Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Bekanntmachung. Nummernplan. Fehlerbehebung. Gemeinderat. Gemeindeorgan. Rat. Abwägungsentscheidung. Rückwirkung. rückwirkendes Inkraftsetzen. Abwägung. Straßenbreite. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Für die Bekanntmachung eines Bebauungsplans reicht die bloße Angabe seiner Nummer auch bei einer kleinen Gemeinde mit einem einzigen Bebauungsplan nicht aus.
Aus Bundesrecht ergibt sich nicht, welches Organ der Gemeinde für die Fehlerbehebung nach § 215 a Abs. 2 BauGB zuständig ist.
Auch für das rückwirkende Inkraftsetzen eines Bebauungsplans bedarf es aus bundesrechtlicher Sicht keiner erneuten Ratsentscheidung.
Normenkette
BBauG § 12 S. 2; BauGB § 1 Abs. 6, § 10 Abs. 3, § 215a Abs. 2; NGO § 40 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 17.12.1998; Aktenzeichen 1 K 6556/96) |
Tenor
Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 1998 geändert.
Der Normenkontrollantrag der Antragsteller wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Revision der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Antragsteller zu je einem Drittel.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den erstmals im Jahre 1967 und sodann im Jahre 1998 erneut bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde Kirchwehren, soweit er Teilflächen ihrer Grundstücke als Straßentrasse festsetzt.
In den Jahren 1966/67 stellte die frühere Gemeinde Kirchwehren, deren Rechtsnachfolgerin die Antragsgegnerin ist, ihren ersten und einzigen Bebauungsplan auf. Im Wesentlichen setzt er am südlichen Ortsrand ein allgemeines Wohngebiet für etwa 30 Wohneinheiten fest. Der Plan wurde unter der Bezeichnung „Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde Kirchwehren” am 22. Mai 1967 bekannt gemacht.
Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im östlichen Teil des Plangebiets. Sie haben ihre Grundstücke in den sechziger Jahren plangemäß bebaut. Im Bebauungsplan ist zwischen ihren Häusern eine als Verlängerung der Neuen Straße in Ost-West-Richtung verlaufende Straße mit einer 10 m breiten Trasse vorgesehen. Für sie sollten die Antragsteller jeweils einen 5 m breiten Grundstücksstreifen abgeben. Diese Flächen sind bereits als selbständige Flurstücke vermessen; zur Übertragung des Grundeigentums kam es jedoch nicht. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1 und 2 werden gegenwärtig durch den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Volkersweg erschlossen, das Grundstück der Antragsteller zu 3 durch die dort als Sackgasse endende Neue Straße. Das etwa 40 m lange Verbindungsstück vom Volkersweg zur Neuen Straße wurde zunächst nicht gebaut.
Da der bisher landwirtschaftlich genutzte westliche Teil des Plangebiets bebaut werden soll, will die Antragsgegnerin nunmehr auch das fehlende Straßenverbindungsstück herstellen. Sie forderte deshalb die Antragsteller auf, die hierfür benötigten Flächen an sie abzugeben. Daraufhin machten die Antragsteller im Normenkontrollverfahren geltend, der Bebauungsplan sei aus formellen und materiellen Gründen nichtig.
Am 17. Dezember 1998 – während des Normenkontrollverfahrens – wurde der am 22. Oktober 1966 als Satzung beschlossene Bebauungsplan rückwirkend zum Zeitpunkt seiner ersten Bekanntmachung am 22. Mai 1967 erneut bekannt gemacht. Der Bekanntmachung lag keine neue Entscheidung des Gemeinderats der Antragsgegnerin zugrunde.
Das Normenkontrollgericht hat den am 22. Oktober 1966 als Satzung beschlossenen und am 17. Dezember 1998 bekannt gemachten Bebauungsplan hinsichtlich seiner Rückwirkung für nicht wirksam erklärt und im Übrigen den Normenkontrollantrag abgewiesen. Nach seiner Rechtsauffassung genügte die Schlussbekanntmachung vom 22. Mai 1967 nicht den Anforderungen des § 12 Satz 2 BBauG 1960, weil der Plan nur mit einer Nummer bezeichnet war. Die Bekanntmachung vom 17. Dezember 1998 sei dagegen formell korrekt und habe auch keines Beschlusses des Gemeinderats bedurft, soweit der Plan mit Wirkung vom Tage der zweiten Bekanntmachung an (Wirkung ex nunc) in Kraft gesetzt worden sei. Dagegen hätte die rückwirkende Inkraftsetzung (Wirkung ex tunc) eines Gemeinderatsbeschlusses bedurft. Das Normenkontrollgericht hat die Revision wegen der Frage zugelassen, ob die rückwirkende Inkraftsetzung eines Bebauungsplans aus bundesrechtlicher Sicht einer erneuten Entscheidung des Gemeinderats bedarf.
Gegen die Normenkontrollentscheidung haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Antragsgegnerin wendet sich mit zwei Argumenten gegen die Rechtsauffassung, der Bebauungsplan sei erst mit Wirkung vom 17. Dezember 1998 in Kraft getreten: Zum einen sei schon die Bekanntmachung im Jahre 1967 korrekt gewesen, zum andern habe die rückwirkende Inkraftsetzung im Jahre 1998 keines Gemeinderatsbeschlusses bedurft. Dagegen meinen die Antragsteller, auch eine Inkraftsetzung mit Wirkung ex nunc hätte im Jahre 1998 nicht ohne eine neue Abwägungsentscheidung des Gemeinderats vorgenommen werden dürfen.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. In der Revisionszulassungsfrage widerspricht er dem Normenkontrollgericht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Soweit das Normenkontrollgericht den streitigen Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, ist seine Entscheidung nicht mit Bundesrecht vereinbar. Dagegen ist die Revision der Antragsteller zwar ebenfalls zulässig, jedoch unbegründet.
1.a) Die Revision der Antragsgegnerin ist zulässig. Zweifelhaft kann insoweit nur sein, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Revisionsverfahrens besteht. Allerdings ist die Antragsgegnerin durch das angefochtene Urteil beschwert. Denn das Normenkontrollgericht hat den Antrag, den Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde Kirchwehren für (teilweise) nichtig zu erklären, nicht in vollem Umfang abgewiesen, sondern hat den Bebauungsplan nur mit Wirkung vom Zeitpunkt der zweiten Bekanntmachung am 17. Dezember 1998 an als wirksam angesehen, die erste Bekanntmachung vom 22. Mai 1967 und die Anordnung des rückwirkenden In-Kraft-Tretens in der zweiten Bekanntmachung dagegen für unwirksam gehalten und dementsprechend festgestellt, dass der Plan hinsichtlich der Rückwirkung nicht wirksam sei. Gleichwohl wäre das Rechtsschutzbedürfnis für das Revisionsverfahren zu verneinen, wenn die Antragsgegnerin kein schützenswertes rechtliches Interesse daran besäße, dass das Rechtsmittelgericht zu ihren Gunsten die Rechtslage klärt und gegenüber der Vorinstanz abändernd entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2000 – BVerwG 4 BN 31.99 – NVwZ 2000, 808). Im vorliegenden Verfahren kann jedoch ein solches schutzwürdiges Interesse nicht verneint werden. Die Antragsgegnerin hat nämlich vorgetragen, die mit der Revision begehrte Feststellung, dass der streitige Bebauungsplan bereits seit dem Zeitpunkt seiner ersten Bekanntmachung wirksam sei, sei für sie deshalb von praktischer Bedeutung, weil es bei der Realisierung des Bebauungsplans zu Enteignungsverfahren kommen könne, in denen die Entschädigungshöhe von der unterschiedlichen Qualität der Flächen im Zeitpunkt der ersten oder der zweiten Bekanntmachung abhängen werde. Und sie hat ferner geltend gemacht, es sei für sie unzumutbar, den vom Normenkontrollgericht rechtsirrig für geboten erachteten Weg der Fehlerbehebung durch ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a Abs. 2 BauGB zu gehen, weil dieselbe Rechtsfrage bereits bei einem weiteren Bebauungsplan aufgetaucht sei und sie deshalb Klarheit haben müsse, ob sie bei jeder rückwirkenden Inkraftsetzung eines Bebauungsplans einen Ratsbeschluss herbeiführen müsse.
b) Zulässig ist auch die Revision der Antragsteller. Aus der Begründung der Revisionszulassung ergibt sich zwar, dass das Normenkontrollgericht nur eine Revision der Antragsgegnerin im Blick hatte; denn nur für diese Revision kann es auf die Revisionsfrage ankommen. Die Revision ist jedoch ohne Beschränkung zugelassen worden, so dass auch die Antragsteller berechtigt sind, die Revision einzulegen.
2. Die Revision der Antragsgegnerin ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Normenkontrollgericht den streitigen Bebauungsplan nur mit Wirkung vom Zeitpunkt seiner zweiten Bekanntmachung an für wirksam gehalten.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Normenkontrollgericht den streitigen Bebauungsplan bis zu seiner zweiten Bekanntmachung als rechtsunwirksam angesehen hat, weil die erste Bekanntmachung vom 22. Mai 1967, in der der Plan nur als „Bebauungsplan Nr. 1” bezeichnet worden war, nicht den Anforderungen des § 12 Satz 2 BBauG 1960 genügt habe.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass an die Schlussbekanntmachung der Satzung zwar geringere Anforderungen zu stellen sind als an die Bekanntmachung im Auslegungsverfahren, von der eine „Anstoßwirkung” ausgehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 22.80 – BVerwGE 69, 344). Es muss jedoch der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck erreicht werden (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Die Bekanntmachung muss sich auf einen bestimmten Bebauungsplan beziehen; zu fordern ist, dass sie mittels einer schlagwortartigen Kennzeichnung einen Hinweis auf den räumlichen Geltungsbereich des Plans gibt und dass dieser Hinweis den Plan identifiziert (BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204 ≪207≫, unter Hinweis auf BVerwGE 69, 344 ≪350≫). Für die schlagwortartige Kennzeichnung des Plangebiets reicht die bloße Angabe der Nummer des Bebauungsplans nicht aus. Denn eine Zahl lässt keinerlei Rückschlüsse auf die räumliche Belegenheit eines Plans zu und kann dem Normadressaten demgemäß auch keinerlei Erkenntnisse darüber vermitteln, in welchem Teil der Gemeinde neues Baurecht gilt (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 1989 – BVerwG 4 NB 33.88 – Buchholz 406.11 § 12 BBauG/BauGB Nr. 17 = ZfBR 1989, 79).
Diese Grundsätze gelten auch für eine kleine Gemeinde und auch für ihren ersten oder einzigen Bebauungsplan (vgl. auch bereits BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1993 – BVerwG 4 NB 18.92 – Buchholz 406.15 § 5 StBauFG Nr. 2 = ZfBR 1993, 195). Anders als durch ein Schlagwort wird durch eine Nummer nicht einmal angedeutet, in welchem Gemeindeteil sich das neue Plangebiet befindet. Aus der Angabe „Nummer 1” ergibt sich auch nicht, dass es sich um den möglicherweise allseits bekannten einzigen Bebauungsplan handeln muss; denkbar ist, dass an anderer Stelle ein zweiter Bebauungsplan im Entstehen war oder ist. Letztlich wird mit der Angabe der Nummer nur mitgeteilt, dass „ein” Bebauungsplan in Kraft getreten ist. Nicht die Bekanntmachung, sondern erst das private Wissen der Bürger identifiziert gegebenenfalls den Bebauungsplan. Dieses private Wissen müssen aber auch in einem kleinen Ort nicht alle betroffenen Bürger haben; so können beispielsweise im Plangebiet Grundstücke liegen, die einem nicht Ortsansässigen gehören. Darüber hinaus wäre eine Differenzierung zwischen kleinen Gemeinden, bei denen geringere Anforderungen an die Bezeichnung des Plans zu stellen wären, und größeren Gemeinden, bei denen die Bekanntmachung zumindest eine schlagwortartige Bezeichnung oder eine Kartenskizze enthalten muss, kaum praktikabel und der Rechtssicherheit abträglich.
b) Entgegen der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan jedoch mit der erneuten Bekanntmachung vom 17. Dezember 1998 wirksam rückwirkend in Kraft gesetzt.
Einer erneuten Abwägungsentscheidung des Gemeinderats bedurfte es nicht. Unter Modifizierung seiner bisherigen Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht insbesondere in seinem Beschluss vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 40.96 – (Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 9 – DVBl 1997, 828) ausgesprochen, dass ein nach § 215 Abs. 3 BauGB 1987 erneut in Kraft gesetzter Bebauungsplan nicht allein deshalb nichtig sei, weil die Gemeinde trotz nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage keine erneute Abwägungsentscheidung getroffen habe. Dies gilt auch für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 215 a Abs. 2 BauGB 1998. Zwar mag es (kommunalpolitisch) zweckmäßig und möglicherweise landesrechtlich sogar geboten sein, bei größeren Veränderungen oder nach einem längeren Zeitablauf dem Gemeinderat die Entscheidung zu überlassen, ob ein unwirksamer Bebauungsplan durch Behebung der Fehler mit seinem ursprünglichen Inhalt in Kraft gesetzt oder überarbeitet werden soll. Für die Wirksamkeit der Fehlerbehebung kommt es darauf jedoch nicht an. Bundesrechtlich ist es unerheblich, ob der Gemeinderat an der Fehlerbehebung beteiligt worden ist oder nicht; § 215 Abs. 3 BauGB 1987 und auch § 215 a Abs. 2 BauGB 1998 fordern dies nicht. Im Regelfall steht auch eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung nicht entgegen, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich – im Ausnahmefall – die Verhältnisse so grundlegend verändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht. In diesem Fall würde allerdings auch eine Bestätigung des Plans durch eine abwägende Entscheidung des Gemeinderats nichts nützen; denn ein Plan mit einem funktionslosen oder auf einem unhaltbaren Abwägungsergebnis beruhenden Inhalt kann niemals zu wirksamem Recht werden.
Das Normenkontrollgericht hat diese Rechtsprechung beachtet. Soweit die Antragsteller mit ihrer Revision allein wegen einer Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eine neue Abwägungsentscheidung des Gemeinderats – und darüber hinaus sogar ein neues Auslegungs- und Beteiligungsverfahren – fordern, steht ihnen die neuere Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 40.96 – a.a.O.; Beschluss vom 7. April 1997 – BVerwG 4 B 64.97 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 10 = ZfBR 1997, 209), an der der Senat festhält, entgegen.
Das Normenkontrollgericht hat das Vorliegen eines der beiden Ausnahmefälle verneint. Auch dem ist zu folgen. Dass der gesamte Bebauungsplan oder zumindest die Festsetzung der streitigen Straßentrasse funktionslos geworden sei, machen die Antragsteller zu Recht im Revisionsverfahren selbst nicht mehr geltend. Es trifft aber auch nicht zu, dass die streitige Trasse heute nicht mehr so, wie geschehen, festgesetzt werden dürfte. Das Normenkontrollgericht hat zutreffend ausgeführt, dass auch heute noch eine Planung mit einer 10 m breiten Trasse in einem kleinen Wohngebiet zulässig sein kann, dass also das Abwägungsergebnis nicht unhaltbar ist. Bei den von der Revision der Antragsteller herangezogenen Straßenbaurichtlinien handelt es sich nur um rechtlich unverbindliche Empfehlungen. Und auch aus dem Gebot des § 1 a Abs. 1 BauGB, Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, lässt sich nicht entnehmen, dass kleinere Erschließungsstraßen niemals 10 m breit sein dürfen. Berücksichtigt man, dass die Neue Straße bereits weitgehend fertig gebaut ist, so liegt es noch im Rahmen einer zulässigen Abwägung, sie nicht nur auf den letzten 40 m bis zum Volkersweg zu Ende zu bauen, um eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit zu vermeiden, sondern auch, sie in derselben Breite wie die bereits fertig gestellte Straße zu bauen.
Auch für das rückwirkende Inkraftsetzen des Bebauungsplans bedurfte es aus bundesrechtlicher Sicht keiner erneuten Ratsentscheidung.
§ 215 a Abs. 2 BauGB 1998 oder sonstiges Bundesrecht regeln nicht, von wem ein Bebauungsplan nach der Behebung eines Bekanntmachungsfehlers – mit oder ohne Rückwirkung – erneut in Kraft gesetzt werden darf. Die Vorläufervorschrift des § 215 Abs. 3 BauGB 1987 ermächtigte hierzu ausdrücklich „die Gemeinde”; die Novellierung der Vorschrift hat daran sachlich nichts geändert. § 215 a BauGB enthält jedoch keine Aussage zu der Frage, welches Gemeindeorgan den Fehler zu beheben hat. Bundesrechtlich ist insbesondere nicht geregelt, dass der Gemeinderat hierzu einen Beschluss fassen muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1995 – BVerwG 4 NB 11.95 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 4 = NVwZ 1996, 374). Vielmehr gilt auch für das ergänzende Verfahren nach § 215 a Abs. 2 BauGB, dass die Zuständigkeit der Gemeindeorgane für die Bauleitplanung oder für einzelne Verfahrensabschnitte allein durch das Landesrecht geregelt wird (BVerwG, Beschluss vom 15. April 1988 – BVerwG 4 N 4.87 – BVerwGE 79, 200 ≪204≫). Wenn aber sogar der Satzungsbeschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB dem Gemeinderat nicht durch Bundesrecht zugewiesen ist (vgl. auch Urteil vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 12.98 – ZfBR 2000, 197), so lässt sich dem Bundesrecht erst recht nicht die Zuständigkeit des Gemeinderats für die rückwirkende Inkraftsetzung nach § 215 a Abs. 2 BauGB entnehmen (für § 215 Abs. 3 BauGB 1987 noch offen gelassen im Beschluss vom 24. Mai 1989 – BVerwG 4 NB 10.89 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 1 = NVwZ 1990, 258).
Bundesrecht regelt die Zuständigkeit des Gemeinderats für die rückwirkende Inkraftsetzung des Bebauungsplans auch nicht mittelbar. Von einer zumindest mittelbaren Regelung durch das Bundesrecht scheint das Normenkontrollgericht auszugehen; denn es stützt seine Rechtsauffassung auf die These, zum Inhalt einer Norm gehöre auch die Bestimmung, zu welchem Zeitpunkt sie in Kraft trete; deshalb müsse der Rat zumindest nach einem längeren Zeitraum entscheiden, ob der Plan wirklich mit voller Rückwirkung erlassen werden solle. Wenn demgemäß die rückwirkende Inkraftsetzung der Sache nach eine inhaltliche Änderung der ortsrechtlichen Norm wäre, so wäre für sie dasselbe Gemeindeorgan – in Niedersachsen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 5 NGO der Rat – zuständig, das nach Landesrecht für ihren Erlass, also für den Satzungsbeschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB, zuständig ist (so Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 215 a Rn. 23). Auch diese Begründung hält jedoch einer Überprüfung nicht stand. Denn die Anordnung der Rückwirkung nach § 215 a Abs. 2 BauGB ist kein Bestandteil des Satzungsbeschlusses.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26. Juli 1972 – 2 BvF 1/71 – (BVerfGE 34, 9 ≪23≫) ausgeführt, dass zum Inhalt von Gesetzen auch der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens gehöre. Diese Aussage lässt sich aber nicht ohne weiteres auf die Entscheidung des „Ortsgesetzgebers” über städtebauliche Satzungen übertragen. Der Grundsatz, dass zum Inhalt des Satzungsbeschlusses einer (hier: ortsrechtlichen) Norm auch die Bestimmung gehört, zu welchem Zeitpunkt sie in Kraft tritt, gilt für den Bebauungsplan so nicht. Denn der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens eines Bebauungsplans steht grundsätzlich nicht zur Disposition des Plangebers. Vielmehr ist er bereits im Gesetz geregelt. Grundsätzlich tritt der Plan mit seiner Bekanntmachung in Kraft (§ 12 Satz 3 BBauG 1960, § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB 1998); ausnahmsweise kann er innerhalb des ergänzenden Verfahrens bei bestimmten Mängeln auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden (§ 215 a Abs. 2 BauGB 1998). Aber auch im letztgenannten Fall ist die Anordnung der Rückwirkung kein Teil des Satzungsbeschlusses nach § 10 Abs. 1 BauGB, sondern ein Bestandteil des Bekanntmachungsverfahrens. Mit der rückwirkenden Inkraftsetzung nach § 215 a Abs. 2 BauGB 1998 tritt der Bebauungsplan zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem er ursprünglich hätte in Kraft treten sollen. Damit wird dem Willen der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Rechnung getragen; denn mit dem in Kenntnis der gesetzlich In-Kraft-Tretensregelung gefassten Satzungsbeschluss ist die Erwartung verbunden, der Bebauungsplan werde nun auch alsbald in Kraft gesetzt werden (ähnlich Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 10 Rn. 41, 44, 353; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 215 a Rn. 19; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl. 1999, § 215 a Rn. 12; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, Rn. 26). Es ist auch unschädlich, dass der streitige Bebauungsplan nach § 11 seines Satzungstextes „mit dem Tage der öffentlichen Bekanntmachung” in Kraft tritt, während in der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1998 angegeben ist, der Bebauungsplan trete „rückwirkend zum 22.5.1967 in Kraft”. Denn abgesehen davon, dass § 11 des Satzungstextes nur § 12 Satz 3 BBauG 1960 wiederholt und nur deklaratorische Bedeutung hat, steht die Angabe in der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1998 auch mit § 11 der Satzung nicht in einem sachlichen Widerspruch. Das angegebene Datum ist nämlich das der ersten Bekanntmachung. Gemäß § 215 a Abs. 2 BauGB darf die Gemeinde den Bebauungsplan zu diesem Zeitpunkt in Kraft setzen, ohne ihn damit zugleich inhaltlich zu ändern. In diesem Sinne hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 31.83 – (BVerwGE 75, 262 ≪269≫), auf das sich das Normenkontrollgericht für seine gegenteilige Auffassung beruft, im Hinblick auf die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung der Bürger entschieden, dass sich die Rückwirkung nach Beseitigung von Form- oder Verfahrensfehlern nicht als eine materielle Änderung des Bebauungsplans darstelle.
Auch Gründe des Vertrauensschutzes stehen einer rückwirkenden Inkraftsetzung des Bebauungsplans nach langer Zeit ohne eine neue Ratsentscheidung nicht entgegen. Ein derartiger Vertrauensschutz wird schon durch die Möglichkeit der Fehlerbehebung nach § 215 a Abs. 2 BauGB 1998 ausgeschlossen. Solange der Bebauungsplan oder einzelne seiner Festsetzungen nicht funktionslos oder im Abwägungsergebnis unhaltbar geworden sind, muss der Bürger bei Form- oder Verfahrensfehlern jederzeit mit einer – auch rückwirkenden – Fehlerbehebung durch die Gemeinde rechnen. Im Grundsatz sieht dies auch das Normenkontrollgericht nicht anders; denn es stellt nicht in Abrede, dass der Gedanke des Vertrauensschutzes eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Bebauungsplans durch einen Ratsbeschluss nicht hindert. Aus bundesrechtlicher Sicht ist es jedoch – wie bereits dargelegt – im Grundsatz unerheblich, welches Gemeindeorgan innerhalb der Bauleitplanung für die Gemeinde tätig wird.
c) Das Urteil des Normenkontrollgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Zwar könnte der Rat für die Entscheidung über das rückwirkende Inkraftsetzen gemäß § 215 a Abs. 2 BauGB theoretisch nach niedersächsischem Landesrecht zuständig sein. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich aber, dass das Normenkontrollgericht, dem die Auslegung des Landesrechts obliegt, die Existenz einer solchen Regelung sinngemäß verneint hat. Nach seiner den Senat gemäß § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO bindenden Auslegung des Landesrechts verlangt dieses nicht, dass die Entscheidung, einen Bebauungsplan nach 31 Jahren mit Wirkung ex nunc in Kraft zu setzen, vom Rat getroffen wird. Denn es hat das erneute Inkraftsetzen des Bebauungsplans ohne Beteiligung des Rats mit Wirkung ex nunc für wirksam gehalten. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass das niedersächsische Landesrecht für die Alternative des § 215 a Abs. 2 BauGB, den Plan mit Wirkung ex tunc in Kraft zu setzen, eine andere Zuständigkeitsregelung enthalten könnte, lassen sich dem Normenkontrollurteil nicht entnehmen. Im Gegenteil muss angenommen werden, dass das Normenkontrollgericht auch für das rückwirkende Inkraftsetzen die Notwendigkeit einer Entscheidung des Rates kraft Landesrechts verneint hat. Denn hätte es (auch) eine Norm des Landesrechts gesehen, aus dem sich die Zuständigkeit des Rates ergibt, so hätte es die Revision nicht zulassen dürfen. Dann wäre nämlich die Frage, ob die rückwirkende Inkraftsetzung eines Bebauungsplans aus bundesrechtlicher Sicht einer erneuten Ratsentscheidung bedürfe, nicht entscheidungserheblich gewesen.
3. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Revision der Antragsteller unbegründet ist. Der Bebauungsplan durfte ohne eine neue abwägende Entscheidung des Rates der Antragsgegnerin erneut bekannt gemacht werden.
Andere Mängel, die sich auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans auswirken können, sind nicht ersichtlich. Form- und Verfahrensfehler wären jedenfalls unbeachtlich, nachdem die Antragsgegnerin eine Hinweisbekanntmachung nach Art. 3 § 12 BBauGÄndG vorgenommen hat und binnen Jahresfrist keine Beanstandungen geltend gemacht worden sind. Abwägungsfehler des Satzungsbeschlusses vom 22. Oktober 1966 haben die Antragsteller nicht gerügt; sie wären durch Zeitablauf gemäß § 244 Abs. 2 BauGB 1987 ebenfalls unbeachtlich geworden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 40.96 – a.a.O.).
4. Demgemäß ist der Revision der Antragsgegnerin stattzugeben; der Normenkontrollantrag ist in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen. Die Revision der Antragsteller bleibt dagegen erfolglos. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 und § 159 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Heeren, Halama
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.08.2000 durch Kurowski Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BauR 2001, 71 |
AgrarR 2001, 287 |
DÖV 2001, 130 |
NuR 2001, 87 |
VR 2001, 322 |
BRS 2000, 234 |
DVBl. 2000, 1861 |
KomVerw 2001, 246 |
UPR 2001, 67 |
FSt 2001, 499 |
FSt 2001, 501 |
FuBW 2001, 455 |
FuHe 2001, 536 |
GuGA 2000, 47 |