Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung pflanzlicher Fertigarzneimittel. Phytopharmaka. Kombinationspräparate. Wirkstoffe. Wirkstoffkombination. Nasennebenhöhlenentzündung. Anwendungsgebiet „Sinusitis”. Kombinationsbegründung. Beitrag zur positiven Beurteilung eines Arzneimittels. Wirksamkeit. Unbedenklichkeit. zweckmäßige Dosierung. wissenschaftliches Erkenntnismaterial. bibliographischer Zulassungsantrag. Mengenverhältnisse. Mängelschreiben. Mängelbeseitigung. Marktüblichkeit („well established use”). Verzicht auf Begründung. unionsrechtliche Erleichterungen. Leitlinien der European Medicines Agency (EMA). Aufbereitungsmonographien. Monographieentwurf der Kommission E. Berücksichtigungsfähigkeit. Bekanntmachung. Veröffentlichungsreife. fehlende Veröffentlichung. Beweisanträge. Ablehnung. Präklusionswirkung. Darlegungs- und Beweislastverteilung
Leitsatz (amtlich)
Im Zulassungsverfahren für pflanzliche Kombinationsarzneimittel (Phytopharmaka) ist ausreichend zu begründen, dass jeder Wirkstoff in der gewählten Dosierung entweder die Wirksamkeit des Präparats im vorgegebenen Anwendungsgebiet fördert oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt.
Bei einem bibliographischen Zulassungsantrag sind die Anforderungen an die Begründung der therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Wirkstoffe nicht deshalb herabgesetzt, weil Arzneimittel mit identischer Wirkstoffkombination bereits auf dem deutschen und europäischen Markt zugelassen und etabliert sind.
Normenkette
AMG § 22 Abs. 3, 3a, § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 5a, Abs. 4 S. 4, § 25b Abs. 2, 4
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.07.2012; Aktenzeichen 13 A 1638/10) |
VG Köln (Entscheidung vom 15.06.2010; Aktenzeichen 7 K 2978/07) |
Tenor
Die Revisionen gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 2012 werden zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die (Neu)Zulassung zweier pflanzlicher Fertigarzneimittel mit den Bezeichnungen „Enerjetic” und „Bewell” für die Anwendungsgebiete „akute und chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen (Sinusitis)”. Es handelt sich um Kombinationspräparate in Drageéform mit den identischen fünf Bestandteilen Enzianwurzel, Eisenkraut, Gartensauerampferkraut, Holunderblüten und Schlüsselblumenblüten im Mischungsverhältnis 1:3:3:3:3. Fertigarzneimittel mit identischen arzneilich wirksamen Bestandteilen und Anwendungsgebieten sind im In- und Ausland zugelassen. Die Beklagte hat ein solches Arzneimittel unter der Bezeichnung „Sinupret® forte Drageés (überzogene Tabletten)” 1997 zugelassen. Grundlage war der Entwurf einer Kombinationsmonographie der seinerzeit für Phytopharmaka zuständigen Kommission E vom 14. Dezember 1994. Die Kommission hatte sich ihrerseits auf Studien zu dem Präparat „Sinupret Drageés” gestützt, das mindestens seit 1978 im Verkehr ist.
Auf die Zulassungsanträge der Klägerin vom 31. März 2004 bemängelte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Kombinationsbegründung sei unzureichend, und präzisierte das mit Mängelschreiben vom 2. Mai 2005 dahin, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen keine ausreichende Begründung für den positiven Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils ergebe. Zur Abhilfe wurde eine Frist von sechs Monaten gesetzt. Mit Mängelbeseitigungsschreiben vom 3. November 2005 legte die Klägerin überarbeitete Zulassungsunterlagen und Sachverständigengutachten vor.
Das BfArM lehnte die Zulassungen beider Arzneimittel mit Bescheiden vom 26. April 2006 ab: Die vorgelegten Daten zeigten zwar, dass sowohl die Einzelbestandteile als auch die Kombination plausible pharmakologische Eigenschaften hätten. Es fehlten aber Belege für die klinische Wirksamkeit der Einzelkomponenten im beantragten Anwendungsgebiet. Offen bleibe auch die Frage, ob die klinische Dosierung der Einzelbestandteile in der beantragten Darreichungsform richtig gewählt sei. Der Monographieentwurf der Kommission E vom 14. Dezember 1994 entspreche nicht mehr den Anforderungen der Rechtsprechung an eine Kombinationsbegründung. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin blieben erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen auf Neubescheidung ihrer Zulassungsanträge mit Urteilen vom 15. Juni 2010 als unbegründet abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteilen vom 5. Juli 2012 zurückgewiesen und bestätigt, dass einer Zulassung der Arzneimittel der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a des Arzneimittelgesetzes (AMG) entgegenstehe. Die Klägerin habe keine ausreichende Kombinationsbegründung vorgelegt. Aus den bis zum Ende des Mängelbeseitigungsverfahrens eingereichten Unterlagen ergebe sich nicht, dass alle Bestandteile der Kombination zur positiven Beurteilung beitrügen. Es gebe keine Belege dafür, dass die Bestandteile Enzianwurzel, Eisenkraut und Gartensauerampferkraut zur therapeutischen Wirksamkeit des Präparats im Anwendungsbereich Sinusitis einen Beitrag leisteten oder die Nebenwirkungen anderer Bestandteile verminderten. Aus der nationalen Zulassung des Arzneimittels mit identischen arzneilich wirksamen Bestandteilen (hier: Sinupret forte) könne die Klägerin keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, die Bewertung der österreichischen Zulassungsbehörde zu übernehmen. Dafür sei das gesonderte Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b AMG vorgesehen. Der Vorteil der Kombination ergebe sich ferner nicht aus einer belegten Wirksamkeit der Kombination bei wesentlich geringerer Dosierung der Einzeldrogen, da für einzelne der Wirkstoffe keine Dosierung als Monopräparat existiere. Auch aus europäischen Leitlinien folge nicht, dass bei Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats auf die Begründung des Beitrags der Einzelbestandteile verzichtet werden könne. Auf den Entwurf der Kommission E könne sich die Klägerin nicht berufen. Zwar werde die Kombination mit der beantragten Mischung positiv beurteilt; allerdings sei der Entwurf nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Den Beweisantrag der Klägerin, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass der Entwurf der Kommission E noch dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspreche, hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgelehnt, eine solche Überprüfung sei nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist nicht mehr möglich. Die Klägerin habe es zudem versäumt, die dem Entwurf zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzulegen.
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revisionen macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Zulassung von Kombinationspräparaten verkannt, die bereits in ähnlicher Form zugelassen und im Markt eingeführt seien und deren Wirksamkeit und Sicherheit außer Frage stünden. Das Berufungsgericht habe den inmitten stehenden Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG falsch ausgelegt, die Beweislastverteilung verkannt, den verfassungsrechtlichen Zulassungsanspruch verkürzt sowie die Maßstäbe der Behördenbewertung aus dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß § 25b AMG und die Leitlinien der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nicht beachtet. Das Berufungsgericht habe ihren Beweisantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt, ein Sachverständigengutachten über Aussagewert und Aktualität des Monographieentwurfs der Kommission E einzuholen, das zu einem wirkstoffidentischen Präparat erstellt worden sei. Die Ansicht des Berufungsgerichts, sie sei mit diesem Vortrag präkludiert, verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Beklagten zugestanden worden sei, völlig neue Belege vorzulegen. Seine weitere Annahme, die Begründung eines Kombinationsarzneimittels, dessen Wirksamkeit und Sicherheit positiv feststehe, erfordere zwingend auch eine hinreichende Darlegung zur klinischen Dosierung der Einzelbestandteile, weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Danach erfordere die risikogestufte Bewertung keine Dosierungsbegründungen zu den einzelnen Wirkstoffen.
Entscheidungsgründe
II
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen der Klägerin sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass einer Zulassung der Kombinationsarzneimittel der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG entgegensteht. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung der Zulassungsanträge (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), die im Streit um einzelne Versagungsgründe statthaft ist, kann die Klägerin daher nicht beanspruchen.
1. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG darf das BfArM als zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung eines Arzneimittels, das mehr als einen Wirkstoff enthält, versagen, wenn eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind. Die Voraussetzungen dieses Versagungsgrundes sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2008 – BVerwG 3 C 23.07 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 53 Rn. 11 ff. m.w.N.). Danach hat das Erfordernis der therapeutischen Wirksamkeit bei einem Kombinationsarzneimittel für jeden arzneilich wirksamen Bestandteil dasselbe Gewicht wie bei einem Monopräparat (Urteil vom 16. Oktober 2003 – BVerwG 3 C 3.03 – juris Rn. 38). Deshalb sind an den Beleg des positiven Beitrags jedes arzneilich wirksamen Bestandteils eines Kombinationsarzneimittels keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die Begründung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats selbst (Urteil vom 16. Oktober 2003 – BVerwG 3 C 28.02 – NVwZ-RR 2004, 180 ≪181≫; Beschluss vom 8. Januar 2007 – BVerwG 3 B 16.06 – PharmR 2007, 159 ≪160≫). Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht bei homöopathischen Kombinationsarzneimitteln angenommen, dass der Gesetzgeber im Grundsatz keine qualitativ geringeren Begründungsanforderungen vorgesehen hat (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 15). Diese Anforderungen gelten sinngemäß auch für pflanzliche Kombinationspräparate (Phytopharmaka) im Sinne des § 4 Abs. 29 AMG (vgl. BTDrucks 11/5373 S. 22 und S. 32; BTDrucks 11/6283 S. 9; BTDrucks 11/6575 S. 4).
Zur Begründung des positiven Beitrags der Wirkstoffe eines Kombinationsarzneimittels gehört der Beleg, dass jeder einzelne Wirkstoff entweder die Wirksamkeit des Präparats in der vorgegebenen Indikation fördert oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt. Ausreichend dafür ist, dass der therapeutisch erwünschte Wirkungseintritt früher erreicht, verstärkt oder verlängert wird oder der erstrebte Heilerfolg mit einer geringeren Menge des Arzneimittels erreicht werden kann (Urteile vom 14. Oktober 1993 – BVerwG 3 C 21.91 – BVerwGE 94, 215 und vom 16. Oktober 2003 – BVerwG 3 C 28.02 – a.a.O. S. 180 unter Bezugnahme auf die Begründung zu § 22 Abs. 3a AMG in BTDrucks 10/5112 S. 17). Es ist ferner erforderlich, dass der Antragsteller mit den eingereichten Unterlagen die Zweckmäßigkeit der gewählten Dosierung der einzelnen Wirkstoffe belegt. Insofern gilt nichts anderes als für das Gesamtpräparat, für das nach § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 AMG aus den eingereichten Unterlagen hervorgehen muss, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist. Dies aufgreifend verlangen auch die Arzneimittelprüfrichtlinien (§ 26 AMG) eine Begründung für die Dosierung (vgl. Zweiter Abschnitt Nr. 5.2.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11. Oktober 2004, BAnz S. 22037). Übertragen auf Kombinationspräparate bedeutet dies, dass die Dosierung für jeden einzelnen Wirkstoff zu begründen ist.
Erfüllt ein Wirkstoff die ihm zugedachte Aufgabe bei der Anwendung des Kombinationsarzneimittels gleichermaßen gut mit einer geringeren Dosis, ist die Verabreichung einer höheren nicht gerechtfertigt; denn ebenso wie jeder in ein Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher unerwünschter Wirkungen erhöht, birgt auch die Zunahme der aufgenommenen Wirkstoffmenge ein erhöhtes Risiko nachteiliger Effekte. Eine gesicherte Aussage über die Qualität des Beitrags lässt sich daher erst treffen, wenn auch über die zweckmäßige Dosierung des Wirkstoffs aussagekräftige Erkenntnisse vorliegen (vgl. Urteil vom 19. November 2009 – BVerwG 3 C 10.09 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 55 Rn. 17). Nicht nachvollziehbare Mengenverhältnisse der arzneilich wirksamen Bestandteile eines Kombinationspräparats können folglich die Versagung der Zulassung rechtfertigen (Urteil vom 16. Oktober 2003 – BVerwG 3 C 28.02 – a.a.O. S. 182).
2. Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen wie zuvor die Beklagte rechtsfehlerfrei ausgegangen. Abstriche an der Kombinationsbegründung sind nicht deshalb gerechtfertigt, weil Arzneimittel mit identischer Wirkstoffkombination bereits auf dem Markt etabliert („well used”) sind. Für den von der Klägerin geforderten Verzicht auf die Begründung der Wirksamkeit und Dosierung der Einzelwirkstoffe wegen der Zulassung identischer Präparate im In- und Ausland bietet das Arzneimittelgesetz keinen Ansatz.
a) Die Zulassung eines Arzneimittels mit identischen Wirkstoffen im europäischen Ausland eröffnet der Klägerin das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b Abs. 2, 4 AMG. Die dort vorgesehenen unionsrechtlichen Erleichterungen für eine Zulassung kommen einem Antragsteller aber nur dann zugute, wenn er den dafür vorgezeichneten Weg auch einschlägt, also die Zulassung des in dem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels für das Inland beantragt. Diesen Weg hat die Klägerin jedoch nicht beschritten. Eine weitergehende Wirkung des § 25b Abs. 2 AMG auf die Neuzulassung von Arzneimitteln im Inland besteht nicht.
b) Die Leitlinien der European Medicines Agency (EMA) zu fixen Arzneimittelkombinationen stützen die Ansicht der Klägerin ebenfalls nicht (vgl. insbesondere Guideline on the Clinical Assessment of Fixed Combinations of Herbal Substances / Herbal Preparations vom 11. Januar 2006 und Guideline on Clinical Development of Fixed Combination Medicinal Products vom 19. Februar 2009, http://www.emea.europa.eu). Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Leitlinien auseinandergesetzt und eine rechtliche Bindungswirkung zutreffend verneint. Auch wenn den Leitlinien, mit denen eine Präzisierung der ArzneimittelRichtlinie 2001/83/EG im Bereich der Kombinationspräparate angestrebt wird, durchaus Hinweise für das Verständnis von § 22 Abs. 2, 3 und 3a und § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG zu entnehmen sind, ergeben diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber doch nicht, dass die Anforderungen an die Kombinationsbegründung im Arzneimittelzulassungsverfahren in der von der Klägerin geforderten Weise abgesenkt sind. Auch die Leitlinien verlangen vielmehr eine ausreichende Begründung der Beiträge der einzelnen Wirkstoffe eines Kombinationspräparats. Der Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren gibt keinen Anlass für ein abweichendes Verständnis.
c) Auch die Regelung in § 22 Abs. 3 AMG hilft der Klägerin nicht weiter. Zwar gewährt diese Vorschrift für „altbekannte und bewährte” Arzneimittel Erleichterungen der Begründung; diese beziehen sich allerdings nur auf das dem Antrag beizufügende Erkenntnismaterial, mit dem die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels oder der Wirkstoffkombination belegt werden soll, nicht aber auf den anzulegenden Beurteilungsmaßstab (Urteil vom 14. Oktober 1993 – BVerwG 3 C 46.91 – PharmR 1994, 380 ≪384 f.≫). Die Klägerin wird durch § 22 Abs. 3 AMG daher nicht davon freigestellt zu begründen, dass im dargelegten Sinne jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
d) Weitere Vorschriften oder Grundsätze, aus denen sich die von der Klägerin erstrebten Begründungserleichterungen ergeben könnten, sind weder von ihr aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Der Fall, dass bekannte und bewährte, im Inoder Ausland zugelassene Wirkstoffkombinationen mit dem Status eines „well established use” erneut zugelassen werden sollen, ist in den genannten Vorschriften abschließend berücksichtigt worden. Dabei misst das Gesetz der Arzneimittelsicherheit (§ 1, § 4 Abs. 34 AMG) durchweg einen höheren Stellenwert zu als der Erleichterung der Zulassung. Es wird von dem Grundsatz beherrscht, dass Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln stets anhand der jeweils aktuellen Anforderungen beurteilt werden sollen. Das gilt auch für Fälle, in denen wirkstoffgleiche Arzneimittel aufgrund früherer Zulassung auf dem Markt sind. Ähnlich wie im Rahmen einer Nachzulassung (§ 31 Abs. 2 AMG) ist zu überprüfen, ob die Neuzulassung nach den mit dem bisher zugelassenen Arzneimittel gemachten Erfahrungen und nach aktuellen Erkenntnissen und rechtlichen Maßstäben gerechtfertigt ist. Das schließt es – von besonders geregelten Konstellationen abgesehen – aus, eine Zulassung allein auf der Grundlage einer früheren Sach- oder Rechtslage zu erteilen.
Bestätigt wird dies in § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Nr. 1 dieser Vorschrift regelt den Fall eines Referenzarzneimittels, das mit dem zur Zulassung beantragten Präparat wirkstoffgleich ist. Nicht anders als beim Zulassungsantrag nach § 22 Abs. 2 AMG muss das vom Antragsteller vorzulegende Erkenntnismaterial die Wirkungen und Nebenwirkungen der bekannten Wirkstoffe dokumentieren, und sind die therapeutische Wirksamkeit für das beanspruchte Anwendungsgebiet, die Unbedenklichkeit und Verträglichkeit, die Zweckmäßigkeit der Dosierung und die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zu belegen. Nr. 3 Halbs. 2 stellt zudem klar, dass diese Anforderungen auch für Kombinationsarzneimittel gelten, und aus Nr. 3 Halbs. 1 erschließt sich, dass für die bekannten Bestandteile ebenfalls eine vollständige Dokumentation erforderlich ist (vgl. auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, Kommentar, 2012, § 25 Rn. 59 und 67 und Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz, Kommentar, Bd. II, Stand: April 2013, § 22 Rn. 95).
3. Gemessen an diesen Vorgaben hat die Klägerin bis zum Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist keine ausreichende Begründung vorgelegt. Das ergibt sich aus den bindenden, weil von der Klägerin nicht durchgreifend infrage gestellten Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).
a) Das Berufungsgericht hat, in ausdrücklicher Billigung von Erwägungen des Verwaltungsgerichts, festgestellt, dass sich den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen kein Beleg für die Wirksamkeit der Wirkstoffe Gartensauerampferkraut, Eisenkraut und Enzianwurzel im Anwendungsgebiet „Sinusitis” und für deren zweckmäßige Dosierung entnehmen lassen. Danach gibt es für Gartensauerampferkraut keine bibliographischen Erkenntnisse, für Eisenkraut lediglich eine negative Monographie aus dem Jahre 1990 und für Enzianwurzel Wirksamkeitsbelege für andere als die beantragten Anwendungsgebiete. Folgerichtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass sich auf einer solchen Grundlage zu der angemessenen Dosierung dieser Einzelsubstanzen nichts sagen lässt.
b) Das Berufungsgericht hat seine Feststellungen im Ergebnis auch auf eine vollständige Erkenntnisbasis gestützt. Zwar hat es zu Unrecht angenommen, dass der Monographieentwurf der Kommission E vom 14. Dezember 1994 aus formalen Gründen nicht berücksichtigt werden kann. Der Entwurf genügt jedoch seinerseits nicht den Begründungsanforderungen.
aa) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Aufbereitungsmonographien zum wissenschaftlichen Erkenntnismaterial zählen, mit dem die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Arzneimittelkombination unterlegt werden können (Urteile vom 16. Oktober 2008 – BVerwG 3 C 23.07 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 53 Rn. 28 ff., vom 19. November 2009 – BVerwG 3 C 10.09 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 55 Rn. 25 und vom 18. März 2010 – BVerwG 3 C 19.09 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 56 Rn. 20; speziell zu Dosierungsempfehlungen der Kommissionen auch Urteil vom 18. Mai 2010 – BVerwG 3 C 25.09 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 57 Rn. 21). Nach § 25 Abs. 7 AMG in der bis zum 16. August 1994 gültigen Fassung hatte die für die Zulassung von Arzneimitteln zuständige Bundesoberbehörde das wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Kommissionen aufbereiten zu lassen und die Ergebnisse bekanntzumachen. Die Kommissionen wurden für bestimmte Anwendungsgebiete, Stoffgruppen und Therapierichtungen gebildet. Die Kommission E war zuständig für die phytotherapeutische Therapierichtung und Stoffgruppe. Für fixe Arzneimittelkombinationen erarbeitete sie Kriterien für die Bewertung, ob die einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteile einen positiven Beitrag zur Beurteilung des Gesamtpräparates leisten (§ 22 Abs. 3a AMG) und ob die Kombinationspartner in einer für die Wirksamkeit angemessenen Dosierung enthalten sind (Bundesgesundheitsblatt 3/89, S. 125; abgedruckt in: Feiden, Arzneimittelprüfrichtlinien, 1.40). Die wissenschaftliche Auswertung basierte vor allem auf Monographien der Einzelstoffe, im Übrigen auf unterschiedlichen Quellen medizinischen Erfahrungsmaterials. Die von den Aufbereitungskommissionen beschlossenen Monographien entsprachen im Informationsumfang der Fachinformation (§ 11a AMG). Ihre Endfassung wurde vom Bundesgesundheitsamt im Bundesanzeiger bekanntgemacht (BTDrucks 11/4250 S. 3 f., S. 9 f.).
bb) Hiervon ausgehend spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch einen Monographieentwurf als „anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial” im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG zu verwerten. Voraussetzung dafür ist, dass er von der Kommission bereits als veröffentlichungsreif autorisiert worden ist (vgl. Sander, Arzneimittelrecht, Stand: Oktober 2012, § 105 S. 57). Davon sind die Beteiligten im Zulassungsverfahren ausgegangen. Die Veröffentlichung ist nur deshalb unterblieben, weil die bisherigen Aufbereitungskommissionen im Rahmen der Nachzulassung neue Funktionen erhalten hatten (vgl. BTDrucks 12/7572 S. 5).
War der Monographieentwurf aber veröffentlichungsreif, musste er nicht bekannt gemacht worden sein, damit ein Antragsteller ihn zum Gegenstand der Begründung eines so genannten bibliographischen Zulassungsantrags machen durfte; denn dem Erfordernis nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG a.F., die Ergebnisse einer Aufbereitungsmonographie bekanntzumachen, kommt nicht die Bedeutung einer Wirksamkeitsvoraussetzung zu. Aufbereitungsmonographien sind sachverständige Äußerungen, die Gewicht nach Maßgabe ihres Inhalts beanspruchen und, anders als Normen, auch keine Bindung von Adressaten erzeugen sollen. An veröffentlichte Monographien gebunden war, wie § 25 Abs. 7 Satz 4 und 5 AMG a.F. erkennen lässt, allein die zuständige Bundesoberbehörde, welche bei Entscheidungen über Zulassungsanträge von den Ergebnissen der von ihr bekanntgemachten Monographien nur mit einer ausdrücklichen Begründung abweichen durfte. Diese Regelung zeigt, dass die Bekanntmachung von Monographien allein die Funktion hatte, potenzielle Antragsteller über die regelmäßig angewandte Entscheidungsgrundlage der Zulassungsbehörde zu informieren und ihnen die Begründung von Zulassungsanträgen insoweit zu erleichtern.
cc) Der Monographieentwurf vom 14. Dezember 1994 ist aber aus inhaltlichen Gründen nicht geeignet, die streitigen Zulassungsanträge hinreichend zu stützen. Notwendig dazu wäre, dass dem Entwurf ein aussagekräftiger Auswertungsstand zugrunde liegt und er die nötigen Fachinformationen enthält. An beidem fehlt es hier. Zwar beurteilt der Entwurf die beantragte Kombination in der gewählten Dosierung im Anwendungsgebiet positiv; die hierfür gegebene Begründung genügt aber nicht den aufgezeigten rechtlichen Anforderungen. Zum einen lässt sie nicht erkennen, worauf sich die Einschätzung einer therapeutischen Wirksamkeit der Bestandteile Gartensauerampferkraut, Eisenkraut und Enzianwurzel im beantragten Anwendungsgebiet gründet. Dies wäre angesichts der negativen Erkenntnislage im Übrigen, wie sie oben dargelegt worden ist, aber erforderlich gewesen. Vor allem jedoch ergibt sich kein Anhalt dafür, warum die Einzelwirkstoffe in der angegebenen Dosierung Beiträge zur positiven Beurteilung der Arzneimittel leisten. Auch wenn die Kommission E den gesetzlichen Auftrag hatte, genau diese Fragen nach der therapeutischen Wirksamkeit und zweckmäßigen Dosierung der Wirkstoffe zu klären, ist eine Monographie nur dann zur Stützung eines Zulassungsantrags geeignet, wenn sie über die Mitteilung ihrer Ergebnisse hinaus erkennen lässt, auf welches Erkenntnismaterial sie sich hierbei stützt. Daran mangelt es im Streitfall.
Diese Mängel des Entwurfs hat das BfArM auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Zulassungsverfahren zutreffend erkannt und im Verfahren nach § 25 Abs. 4 AMG gerügt. Dieser Rüge gegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die Beklagte im Jahre 1997 im Nachzulassungsverfahren für „Sinupret® forte Drageés” zu einer günstigeren Einschätzung gekommen sei; denn dies wäre angesichts der schon seinerzeit geltenden Anforderungen aus § 22 Abs. 3a, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG unzutreffend gewesen.
4. Ist der Monographieentwurf inhaltlich unzureichend, hat es das Berufungsgericht im Ergebnis verfahrensfehlerfrei abgelehnt, den Beweisanträgen der Klägerin nachzugehen.
a) Ihr Antrag, Beweis zu erheben, dass der Monographieentwurf den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergibt, lief bei zutreffender Würdigung des Entwurfs darauf hinaus, die fehlende Begründung nachzuholen. Zwar ist es im arzneimittelrechtlichen Rechtsstreit über einen Versagungsgrund grundsätzlich möglich, Beweis über die Richtigkeit einer den Zulassungsantrag stützenden Tatsachenbehauptung zu erheben; die Beweisbehauptung muss aber eine Tatsache betreffen, die der Antragsteller rechtzeitig vorgebracht hat. Anderenfalls könnte ein Beweisantrag dazu genutzt werden, den Zulassungsantrag mit Tatsachenmaterial schlüssig zu machen, mit dem der Antragsteller präkludiert ist. So liegt der Fall hier. Das BfArM hatte die Klägerin mit seinem Mängelschreiben vom 2. Mai 2005 darauf hingewiesen, dass die Kombinationsbegründung auch in Würdigung des Monographieentwurfs der Kommission unzureichend sei. Damit war gemäß § 25 Abs. 4 Satz 4 AMG nach der Versagung der Zulassung mit Bescheiden vom 26. April 2006 das Einreichen von hierauf bezogenen Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 27. Januar 2011 – BVerwG 3 C 10.10 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 59 Rn. 14). Dass der Ausschluss, nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung weitere Unterlagen zur Mängelbeseitigung einzureichen, verfassungsgemäß ist, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 20. Januar 2014 – BVerwG 3 B 40.13 – juris Rn. 14). Der Fall der Klägerin gibt keine Veranlassung zu weitergehenden Erwägungen. Ein Beweisantrag, der geeignet ist, die Präklusionswirkung zu umgehen, ist allein deshalb abzulehnen.
b) Bei dieser Lage ist auch die Begründung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, es sei Sache der Klägerin gewesen, zur Begründung des Zulassungsantrags das dem Kommissionsentwurf zugrunde liegende Material beizubringen. Mit dieser Ansicht hat es die Darlegungs- und Beweislastverteilung im fraglichen Punkt nicht verkannt. Hatte die Klägerin mit dem Monographieentwurf der Kommission E kein genügendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG vorgelegt, war es nach der Mängelbeseitigungsrüge des BfArM allein an ihr, die in dem Monographieentwurf niedergelegte Auffassung durch Beibringung (etwa) der diesem zugrunde liegenden Erkenntnisse zu stützen. Gegenteiliges würde nur dann gelten, wenn es sich als notwendig erwiesen hätte, eine bereits durch verwertbares und hinreichend aussagekräftiges Material unterlegte Kombinationsbegründung zu erschüttern; denn allein der Umstand, dass es sich bei dem für die erforderliche Begründung notwendigen Material um Erkenntnisse einer bei der Behörde gebildeten Kommission handelt, rechtfertigt keine Umkehr der Darlegungslast.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Wysk, Dr. Kuhlmann, Rothfuß
Fundstellen
DÖV 2014, 936 |
PharmaR 2014, 437 |
A&R 2014, 191 |
StoffR 2014, 164 |