Verfahrensgang
Truppendienstgericht Süd (Urteil vom 13.02.2019; Aktenzeichen S 4 VL 38/17) |
Tenor
Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
Rz. 1
Das Verfahren betrifft die disziplinaren Vorwürfe verbaler sexueller Belästigungen und eines Anfassens einer Untergebenen ohne deren Einverständnis.
Rz. 2
1. Der über den Realschulabschluss und eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann verfügende, 1971 geborene Soldat trat 1991 in die Bundeswehr ein und wurde 1992 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Hauptgefreiten UA ernannt. 1999 wurde er Berufssoldat und 2001 zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Zuletzt wurde er 2015 zum Kapitänleutnant befördert. Seine Dienstzeit endet im Jahr 2027.
Rz. 3
Nach zahlreichen Verwendungen und Absolvierung mehrerer Lehrgänge wurde er seit Juli 2015 im Dezernat... des... eingesetzt und zum April 2019 zum... auf den Dienstposten eines Personaloffiziers für Offiziere versetzt. In einer planmäßigen Beurteilung vom 22. Februar 2016 und einer Sonderbeurteilung vom 22. Mai 2019 wurde ihm ein Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 7,30 bescheinigt. Der aktuelle Disziplinarvorgesetzte hat in der Berufungshauptverhandlung erklärt, er sehe den Soldaten bei einem Durchschnittswert von 7,50. Er sei fachlich sehr gut und habe aus den Vorfällen gelernt.
Rz. 4
Der aktuelle Disziplinarbuchauszug des Soldaten enthält nicht mehr den Hinweis auf die gegen ihn unter dem 21. Oktober 2016 verhängte Disziplinarbuße über 1 000 €, welche einen teilweise sachgleichen Sachverhalt vor allem zum Anschuldigungspunkt 6 betraf. Der Zentralregisterauszug weist ebenfalls keine Eintragungen auf.
Rz. 5
...
Rz. 6
2. Nach der am 3. Juli 2017 erfolgten Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft den Soldaten unter dem 12. Dezember 2017 beim Truppendienstgericht wie folgt angeschuldigt:
"Der Soldat hat zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen April und August 2016
1. Im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) gegenüber den Zeuginnen A. und J. sinngemäß geäußert, dass sie nur neidisch auf Frau D. seien, weil diese die größeren Brüste habe.
2. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) gegenüber den Zeuginnen A. und J. sinngemäß geäußert, nur mit ihnen zum Schwimmen zu kommen, wenn die Zeuginnen A. und J. enge Bikinis trügen.
3. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) die Zeugin A. gefragt, was mit ihren Haaren sei, ob sie die ganze Nacht durchgevögelt habe.
4. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...), als die Zeugin A. mit feuchten oder mit regennassen Haaren dort eintrat, geäußert: 'Ihre Haare sehen scheiße aus!'.
5. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) der Zeugin A., als diese mit tropfnassen Haaren dort eintrat, angedroht, ihr die Haare abzuschneiden.
6. in Höhe der Kellertreppe des Gebäudes... der Liegenschaft... die Zeugin A. an den Armen gefasst, sie parallel zur Treppe geschoben und mit so viel Schwung nach links um die eigene Achse gedreht, dass die Zeugin erst durch Festhalten am Geländer zum Stehen kam und sich mit dem rechten Fuß auf der ersten Stufe der Kellertreppe abfangen konnte.
7. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) der Zeugin A. einen Strich auf den Unterarm gemalt, nachdem diese zunächst ihm einen Strich auf den Unterarm gemalt hatte.
8. im Geschäftszimmer seines Dezernates (Liegenschaft..., Geb...., Raum...) der Zeugin A. angedroht, ihr mit einem Eddingstift einen Penis auf die Stirn zu malen, wobei er einen Eddingstift vom Schreibtisch aufgenommen hat und um den Tresen gelaufen ist, hinter dem die Zeugin A. stand."
Rz. 7
3. Das Truppendienstgericht hat gegen den Soldaten unter Aufhebung der gegen ihn verhängten Disziplinarbuße mit Urteil vom 13. Februar 2019 eine "Gehaltskürzung" um 1/20 für ein Jahr verhängt. Als erwiesen und disziplinarisch relevant seien die unter Anschuldigungspunkten 1 und 6 beschriebenen Verhaltensweisen anzusehen. Bei Anschuldigungspunkt 2 sei hingegen nicht erwiesen, dass der Soldat von "engen" Bikinis gesprochen habe, was allein die disziplinarische Relevanz begründet hätte. Von den Anschuldigungspunkten 3 und 4 sei der Soldat ebenfalls mangels disziplinarer Relevanz freizustellen, zumal sich die Zeugin A. durch die Äußerung gemäß Anschuldigungspunkt 4 auch nicht persönlich verletzt gefühlt habe. Die Anschuldigungspunkte 5, 7 und 8 seien in tatsächlicher Hinsicht nicht erwiesen.
Rz. 8
Durch sein Fehlverhalten im Anschuldigungspunkt 1 habe der Soldat eine vorsätzliche sexuelle Belästigung begangen und zugleich die Pflicht zum treuen Dienen verletzt, die insbesondere die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung einschließe. Darüber hinaus habe er durch seine verbale Entgleisung und das unter Anschuldigungspunkt 6 beschriebene Anfassen der Zeugin A. seine Pflicht zur Kameradschaft und die Pflicht verletzt, für Untergebene zu sorgen.
Rz. 9
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme werde das disziplinare Gewicht des Fehlverhaltens durch den körperlichen Übergriff auf die Zeugin A. bestimmt. Auch deren verbale sexuelle Belästigung habe erhebliches disziplinares Gewicht, weil der Soldat damit gleichzeitig gegen die Kernpflicht zum treuen Dienen verstoßen habe. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei die Herabsetzung im Dienstgrad, auch wenn sich wegen der nur einmaligen verbalen Entgleisung die Frage stelle, ob die Schwelle zu einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme überschritten werde. Deren Erfordernis ergebe sich jedoch aus dem körperlichen Übergriff. Dabei habe der Soldat auch nach Aussage der Zeugin A. nicht die Absicht gehabt, ihre Gesundheit zu gefährden. Deshalb sei eine Kürzung der Dienstbezüge ausreichend. Mildernd sei zu berücksichtigen, dass der Soldat bislang tadellose dienstliche Leistungen gezeigt habe; ihn belaste, dass Reue, Einsicht und Geständnis nur eingeschränkt festzustellen seien.
Rz. 10
4. Mit ihrer frist- und formgerecht zulasten des Soldaten uneingeschränkt eingelegten Berufung macht die Wehrdisziplinaranwaltschaft geltend, der Soldat sei nicht bloß einmalig verbal entgleist, sondern mehrfach. Zwar sei jede einzelne Pflichtverletzung minderschwer; in der Gesamtschau ergäben sie jedoch das Bild von einem Offizier, dessen belästigendes Verhalten auch nicht durch seinen "lockeren Führungsstil" entschuldigt werden könne.
Rz. 11
Der Soldat erwidert im Wesentlichen, die Belastungszeuginnen hätten auf der damals beliebten "MeToo-Welle" geritten und seien, wie sich im disziplinargerichtlichen Verfahren des Stabsfeldwebels B. (Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 30. Oktober 2018 und Hauptverhandlungsprotokolle vom 22., 23. und 30. Oktober 2018) gezeigt habe, auch nicht glaubwürdig.
Rz. 12
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Werdegang und zur Person des Soldaten wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts, hinsichtlich der näheren Details der Zeugenaussagen und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Rz. 13
Die zulässige Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist unbegründet. Da das Rechtsmittel in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (1.), sie rechtlich zu würdigen (2.) und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (3.).
Rz. 14
1. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der unter den Anschuldigungspunkten 1, 2, 3 und 6 angeschuldigte Sachverhalt zutrifft, während der Soldat von den sonstigen Anschuldigungspunkten freizustellen ist.
Rz. 15
a) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen. Dabei können rein abstrakte oder theoretische Zweifel, für die es keine reale Grundlage gibt, das für die Verurteilung nach der Lebenserfahrung ausreichende Maß an Sicherheit nicht in Frage stellen. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 2 WD 20.18 - Rn. 31 m.w.N.). Zwar ist das Tatgericht nicht grundsätzlich schon dann aufgrund des Zweifelssatzes an einer Verurteilung gehindert, wenn "Aussage gegen Aussage" steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen. Bei einer derartigen Sachlage muss allerdings die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der einzige Belastungszeuge in der Verhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhält, der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird oder sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Dann muss das Gericht regelmäßig auch außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe ermitteln, die es ermöglichen, der Zeugenaussage dennoch zu glauben. Gelingt dies nicht, ist der Soldat nach dem Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" freizustellen (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2019 - 2 WD 16.18 - juris Rn. 15 m.w.N.).
Rz. 16
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze konnte der Senat seine tatrichterliche Überzeugung zu keinem Anschuldigungspunkt allein auf die Aussagen der Zeugin A. stützen, weil sie ihre vorgerichtlichen Anschuldigungen gegenüber dem Soldaten stark relativiert hat, ihre Aussagen bereits in dem gegen den Soldaten B. geführten disziplinargerichtlichen Verfahren als zweifelhaft angesehen wurden und auch die Zeugen C., D. und die - durch Verlesen eingeführten - Aussagen der im Verfahren B. vernommenen Zeugen E., F., G., H. und I. Zweifel an deren Glaubwürdigkeit hervorrufen. Allerdings waren ihre Aussagen nicht völlig unverwertbar, sondern insbesondere in den Teilen glaubhaft, deren Richtigkeit durch andere Umstände - wie die geständigen Einlassungen des Soldaten oder die konstanten Aussagen der Zeugin J. - gestützt wurden. In der Berufungshauptverhandlung hat die Zeugin A. nicht ansatzweise Belastungseifer erkennen lassen, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht, die Meldung über das Verhalten des Soldaten eher zu bedauern, da ihr nicht klar gewesen sei, welche Dimension das Geschehen dadurch erhalte. Die Aussagen der Zeugin A. waren nach dem vom Senat in der Berufungshauptverhandlung von ihr gewonnenen Eindruck zudem nicht einstudiert, sondern abwägend und bezogen auf das anderweitig bestätigte Kerngeschehen hinreichend konsistent. Abweichungen betrafen nur dessen Randbereich und sind angesichts der eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten der Zeugin und des zeitlichen Abstandes zum Dienstvergehen nachvollziehbar.
Rz. 17
Vor allem aber hat die Zeugin J. die Aussage der Zeugin A. in Teilen bestätigt. Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, hat der Senat bei ihr keinen Belastungseifer festgestellt. Er ist insbesondere nicht daraus abzuleiten, dass die Zeugin J. das Verhalten des Soldaten zum Gegenstand disziplinarischer Ermittlungen und zum Gegenstand einer Beschwerde an die Bundesverteidigungsministerin gemacht hat. Sie hat damit die ihr zustehenden Rechte wahrgenommen, woraus ihr kein Nachteil erwachsen darf. Dass sie sich angesichts der in Fällen sexueller Belästigung regelmäßig bestehenden Besonderheit, als dienstgradniedrigerer Soldat einem Übergriff durch einen Dienstgradhöheren ausgesetzt gewesen zu sein, um Unterstützung durch die Zeuginnen A. und D. bemüht hat, belegt ebenfalls keinen Belastungseifer. Dies gilt umso mehr, als auch sie in der Berufungshauptverhandlung nicht den Eindruck erweckte, auch noch nach Jahren in das Geschehen emotional verstrickt zu sein. Auch bei ihr wirkte die Aussage weder einstudiert noch mit der Zeugin A. abgesprochen; an Details erinnerte sie sich erst auf Vorhalt. Die Glaubwürdigkeit der nicht impulsiv wirkenden Zeugin wird auch nicht dadurch erschüttert, dass sie nach Aussage der Zeugin D. erklärt haben soll, sie werde mit ihrer Beschwerde bis zur Eröffnung ihrer Beurteilung abwarten. Zum einen wäre es nachvollziehbar, wenn sie aus taktischen Gründen versucht hätte, einen etwaigen Unmut von Vorgesetzten über den mit der Meldung verbundenen Arbeitsaufwand nicht auf ihre Beurteilung durchschlagen zu lassen; zum anderen hat der Zeuge K. erstinstanzlich ausgesagt, die Zeugin J. habe erklärt, der Ministerin "so oder so" zu melden. Hinzu kommt, dass der Zeuge C. ausgesagt hat, er habe Hauptmann L. und Oberstleutnant M. wegen Umständen ermahnt, die die Zeugin J. durchaus nicht unberechtigt moniert habe.
Rz. 18
c) Der Soldat hat demnach - wie unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigt - im Zeitraum April bis August 2016 im Geschäftszimmer seines Dezernates gegenüber den Zeuginnen A. und J. wissentlich und willentlich geäußert, sie seien nur neidisch auf die Zeugin D., weil diese eine größere Oberweite habe. Dies folgt zum einen aus der Einlassung des Soldaten selbst, der die Äußerung als solche nicht in Abrede gestellt und lediglich deren rechtliche Würdigung als sexistisch mit der Begründung in Abrede gestellt hat, er habe damit nur die Absicht verfolgt, das vielmehr von der Zeugin A. - und nicht ihm - mit dieser Thematik initiierte Gespräch zu beenden. Zudem hat er selbst eingeräumt, der Zeugin A. gegenüber die dienstlich gebotene Distanz verloren zu haben. Auch die Zeuginnen A. und J. haben diese Äußerung bestätigt und zudem übereinstimmend ausgesagt, dass nicht die Zeugin A. den Anstoß für eine solche Äußerung des Soldaten gegeben hätte. Insbesondere die Zeugin J. hat bestätigt, dass der Soldat und nicht die Zeugin A. das Thema initiiert hat.
Rz. 19
d) Der Soldat hat - wie unter Anschuldigungspunkt 2 angeschuldigt - im Zeitraum April bis August 2016 im Geschäftszimmer seines Dezernates gegenüber den Zeuginnen A. und J. wissentlich und willentlich geäußert, mit ihnen nur zum Schwimmen zu kommen, wenn sie Bikinis trügen. Auch diese von den beiden Zeuginnen berichtete Äußerung hat der Soldat selbst eingeräumt. Er habe auf die Frage, ob er mit zum Kleiderschwimmen komme, sich entsprechend geäußert, um das Gespräch zu beenden. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob der Soldat explizit von engen Bikinis oder nur von Bikinis gesprochen hat. Denn die Anschuldigungsschrift erfasst durch die Formulierung "sinngemäß" beide Varianten, sodass es auf die Unerweislichkeit des Adjektivs "eng" nicht ankommt.
Rz. 20
e) Der Soldat hat - wie unter Anschuldigungspunkt 3 sinngemäß angeschuldigt - im Zeitraum April bis August 2016 im Geschäftszimmer seines Dezernates gegenüber der Zeugin A. wissentlich und willentlich geäußert, ihre Haare sähen aus, als ob sie die ganze Nacht "durchgevögelt" habe. Der Soldat hat zwar bestritten, sich in dieser Form über die Haare der Zeugin geäußert zu haben. Auf der Grundlage der Aussagen der Zeuginnen A. und J. steht indes fest, dass sich der Soldat äußerst abfällig über die Frisur der Zeugin A. geäußert hat. Die Zeugin A. hat auf Nachfrage die Wortwahl "durchvögeln" bestätigt. Die Zeugin J. hat sich an die sinngleiche Formulierung "durchgefickt" erinnert. Dass sie sich nicht an die Bezeichnung "durchgevögelt" erinnert hat, spricht nicht gegen sie. Der gleichermaßen abwertende Gehalt der Äußerung, an den sie sich erinnert hat, bleibt dadurch unberührt. Übereinstimmend haben die Zeuginnen J. und A. zudem den Kontext beschrieben, in dem die Äußerung gefallen ist. Beide haben angegeben, der Vorfall stehe im Zusammenhang damit, dass die Zeugin A. im Nachbargebäude Kaffee serviert habe, sie auf dem Rückweg in den Regen gekommen sei und ihre Haare dabei nass geworden seien.
Rz. 21
f) Sowohl die unter Anschuldigungspunkt 4 angeschuldigte Aussage des Soldaten ("Ihre Haare sehen Scheiße aus") als auch die unter Anschuldigungspunkt 5 ausgesprochene Androhung, der Zeugin A. die Haare abzuschneiden, sind hingegen nicht beweisbar. Die Zeugin J. konnte sich an eine Äußerung des Soldaten der unter Anschuldigungspunkt 4 beschriebenen Art nicht erinnern, sondern lediglich die Zeugin A. selbst. Deren Aussage allein konnte jedoch angesichts der dargelegten Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit nicht zu einer Überzeugungsgewissheit des Senats führen. Dasselbe gilt für den Anschuldigungspunkt 5, nachdem sich die unmittelbar davon betroffene Zeugin A. an eine entsprechende Androhung nicht mehr erinnern konnte und die Zeugin J. zwar an Vorfälle, die sich auf das Abschneiden von Haaren bezogen, nicht aber an den Wortlaut und Kontext. Deshalb konnte nicht die Einlassung des Soldaten widerlegt werden, er habe der Zeugin A. gegenüber lediglich geäußert, sie solle doch ihre Haare abschneiden lassen, wenn sie sie störten.
Rz. 22
g) Der Soldat hat - wie unter Anschuldigungspunkt 6 angeschuldigt - im Zeitraum April bis August 2016 in Höhe der Kellertreppe des Gebäudes... der Liegenschaft... die Zeugin A. willentlich und wissentlich an die Arme gefasst und sie gegen deren Willen so geschoben, dass sie mit dem Fuß auf der jedenfalls ersten Stufe der Kellertreppe zum Stehen kam. Dass der Soldat die Zeugin A. angefasst und von sich weggeschoben hat, steht nach seiner eigenen Einlassung fest. Er hat eingeräumt, sie angefasst und zur Seite bewegt zu haben, um ein Gespräch mit ihr zu beenden, welches durch eine flapsige Äußerung von ihr in Gang gekommen sei. Er habe in dieser Situation nicht darüber nachgedacht, dass er sie nicht hätte anfassen dürfen. Die Beschreibung des äußeren Tatablaufs entspricht im Kern den Aussagen der Zeuginnen A. und J. Dabei hat die Zeugin A. ausgesagt, sie könne sich zwar an das Anfassen und das Wegschubsen durch den Soldaten erinnern, nicht aber daran, dass er sie auch gedreht habe. Erinnerlich sei ihr hingegen, dass sie mit dem Fuß erst auf der ersten oder zweiten Kellertreppenstufe zum Stehen gekommen sei. Die Zeugin J. hat bestätigt, dass die Zeugin A. und der Soldat sich an der Treppe getroffen und der Soldat die Zeugin A. an den Armen angefasst habe. Soweit sie darüber hinaus auch ausgesagt hat, der Soldat habe die Zeugin A. gedreht, steht dieser Umstand zur Überzeugung des Senats nicht fest, weil die Zeugin A. als unmittelbar davon Betroffene ihn nicht bestätigt hat.
Rz. 23
h) Dass der Soldat - wie unter Punkt 7 und 8 angeschuldigt - im Geschäftszimmer seines Dezernates der Zeugin A. einen Strich auf den Unterarm gemalt und angedroht hat, ihr mit einem Eddingstift einen Penis auf die Stirn zu malen, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest. Die Zeugin A. hat sich daran, dass der Soldat ihr einen Strich auf den Unterarm gemalt habe, ebenso wenig erinnern können wie die Zeugin J. Auch der erstinstanzlich vernommene Zeuge N. hat ausgeführt, er könne sich nur daran erinnern, dass die Zeugin A. dem Soldaten in einer Situation, in der der Soldat am Tresen eine Unterschrift habe leisten sollen, einen Strich auf den Unterarm gemalt habe. Daraufhin sei der Soldat zwar in Richtung der Zeugin um den Tresen herumgegangen, nachdem er von seinem Arbeitsplatz einen Stift genommen habe; nach seiner Erinnerung habe jedoch noch eine Distanz zwischen dem Soldaten und der Zeugin bestanden.
Rz. 24
Soweit die Zeugin A. ausgesagt hat, sie sei sich nicht mehr sicher, an welchem Tag ihr der Soldat angedroht habe, ihr einen Penis auf die Stirn zu malen, und sie habe ihn mit einem Brieföffner in die Seite gepikst, blieb in der Berufungshauptverhandlung durch die Aussage der Zeugin unklar, ob die angebliche Drohung des Soldaten Ursache oder Folge dessen gewesen sein soll, dass sie ihn mit einem Brieföffner gepikst hatte. Die Zeugin J. hat zwar ausgesagt, sich an die Androhung des Soldaten, der Zeugin A. einen Penis auf die Stirn zu malen, erinnern zu können. Offen ließ sie jedoch, in welchem Zusammenhang dies geschehen sei. Beide Zeugenaussagen sind somit vage und tragen die richterliche Überzeugung von einem entsprechenden Tatgeschehen nicht. Dies gilt umso mehr, als der erstinstanzlich vernommene Zeuge N. ausgeführt hat, sich an einen solchen Vorfall nicht erinnern zu können, obwohl er zusammen mit der Zeugin A. im Geschäftszimmer saß. Auch der erstinstanzlich vernommene Zeuge O., dessen Büro neben dem des Soldaten lag, hat einen solchen Vorfall nicht bestätigt.
Rz. 25
2. Der Soldat hat mit dem erwiesenen Verhalten ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
Rz. 26
a) Mit der wissentlichen und willentlichen, somit vorsätzlichen Äußerung, die Zeuginnen A. und J. seien auf die größere Oberweite der Zeugin D. neidisch, hat der Soldat gemäß § 7 Abs. 2 SoldGG seine dienstlichen Pflichten verletzt. Denn er hat damit eine unerwünschte sexuelle Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 SoldGG in Form einer Bemerkung sexuellen Inhalts getätigt, die jedenfalls bewirkte, dass deren Würde verletzt wurde (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Rn. 35 m.w.N.). Mit der Bemerkung brachte er zum Ausdruck, dass die Zeuginnen Anlass haben könnten, ein Erscheinungsdefizit aus dem Fehlen eines bei ihnen weniger ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmals abzuleiten. Dass er dies nicht bezweckt haben mag, ändert nichts daran, dass er die Würdeverletzung bewirkt hat. Das Bewirken allein ist nach dem Tatbestand des § 3 Abs. 4 SoldGG ausreichend; insoweit ist auch kein Vorsatz erforderlich (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 WD 13.16 - Rn. 87). Die Belästigung war auch objektiv erkennbar unerwünscht, da die Zeuginnen dem Soldaten gegenüber weder ausdrücklich noch indirekt signalisiert hatten, sich mit ihm verbal auf sexueller Ebene auszutauschen zu wollen (vgl. zu § 7 Abs. 3, § 3 Abs. 4 AGG: BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - BeckRS 2017, 121650).
Rz. 27
Vor dem Hintergrund des dargestellten Normverständnisses bildet auch die vorsätzliche Äußerung des Soldaten gegenüber der Zeugin A., ihre Haare sähen aus, als ob sie die ganze Nacht Geschlechtsverkehr gehabt habe, eine unerwünschte sexuelle Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 SoldGG in Form einer Bemerkung sexuellen Inhalts, die jedenfalls bewirkte, dass deren Würde verletzt wurde. Die vulgäre Formulierung des Soldaten für den Geschlechtsverkehr ("durchvögeln") stellt objektiv betrachtet eine gravierende, die sexuelle Sphäre betreffende Ehrverletzung dar.
Rz. 28
Die Bemerkung des Soldaten, er würde nur mit zum Schwimmen kommen, wenn die Soldatinnen Bikinis trügen, kann zwar auch als latent sexuelle Anspielung aufgefasst werden. Ihr fehlt es aber an einer Verletzung der Würde der Soldatinnen, sodass eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 SoldGG nicht vorliegt. Jedoch hat der Soldat mit diesen Worten gegen das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 SG verstoßen. Diese mehrdeutige Bemerkung war unsachlich, in einem dienstlichen Gespräch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen deplatziert und geeignet, das Vertrauen in ihn als Vorgesetzten zu erschüttern (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 86 ff. m.w.N.).
Rz. 29
b) Durch die Äußerungen hat der Soldat vorsätzlich auch die Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG verletzt. Zu dieser Pflicht gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität der geltenden Rechtsordnung gegenüber (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 Rn. 33 m.w.N.). Zur Rechtsordnung gehört auch die Pflicht aus § 7 Abs. 2 SoldGG. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift einem Verstoß gegen das Verbot sexueller Belästigung ausdrücklich die Qualität einer Pflichtverletzung verliehen und damit disziplinarische Relevanz zugewiesen.
Rz. 30
c) Vorsätzlich verletzt ist auch § 10 Abs. 3 SG. Die Fürsorgepflicht beinhaltet die Pflicht eines jeden militärischen Vorgesetzten, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss unter anderem das berechtigte Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (BVerwG, Urteil vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 42). Eine - wie hier - beleidigende Behandlung eines Untergebenen verstößt gegen die Pflicht aus § 10 Abs. 3 SG, für Untergebene zu sorgen.
Rz. 31
d) Ebenso liegt eine vorsätzliche Verletzung des § 12 SG vor. Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt (§ 12 Satz 2 SG), stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe. Dies ist insbesondere bei einer sexuellen Belästigung der Fall.
Rz. 32
e) Vorsätzlich verletzt ist auch die Pflicht zu innerdienstlichem Wohlverhalten. Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält zugleich einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn es Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Die glaubhaften Aussagen der Zeugin A. haben zudem erkennen lassen, dass über eine Ansehensgefährdung hinaus eine Ansehensschädigung auch tatsächlich eingetreten ist. Sie hat erklärt, im Laufe der Zeit vor dem Soldaten jeglichen Respekt verloren zu haben.
Rz. 33
f) Durch das Anfassen der Zeugin A. hat der Soldat zusätzlich ebenfalls gegen die Pflichten nach §§ 7, 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen, weil ein Vorgesetzter seine Untergebenen ohne deren Einverständnis nicht anfassen darf, außer wenn zur Durchsetzung eines Befehls kein anderes Mittel gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Buchholz 449.7 § 7 SG Nr. 56 Rn. 33 m.w.N.). Dass der körperliche Übergriff sexuell motiviert gewesen wäre, hat der Senat nicht feststellen können.
Rz. 34
3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
Rz. 35
a) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen". Bei sexuellen Belästigungen von Untergebenen durch Vorgesetzte im Dienst, die hier den Schwerpunkt des Dienstvergehens ausmachen, bildet regelmäßig eine Herabsetzung im Dienstgrad den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 Rn. 49 m.w.N.).
Rz. 36
b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
Rz. 37
c) Nach Maßgabe dessen liegt trotz Vorliegens mehrerer Pflichtverletzungen ein minderschwerer Fall vor. Denn die sexuellen Belästigungen, die hier den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden, bewegen sich im Bereich leichter Pflichtverletzungen. Vom Spektrum möglicher sexueller Belästigungsformen aus betrachtet sind rein verbale Belästigungen häufig im unteren Bereich anzusiedeln (BVerwG, Urteile vom 13. Februar 2014 - 2 WD 4.13 - juris Rn. 75 und vom 6. April 2017 - 2 WD 13.16 - juris Rn. 109). Dies gilt auch hier. Zwar kann für wiederholte und hartnäckige sexuelle Aufforderungen im Sinne des § 3 Abs. 4 SoldGG etwas anderes gelten (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2005 - 2 WD 33.04 - juris Rn. 18 f. und vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - juris Rn. 29). Im vorliegenden Fall verfolgte der angeschuldigte Soldat aber unstreitig nicht die Absicht, die Soldatinnen sexuell zu bedrängen oder zur Vornahme sexueller Handlungen zu bewegen. Seine Bemerkungen sexuellen Inhalts waren respektlos und wegen ihres despektierlichen Inhalts würdeverletzend; sie waren aber für die betroffenen Soldatinnen nicht in besonderem Maße seelisch belastend. Sie traten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht in einer solchen Häufung auf, dass man sie als Mittel systematischer Ausgrenzung und Diskriminierung ansehen müsste. Jede Bemerkung wäre für sich genommen - ebenso wie eine Kameradenbeleidigung ohne sexuellen Inhalt - nicht so schwerwiegend, dass zu ihrer Ahndung eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht ausreichend wäre. Das gleiche gilt für die gegen das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 SG verstoßende "Bikini-Bemerkung".
Rz. 38
Auch das einmalige Beiseiteschieben der Zeugin A. wäre isoliert betrachtet nur ein einfaches Dienstvergehen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Soldat die Zeugin A. ohne deren Einverständnis und ohne dass dies zur Durchsetzung eines Befehls erforderlich gewesen wäre, angefasst hat; dieser Übergriff hat jedoch noch nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt und nähert sich auch nicht ansatzweise einer Misshandlung oder entwürdigenden oder demütigenden Behandlung von Untergebenen, bei denen eine Herabsetzung im Dienstgrad regelmäßig Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 2 WD 1.11 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 57 Rn. 72; zur Regeleinstufung außerdienstlicher körperlicher Übergriffe: BVerwG, Urteil vom 7. März 2013 - 2 WD 28.12 - juris Rn. 50). Die Zeugin A. selbst hat zudem auch nicht behauptet, der Soldat habe sie an der Kellertreppe vorsätzlich in eine besondere Gefahrensituation bringen wollen.
Rz. 39
Allerdings ist nach § 18 Abs. 2 WDO die Kumulation von insgesamt vier Pflichtverletzungen in den Blick zu nehmen, die nicht isoliert betrachtet werden können. Sie zeigen ein wiederholtes Versagen als Vorgesetzter. Zudem richteten sich alle vier Pflichtverletzungen gegen die Zeugin A. und teilweise auch gegen die Zeugin J. als Untergebene. Da damit eine spürbare mehrfache Zurücksetzung, Benachteiligung und Würdeverletzung verbunden war, wäre an sich ein disziplinargerichtliches Einschreiten in Form des für minder schwere Fälle sexueller Belästigung üblichen Beförderungsverbotes geboten.
Rz. 40
Allerdings liegt mit der Nachbewährung des Soldaten ein weiterer mildernder Umstand vor. Er gebietet, zur nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 WDO zulässigen Kürzung der Dienstbezüge als nächstmildere Maßnahmeart überzugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 WD 25.18 - Rn. 23 f.). Eine Nachbewährung ist gegeben, wenn durch das Gesamtverhalten eines Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig belastend auf ihn einwirkt, und er durch seine dienstliche Führung dokumentiert, dass er die Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch nun besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2013 - 2 WD 11.12 - Rn. 47). Dies ist beim Soldaten der Fall. Er hat nach dem Dienstvergehen den "Kopf nicht in den Sand" gesteckt, sondern trotz des ihn ersichtlich bedrückenden (gerichtlichen) Disziplinarverfahrens seine schon bis dahin überzeugenden Leistungen noch gesteigert. Während er in seiner planmäßigen Beurteilung 2016 und der Sonderbeurteilung 2019 als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung noch "7,30" erhielt, hat der aktuelle Disziplinarvorgesetzte seinen gegenwärtigen Leistungen mit 7,50 bewertet. Zudem hatte Oberst P. bereits erstinstanzlich ausgesagt, der Soldat habe sich nicht "hängen lassen". Er sei nach wie vor ein leistungsstarker Mitarbeiter ohne Einbruch in seiner täglichen Arbeit gewesen. Da der Soldat zwischenzeitlich auch nicht erneut disziplinarisch in Erscheinung getreten ist, liegt eine Nachbewährung als klassischer Milderungsgrund vor, sodass zur nach § 59 WDO zulässigen Kürzung der Dienstbezüge überzugehen war.
Rz. 41
d) Bei der Kürzung der Dienstbezüge, die mindestens 1/20 und höchstens 1/5 für die Dauer von mindestens 6 Monaten bis höchstens 5 Jahre betragen kann, ist die erstinstanzlich ausgesprochene Kürzung um 1/20 für ein Jahr angemessen. Die sich im Bereich des gesetzlichen Mindestmaßes bewegende Kürzung ist ausreichend, weil nur noch ein geringes spezialpräventives Bedürfnis für eine disziplinarische Einwirkung auf den Soldaten besteht. Der Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung dahingehend eingelassen, gegen die Disziplinarbuße seinerzeit keinen Rechtsbehelf eingelegt zu haben, weil er insoweit eingesehen habe, die professionelle Distanz zu einer Untergebenen verloren zu haben. Der frühere Disziplinarvorgesetzte C. hat in der Berufungsverhandlung zudem bestätigt, dass sich das von ihm gegen den Soldaten geführte (einfache) Disziplinarverfahren einfach gestaltet habe, weil dieser mitgearbeitet habe und jener von der Tat und den Vorwürfen gegen ihn selbst erschrocken und einsichtig gewesen sei. Zudem hat Oberst P. erstinstanzlich ausgeführt, er habe den Soldaten als Offizier erlebt, der sein Verhalten merklich geändert habe. Dem entspricht die Aussage des aktuellen Disziplinarvorgesetzten Q., er habe bei dem Soldaten keinen lockeren Umgangston festgestellt, wahrscheinlich habe er aus den Vorfällen seine Lehren gezogen.
Rz. 42
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO.
Fundstellen
Dokument-Index HI13927449 |