Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung einer selbständigen naturschutzrechtlichen Befreiung unter Verstoß gegen die Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG
Leitsatz (amtlich)
1. Die naturschutzrechtliche Befreiung nach § 67 BNatSchG ist eine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
2. Bei § 13 BImSchG handelt es sich jedenfalls insoweit um eine umweltbezogene Rechtsvorschrift, als von der Konzentrationswirkung umfasste behördliche Entscheidungen ihrerseits von der Einhaltung solcher umweltbezogenen Rechtsvorschriften abhängen, die im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfen sind.
3. Die Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG hängt nicht von der Einleitung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, sondern lediglich von der Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens nach § 4 BImSchG ab.
4. Für eine von der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG umfasste, aber gleichwohl gesondert erteilte Zulassung fehlt es der Erlassbehörde an der sachlichen Zuständigkeit.
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.09.2021; Aktenzeichen 10 S 1956/20) |
VG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 12.05.2020; Aktenzeichen 2 K 9611/17) |
Tenor
Das Anschlussrevisionsverfahren der Klägerin zu 1 wird eingestellt.
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. September 2021 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten aus dem Revisionsverfahren tragen die Beigeladene und die Klägerin zu 1 jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2 aus dem Revisionsverfahren trägt die Beigeladene. Die Beigeladene und die Klägerin zu 1 tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten aus dem Revisionsverfahren selbst.
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte naturschutzrechtliche Befreiung, die diese zum Zwecke der Errichtung von Windenergieanlagen beantragt hatte.
Rz. 2
Die Klägerin zu 1 ist eine im nördlichen Schwarzwald gelegene Gemeinde. Der Kläger zu 2 ist ein gemäß § 29 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG - i. d. F. vom 12. März 1987 (BGBl. I S. 889) anerkannter Naturschutzverband. Die Beigeladene ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im nördlichen Schwarzwald die Errichtung und Inbetriebnahme von insgesamt vier Windenergieanlagen (WEA) beabsichtigt.
Rz. 3
Die WEA 3 und 4 sollen auf dem Gebiet der Klägerin zu 1 in dem Landschaftsschutzgebiet "L.-Tal und K.-Straße" errichtet werden. Die WEA 2 soll auf dem Gebiet der im Verfahren nicht beteiligten Gemeinde L. errichtet werden. Der Rotorüberschlag der WEA 2 soll jedoch ebenfalls in das Landschaftsschutzgebiet "L.-Tal und K.-Straße" hineinragen. Der Rotorüberschlag der WEA 3 wiederum soll auch in das Landschaftsschutzgebiet "O. A.-Tal" hineinragen. Die nicht streitgegenständliche WEA 1 soll außerhalb eines Landschaftsschutzgebietes auf dem Gebiet der Gemeinde L. errichtet werden.
Rz. 4
Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 lehnte das Landratsamt O. die von der Beigeladenen mit Schreiben vom 9. März 2015 hinsichtlich der WEA 2, 3 und 4 beantragte Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnungen ab. Nach Widerspruch der Beigeladenen hob das Regierungspräsidium F. den Ablehnungsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2017 auf und erteilte für die WEA 2, 3 und 4 eine Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzverordnungen. Trotz der Konzentrationswirkung der späteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigung habe über den Befreiungsantrag entschieden werden können, weil diese noch nicht erteilt worden sei und sie das Einvernehmen der unteren Naturschutzbehörde voraussetze. Die Befreiung wurde unter der Bedingung erteilt, dass für die WEA jeweils vollziehbare immissionsschutzrechtliche Genehmigungen ausgesprochen werden.
Rz. 5
Während die Beigeladene bereits unter dem 30. Juni 2015 beim Landratsamt O. die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die WEA 1 und 2 beantragt hatte, beantragte sie diese für die WEA 3 und 4 erst am 27. Dezember 2017. Im März 2018 teilte das Landratsamt O. der Beigeladenen mit, dass für die WEA 3 und 4 eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein förmliches Genehmigungsverfahren notwendig seien.
Rz. 6
Mit Urteil vom 12. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht auf die Klage der Klägerin zu 1 den Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2017 hinsichtlich der WEA 3 und 4 und auf die Klage des Klägers zu 2 in Gänze aufgehoben. Auf die Berufung der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. September 2021 das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klage der Klägerin zu 1 gänzlich abgewiesen. Im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen. Es fehle an der Klagebefugnis der Klägerin zu 1. Die Klage des Klägers zu 2 sei hingegen zulässig, dieser sei nach § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt. Die angefochtene naturschutzrechtliche Befreiung stelle einen jedenfalls auch von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfassten tauglichen Klagegegenstand dar. Die Klage sei auch begründet, da die naturschutzrechtliche Befreiung gegen die durch § 13 BImSchG für die WEA 2, 3 und 4 angeordnete Konzentrationswirkung verstoße.
Rz. 7
Gegen das Urteil wendet sich die Beigeladene mit ihrer Revision. Die naturschutzrechtliche Befreiungsentscheidung sei kein tauglicher Klagegegenstand im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. § 13 BImSchG stelle auch keine umweltbezogene Rechtsvorschrift im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1 Abs. 4 UmwRG dar und könne jedenfalls erst ab Einleitung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gelten.
Rz. 8
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. September 2021 teilweise zu ändern und die Klage des Klägers zu 2 hinsichtlich der Windenergieanlagen 3 und 4 abzuweisen.
Rz. 9
Der Kläger zu 2 beantragt,
die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.
Rz. 10
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Rz. 11
Die Klägerin zu 1 hat Anschlussrevision eingelegt, diese aber vor Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
Nach der Rücknahme der Anschlussrevision (§ 140 Abs. 1 Satz 1 VwGO) war das Anschlussrevisionsverfahren der Klägerin zu 1 einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rz. 13
Die zulässige Revision der Beigeladenen ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Rz. 14
1. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die auf Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage des Klägers zu 2 für zulässig gehalten und diesem insbesondere eine Klagebefugnis aus § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - zugesprochen.
Rz. 15
a) Der Kläger zu 2, ein nach § 29 BNatSchG i. d. F. vom 12. März 1987 (BGBl. I S. 889) anerkannter Naturschutzverband, dessen Anerkennung als eine solche im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes fortgilt (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UmwRG), ist gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG zur Anfechtung des Widerspruchsbescheids befugt, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Die der Beigeladenen mit dem Widerspruchsbescheid erteilte naturschutzrechtliche Befreiung ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG sind erfüllt.
Rz. 16
aa) Mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid hat der Beklagte der Beigeladenen Befreiung von Verboten zweier Landschaftsschutzgebietsverordnungen für die Errichtung der WEA 2, 3 und 4 gewährt. Der Verwaltungsgerichtshof hat es als nicht entscheidungserheblich offengelassen, ob es sich bei dieser Entscheidung um einen tauglichen Klagegegenstand nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG handelt, weil jedenfalls auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG einschlägig sei. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 17
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe unter anderem gegen Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die der Beigeladenen unter Anwendung der umweltbezogenen Rechtsvorschrift des § 67 BNatSchG erteilte Befreiung eine Vorhabenzulassung in diesem Sinne darstellt und ein Rückgriff auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG hier unabhängig davon möglich ist, ob das Vorhaben der Beigeladenen auch der Nummer 1 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG unterfällt.
Rz. 18
(1) Der Begriff des Vorhabens im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG orientiert sich an der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG -, allerdings ohne Bezugnahme auf die Anlage 1 zum UVPG (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 19 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/9526 S. 36). Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen, wie sie die Beigeladene beabsichtigt, sind davon erfasst (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a UVPG).
Rz. 19
Durch die der Beigeladenen gewährte naturschutzrechtliche Befreiung wird dieses Vorhaben - durch Verwaltungsakt - zugelassen. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dient, wie auch die Nummern 4 und 6 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, dem Ziel einer vollständigen Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention - AK -, BGBl. 2006 II S. 1251; vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 31 f. sowie BVerwG, Urteile vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 19 und vom 19. Dezember 2019 - 7 C 28.18 - BVerwGE 167, 250 Rn. 25). Die Norm hat Auffangcharakter und ist mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes zu interpretieren, weit auszulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 7 C 28.18 - BVerwGE 167, 250 Rn. 25 m. w. N.). Der Begriff des zugelassenen Vorhabens in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG knüpft an jenen der Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG an und erfasst damit beispielsweise auch Teilgenehmigungen und Vorbescheide (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 36; BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 19). Er ist aber nicht hierauf begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf Entscheidungen, die - wie etwa eine Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten (BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2019 - 7 C 28.18 - BVerwGE 167, 250 Rn. 25 und vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - Buchholz 406.25 § 18 BImSchG Nr. 8 Rn. 13 in BVerwGE 171, 140 insoweit nicht abgedruckt).
Rz. 20
Die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung nach § 67 BNatSchG zur Durchführung eines Vorhabens ist eine Zulassungsentscheidung gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG. Darunter fallen Entscheidungen, durch die abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden wird (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 7 C 28.18 - BVerwGE 167, 250 Rn. 16). Wie aus der Erwähnung von Vorbescheiden, Teilgenehmigungen und anderen Teilzulassungen in § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG deutlich wird, kommt es in diesem Zusammenhang weder darauf an, dass dem Vorhabenträger unmittelbar das Recht zur vollständigen oder teilweisen Durchführung des Vorhabens eingeräumt wird, noch darauf, dass über sämtliche Zulassungsvoraussetzungen entschieden wird. Ausreichend ist es, wenn über einzelne Aspekte der Zulässigkeit des Vorhabens verbindlich entschieden und auf diese Weise die Vorhabenrealisierung (mit-)ermöglicht wird. Dies ist bei einer Befreiung von naturschutzrechtlichen Geboten oder Verboten, die der Verwirklichung des Vorhabens ansonsten entgegenstünden, der Fall (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 1 M 38.17 - NordÖR 2017, 300 ≪301≫; Bunge, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 1 UmwRG Rn. 55; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 1 UmwRG Rn. 20).
Rz. 21
Nichts anderes ergibt sich hier daraus, dass die Beigeladene zur Realisierung des Vorhabens einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf (vgl. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zu § 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV -), die noch aussteht. Zwar gehören Bestimmungen des Naturschutzrechts zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, von deren Einhaltung die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG abhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 6, 10). Ferner schließt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen (§ 13 BImSchG). Von dieser Konzentrationswirkung ist auch eine gegebenenfalls erforderliche Befreiung von naturschutzrechtlichen Geboten oder Verboten umfasst (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13 Rn. 7; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 13 BImSchG Rn. 89b).
Rz. 22
Entgegen dem Revisionsvorbringen rechtfertigt dies aber nicht die Annahme, bei der hier streitigen, vom Regierungspräsidium als höherer Naturschutzbehörde (vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG BW) gewährten Befreiung handele es sich deshalb um keine Zulassungsentscheidung, weil erst im sich noch anschließenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von der Immissionsschutzbehörde abschließend und verbindlich über das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach § 67 BNatSchG entschieden werde. Denn einer insoweit abweichenden naturschutzrechtlichen Entscheidung der Immissionsschutzbehörde stünde die Tatbestandswirkung des Widerspruchsbescheids und der mit ihm gewährten Befreiung entgegen (vgl. für einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 5, 10). Dies gilt unabhängig davon, ob - was an dieser Stelle noch offenbleiben kann - die Erteilung einer Befreiung durch die Naturschutzbehörde zulässig war, oder ob dem die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 13 BImSchG entgegenstand. Denn ein Verwaltungsakt entfaltet, solange er nicht aufgehoben ist, mit der in ihm verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung Bindungswirkung auch gegenüber anderen Behörden (sog. Tatbestandswirkung; vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Juli 1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 ≪320≫ und vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 5, 10; Beschluss vom 11. Februar 2016 - 4 B 1.16 - NVwZ-RR 2016, 471 Rn. 4). Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb zu Recht befunden, die der Beigeladenen erteilte naturschutzrechtliche Befreiung wirke wie ein - vom Begriff der Zulassungsentscheidung ausdrücklich umfasster - Vorbescheid, der die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit einem naturschutzrechtlichen Teilbereich verbindlich mit Wirkung für ein anschließendes immissionsschutzrechtliches Verfahren festlege.
Rz. 23
(2) Eine Klagebefugnis des Klägers zu 2 nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Nummer 5 des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nur für "andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben" gelten soll.
Rz. 24
Nach der Rechtsprechung des Senats ist das nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG bestehende Exklusivitätsverhältnis zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 UmwRG mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes auszulegen, einschränkend dahin zu verstehen, dass es nur solche Vorhaben betrifft, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird und die mithin gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 25). Der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfasst deshalb auch solche Vorhaben, bei denen nach Durchführung einer UVP-Vorprüfung keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind und deshalb eine UVP-Pflicht nicht besteht, obwohl wegen der aus der UVP-Vorprüfungspflicht resultierenden Möglichkeit einer UVP-Pflicht auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG erfüllt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 19, 25, 41).
Rz. 25
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG greift darüber hinaus - erst recht - dann ein, wenn eine gebotene UVP-Vorprüfung unterbleibt und deshalb nicht feststeht, ob eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht oder nicht. Bestünde eine UVP-Pflicht, wäre der Zugang zu einer gerichtlichen Vollüberprüfung nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UmwRG eröffnet. Bestünde keine UVP-Pflicht, wäre der Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG eröffnet. Diese völkerrechtlich durch Art. 9 Abs. 2 und 3 AK sowie durch entsprechendes Unionsrecht gebotenen Zugangsmöglichkeiten dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine vorgesehene Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht unterbleibt. Weil das Ergebnis einer von der zuständigen Behörde durchzuführenden Vorprüfung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann eine unterbliebene Vorprüfung auch nicht vom Gericht selbst nachgeholt werden (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 20. November 2018 - 5 S 2138/16 - juris Rn. 158 m. w. N.).
Rz. 26
Ausgehend davon kann sich der Kläger zu 2 auf das subsidiäre Klagerecht aus § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG berufen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist Gegenstand des Vorhabens eine Windfarm, für die nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG eine standortbezogene Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht (§ 7 Abs. 2 UVPG) durchzuführen ist. Eine solche ist bislang lediglich für die WEA 3 und 4, nicht aber für das von der naturschutzrechtlichen Befreiung umfasste (Gesamt-)Vorhaben - die aus drei Windenergieanlagen (WEA 2, 3 und 4) bestehende Windfarm - durchgeführt worden. Dass, wie die Beigeladene einwendet, im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Widerspruchsbescheids lediglich hinsichtlich zweier Anlagen (WEA 1 und 2) ein Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestellt gewesen sei, ist unerheblich. Für die Mengenschwelle nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG kommt es auf das zur naturschutzrechtlichen Befreiung gestellte Vorhaben an, das durch die Erteilung der Befreiung im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG zugelassen wird.
Rz. 27
bb) Der Kläger zu 2 rügt einen Verstoß gegen § 13 BImSchG und damit die Verletzung einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift, die für die angefochtene naturschutzrechtliche Befreiung von Bedeutung sein kann (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UmwRG). Umweltbezogene Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind gemäß § 1 Abs. 4 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Umweltinformationsgesetzes - UIG - beziehen. Das trifft auf die Regelung des § 13 BImSchG zur Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu.
Rz. 28
§ 13 BImSchG bewirkt eine Entscheidungs-, Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration: Soweit nicht eine der in der Vorschrift genannten Ausnahmen vorliegt, ist zur Zulassung eines nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftigen Vorhabens der Erlass lediglich einer Entscheidung, der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, erforderlich, die von der dafür zuständigen Behörde im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (§§ 10, 19 BImSchG) erteilt wird (vgl. Fluck, NVwZ 1992, 114 ≪116≫; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13 Rn. 1, 21; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 13 BImSchG Rn. 13, 32). Dies dient der Verwaltungsvereinfachung, insbesondere der Verfahrensbeschleunigung, der Verhinderung einander widersprechender Behördenentscheidungen sowie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (vgl. BT-Drs. 7/179 S. 35; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 13 BImSchG Rn. 13; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2 S. 2). Die Konzentrationswirkung ist auch eine Konsequenz des vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 BImSchG vorgesehenen umfassenden materiellen Prüfungsmaßstabs der Genehmigungsbehörde (vgl. BT-Drs. 7/179 S. 35; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189≫). Im Hinblick darauf dient sie zum einen der Vermeidung von Überschneidungen und Abgrenzungsschwierigkeiten im Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und sonstigen Zulassungsentscheidungen (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13 Rn. 1; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 13 BImSchG Rn. 13). Zum anderen soll die Konzentrationswirkung dem Risiko entgegenwirken, dass die Vielzahl der von einem Vorhaben berührten Belange in verschiedenen speziellen Zulassungsverfahren jeweils nur isoliert und somit nicht gemeinsam und in ihrer Wechselbezüglichkeit in den Blick genommen werden (vgl. Wasielewski, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 13 Rn. 23, 73). Zu diesen Belangen gehören auch solche des Umweltschutzes nach Maßgabe des Immissionsschutzrechts (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sowie anderer umweltbezogener öffentlich-rechtlicher Vorschriften (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). In diesem Sinne hebt schon die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 13 BImSchG hervor, die Vorschrift ermögliche es, "die [...] aus den verschiedensten rechtlichen Gesichtspunkten an die Anlage zu stellenden Anforderungen in optimaler Weise aufeinander abzustimmen" (BT-Drs. 7/179 S. 35). In Bezug auf umweltrechtliche Anforderungen entspricht dieser Ansatz überdies dem nunmehr vorgesehenen Gesetzeszweck einer integrierten Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Emissionen, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen (vgl. § 1 Abs. 2 BImSchG; Ewer, in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, BImSchG, § 13 Rn. 1; Scherer-Leydecker, DVBl 2015, 816 ≪817≫).
Rz. 29
Danach handelt es sich bei § 13 BImSchG jedenfalls insoweit um eine umweltbezogene Rechtsvorschrift, als von der Konzentrationswirkung umfasste behördliche Entscheidungen ihrerseits von der Einhaltung solcher umweltbezogenen Rechtsvorschriften abhängen, die im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von der Genehmigungsbehörde zu prüfen sind, weil sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen dürfen. Das ist bei der Erteilung einer zur Vorhabenverwirklichung notwendigen Befreiung von landschaftsschutzrechtlichen Geboten oder Verboten und der dafür maßgeblichen Vorschrift des § 67 BNatSchG der Fall. Weil § 13 BImSchG insoweit den naturschutzrechtlichen Charakter des § 67 BNatSchG teilt, kann offenbleiben, ob die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs zutrifft, der Kläger zu 2 sei als Inhaber einer gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UmwRG fortgeltenden Alt-Anerkennung als Naturschutzverband auf die Rüge einer Verletzung naturschutzrechtlicher Vorschriften beschränkt.
Rz. 30
cc) Der Kläger zu 2 macht auch im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend, durch die der Beigeladenen nach § 67 BNatSchG erteilte Befreiung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes betroffen zu sein. Zu diesen Zielen gehören ausweislich seiner Anerkennung als Naturschutzverband der Schutz von Natur und Landschaft.
Rz. 31
b) Der Widerspruchsbescheid enthält eine erstmalige Beschwer und ist deshalb isoliert anfechtbar (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Mit Rücksicht auf die von einer Verletzung subjektiver Rechte unabhängige Klagemöglichkeit, die das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz den nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigungen einräumt, ist eine erstmalige Beschwer einer solchen Vereinigung durch den Widerspruchsbescheid gegeben, wenn - wie hier - die Ausgangsbehörde einen Antrag auf Erlass einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG zunächst ablehnt, auf den dagegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers sodann aber die Widerspruchsbehörde die beantragte Entscheidung erlässt.
Rz. 32
2. Ebenfalls zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die Klage des Klägers zu 2 auch begründet ist, weil die der Beigeladenen erteilte naturschutzrechtliche Befreiung gegen die für diese Entscheidung bedeutsame umweltbezogene Rechtsvorschrift des § 13 BImSchG verstößt und dieser Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die der Kläger zu 2 nach seiner Satzung fördert (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG).
Rz. 33
a) Die der Beigeladenen von der höheren Naturschutzbehörde gemäß § 67 BNatSchG erteilte (eigenständige) naturschutzrechtliche Befreiung von natur- und landschaftsschutzrechtlichen Geboten oder Verboten verstößt gegen § 13 BImSchG.
Rz. 34
aa) Die naturschutzrechtliche Befreiung ist eine öffentlich-rechtliche Zulassung im Sinne der beispielhaften Aufzählung anderer die Anlage betreffender Entscheidungen in § 13 BImSchG. Mit ihr wird das genehmigungsbedürftige Vorhaben der Beigeladenen von landschaftsschutzrechtlichen Bauverboten freigestellt. Diese Verbote sind nach der für den Senat bindenden (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) Auslegung der dem nicht revisiblen Landesrecht zugehörigen Landschaftsschutzgebietsverordnungen durch den Verwaltungsgerichtshof auch insoweit einschlägig, als teilweise nur der Rotorüberschlag in ein Landschaftsschutzgebiet hineinragt. Die Befreiungsentscheidung regelt mit verbindlicher Wirkung auch für ein anschließendes immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren, dass dem Vorhaben insoweit keine naturschutzrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Hiermit nimmt sie, einem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid nach § 9 BImSchG vergleichbar, einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorweg.
Rz. 35
bb) Aus der Entscheidungs-, Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration gemäß § 13 BImSchG folgt, dass der gesonderte Erlass der Konzentrationswirkung unterfallender behördlicher Entscheidungen außerhalb des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens durch die für derartige Entscheidungen "an sich" zuständigen Fachbehörden unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2001 - 4 C 3.01 - NVwZ 2002, 1112, insoweit in Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 350 nur teilweise abgedruckt, vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪184, 189≫ und vom 21. Dezember 2011 - 4 C 12.10 - BVerwGE 141, 293 Rn. 9; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13 Rn. 21; Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG, Stand Dezember 2007, § 13 B 5). Die der Beigeladenen von der höheren Naturschutzbehörde erteilte naturschutzrechtliche Befreiung ist deshalb rechtswidrig.
Rz. 36
cc) Entgegen dem Revisionsvorbringen gilt dies unabhängig davon, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Befreiung hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch in Rede stehenden WEA 3 und 4 noch kein Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gestellt war. Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, hängt die Konzentrationswirkung gemäß § 13 BImSchG nicht von der Einleitung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, sondern lediglich von der Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens nach § 4 BImSchG ab (vgl. in diesem Sinne auch BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2001 - 4 C 3.01 - NVwZ 2002, 1112, vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪184, 189≫ und vom 21. Dezember 2011 - 4 C 12.10 - BVerwGE 141, 293 Rn. 9).
Rz. 37
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass Sinn und Zweck des § 13 BImSchG für dieses Verständnis streiten. Das mit der Konzentrationswirkung verfolgte Beschleunigungs-, Vereinfachungs- und Koordinierungsziel drohte verfehlt zu werden, könnte der Betreiber zunächst von einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag absehen, um vorab einzelne Aspekte der Zulässigkeit des Vorhabens in gesonderten Verwaltungsverfahren durch verschiedene Fachbehörden klären zu lassen. Zutreffend ist auch die vom Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf das Institut des Vorbescheids nach § 9 BImSchG angestellte gesetzessystematische Erwägung. Durch eine gesonderte fachbehördliche Entscheidung, die wie die der Beigeladenen erteilte naturschutzrechtliche Befreiung einzelne Fragen der Zulässigkeit von Anlagenerrichtung und -betrieb verbindlich klärt und auf diese Weise der Sache nach wie ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorwegnimmt, drohte eine Umgehung der in § 9 BImSchG normierten Voraussetzungen, namentlich zur sogenannten vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung, sowie der dafür bestehenden Zuständigkeitsregelungen. Überdies entfaltet auch der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid Konzentrationswirkung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2 S. 2 und Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189 f.≫). Der Exklusivitätsanspruch des Immissionsschutzrechts setzt sich deshalb auch gegenüber fachbehördlichen Entscheidungen durch, die einzelne Genehmigungsfragen verbindlich klären (vgl. für einen Bauvorbescheid BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189≫), unabhängig davon, ob bereits ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid- oder Genehmigungsantrag gestellt ist.
Rz. 38
Die dagegen von der Beigeladenen erhobenen Einwände vermögen nicht durchzugreifen. Insbesondere beruft sie sich ohne Erfolg auf die vom Senat (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2 S. 2) getroffene Aussage, die Konzentrationswirkung erstrecke sich über die von ihr erfassten behördlichen Entscheidungen als solche hinaus auch auf das diesen Entscheidungen zugrundeliegende Verwaltungsverfahren. Aus dieser Verfahrenskonzentration hat der Senat geschlossen, dass neben den immissionsschutzrechtlichen Verfahrensbestimmungen keine anderen - dort: naturschutzrechtlichen - Verfahrensbestimmungen Anwendung finden. Damit war nicht die Aussage verbunden, die Konzentrationswirkung im Allgemeinen und die Exklusivität des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens im Besonderen hingen davon ab, dass ein solches Verfahren durch einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag bereits eingeleitet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rechtsfolge einer Verfahrenskonzentration nicht notwendig von der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens abhängt. Dies lässt die Beigeladene unberücksichtigt, auch soweit sie sich auf einen Willen des historischen Gesetzgebers zu einem - so die Beigeladene - "strikten Bezug der Konzentrationswirkung auf ein Genehmigungsverfahren" beruft, der in der Entwurfsbegründung zu § 13 BImSchG mit den Worten hergestellt werde, dass "im Genehmigungsverfahren [...] die Anlage einer umfassenden [...] Sachprüfung unterzogen" werde, weshalb es "vom Verfahren her gerechtfertigt [sei], die Genehmigung als eine umfassende Realkonzession auszugestalten" (BT-Drs. 7/179 S. 35).
Rz. 39
Gesetzliche Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit, das Genehmigungsverfahren und die zuständigen Genehmigungsbehörden bewirken auch keinen mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbaren Zwang zur Stellung eines Genehmigungsantrags. Aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens außerhalb gesetzlicher Regelungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - 4 C 12.10 - BVerwGE 141, 293 Rn. 9). Zur verbindlichen Vorabklärung einzelner Fragen der Genehmigungsfähigkeit steht zudem das Institut des Vorbescheids nach § 9 BImSchG zur Verfügung. Der von der Beigeladenen aus Gründen der Rechtsklarheit geforderte objektive Anknüpfungspunkt für den Eintritt der Konzentrationswirkung ergibt sich aus der Genehmigungsbedürftigkeit eines Vorhabens. Soweit die Beigeladene der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, von der Konzentrationswirkung umfasste Entscheidungen könnten mangels Sachkompetenz der jeweiligen Fachbehörden nicht erteilt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189 f.≫ und vom 21. Dezember 2011 - 4 C 12.10 - BVerwGE 141, 293 Rn. 9), entgegenhält, die Sachkompetenz etwa der Baurechtsbehörden könne je nach Landesrecht unterschiedlich weitreichend sein und tauge deshalb nicht als Kriterium zur Bestimmung der Reichweite der Konzentrationswirkung, beruht dies auf einer Verwechslung von Ursache und Wirkung: Die Konzentrationswirkung führt zum Ausschluss einer ansonsten bestehenden Sachkompetenz anderer Behörden, nicht aber zieht umgekehrt das Fehlen einer fachbehördlichen Sachkompetenz die Konzentrationswirkung nach sich.
Rz. 40
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Verstoß gegen § 13 BImSchG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids führt. Dabei kann dahinstehen, ob dieser - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - auch zur materiellen Rechtswidrigkeit der naturschutzrechtlichen Befreiung führt. Jedenfalls liegt ein beachtlicher formeller Mangel vor.
Rz. 41
Für eine von der Konzentrationswirkung umfasste, aber gleichwohl gesondert erteilte Zulassung oder sonstige die Anlage betreffende behördliche Entscheidung fehlt es der Erlassbehörde - hier: dem Regierungspräsidium als höherer Naturschutzbehörde - an der sachlichen Zuständigkeit. Das entspricht nahezu einhelliger Auffassung im Schrifttum (Wasielewski, in: Führ, GK-BImSchG, 2. Aufl. 2019, § 13 Rn. 55; Hilbert, JuS 2014, 983 ≪984≫; Ewer, in: Düsing/Martinez, BImSchG, 2. Aufl. 2022, § 13 Rn. 9; Giesberts, in: BeckOK UmweltR, Stand 1. Juli 2022, BImSchG § 13 Rn. 6 f.; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, BImSchG § 13 Rn. 50 f.; a. A. Lange, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 13 Rn. 53) und wird auch von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geteilt (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189 f.≫ und vom 21. Dezember 2011 - 4 C 12.10 - BVerwGE 141, 293 Rn. 9). Dies ist Ausdruck der Zuständigkeitskonzentration bei der Immissionsschutzbehörde. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der gemäß § 13 BImSchG eingeschlossenen behördlichen Entscheidungen gehören, wie sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ergibt, zu den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, deren Prüfung der Immissionsschutzbehörde vorbehalten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 ≪189 f.≫). Allein sie hat auf der Grundlage dieser Prüfung - in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren - über die Erteilung der Genehmigung einschließlich der davon eingeschlossenen Entscheidungen zu befinden.
Rz. 42
Geht man mit dem Verwaltungsgerichtshof von einer auch materiellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aus, kommt eine Unbeachtlichkeit des materiellen Mangels schon im Ansatz nicht in Betracht. Doch auch der formelle Mangel fehlender sachlicher Zuständigkeit der Erlassbehörde zwingt zur Aufhebung der ergangenen naturschutzrechtlichen Befreiung. Insoweit erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs als jedenfalls im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar gelten für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen unter anderem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG nach § 4 Abs. 5 UmwRG bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, so dass § 4 Abs. 1a UmwRG nicht heranzuziehen ist. Die speziellen Fehlerfolgenregelungen des § 4 UmwRG finden insoweit keine Anwendung (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, UmwRG § 4 Rn. 120; Happ, in: Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 4 UmwRG Rn. 25; Bunge, UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 4 Rn. 36; Bunge, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 4 UmwRG Rn. 83; Kment, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 4 UmwRG Rn. 11). Stattdessen sind die allgemeinen Fehlerfolgenregelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und namentlich § 46 VwVfG einschlägig. § 46 VwVfG schließt im Falle einer - wie hier - Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit den Aufhebungsanspruch unabhängig von der Ergebnisrelevanz nicht aus, wie aus der dortigen besonderen Erwähnung der örtlichen Zuständigkeit zu folgern ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 3.04 - Buchholz 11 Art. 2 GG Nr. 86 S. 8 m. w. N.).
Rz. 43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 15627332 |
BVerwGE 2023, 13 |
NVwZ 2023, 745 |
NVwZ 2023, 9 |
DÖV 2023, 565 |
BayVBl. 2023, 386 |
UPR 2023, 258 |