Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsrechtliche Legitimation der Studentenschaft. Einführung eines Semestertickets in Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder. Äußerungen zu den ökologischen und verkehrspolitischen Vorteilen eines Semestertickets. Abwehrrecht gegen Anmaßung eines allgemeinpolitischen Mandats
Leitsatz (amtlich)
Äußerungen der Studentenschaft über einen ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des sog. Semestertickets stellen keine unzulässige Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats dar, solange und soweit sie sich darauf beschränken, diesen Nutzen nur als zusätzlichen Nebeneffekt der mit der Einführung des Semestertickets in Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder legitimerweise angestrebten Verbesserung der örtlichen Studienbedingungen herauszustellen.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 24.07.1996; Aktenzeichen 25 A 637/94) |
VG Münster (Urteil vom 20.12.1993; Aktenzeichen 1 K 1415/92) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger, ein seit dem Wintersemester 1990/91 bei der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eingeschriebener Student, begehrt von der beklagten Studierendenschaft die Unterlassung von Äußerungen zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des seit dem Sommersemester 1993 dort eingeführten Semestertickets zur verbilligten Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs.
Der Allgemeine Studentenausschuß (ASTA) der Universität Münster beabsichtigte zum WS 1992/93 die Einführung eines Semestertickets und veröffentlichte hierzu in einem von ihm herausgegebenen Magazin mehrere Artikel, die auch die ökologischen und verkehrspolitischen Aspekte einer verbilligten Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs durch die Studenten herausstellten. Auch danach äußerte sich der ASTA bei seinem Bemühen um eine Weiterführung des Semestertickets und dessen Erweiterung um ein Bahnticket in diesem Sinne.
Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger erhobene Klage auf Unterlassung aller Maßnahmen zur zwangsweisen Einführung eines Semestertickets sowie auf Unterlassung jeglicher Äußerung des ASTA zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen eines Semestertickets im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs und zur Verkehrspolitik abgewiesen. Die Berufung des Klägers, beschränkt auf das Begehren, jegliche Äußerung zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des Semestertickets im Rahmen des öffentlichen Nahverkehrs und zur Verkehrspolitik zu unterlassen, hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der allein auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt werden könne, nicht zu. Dieses Grundrecht gewähre einen Abwehranspruch nur gegen hoheitliche Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit, die nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung seien. Die beanstandeten Äußerungen der Studentenschaft seien jedoch Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung. Art. 2 Abs. 1 GG gebe dem einzelnen zwar einen Anspruch darauf, von der Mitgliedschaft in einem “unnötigen” Verband verschont zu bleiben. Die Einbeziehung jedes Studenten in die damals noch so bezeichnete organisierte Studentenschaft gemäß § 71 Abs. 1 UG als rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule, sei aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob sich darüber hinaus aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Abwehranspruch gegen jedwede Aufgabenüberschreitung der Studentenschaft ergebe, könne dahinstehen. Selbst wenn ein solcher Anspruch zu bejahen sei, stehe er dem Kläger nicht zu. Die Äußerungen der Studentenschaft hätten nicht die ihr durch Gesetz gezogenen Grenzen überschritten. Sie seien insbesondere nicht als unzulässige Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats zu beurteilen, sondern hielten sich im Rahmen der ihr durch § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG zugewiesenen Aufgaben. Die Einräumung günstiger Verkehrstarife im öffentlichen Personennahverkehr für die Studierenden sei nämlich unzweifelhaft eine Wahrnehmung ihrer sozialen Belange. Bestehe jedoch eine sachliche Zuständigkeit der Studentenschaft zur Erhebung von Beiträgen für das Semesterticket, so überschreite sie auch mit hierauf bezogenen Äußerungen nicht ihren Aufgabenkreis. Solange der spezifische Bezug zu dem die Hochschule betreffenden Thema des Semestertickets erkennbar sei, dürfe sie sich auch zu dessen allgemeinen ökologischen Auswirkungen sowie dem verkehrspolitischen Nutzen eines derartigen Modells äußern, die interne Willensbildung hierzu innerhalb der Studentenschaft durch informierende Publikationen fördern und schließlich auch für dessen Einführung im Kreis der Studierenden Werbung betreiben. Dies gelte unabhängig davon, ob die Beitragserhebung im konkreten Einzelfall auch materiell rechtmäßig sei.
Der Kläger rügt mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision vornehmlich die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 1996 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. Dezember 1993, soweit dadurch der Unterlassungsantrag zu 2) abgewiesen worden ist, zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, jede Äußerung über einen ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des unzulässigen Semestertickets im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs und zur Verkehrspolitik zu unterlassen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt hält die angefochtene Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Bundesrechtlich bestehen keine Bedenken dagegen, daß sich die beklagte Studierendenschaft zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen als Nebeneffekt des an der Universität Münster von ihr in Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder eingeführten Semestertickets äußert. Das Berufungsgericht hat deshalb der Klage auf Unterlassung derartiger Äußerungen zu Recht nicht stattgegeben.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß Mitgliedern eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Abwehrrecht auf Unterlassung von Äußerungen dieses Verbandes außerhalb seines Aufgabenbereichs zustehen kann. Es hat hier jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen eines solchen Anspruchs verneint, weil sich die beklagte Studierendenschaft (vormals Studentenschaft, siehe Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über die Fachhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 1997 – GV.NW S. 213) mit den beanstandeten Äußerungen im Rahmen der ihr durch § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F. (= § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F.) übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder bewege.
a) Das Berufungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, daß das Unterlassungsbegehren nicht schon darum durchgreift, weil es der Studierendenschaft an der für einen öffentlich-rechtlichen Zwangsverband erforderlichen verfassungsrechtlichen Legitimation fehle. Dagegen ist bundesrechtlich nichts zu erinnern. Es wird insoweit auf die Gründe des gleichzeitig ergehenden Urteils des Senats im Verfahren BVerwG 6 C 14.98 (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen) verwiesen.
Auch das Vorbringen des Klägers, der Studierendenschaft sei durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über die Fachhochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 1997 (GV.NW S. 213) ein allgemeinpolitisches Mandat übertragen worden, vermag die generelle Vereinbarkeit der beklagten Studierendenschaft mit Bundesrecht nicht in Frage zu stellen. Für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist es ohne Belang, ob sich das Änderungsgesetz auch dahin auslegen läßt, daß der Studierendenschaft zusätzlich zu den zweifelsfrei legitimen, da verbandsbezogenen Aufgaben auch, wie der Kläger behauptet, ein allgemeinpolitisches Mandat übertragen worden ist. Denn gegebenenfalls bestände immer noch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der von dem Kläger beanstandeten Änderungen (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 11. August 1998 – 1 BvR 1334/98 – NVwZ 1998, 1286, 1287). Die der Studierendenschaft legitimerweise übertragenen Aufgaben, in deren Bereich auch die für die Beurteilung des Unterlassungsbegehrens maßgebliche Aufgabe der Wahrnehmung der sozialen und wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F. = § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F.) gehört (siehe unten unter b), reichen für die Rechtfertigung der Errichtung der Studierendenschaft als Zwangsverband aus.
Auch der weitere Einwand des Klägers, durch die Änderung des Universitätsgesetzes seien die den Studierendenschaften übertragenen Aufgaben so aufgeweicht worden, daß die diesbezügliche Regelung des § 71 Abs. 2 UG n.F. nicht mehr dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspreche, stellt die verfassungsrechtliche Legitimation der Studierendenschaften nicht in Frage. Dabei kann hier dahinstehen, ob einzelne der neugefaßten Aufgabenbereiche tatsächlich zu unbestimmt umschrieben sind und, wie der Kläger meint, eine Abgrenzung zum unzulässigen allgemeinpolitischen Mandat erschweren. Selbst wenn die Umschreibung der einen oder anderen Aufgabe der Studierendenschaften wegen fehlender Bestimmtheit verfassungswidrig sein sollte, entfiele damit nicht die verfassungsrechtliche Legitimation der Beklagten, da ihr, wie bereits ausgeführt, immer noch genügend hinreichend bestimmte Aufgaben verblieben, die werden durften und ihre Errichtung als Zwangskörperschaft rechtfertigen. Das gilt insbesondere für die Aufgabe der wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Mitglieder, die hier für die Beurteilung der beanstandeten Äußerungen maßgeblich ist. Diese Aufgabe, die sich im Wortlaut unverändert sowohl in § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F. als auch in § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F. findet, ist in einer Weise umschrieben, die dem Bestimmtheitsgebot entspricht. Insoweit wird wiederum auf die Gründe des gleichzeitig im Verfahren BVerwG 6 C 14.98 ergehenden Urteils verwiesen.
b) Das Berufungsgericht hat ferner erkannt, daß sich die Studierendenschaft innerhalb des ihr gesetzlich übertragenen Aufgabenbereichs auch mit der Einführung eines Semestertickets zur verbilligten Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Studierenden befassen und sich hierzu auch werbend äußern dürfe.
aa) Die Kompetenz der Studierendenschaft, sich mit der Einführung eines Semestertickets zu befassen, ergibt sich nach Ansicht des Berufungsgerichts aus der ihr gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F. (= § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F.) übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder. Dagegen bestehen keine bundesrechtlichen Bedenken.
Die Aufgabe, sich um eine verbilligte Nutzung des Nahverkehrs für ihre Mitglieder zu bemühen, hält sich insbesondere im Rahmen dessen, was legitimerweise zum Verbandszweck der Studierendenschaft gemacht werden darf. Die Verfolgung dieses Ziels in Gestalt eines aus den Beiträgen der Studierenden finanzierten Semestertickets stößt auch nicht darum auf verfassungsrechtliche Bedenken, weil es hierzu einer besonderen Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedurft hätte. Vielmehr reicht § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F. (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F.) i.V.m. § 78 Abs. 2 UG als gesetzliche Grundlage hierfür aus. Im einzelnen wird hierzu auf die Gründe des gleichzeitig ergehenden Urteils des Senats im Verfahren BVerwG 6 C 14.98 verwiesen.
bb) Aus der Kompetenz der Studierendenschaft, sich mit der Einführung eines Semestertickets zu befassen, folgt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ohne weiteres auch die Befugnis, sich hierzu werbend zu äußern. Daß sich eine Studierendenschaft jeglicher werbenden Äußerung zu den von ihr verfolgten Aufgaben enthalten müsse, wie der Kläger meint, trifft nicht zu. Die Studierendenschaft ist gerade wegen ihres Charakters als Zwangskörperschaft darauf angewiesen, ihre Vorhaben und deren Vorteile für die Mitglieder zu erklären, um so deren Akzeptanz zu erhöhen. Daß dies zulässig ist und sogar geboten sein kann, folgt schon daraus, daß die Studierendenschaften aus Wahlen hervorgehen und damit ihren Mitgliedern Rechenschaft schuldig sind. In wichtigen Angelegenheiten müssen sie zudem unter bestimmten Voraussetzungen eine Urabstimmung unter ihren Mitgliedern durchführen (vgl. § 77 Abs. 1, § 74 Abs. 2 UG NW). Dabei kommt es für die Befugnis, sich zur Einführung eines Semestertickets zu äußern, allein darauf an, ob die Studierendenschaft die Kompetenz besitzt, sich mit diesem Vorhaben als solchem zu befassen. Sie besteht also unabhängig davon, ob die Einführung eines Semestertickets in seiner konkreten Ausgestaltung rechtmäßig ist, insbesondere ob die dafür vorgesehene Beitragserhöhung dem Äquivalenzprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) entspricht (vgl. hierzu das unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse an einer anderen Hochschule gleichzeitig ergehende Urteil des Senats im Verfahren BVerwG 6 C 14.98). Im übrigen geben die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zur Höhe des auf das Semesterticket entfallenden Beitragsanteils (18,60 DM im Semester) und zum Ergebnis der Urabstimmung (82 % Zustimmung bei einer Beteiligung von 40 %) hier keine Veranlassung, die Rechtmäßigkeit der konkreten Ausgestaltung in Zweifel zu ziehen.
c) Das Berufungsgericht ist schließlich davon ausgegangen, daß sich die beklagte Studierendenschaft auch zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen der Einführung eines Semestertickets äußern darf. Auch dies ist im Ergebnis bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein Abwehranspruch des zwangsinkorporierten Studenten aus Art. 2 Abs. 1 GG gegen Aktivitäten der Studentenschaft, wenn diese Aufgaben in Anspruch nimmt, die ihr auch der Gesetzgeber nicht übertragen darf, was für die Abgabe von Stellungnahmen allgemeinpolitischer Art der Fall ist (Urteil vom 13. Dezember 1979 – BVerwG 7 C 58.78 – BVerwGE 59, 231, 237-239; Urteil vom 26. September 1969 – BVerwG 7 C 65.68 – BVerwGE 34, 69). Danach verletzt die Studentenschaft, wenn sie sich ein allgemeinpolitisches Mandat anmaßt, das Recht auf Handlungsfreiheit ihrer Mitglieder. Als Anmaßung eines unzulässigen allgemeinpolitischen Mandats gilt dabei allein “die nachhaltige und uneingeschränkte Kundgabe nichthochschulbezogener, allgemeinpolitischer Meinungen und Forderungen” (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, a.a.O., S. 239 und LS 2).
Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat sich die beklagte Studierendenschaft in der Vergangenheit zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des Semestertickets geäußert. Sie hat dies getan, um damit den Studierenden die Rahmenbedingungen ihrer Entscheidung für oder gegen das Semesterticket zu verdeutlichen, die Auswirkungen der Verkehrsverhältnisse auf die Studierenden am konkreten Hochschulort darzustellen oder das Thema des Semestertickets in den übergeordneten Zusammenhang der allgemeinen Verkehrspolitik zu stellen. Äußerungen dieser Art stellen keine unzulässige Anmaßung eines allgemeinpolitischen Mandats im oben dargelegten Sinne dar. Denn derartige ökologische und verkehrspolitische Aussagen stehen im Zusammenhang mit der Einführung oder Weiterführung des Semestertickets. Daß die Einführung des Semestertickets, wie der Kläger behauptet, der Studierendenschaft lediglich als Vehikel diente, um sich zu allgemeinen Fragen des Umweltschutzes und der Verkehrspolitik äußern zu können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Solange und soweit die Studierendenschaft sich darauf beschränkt, den ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des Semestertickets nur als zusätzlichen positiven Nebeneffekt des mit der Einführung des Semestertickets legitimerweise verfolgten Ziels einer Verbesserung ihrer örtlichen Studienbedingungen herauszustellen, handelt es sich bei ihren Äußerungen nicht, wie dies für einen Unterlassungsanspruch erforderlich wäre, um eine uneingeschränkte Meinungskundgabe auf den Feldern der Politik. Vielmehr bleibt der notwendige Hochschul- und Studienbezug gewahrt. Dieser geht nicht dadurch verloren, daß die Studierendenschaft bei der Verfolgung ihr übertragener studentischer Belange auch den weiteren gesellschaftlichen Zusammenhang mit in den Blick nimmt. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Studierendenschaft sei bei der Behandlung hochschulpolitischer Themen auch ein “Brückenschlag” zu allgemeinpolitischen Fragestellungen erlaubt, ist jedenfalls nicht zu beanstanden, solange und soweit dabei der Zusammenhang zu studien- und hochschulpolitischen Belangen deutlich erkennbar bleibt. Die “Brückenschlagstheorie” des Berufungsgerichts vermittelt also keinen Freibrief und steht insoweit auch nicht, wie der Kläger meint, in Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1981 – BVerwG 5 C 53.79 (BVerwGE 64, 115). Denn dort hat das Gericht einer Steuerberaterkammer die Befugnis, ihren Mitgliedern die Abnahme einer von ihr ausgewählten mit Haushaltsmitteln finanzierten Fachzeitschrift zur Pflicht zu machen, deswegen abgesprochen, weil sie sich damit vollständig außerhalb des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt habe. Das ist hier jedoch bei der Einführung des Semestertickets und der Werbung hierfür durch die Studierendenschaft, wie aufgezeigt, gerade nicht der Fall. Die vom Berufungsgericht erörterten vergangenen Äußerungen der beklagten Studierendenschaft zum Semesterticket und seinen verschiedenen Vorteilen geben keinen Anlaß zu der Annahme, daß sie mit ihren künftigen Äußerungen hierzu den aufgezeigten Rahmen überschreiten werde.
Auch die nach Abschluß des Berufungsverfahrens erfolgte Änderung des nordrhein-westfälischen Universitätsgesetzes vermag dem Unterlassungsbegehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich das neue Recht, wie bereits erörtert, auch dahin auslegen läßt, daß es den Studierendenschaften ein allgemeinpolitisches Mandat einräumt, wie der Kläger meint. Denn abgesehen von den schon erwähnten Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung folgt die Befugnis, sich werbend zum Semesterticket und seinen Vorteilen zu äußern, aus der der Studierendenschaft übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder. Die Kompetenz hierfür ist von der Änderung nicht berührt. Sie findet sich vielmehr unverändert in der alten wie der neuen Fassung des Universitätsgesetzes (siehe § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UG a.F., § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG n.F.).
2. Der Kläger kann ein Abwehrrecht gegen die beanstandeten Äußerungen der Studierendenschaft auch nicht aus Art. 5 Abs. 1 GG herleiten. Äußerungen der Studierendenschaften zu den ökologischen und verkehrspolitischen Vorteilen des Semestertickets griffen selbst dann nicht in sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein, wenn die Studierendenschaft, was allerdings wie dargelegt nicht der Fall ist, sich damit außerhalb ihres Aufgabenbereichs bewegte. Denn auch solche Äußerungen der Studierendenschaft können ihren Mitgliedern allenfalls – und dies auch nur in geringem Maße – gesellschaftlich (vgl. BVerfG, Beschluß vom 11. August 1998 – 1 BvR 1334/98 – NVwZ 1998, 1286, 1287), nicht jedoch von Rechts wegen persönlich zugerechnet werden (vgl. Urteil vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – Buchholz 451.09 IHKG Nr. 11 ≪LT≫ = NJW 1998, 3510 – S. 3512 für Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern; Laubinger, VerwArch 74, 263, 275/276). Außerdem bleibt es den Mitgliedern der Studierendenschaften unbenommen, ihre Meinung – auch zu den von dieser behandelten Themen – eigenständig zu äußern (vgl. auch BSG, MDR 1966, 541).
3. Soweit der Kläger vorträgt, die beklagte Studierendenschaft habe bei der Werbung für die Einführung und Fortführung des Semestertickets in unzulässiger Weise mit politischen Parteien zusammengearbeitet, kann hierüber in diesem Verfahren nicht entschieden werden. Diese Frage liegt außerhalb des anhängigen Streitgegenstandes, denn der Kläger hat allein auf Unterlassung von Äußerungen der Beklagten zu den ökologischen und verkehrspolitischen Vorteilen des Semestertickets geklagt. Eine Änderung des Streitgegenstandes im Revisionsverfahren ist nicht zulässig (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
4. Sofern das Vorbringen des Klägers, es sei zuallererst Aufgabe des Berufungsgerichts zu prüfen, “ob die Beklagte im Lichte der Verfassung überhaupt legitim ist und ob die zwangsweise Inkorporation des Klägers einen grundgesetzwidrigen Formenmißbrauch darstellt”, als Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu verstehen sein sollte, ist diese ersichtlich nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger hat weder dargelegt, welches Ergebnis die Aufklärung im einzelnen gehabt hätte, noch hat er aufgezeigt, inwiefern dieses zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen können. Den an eine Aufklärungsrüge zu stellenden Anforderungen genügt auch das weitere Vorbringen des Klägers nicht, das Berufungsgericht habe die von einem anderen Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster getroffene Feststellung, daß die Höhe der Studienkosten zunehmend durch Fahrtkosten und weniger durch die Zimmermieten am Hochschulort bedingt würde, ungeprüft übernommen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Dawin, Henkel, Eckertz-Höfer, Eichberger
Fundstellen
Haufe-Index 1436104 |
NJW 2000, 1352 |
NVwZ 2000, 323 |
DÖV 2000, 167 |
BayVBl. 2000, 217 |
DVBl. 1999, 1600 |
NWVBl. 1999, 460 |