Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Sozialhilfeleistungen (Hilfe zur Pflege bei Heimunterbringung), keine – als Teil des wohngeldrechtlich maßgeblichen Jahreseinkommens. Einsatz von Sozialhilfe (Hilfe in besonderen Lebenslagen), kein – als wohngeldrechtliches Einkommen. Einkommensanrechnung, keine – von Hilfe in besonderen Lebenslagen auch bei Heimbewohnern. Einkommenspauschale, wohngeldrechtliche –, für als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnende Leistungen. Hilfe in besonderen Lebenslagen, keine wohngeldrechtliche Einkommensanrechnung des in der – enthaltenen Lebensunterhalts bei Heimbewohnern. Sozialhilfe (Hilfe in besonderen Lebenslagen), keine Anrechnung von – als wohngeldrechtliches Einkommen
Leitsatz (amtlich)
- Zu den nach § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG als Einkommen anzurechnenden “Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes” gehören Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht.
- Eine auf der Grundlage der Anrechnungsvorschrift des § 8 WoVG erfolgende pauschalierende Einkommensanrechnung darf nicht unberücksichtigt lassen, dass dem Sozialhilfeempfänger ein sozialhilferechtlich bereits angerechnetes Einkommen nicht doppelt zur Verfügung steht.
Normenkette
WoGG (F. 2001) § 10 Abs. 2 Nr. 16; WoGG (F. 2001) § 36 Abs. 1 Nr. 1; WoGV § 8; BSHG § 27 Abs. 3 S. 1, § 87
Verfahrensgang
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 21.10.2001; Aktenzeichen 3 K 140/02.NW) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 21. Oktober 2001 wird aufgehoben. Ferner werden der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2001 und ihr Widerspruchsbescheid vom 23. November 2001 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Wohngeld für die Beigeladene ohne Anrechnung der ihr durch die Klägerin gewährten Sozialhilfe als Einkommen neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt für die Zeit ab 1. Januar 2001 die Gewährung von Wohngeld für die Beigeladene.
Die im Jahre 1921 geborene pflegebedürftige Beigeladene ist seit März 1998 in einem Altersheim im Bereich der Beklagten untergebracht. Die Heimkosten beliefen sich in der Zeit ab 1. Januar 2001 auf monatlich 5 123,68 DM. Die Beigeladene bezog eine Altersrente von monatlich brutto 1 065,37 DM und eine Zusatzrente in Höhe von 284,52 DM, zusammen 1 349,89 DM; die Pflegeversicherung leistete monatlich einen Betrag von 2 500 DM.
Die Klägerin leistete der Beigeladenen seit Januar 2001 Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz in Höhe von monatlich 1 382,85 DM. Am 23. Januar 2001 beantragte sie bei der Beklagten die Bewilligung von Wohngeld für die Beigeladene. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, bei einem zugrunde zu legenden Gesamteinkommen von monatlich 1 939,90 DM und einer zu berücksichtigenden Miete von monatlich 449,84 DM gemäß Anlage 3 des Wohngeldgesetzes ergebe sich kein Mietzuschuss. Bei der Berechnung des Gesamteinkommens wurden die Bruttobezüge der Beigeladenen sowie – da sie Bewohnerin eines Heimes im Sinne des Heimgesetzes ist – gemäß § 8 Wohngeldverordnung (WoGV) ein monatlicher Pauschbetrag von 1 100 DM als Heimbewohnern anzurechnende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt (Bescheid vom 2. Juli 2001).
Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 23. November 2001) erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der von der Klägerin für die Beigeladene geltend gemachte Wohngeldanspruch bestehe nicht. Anzuwenden sei das Wohngeldgesetz in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 11. April 2000 (BGBl I S. 450, BGBl I 2001 S. 2), denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei bei Wohngeldbegehren regelmäßig der Zeitpunkt der Antragstellung. Aus Anlage 3 zum Wohngeldgesetz ergebe sich, dass für Alleinstehende kein Wohngeld gewährt werde, wenn das zu berücksichtigende monatliche Gesamteinkommen (vgl. § 9 Abs. 2 WoGG) den Betrag von 1 623,34 DM übersteige. Dies sei hier der Fall, denn die Beklagte habe das zu berücksichtigende monatliche Gesamteinkommen zutreffend mit 1 939,90 DM berechnet. Die Ermittlung des Einkommens richte sich nach § 9 ff. WoGG; nach § 10 Abs. 1 WoGG sei Jahreseinkommen im Sinne des Gesetzes vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 sowie der §§ 11 und 12 die Summe aller positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 und 5a des Einkommensteuergesetzes. Dazu zählten auch die Rentenbezüge der Beigeladenen als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 EStG. Zum Jahreseinkommen der in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes lebenden Beigeladenen gehörten gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG auch die Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, soweit diese im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 5 WoGG – also bei Heimbewohnern – den sich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 WoGG ergebenden Betrag – hier 449,84 DM – überstiegen. Zur inhaltlichen Bestimmung der Begriffe der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Hilfe in besonderen Lebenslagen sei auf die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes zurückzugreifen, da das Wohngeldgesetz insoweit keine Regelungen enthalte. Die an Bewohner eines Heimes gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasse gemäß § 27 Abs. 3 BSHG auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt. § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG verfolge den Zweck, Leistungen nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes insoweit zum Jahreseinkommen zu nehmen, als sie zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden. Damit sei bereits im Wohngeldgesetz klar festgelegt, dass Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, soweit sie zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, zum Jahreseinkommen zählten, wobei gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG nur die laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt wohngeldrechtlich als Einkommen anzusetzen seien. Damit sei eine Ausnahme von dem Grundsatz normiert, dass die vom Sozialhilfeträger nach Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht zum Jahreseinkommen nach § 10 Abs. 2 WoGG gehöre. Die bei Heimbewohnern bei der Ermittlung des Jahreseinkommens als Leistung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt anzusetzenden Beträge bestimmten sich nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WoGG i.V.m. § 8 WoGV in der hier anzuwendenden Fassung vom 6. Februar 2001 (BGBl S. 192). Danach sei bei Wohnraumnutzung in Heimen nach § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG für die bei der Ermittlung des Jahreseinkommens als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnende, in der Einrichtung mitgewährte Leistung an Bewohner eines Heimes im Sinne des Heimgesetzes ein Betrag von 1 100 DM monatlich anzusetzen, höchstens jedoch der tatsächlich gewährte Sozialhilfebetrag. Dementsprechend berücksichtige die Beklagte bei der Berechnung des Jahreseinkommens der Beigeladenen auch den sich aus § 8 WoGV ergebenden Pauschbetrag von 1 100 DM, der hochgerechnet auf 12 Monate 13 200 DM betrage. § 8 WoGV werde in einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechenden Weise durch die Verordnungsermächtigung in § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WoGG gedeckt. Danach dürften pauschalierende Regelungen getroffen werden, soweit die Ermittlungen im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich seien (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Satz 2 WoGG). Dies sei bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung der Fall, denn die rechnerische Trennung der an Heimbewohner geleisteten Hilfe in besonderen Lebenslagen in Leistungen zum Lebensunterhalt gemäß § 27 Abs. 3 BSHG einerseits und sonstige Hilfe in besonderen Lebenslagen andererseits erfordere erhebliche Ermittlungen seitens der zuständigen Wohngeldbehörden. Dies habe auch der Verordnungsgeber gesehen, wie sich aus der Begründung zu der Regelung des § 8 WoGV (BRDrucks 472/00) ergebe. Dem trage die Vorschrift des § 8 WoGV mit einer pauschalierenden Regelung sachgerecht Rechnung. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht darin, dass sich nach § 8 WoGV bei gleicher wirtschaftlicher Situation und gleichen Unterkunftskosten ein unterschiedliches Wohngeld ergebe, je nachdem, ob der Antragsteller sich in Heimpflege befinde oder nicht. Die Ungleichbehandlung in Bezug auf die Wohngeldgewährung zwischen Heimbewohnern und Nicht-Heimbewohnern bei der Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen sei darin begründet, dass nur bei Heimbewohnern gemäß § 27 Abs. 3 BSHG die Hilfe in besonderen Lebenslagen auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt umfasse, was bei Nicht-Heimbewohnern nicht der Fall sei. Deshalb sei es sachgerecht, dass bei Nicht-Heimbewohnern bei der Frage der Wohngeldgewährung kein als Einkommen anzurechnender (Pausch)betrag berücksichtigt werde. Eine Heranziehung des § 87 BSHG komme entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in Betracht, denn diese Vorschrift passe bereits ihrem Wortlaut nach nicht auf die vorliegende Fallkonstellation, bei der es letztlich nicht um den Einsatz der Rente der Beigeladenen, sondern der Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen gehe; insoweit greife aber § 27 Abs. 3 Satz 1 BSHG ein.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Vorschrift des § 8 WoGV in der hier maßgeblichen Fassung sei nicht von der Verordnungsermächtigung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WoGG gedeckt und beinhalte eine sachwidrige Ungleichbehandlung von Heimbewohnern.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Zu Unrecht legt die Vorinstanz § 10 Abs. 2 Nr. 16 des Wohngeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2001 dahin aus, zum anzurechnenden Jahreseinkommen gehörten auch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen, soweit sie gemäß § 27 Abs. 3 BSHG auch in einem Heim (mit-) gewährten Lebensunterhalt umfassten mit der Folge, dass für die Ermittlung der Höhe dieses Einkommens die Verordnungsermächtigung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WoGG eingreife. Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung der Vorinstanz, die Pauschalierungsermächtigung in § 36 Abs. 1 Satz 2 WoGG lasse es zu, den in § 8 WoGV genannten Betrag von 1 100 DM für die als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnende Leistung an Bewohner eines Heimes im Sinne des Heimgesetzes auch dann voll in Ansatz zu bringen, wenn dem Heimbewohner sonstiges Einkommen zur Verfügung steht, das sozialhilferechtlich bereits auf die gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen angerechnet worden ist. Auf die Revision der Klägerin sind daher das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ist die Beklagte zur erneuten Bescheidung über den Antrag der Klägerin zu verpflichten.
1. Die Klägerin ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, gemäß § 91a BSHG berechtigt, den Wohngeldanspruch der Beigeladenen im eigenen Namen geltend zu machen. Dies folgt daraus, dass Sozialhilfeleistungen gegenüber den Leistungen des Wohngeldgesetzes nachrangig sind (vgl. § 2 Abs. 1 BSHG) und die Klägerin im Falle des Bestehens des geltend gemachten Wohngeldanspruchs erstattungsberechtigt wäre (§ 104 Abs. 1 SGB X, § 26 SGB I).
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht für die Beurteilung der Rechtsgrundlage des Wohngeldanspruchs auf den Zeitpunkt der Antragstellung als maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1990 – BVerwG 8 C 58.89 – ≪Buchholz 454.71 § 11 WoGG Nr. 3 S. 1, 2 ff. m.w.N.≫ und vom 29. August 1997 – BVerwG 8 C 13.96 – ≪Buchholz 454.71 § 10 WoGG Nr. 9≫). Demnach ist das Wohngeldgesetz in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2001 (BGBl I 2001, S. 2) anzuwenden.
2. Mit Bundesrecht unvereinbar ist bereits die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, zu den nach § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG als Einkommen anzurechnenden Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes gehörten anteilig auch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen.
Nach § 10 Abs. 2 Nr. 16 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der genannten Fassung gehören zum Jahreseinkommen “Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes”. Dieser Wortlaut schließt es aus, anteilig Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen dem wohngeldrechtlichen Einkommen zuzurechnen. Die hier anzuwendende Fassung des Wohngeldgesetzes greift zurück auf die Terminologie des Bundessozialhilfegesetzes. Nach den insoweit maßgeblichen Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes um-fasst die Sozialhilfe “Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebens-lagen” (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BSHG); die “Hilfe zum Lebensunterhalt” ist in Abschnitt 2 des Gesetzes geregelt, wobei laufende Leistungen zum Lebensunterhalt in § 22 BSHG betreffend den Regelbedarf angesprochen sind. Demgegenüber regelt Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes die “Hilfe in besonderen Lebenslagen”; nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BSHG umfasst die Hilfe in besonderen Lebenslagen bei Hilfegewährung u.a. in einem Heim “auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt einschließlich der einmaligen Leistungen nach Abschnitt 2”, ohne dass es sich hierbei jedoch um “Hilfe zum Lebensunterhalt” im Sinne des 2. Abschnitts handelt. Diese Auslegung wird durch die Änderung gegenüber der Vorläuferbestimmung in § 14 Abs. 1 Nr. 18 WoGG a.F. bestätigt, welche zur Bezeichnung des wohngeldrechtlich relevanten Einkommens noch den Begriff der “laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt” verwendet hatte. Dieser Begriff stellte nicht ab auf die Hilfeart, sondern die durch eine Leistung abgegoltenen Bedarfe, und ließ Raum für die Auslegung, dass es grundsätzlich ohne Bedeutung sei, “ob für Heimbewohner die Kosten des Lebensunterhalts als Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. § 21 Abs. 3 BSHG) oder als Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 27 Abs. 3 BSHG) aufgebracht werden” (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1979 – BVerwG 8 C 60.78 – ≪Buchholz 454.71 § 10 II. WoGG Nr. 4 S. 2, 4≫; vgl. auch Urteile vom 12. Februar 1988 – BVerwG 8 C 101.86 – ≪Buchholz 454.71 § 10 WoGG Nr. 7≫, vom 22. März 1990 – BVerwG 5 C 58.80 – ≪Buchholz 436.0 § 27 BSHG Nr. 2≫, vom 29. September 1994 – BVerwG 5 C 56.92 – ≪Buchholz 436.0 § 43 BSHG Nr. 8≫ sowie zuletzt Urteil vom 29. August 1997 – BVerwG 8 C 13.96 – ≪Buchholz 454.71 § 10 WoGG Nr. 9≫). Wenn der Gesetzgeber für die Einkommensanrechnung an dieser Auslegung hätte festhalten wollen, hätte er dies in dem geänderten Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringen müssen. Dies ist nicht geschehen.
3. Davon unabhängig ist aber auch die Auslegung des § 8 WoGV mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbar. Auch wenn – entgegen der hier zugrunde gelegten Auslegung des § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG – die Verordnungsermächtigung in § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WoGG es zuließe, den bei Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen in dieser Hilfe gemäß § 27 Abs. 3 BSHG enthaltenen Lebensunterhalt pauschalierend als wohngeldrechtliches Einkommen anzurechnen, könnte die Reichweite der in § 8 WoGV festgelegten Pauschalierung nicht so bestimmt werden, dass sie eine sozialhilferechtliche Anrechnung des anderweitigen Einkommens unberücksichtigt ließe.
Das Verwaltungsgericht versteht allerdings § 8 WoGV dahin, dass die Einkommenspauschale von 1 100 DM bzw. inzwischen 562 € auch neben anderweit vorhandenem, sozialhilferechtlich anrechenbarem Einkommen des Hilfeempfängers voll als wohngeldrechtliches Einkommen anzurechnen sei. Dies führt nicht nur zu einer rechtfertigungsbedürftigen Verschiebung der Finanzierungslast von den für das Wohngeld zuständigen Ländern und dem Bund auf die Kommunen; auch leistungsrechtlich ist es für den hier streitgegenständlichen Wohngeldanspruch der Hilfeempfängerin nicht gerechtfertigt, ihr sowohl die Einkommensbeträge aus dem Renteneinkommen wie auch die Pauschale von 1 100 DM in voller Höhe anzurechnen, obwohl die Renteneinkünfte bereits bei der Berechnung der Sozialhilfe bedarfsmindernd berücksichtigt worden sind und die wohngeldrechtlich als Einkommen zu berücksichtigende Sozialhilfe daher nur in entsprechend geminderter Höhe gewährt worden ist.
Die Ansetzung des Betrages von 1 100 DM für die in einem Heim mitgewährten Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt ist dann unbedenklich, wenn der Hilfebedürftige kein anderweitiges Einkommen hat. Dass der Verordnungsgeber aus den in aller Regel höheren Heimkosten einen bestimmten Anteil als Aufwand für den Lebensunterhalt (ohne Unterkunftskosten) gegriffen hat, ist nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Ermächtigung findet eine vertretbare anzurechnende Pauschale (ausgehend von Leistungen zum Lebensunterhalt ohne Unterkunft) ihre Rechtfertigung darin, dass eine für jeden Einzelfall schwierige und aufwendige Aufteilung zwischen lebensunterhalts- und pflegebedingten Sozialhilfekosten vermieden werden soll (vgl. zu diesen Schwierigkeiten etwa BVerwG, Urteile vom 12. Februar 1988 – BVerwG 8 C 101.86 – sowie vom 29. August 1997 – BVerwG 8 C 13.96 – a.a.O.) Dieses Ziel des § 8 WoGV ist aber erreicht, wenn für einen Hilfefall in einem Heim unabhängig von den konkreten Heimkosten von einem lebensunterhaltsbedingten Kostenanteil in bestimmter Höhe und damit wohngeldrechtlich von Einkommen in dieser Höhe auszugehen ist.
Damit ist jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht notwendig beinhaltet, dass § 8 WoGV mit der Festsetzung der Pauschale auf 1 100 DM sich nicht auf eben diese Trennung der Kosten für den Lebensunterhalt (ohne Unterkunft) und der sonstigen Heimkosten beschränkt und damit den wohngeldrechtlich als Einkommen relevanten Sozialhilfeleistungsanteil aus den Heimkosten bezeichnet, sondern weitergehend auch regelt, dass dieser Pauschalbetrag auch bei anderweitigem Einkommen des Hilfeempfängers – gleichsam als Festbetrag – wohngeldrechtlich Einkommen des Hilfeempfängers sei. Die Anrechnungsbegrenzung des letzten Halbsatzes des § 8 WoGV, wonach als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt “höchstens … der tatsächlich gewährte Betrag” als Einkommen anzurechnen ist, eröffnet vielmehr die rechtliche Möglichkeit, auch anderweitigen, aus den gesetzlichen Vorgaben der Verordnungsermächtigung abzuleitenden Begrenzungen Rechnung zu tragen.
Der Verordnungsgeber, der nach § 10 Abs. 2 Nr. 16, § 36 Abs. 1 WoGG ermächtigt ist, Vorschriften ”über die Ermittlung … des Einkommens (§§ 9 bis 14)“ zu erlassen, kann danach nur die ”Ermittlung“ regeln, nicht aber die in §§ 9 bis 14 WoGG geregelte Einkommensbestimmung verschieben und darf weder vorhandenes Einkommen als nicht relevant außer Acht lassen, noch darf er nicht verfügbares, schon anderweitig angerechnetes Einkommen fiktiv als einsetzbares Einkommen unterstellen und damit die Belastungsgrenzen verschieben. Der Umstand, dass die doppelte Einkommensanrechnung sich im Ergebnis nicht unmittelbar in der Gesamthöhe der konkurrierenden Sozialleistungen Wohngeld und Sozialhilfe auswirkt, sondern eine Lastenbefreiung des Wohngeldträgers als des Trägers der an sich vorrangigen Sozialleistung bewirkt, rechtfertigt eine solche Anwendung der Pauschalierungsregelung nicht. Pauschalierende Regelungen dürfen zwar getroffen werden, ”soweit die Ermittlung im Einzelnen nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten möglich ist“ (§ 36 Abs. 1 Satz 2 WoGG); diese Ermächtigungsvoraussetzungen sind jedenfalls auf der Grundlage der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt, soweit es um die Abgrenzung zwischen lebensunterhalts- und pflegebedingten Sozialhilfeleistungen bei der Hilfe in einem Heim geht, so dass insoweit die Pauschalierung in § 8 WoGV gerechtfertigt ist. Dagegen ist es nicht gerechtfertigt, die Pauschale in § 8 WoGV in Höhe von 1 100 DM als einen absoluten Festbetrag zu verstehen, der auch dann maßgeblich bleiben soll, wenn der Hilfeempfänger anderweitiges Einkommen hat und sich deshalb die geleistete Sozialhilfe um dieses Einkommen verringert hat. Denn rechnete man das anderweitige Einkommen des Hilfeempfängers und den ungekürzten Pauschbetrag des § 8 WoGV als wohngeldrechtlich maßgebliches Einkommen zusammen, gelangte man zu einem fiktiven Einkommen, das dem Hilfeempfänger in dieser doppelten (soweit sich das sozialhilferechtlich anzurechnende Einkommen einerseits und der Pauschbetrag andererseits in der Höhe decken) Höhe nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden hat. Zudem widerspräche das Verständnis des Pauschbetrages nach § 8 WoGV als Festbetrag der Aufgabe und dem Ziel dieser Vorschrift, für die Einkommensbestimmung nach § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG die dafür maßgeblichen Hilfeleistungen zum ”Lebensunterhalt“ in Abgrenzung zu den Hilfeleistungen für andere Zwecke zu ermitteln. Die dem Grunde nach zulässige Pauschalierung muss, da das Wohngeldrecht insoweit an sozialhilferechtliche Vorgaben anknüpft, auch das Rangverhältnis für die Anrechnung von Einkommen beachten. Wendet man § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG, § 8 WoGV auch auf Fälle nach § 27 Abs. 3 BSHG an, ist die einheitliche Hilfe in besonderen Lebenslagen fiktiv in zwei Hilfearten aufzuspalten. Nach § 87 Abs. 2 BSHG ist ein anderweitig vorhandenes anrechenbares Einkommen – hier das Renteneinkommen der Beigeladenen – vorrangig auf die Hilfe anzurechnen, für welche die niedrigere Einkommensgrenze maßgebend ist. Wenn man also mit dem Verordnungsgeber für § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt von den anderen Teilen der Hilfe in besonderen Lebenslagen trennt, muss für diese fiktive Aufteilung bei einer pauschalierenden Festsetzung auch dem Anrechnungsvorrang Rechnung getragen werden. Denn soweit vorhandenes Einkommen vorrangig auf den Bedarf zum Lebensunterhalt angerechnet wird, kommt es in diesem Ausmaß gerade nicht zu Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt, die § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG (ohne Kosten für die Unterkunft) zum wohngeldrechtlichen Einkommen zählt.
Um eine von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckte Doppelanrechnung zu vermeiden, wäre § 8 WoGV dahin auszulegen, dass der Pauschbetrag in Höhe von 1 100 DM für die als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnende Leistung entsprechend gekürzt wird, soweit der Hilfeempfänger anderweitiges Einkommen hat, das auf seinen Anspruch auf Sozialhilfe angerechnet wird. Diese Auslegung wäre mit dem Wortlaut des § 8 WoGV vereinbar, berücksichtigte sowohl die Ermächtigungsvorgabe für Pauschalierungen in § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Satz 2 WoGG als auch die Einkommenseinsatzrangfolge in § 87 Abs. 2 BSHG und stellte dementsprechend sachgerecht vorrangig auf ein höheres tatsächliches anderweitiges Einkommen ab, das einem geringeren, nach § 8 WoGV pauschal ermittelten Einkommen vorginge. Bei einer gesetzeskonformen Auslegung des § 8 WoGV gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Satz 2 WoGG und unter Berücksichtigung des § 87 Abs. 2 BSHG verringerte sich danach der gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG, § 8 WoGV anzurechnende Pauschbetrag um den Betrag anderweitigen Einkommens, der vom Sozialhilfeempfänger für seinen Bedarf im Heim einzusetzen ist.
Dies führte im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis: Da das Renteneinkommen der beigeladenen Hilfeempfängerin als anderweitiges Einkommen einzusetzen und vorrangig auf ihren sachlich der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialhilfebedarf anzurechnen war und es den Pauschbetrag nach § 8 WoGV überstieg, fehlte es im vorliegenden Fall an laufenden Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 16 WoGG. Das Wohngeld wäre daher ohne Einkommensanrechnung der der Beigeladenen gewährten Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt (in Höhe von 13 200 DM bezogen auf ein Jahr) neu zu berechnen.
Danach ist die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin ohne Berücksichtigung der Pauschale von 1 100 DM neu zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
BVerwGE 2004, 322 |
FEVS 2004, 297 |
ZfSH/SGB 2004, 425 |
DVBl. 2004, 963 |
GV/RP 2004, 493 |