Entscheidungsstichwort (Thema)
Äußerungen der Studierendenschaft zum Semesterticket
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Äußerungen einer Studierendenschaft im Zusammenhang mit dem so genannten Semesterticket.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist seit 1990 Student der Universität Münster und als solcher Mitglied der Studierendenschaft. Diese führte 1993 das Semesterticket ein, durch das den Studierenden die freie Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs mit ihrem Studentenausweis möglich wurde. Im Zusammenhang mit der Einführung und Weiterführung des Semestertickets äußerte sich der Allgemeine Studentenausschuss der Studierendenschaft wiederholt öffentlich zu dessen verkehrspolitischem und ökologischem Nutzen.
2. Mit Klage, Berufung und Revision begehrte der Beschwerdeführer erfolglos die Verurteilung der Studierendenschaft dazu, ihre ökologischen und verkehrspolitischen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Semesterticket zu unterlassen. In dem angegriffenen Revisionsurteil stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, bundesrechtlich bestünden gegen die Äußerungen der Studierendenschaft zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen als Nebeneffekt des in Wahrnehmung der sozialen Belange eingeführten Semestertickets keine Bedenken. Die Studierendenschaft sei als Zwangsverband zulässig und bewege sich mit der Einführung des Semestertickets im Rahmen der ihr nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen (Universitätsgesetz – UG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1993 (GV NW S. 532), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 1. Juli 1997 (GV NW S. 213) übertragenen Aufgaben. Hierzu dürfe sie sich dann auch werbend äußern, ohne in unzulässiger Weise allgemeinpolitisch tätig zu sein, und zwar unabhängig davon, ob die konkrete Ausgestaltung des Semestertickets vorliegend verhältnismäßig sei (vgl. NVwZ 2000, S. 323).
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG durch das Bundesverwaltungsgericht. Da bereits die Einführung des Semestertickets Art. 2 Abs. 1 GG verletze, gelte dies auch für sämtliche im Zusammenhang damit stehenden Äußerungen. Selbst wenn die Einführung des Tickets von den Aufgaben der Studierendenschaft erfasst sein sollte, werde Art. 2 Abs. 1 GG durch die verkehrspolitischen Äußerungen der Studierendenschaft verletzt, da es sich um allgemeinpolitische Äußerungen handle.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit von zwangsverfassten Studierendenschaften noch nicht geäußert. Doch lassen sich seiner Rechtsprechung zu anderen Zwangsmitgliedschaften in öffentlichrechtlichen Verbänden die auch hier einschlägigen Prüfungsmaßstäbe entnehmen (vgl. BVerfGE 10, 89 ≪102≫; 15, 235 ≪239≫; 38, 281 ≪297 f.≫; 78, 320 ≪329 ff.≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Dies setzt voraus, dass die geltend gemachte Verletzung besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Bei dem angegriffenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist indessen eine Verfassungsrechtsverletzung nicht feststellbar.
Maßstab für die Überprüfung des angegriffenen Revisionsurteils ist Art. 2 Abs. 1 GG. Danach muss ein Zwangsverband zur Wahrnehmung legitimer öffentlicher Aufgaben geschaffen worden sein und sich auch nach der Gründung an die Grenzen dieser Aufgaben halten (vgl. BVerfGE 10, 89 ≪102≫; 38, 281 ≪299≫; 78, 320 ≪330 f.≫). Gemessen daran ist die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die Einführung des Semestertickets falle unter die Regelung des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 UG und bewege sich damit im Rahmen der von der Studierendenschaft legitimerweise wahrzunehmenden Aufgaben, hat die erkennende Kammer in einem heute ergangenen Beschluss für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. August 2000, 1 BvR 1510/99). Darauf wird Bezug genommen.
Für die Kompetenz der Studierendenschaft, sich zur Einführung des Semestertickets werbend zu äußern, kann nichts anderes gelten. Darüber hinaus begegnet es aber auch verfassungsrechtlich keinen Bedenken, dass das Bundesverwaltungsgericht die Äußerungen der beklagten Studierendenschaft zum ökologischen und verkehrspolitischen Nutzen des Semestertickets nicht beanstandet hat. Äußerungen, die wie vorliegend diesen Nutzen nur als einen positiven Nebeneffekt der mit der Einführung des Tickets verfolgten Ziele herausstellen, wahren ersichtlich den Bezug zu Hochschul- und Studienbelangen. Auch insofern liegt daher die vom Beschwerdeführer gerügte Kompetenzüberschreitung nicht vor.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 565121 |
NJW 2001, 2323 |
NVwZ 2001, 192 |
WissR 2001, 223 |