und die in Art. 1 Buchst. a der VO (EWG) Nr. 1408/71 für die Anwendung dieser Verordnung gegebene Definition des Begriffes „Arbeitnehmer” sich auf jede Person erstrecke, die, ob sie nun eine Erwerbstätigkeit ausübe oder nicht, die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines (oder mehrerer) Mitgliedstaates besitze. Der Arbeitnehmerbegriff erstrecke sich hiernach auf jede Person, die im Rahmeneines der in Art. 1 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift genannten Risiken unter den dort aufgestellten Voraussetzungen versichert ist (Rn. 85). Eine Person besitze im vorliegenden Zusammenhang bereits dann die Arbeitnehmereigenschaft, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko in einem allgemeinen oder besonderen System der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, ohne dass es darauf ankomme, ob sie in einem Arbeitsverhältnis steht (Rn. 86).
b) Hiernach kann auf der Basis der vom VGH getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den die Arbeitnehmerstellung des Klägers begründenden Umständen, die den erkennenden Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, an dessen Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Art. 2 ARB 3/80 nicht gezweifelt werden. Entgegen der Revision ist es insbesondere unschädlich, dass der Kläger nicht innerhalb der Gemeinschaft gewandert (kein „Wanderarbeitnehmer” im Sinne des Gemeinschaftsrechts), sondern direkt aus der Türkei in die Bundesrepublik eingereist ist, um hier – erfolgreich – um Asyl nachzusuchen:
aa) Zu Recht hat der VGH angenommen, dass es nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang des Art. 6 ARB1/80 für die Eigenschaft eines türkischen Staatsangehörigen als „Arbeitnehmer” oder „Familienangehöriger eines Arbeitnehmers” unbeachtlich ist, ob dieser als solcher – etwa als angeworbener Arbeitnehmer – nach Deutschland eingereist ist oder diese Eigenschaft erst nach seiner Einreise begründet hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. September 1997 – Rs. C-36/96 – Slg. 1997, I – 5143, 5159, für Sprachkurs- bzw. Studienaufenthalt); die Annahme des VGH, der Streitfall sei nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, ist nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat kann das vorerwähnte Urteil des EuGH vom 4. Mai 1999 (a.a.O.) ebenfalls nur als Bestätigung und Übernahme der tradierten Rechtsprechung auch für den von Art. 2 und Art. 3 ARB 3/80 geregelten Bereich verstehen; in dem diesem Urteil vom 4. Mai 1999 zugrunde liegenden Ausgangsverfahren hatten nämlich weder die Klägerin noch deren Ehemann die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Aufnahme und Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit betreten. Hätte der EuGH angenommen, die Vorschriften in Art. 2 und 3 ARB 3/80 sowie Art. 9 Abkommen EWG-Türkei seien dem Gedanken der Anwerbung von Arbeitnehmern verhaftet und dementsprechend auszulegen, hätte mithin Anlass und Gelegenheit bestanden, in diesem Sinne zu entscheiden.
bb) Des von der Revision geforderten Wanderungselemts bedarf es in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht.
Sowohl das Urteil des EuGH vom 4. Mai 1999 (a.a.O.) wie auch dasjenige vom 14. März 2000 (a.a.O.) sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kläger der Ausgangsverfahren – ohne Zwischenaufenthalt in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft – direkt aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (eingewandert) waren. Vor diesem Hintergrund hätte auch insoweit für den EuGH ausreichend Anlass und Gelegenheit bestanden, im Zusammenhang der Art. 2 und 3 ARB 3/80 auf einem Element der Binnenwanderung innerhalb der Gemeinschaft zu bestehen, wenn er ein solches für notwendig erachtet hätte.
Stattdessen hat er dargelegt, dass es im Zusammenhang des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 gerade nicht auf die Frage ankommt, ob und wie gemeinschafts- sowie assoziationsrechtlich darauf zu reagieren ist,wenn türkische Staatsangehörige innerhalb der Gemeinschaft gewandert sind und infolge dessen Rechte und Anwartschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten erworben haben.
Soweit die Revision gleichwohl ein anderes Ergebnis einfordert, verkennt sie vor allem zweierlei:
Zum einen gibt Art. 2 ARB 3/80 durch die Anknüpfung an „die Rechtsvorschriften einesoder mehrerer Mitgliedstaaten” zu erkennen, dass zwar Wanderungsbewegungen innerhalb der Gemeinschaft und deren Folgen durchaus Regelungsgegenstand des Beschlusses sein können, weil dann zwangsläufig die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gelten müssen, dass es aber ausreicht, wenn – wie im Streitverfall – nur die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates zur Anwendung kommen und dem gemäß gelten können.
Zum anderen stellt die Revision nicht ausreichend in Rechnung, dass zwar die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, wie bereits ihre Bezeichnung erweist, mit ihren Regelungen, soweit sie auf Art. 42 EGV (früher Art. 51) gründen, gerade die Binnenwanderung von Gemeinschaftsbürgern innerhalb der Gemeinschaft in den Blick nimmt und regelt, dass aber Art. 310 EGV (früher Art. 238) dazu ermächtigt, Assoziierungsbestimmungen zu erlassen, die eine Begünstigung betroffener Staatsangehöriger unabhängig davon vorsehen dürfen, ob diese direkt in einen Mitgliedstaat oder auf dem Umweg über einen anderen eingereist sind.
cc) Der Senat folgt auch nicht dem Einwand der Revision, es könne nicht angenommen werden, dass auch türkische Staatsangehörige vom Assoziierungsabkommen profitieren sollten, die dem türkischen Staat „den Rücken gekehrt” hätten, indem sie in einem Mitgliedstaat (erfolgreich) um Asyl nachsuchten.
Art. 2 ARB Nr. 3/80 knüpft den persönlichen Geltungsbereich allein an die türkische Staatsangehörigkeit des in Rede stehenden Arbeitnehmers. Der erkennende Senat vermag der Gesamtheit der Bestimmungen des in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Assoziierungsrechts weder einen geschriebenen noch einen ungeschriebenen Vorbehalt des Inhalts zu entnehmen, dass die vereinbarten Vergünstigungen und der gewährte Schutz für die türkischen Staatsangehörigen angesichts einer Asylberechtigung in einem Mitgliedstaat gegenstandslos werden.
Zumindest im Jahre 1980, in dem der hier maßgebliche Assoziationsrats-Beschluss getroffen worden ist, gab es bereits Flüchtlingsbewegungen größeren Ausmaßes aus der Türkei in die Mitgliedstaaten, so dass insoweit Anlass und Gelegenheit bestanden hätte, zumindest diesem Beschluss einen „Flüchtlings-Vorbehalt” beizufügen. Dies ist jedoch nicht einmal ansatzweise erfolgt. Deswegen sieht der erkennende Senat zumindest für den hier gegebenen Fall der erlaubten Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses nach einer Anerkennung als politisch Verfolgter keinen Anlass, das Verfahren zur Vorabentscheidung auszusetzen, zumal der EuGH in seinem Urteil vom 11. Oktober 2001 – Rs. C-95/99 bis C-98/99 und C-180/99 – (bislang unveröffentlicht, Rn. 39 ff.) die rechtliche Stellung von Flüchtlingen und Staatenlosen im Rahmen des Gemeinschaftsrechts gestärkt und deren Einbeziehung in Art. 51 EGV (nunmehr Art. 42) grundsätzlich gebilligt hat.
In seiner Auffassung sieht sich der erkennende Senat bestärkt durch Ausführungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 30. November 2000 in den vorgenannten Rechtssachen (bislang ebenfalls unveröffentlicht, Rn. 72 bis 77), über die der EuGH mit dem vorgenannten Urteil vom 11. Oktober 2001 entschieden hat, ohne freilich auf die Erwägungen des Generalanwaltes einzugehen, weil sie nicht Gegenstand des zugrunde liegenden Vorlagebeschlusses waren. Der Generalanwalt hat dargelegt, es sei zu seiner und der Kommission Ansicht zumindest nicht offensichtlich, dass ein vergleichbares Abkommen mit einem Drittstaat (Marokko) auf Flüchtlinge mit entsprechender Staatsangehörigkeitnicht anwendbar sei, wie das Bundessozialgericht angenommen hatte.
3. Gegen die Ansicht des VGH, im vorliegenden Fall sei auch der sachliche Anwendungsbereich im Sinne des Art. 4 ARB 3/80 zu bejahen, ist ebenfalls nichts zu erinnern.
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht Übereinstimmung dahin, dass im Streitfall von den in Betracht zu ziehenden „Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit” im Sinne des Art. 4 Abs. 1 ARB Nr. 3/80, die die dort aufgeführten Leistungsarten betreffen, nur die Leistungsart „Familienleistungen” (Buchst. h) infrage kommt.
a) Gemäß Art. 1 Buchst. a ARB 3/80 hat der Begriff der Familienleistungen die Bedeutung wie in Art. 1 Buchst. u der vorerwähnten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71; hiernach sind Familienleistungen alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, mit Ausnahme von – hier nicht einschlägigen – Geburts- oder Adoptionsbeihilfen. Art. 4 Abs. 1 Buchst. h VO (EWG) Nr. 1408/71 erwähnt – ebenso wie Art. 4 Abs. 1 Buchst. h ARB 3/80 – Familienleistungen als eine Leistungsart im Gesamtgefüge der Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit. Zur Überzeugung des erkennenden Senats gibt es keinen zureichenden Grund, das hier in Rede stehende Landeserziehungsgeld nicht als Familienleistung im vorstehenden Verständnis zu begreifen; im Gegenteil sind Erziehungsgelder (seien es Bundes-, seien es Landeserziehungsgelder) neben Kindergeldleistungen geradezu typische Anwendungsfälle von Familienleistungen:
Im erwähnten Urteil vom 4. Mai 1999 hat der EuGH darauf erkannt, dass Kindergeld nach deutschem Recht in den sachlichen Geltungsbereich des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h ARB 3/80 fällt (a.a.O. Rn. 75). Dieses Urteil ist – wie sich insbesondere aus den Darlegungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 12. Februar (a.a.O. S. 2689 ff.) und 17. Dezember 1998 (a.a.O. S. 2726 ff.) ergibt – in der Erkenntnis gefällt worden, dass das nationale Recht den Kindergeldanspruch weder unmittelbar noch mittelbar an eine Arbeitnehmereigenschaft des Anspruchsberechtigten anknüpft; zwar kann Anspruchsberechtigter von Kindergeld selbstverständlich auch ein Arbeitnehmer sein, ermuss diese Eigenschaft aber nicht aufweisen. Aus dem Urteil vom 4. Mai 1999 vermag der erkennende Senat nach allem nur abzuleiten, dass zur Überzeugung des EuGH für den Begriff der Familienleistungen im hier vorliegenden Zusammenhang keine anderen Maßstäbe gelten, wie er sie in seinem Urteil vom 10. Oktober 1996 – Rs. C-245/94 und 312/94 – (Slg. 1996, I – 4895, 4929 = InfAuslR 1997, 5) für den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Bezug auf das Bundeserziehungsgeld entwickelt hat.
Hiernach ist es nicht maßgeblich, ob eine Leistung von der jeweiligen nationalen Rechtsvorschrift als eine Leistung der sozialen Sicherheit bezeichnet oder eingestuft wird. Entscheidend sind vielmehr die grundlegenden Merkmale der jeweiligen Leistung, ihr Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung (a.a.O. Rn. 17). Insbesondere muss die Leistung „den Empfängern unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich umschriebenen Stellung gewährt” werden und sich auf eines der in Art. 4 Abs. 1 (damals: VO (EWG) Nr. 1408/71, im Streitfall: ARB 3/80) ausdrücklich aufgezählten Risiken beziehen (a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
b) Die maßgeblichen Gründe, die der entscheidungstragenden Annahme des Urteils vom 10. Oktober 1996 (a.a.O. Rn. 20 – 27), das Bundeserziehungsgeld sei einer Familienleistung gleichzustellen, zugrunde gelegen haben, beanspruchen mithin auch im vorliegenden Verfahren Beachtung.
aa) Hiernach kann aufgrund der vom Berufungsgericht in der ihm vorbehaltenen und den erkennenden Senat bindenden Anwendung und Auslegung des einschlägigen Landesrechts gewonnenen Erkenntnisse nicht daran gezweifelt werden, dass im Bundesland Baden-Württemberg durch rechtlich verbindliche Vorschriften Berechtigten ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Erziehungsgeld eingeräumt und ihnen dementsprechend Erziehungsgeld unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird, sofern sie nur bestimmte objektive Voraussetzungen erfüllen. Weiterhin hat der erkennende Senat aufgrund der Erkenntnisse des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass das Landeserziehungsgeld dem Ausgleich von Familienlasten dient und auch dazu bestimmt ist, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und die finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein Vollerwerbseinkommen bedeutet, abzumildern.
Damit weist das Erziehungsgeld den notwendigen sozialen Charakter auf, mag auch, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat betont hat, daneben ein familienpolitischer Zweck nicht zu verkennen sein.
bb) Schließlich kann es hiernach nicht darauf ankommen, ob und inwieweit es sich bei Landeserziehungsgeld um eine Leistung handelt, die der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern und ihren Familien dient (so freilich noch BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 – BVerwG 7 C 12.92 – BVerwGE 91, 327 ≪333 f.≫).
Nach der vorerwähnten neueren Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 10. Oktober 1996 a.a.O. Rn. 26 und vom 4. Mai 1999 a.a.O. Rn. 75), die dem Urteil vom 18. Dezember 1992 noch nicht zugrunde gelegt werden konnte, ist es im vorliegenden Zusammenhang der Zugehörigkeit einer Familienleistungzum sachlichen Anwendungsbereich unerheblich, ob der Berechtigte Arbeitnehmer oder Familienangehöriger eines Arbeitnehmers ist; vielmehr kann eine Familienleistung im dargelegten Verständnis auch dann vorliegen, wenn sie – wie Kindergeld, Bundeserziehungs- oder Landeserziehungsgeld – unabhängig davon gewährt wird, ob der Berechtigte Arbeitnehmer ist oder nicht. Der nunmehr für die hier in Rede stehende Materie zuständige erkennende Senat kann daher an der Auffassung des damals zuständigen 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr festhalten, weil – nicht anders als im Zusammenhang des Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 (vgl. Urteil vom 10. Oktober 1996 a.a.O. Rn. 32 und 33) – auch im vorliegenden Zusammenhang des Art. 4 Abs. 1 ARB 3/80 keine Differenzierung geboten oder maßgeblich ist zwischen sozialen Leistungen, die ausschließlich für Arbeitnehmer gelten, und solchen, für die die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten nicht gilt, wie dies bei Familienleistungen der Fall ist.
4. Sind nach allem der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich des ARB 3/80 und speziell dessen Art. 3 Abs. 1 erfüllt, so ist aus bundesrechtlicher Sicht auch nichts gegen die entscheidungstragende Auffassung des VGH zu erinnern, wonach das in Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 als Rechtsfolge vorgesehene Gleichbehandlungsgebot (Diskriminierungsverbot) zu Gunsten des Klägers zur Anwendung kommt; der Kläger hat „aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats” die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsangehörigen dieses Staates, weil weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass „dieser Beschluss” (ARB 3/80) etwas anderes bestimmen könnte.
Art. 1 Buchst. c ARB 3/80 benennt als „Rechtsvorschriften” für jeden Mitgliedstaat „die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 4 Abs. 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit”.
a) Dabei kann – wie die Revision einräumt – im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft sein, dass auch solche Rechtsquellen, die wie im Streitfall nicht für einen gesamten Mitgliedstaat gelten, Rechtsvorschriften in diesem Verständnis sein können. Gemeinschafts- und damit auch assoziationsrechtlich müssen – schon wegen unterschiedlicher Staatsorganisationsmodelle in den Mitgliedstaaten – auf Staatsteile bezogene Rechtsvorschriften den gesamtstaatlichen gleichgestellt werden, weswegen beispielsweise das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 selbst für kommunale Rechtsvorschriften mit Sozialbezug Geltung beanspruchen könnte.
b) Wie dargelegt, hat das Bundesverwaltungsgericht ferner von den Erkenntnissen auszugehen, die durch das Berufungsgericht in Auslegung des einschlägigen Landesrechts, gegen die bundesrechtliche Bedenken weder substanziiert dargelegt noch ersichtlich sind, gewonnen worden sind. Hiernach wird das Landeserziehungsgeld nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinien „im Rahmen der im Staatshaushaltsplan (einem Gesetz im formellen Sinne)” verfügbaren Mittel sowie – unbeschadet des vorstehenden Vorbehalts – unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) allen deutschen Staatsangehörigen, die sich in Baden-Württemberg aufhalten, zur Erfüllung eines (Teilhabe-)Anspruchs ausnahmslos – ohne einzelfallbezogene Ermessensentscheidung – gewährt.
Damit sind unabhängig davon, ob das Erziehungsgeld „freiwillig” gewährt wird oder nicht, von den vorgenannten Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift zumindest diejenigen einer Durchführungsvorschrift erfüllt. Dies löst unter den vorgenannten Voraussetzungen das Gleichbehandlungsgebot (Diskriminierungsverbot) gegenüber türkischen Staatsangehörigen aus. Das hat zur Folge, dass ihnen in Jahren, in denen im Haushaltsplan entsprechende Mittel bereitgestellt werden (worden sind), Erziehungsgeld unter den gleichen Voraussetzungen wie deutschen Staatsangehörigen gewährt werden muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.12.2001 durch Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 671897 |
NVwZ 2002, 864 |
InfAuslR 2002, 255 |
Streit 2002, 61 |
ZAR 2002, 245 |
AuAS 2002, 108 |
DVBl. 2002, 915 |