Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamter auf Probe: Entlassung nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit. Entlassung eines Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens. kein Schlußgehör gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BDO. Personalrat. Durchführung des Mitwirkungsverfahrens anstelle des gebotenen Anhörungsverfahrens. Auswirkungen einer vom. nicht geltend gemachten Verletzung des Informationsrechts auf Entlassung eines Beamten auf Probe
Leitsatz (amtlich)
Ein Beamter auf Probe kann auch wegen eines erst nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit vor Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres begangenen Dienstvergehens gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG entlassen werden.
Die bei der Entlassung eines Beamten auf Probe gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG durchzuführende Untersuchung (§ 126 Abs. 1 Satz 1 BDO) erfordert nicht, daß dem Beamten wie im förmlichen Disziplinarverfahren das Schlußgehör gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BDO gewährt wird.
Die Mitwirkung des Personalrats gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG vor der fristlosen Entlassung eines Beamten auf Probe schließt die unterbliebene Anhörung des Personalrats gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 BPersVG ein.
Die Entlassung eines Beamten auf Probe ist nicht wegen Verletzung eines vom Personalrat nicht geltend gemachten Informationsanspruchs rechtswidrig.
Normenkette
BBG § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 77 Abs. 1; BDO §§ 21, 25, 59, 63, 126 Abs. 1; BPersVG § 68 Abs. 2, § 78 Abs. 1 Nr. 4, § 79 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 13.11.1986; Aktenzeichen 1 A 408/65) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.12.1984; Aktenzeichen 10 K 3217/04) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1986 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der 1957 geborene Kläger trat 1972 in den Dienst der Beklagten. Diese ernannte ihn nach Bestehen der Anstellungsprüfung mit Wirkung vom 1. August 1975 unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Bundesbahnassistenten zur Anstellung. Er wurde am 30. Oktober 1978, an dem auch seine Probezeit endete, zum Bundesbahnassistenten ernannt. Im Jahre 1980 wurde er zum Bundesbahnsekretär und im Jahre 1982 zum Bundesbahnobersekretär befördert. Seit 1979 wird er im Bahnpolizeidienst verwendet.
Das Amtsgericht H. setzte im Juni 1980 gegen den Kläger wegen Trunkenheit im Straßenverkehr durch Strafbefehl eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 35 DM fest. Der Dienstvorgesetzte verhängte deshalb gegen den Kläger im Februar 1981 eine Geldbuße von 200 DM und wies ihn nachdrücklich darauf hin, daß er bei einer weiteren Pflichtverletzung gleicher oder ähnlicher Art sein Beamtenverhältnis ernstlich gefährde. – Das Amtsgericht D. verurteilte den Kläger durch Strafbefehl vom 24. Mai 1983 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 DM, weil er nach einer Auseinandersetzung mit dem Zeugen N. mit entsicherter und auf den Zeugen angelegter Dienstpistole gedroht habe, diesem „den Schädel wegzupusten” (§ 241 StGB). Diesem Strafbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger suchte am 20. Januar 1983 nach der Rückkehr vom dienstlichen Übungsschießen gegen 15.00 Uhr in Privatkleidung die Kantine im Hauptbahnhof auf. Die Dienstpistole, die er nach dem Dienst regelmäßig mit nach Hause nahm, führte er bei sich. Er nahm in der Kantine Alkohol in einer Menge zu sich, die bei der später vorgenommenen Blutentnahme eine Blutalkoholkonzentration von 1,7 ‰ ergab. Gegen 17.00 Uhr fuhr er mit der Straßenbahn nach Hause. In der Straßenbahn belästigte er eine Frau, indem er ihr auf die Füße trat. Als er und die Frau an einer Haltestelle ausstiegen, wartete dort deren Ehemann. Dieser ging, nachdem ihm seine Ehefrau von dem Vorfall in der Straßenbahn berichtet hatte, dem Kläger nach, packte ihn von hinten an der Schulter und stellte ihn zur Rede. Im Verlauf eines anschließenden heftigen Wortwechsels packte der Ehemann, der wesentlich größer als der Kläger war, diesen mit beiden Händen an der Kleidung, hob ihn in die Luft und ließ ihn wieder fallen. Daraufhin zog der Kläger plötzlich seine Dienstpistole hervor und richtete sie auf den Ehemann. Dabei sagte er sinngemäß mit mehrmaliger Wiederholung: „Noch einen Schritt näher, dann blase ich dir den Kopf weg”. Er holte ein Magazin aus der Tasche, legte es in die Waffe ein und lud durch. Nach einer Weile, während der Kläger den Ehemann weiterhin mit der Waffe bedrohte, traf Polizei ein. Als der Kläger dies bemerkte, kam er, rückwärts gehend, die Waffe jedoch immer noch auf den Ehemann gerichtet, auf die Polizeibeamten zu. Er senkte dann die Waffe und steckte sie ein.
Wegen dieses Vorfalles ordnete der Präsident der Bundesbahndirektion im Juni 1983 gemäß § 126 Abs. 1 der Bundesdisziplinarordnung – BDO – eine Untersuchung an. Im Rahmen des Untersuchungsverfahrens äußerte sich der Kläger am 8. September 1983. Die Untersuchungsbeamtin kam in ihrem Abschlußbericht zu dem Ergebnis, daß die Untersuchung den Beweis für die dem Kläger zur Last gelegten Vorwürfe erbracht habe. Die ihm vorzuwerfenden Verfehlungen seien so schwerwiegend, daß sie, wäre er Beamter auf Lebenszeit, zu einer im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängenden Disziplinarmaßnahme führen würden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beamte bereits 1981 wegen einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt mit einer Geldbuße von 200 DM habe disziplinarisch gemaßregelt werden müssen, erscheine die Entlassung des Probebeamten angebracht.
Der Präsident der Bundesbahndirektion teilte dem Kläger im Oktober 1983 mit, daß er beabsichtige, ihn ohne Einhaltung einer Frist aus dem Beamtenverhältnis auf Probe (§ 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BBG) zu entlassen und ihm Gelegenheit gebe, sich auch zur Mitwirkung des Personalrats gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes – BPersVG – zu äußern. Der Kläger beantragte daraufhin, den Personalrat zu beteiligen. Der Präsident der Bundesbahndirektion entließ den Kläger unter dem 15. November 1983 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Wirkung ab Zustellung dieses Bescheides, unterrichtete gleichzeitig den Bezirkspersonalrat und bat um Mitwirkung gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG. Diesen Bescheid hob der Präsident der Bundesbahndirektion unter dem 19. Dezember 1983 wieder auf, weil das nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz bei der Entlassung eines Beamten auf Probe erforderliche Mitwirkungsverfahren nicht rechtzeitig habe zum Abschluß gebracht werden können. Eine Abschrift dieses Bescheides übersandte er dem Bezirkspersonalrat zur Kenntnis mit der Bitte „um weitere Veranlassung – wie besprochen –”.
Der Bezirkspersonalrat behandelte die fristlose Entlassung des Klägers gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG in seiner Sitzung am 5./6. Januar 1984 und faßte den Beschluß, daß die beabsichtigte Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zur Kenntnis genommen werde. Durch Verfügung vom 6. Januar 1984 sprach der Präsident der Bundesbahndirektion erneut die Entlassung des Klägers mit Zustellung dieses Bescheides aus.
Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und den Bescheid des Präsidenten der Bundesbahndirektion vom 6. Januar 1984 sowie den Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1984 antragsgemäß aufgehoben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Die Entlassung des Klägers sei rechtswidrig, weil das Entlassungsverfahren nicht formell ordnungsgemäß abgewickelt worden sei. Der vor der Entlassung eines Beamten auf Probe nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG mit der Untersuchung gemäß § 126 Abs. 1 BDO beauftragte Beamte habe die Rechte und Pflichten eines Untersuchungsführers. Zu seinen Pflichten gehöre es gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BDO, wenn er den Zweck der Untersuchung für erreicht halte, dem Beamten Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern. Dieses Gebot müsse uneingeschränkt beachtet werden. Das Schlußgehör werde nicht durch die vorherige Anhörung des Beamten gemäß § 59 BDO ersetzt. Diese Anforderungen an das Schlußgehör seien hier nicht erfüllt.
Die Beklagte habe ferner die Personalvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt. Die fristlose Entlassung eines Beamten sei gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 BPersVG eine anhörungspflichtige Angelegenheit, nicht aber mitwirkungspflichtig gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG. Die kürzere Äußerungsfrist im Anhörungsverfahren lasse es nicht zu, das Mitwirkungsverfahren als Anhörungsverfahren anzusehen. Außerdem fehle es schon an einer ordnungsgemäßen Einleitung dieses Verfahrens, die eine richtige Bezeichnung der beabsichtigten Maßnahme erfordere. Hinzu komme, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung aus § 68 Abs. 2 BPersVG nicht nachgekommen sei, die Personalvertretung umfassend zu unterrichten.
Die Entlassung des Klägers sei letztlich auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr im Rahmen des § 31 Abs. 1 BBG zustehende Ermessen nicht sachgerecht betätigt habe. Sie habe keine eigenständige disziplinarrechtliche Würdigung der im Untersuchungsverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen vorgenommen.
Die Beklagte hat die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Dezember 1984 zurückzuweisen.
Die Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Rechtsgrundlage der fristlosen Entlassung des Klägers ist § 31 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes – BBG –, wonach ein Beamter auf Probe ohne Einhaltung einer Frist entlassen werden kann, wenn er ein Verhalten zeigt, das bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden kann. Die Tatsache, daß der Kläger das ihm angelastete Fehlverhalten erst nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit begangen hat, schließt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht aus und beschränkt sie auch nicht auf ein Fehlverhalten, das bei einem Beamten auf Lebenszeit zur Entlassung aus dem Dienst im förmlichen Disziplinarverfahren berechtigte. Durch den Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit ist lediglich die in § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG vorgesehene Entlassungsmöglichkeit wegen mangelnder Bewährung eingeschränkt (vgl. BVerwGE 26, 228 ≪231≫). Aus § 9 Abs. 2 BBG, nach dem ein Beamtenverhältnis auf Probe spätestens nach fünf Jahren in ein solches auf Lebenszeit umzuwandeln ist, wenn der Beamte die beamtenrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt, lassen sich keine gegenteiligen Rückschlüsse ziehen. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Fehlverhaltens noch nicht das siebenundzwanzigste Lebensjahr vollendet und damit nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBG noch keinen realisierbaren Rechtsanspruch auf Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit erlangt. Nur diese Auslegung wird dem Sinn und Zweck der Regelung gerecht, die verfestigte Rechtsstellung eines Beamten auf Lebenszeit erst in einem Lebensalter zu begründen, in dem der Beamte erfahrungsgemäß seine Berufswahl endgültig getroffen hat und deshalb regelmäßig nicht mehr mit einem Berufswechsel gerechnet werden muß, seine Persönlichkeitsentwicklung in ihren Grundzügen abgeschlossen und eine einigermaßen sichere Beurteilung seiner Persönlichkeit durch den Dienstherrn gewährleistet ist (vgl. hierzu BVerwGE 66, 19 ≪23≫; Beschluß vom 20. April 1983 – BVerwG 2 B 117.82 –; BayVGH, Urteil vom 3. Dezember 1987 – Nr. 3 B 87.00505 – ≪NVwZ 1989, 83≫).
Die bei der Entlassung eines Beamten auf Probe gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG nach § 126 Abs. 1 Satz 1 der Bundesdisziplinarordnung – BDO – vorgeschriebene Untersuchung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Untersuchung dient dem Zweck, das den Entlassungsgrund bildende Fehlverhalten des Beamten unparteiisch und mit der Qualität richterlicher Beweisaufnahme aufzuklären. § 126 Abs. 1 Satz 2 BDO bestimmt deshalb, daß der mit der Untersuchung beauftragte Beamte die Rechte und Pflichten eines Untersuchungsführers im förmlichen Disziplinarverfahren hat. Gleichwohl ist die Untersuchung nicht Teil eines disziplinarrechtlichen Verfahrens, sondern ein selbständiges Verfahren innerhalb des Verwaltungsverfahrens zur Vorbereitung der Entlassung. Denn diese ist keine disziplinarrechtliche, sondern eine beamtenrechtliche Entscheidung (BVerwGE 62, 280 ≪281≫). Die Untersuchung gemäß § 126 Abs. 1 BDO ist demgemäß keine vorgezogene Beweisaufnahme im Hinblick auf ein sich anschließendes gerichtliches Verfahren (Mittelbarkeitsprinzip) wie im disziplinargerichtlichen Verfahren, sondern bildet die Grundlage für einen von der Behörde zu erlassenden Verwaltungsakt, der von den Verwaltungsgerichten, die nicht wie Disziplinargerichte tätig werden, in vollem Umfange (unmittelbare Beweiserhebung) überprüft werden kann (vgl. hierzu Fürst, GKÖD II, K § 126 Rz 29, 38 sowie auch BVerwGE 27, 282 ≪285 f.≫). Aus diesem Grunde erfordert, wie auch der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, selbst eine sinngemäße Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 1 BDO kein Schlußgehör wie in einem förmlichen Disziplinarverfahren (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 5. Aufl., § 126 Rz 4; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 42 Erl. 6 f; vgl. zu ähnlichen Erwägungen BVerwGE 27, 282 ≪284 ff.≫). Den Anforderungen an die Gewähr rechtlichen Gehörs ist vielmehr genügt, wenn sich der Beamte – wie hier der Kläger – gegenüber dem Untersuchungsbeamten zu allen tatsächlichen Voraussetzungen für seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe äußern kann. Nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sind, hat sich die Untersuchungsbeamtin ausweislich des Protokolls vom 8. September 1983 über die Vernehmung des Klägers nicht auf eine Anhörung entsprechend § 59 BDO zu Beginn der Untersuchung beschränkt. Nach der Vernehmung des Klägers zur Sache hat sie vielmehr die Niederschriften über die Aussagen der Zeugen in dem Strafverfahren gegen ihn wegen Bedrohung mit einer Schußwaffe sowie die Ermittlungen der Polizei gemäß § 21 BDO zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Sodann wurden die Aussagen der Zeugen verlesen. Der mit seinem Verteidiger erschienene Kläger ist danach zu diesen Aussagen gehört worden. Er hat sich hierzu und auch „abschließend” geäußert und auf Akteneinsicht verzichtet.
Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß die Untersuchungsbeamtin ihre Aufklärungspflicht verletzt hat. Eine weitere Beweiserhebung haben weder der Kläger noch sein Verteidiger angeregt. – Der Umstand, daß die Untersuchungsbeamtin in dem Abschlußbericht vom 30. September 1983 zu dem Ergebnis gelangt ist, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger bereits 1981 einmal wegen einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt mit einer Geldbuße von 200 DM disziplinarisch habe gemaßregelt werden müssen, sei dessen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe angebracht, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung. Dies ergibt sich vor allem aus den dargelegten unterschiedlichen Zwecken einer Untersuchung im förmlichen Disziplinarverfahren und dem Verfahren gemäß § 126 Abs. 1 BDO. Letztlich hat die Untersuchungsbeamtin mit diesen Ausführungen nur ausgedrückt, daß die im einzelnen in ihrem Bericht Wiedergegebenen Ermittlungen nach ihrer Auffassung abgeschlossen sind und der Dienstbehörde eine Entscheidung ermöglichen. Auch lassen sich aus dieser über den eigentlichen Untersuchungsauftrag hinausgehenden Würdigung keine Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Untersuchungsbeamtin herleiten (vgl. hierzu BVerwGE 27, 282 ≪284 f.≫). Das macht auch der Kläger selbst nicht geltend.
Das Untersuchungsverfahren ist auch nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt worden, weil sich die Untersuchungsbeamtin darauf beschränkt hat, das Protokoll laut zu diktieren und genehmigen zu lassen. Durch die Genehmigung hat der Kläger auf ein Vorlesen bzw. auf ein eigenes Durchlesen verzichtet (§ 25 Satz 1 BDO, § 168 a Abs. 3 Sätze 1 und 6 StPO). Im übrigen fällt auch hier ins Gewicht, daß Niederschriften keine unmittelbare Beweisgrundlage für die über die Entlassung im Rechtsmittelverfahren entscheidenden Verwaltungsgerichte bilden und deshalb Formvorschriften kein so großes Gewicht wie im förmlichen Disziplinarverfahren zukommt (Claussen/Janzen, a.a.O., § 126 Rz 4; Zängl, BayDO. Art. 116 Rz 12).
Der Personalrat ist an der fristlosen Entlassung des Klägers in einer den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes – BPersVG – genügenden Weise beteiligt worden. Zwar ist der Personalrat nicht gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 BPersVG vor der fristlosen Entlassung angehört worden. Er hat jedoch gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG mitgewirkt und damit vor der Entlassung irrtümlich auf Veranlassung des Dienstherrn ein stärkeres Beteiligungsrecht; als vom Gesetz vorgesehen, ausgeübt. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein derartiges stärkeres Beteiligungsverfahren die Anhörung des Personalrats jedenfalls dann einschließt, wenn es – wie bei einer Anhörung erforderlich (BVerwGE 66, 291) – vor der Entlassung ordnungsgemäß zum Abschluß gebracht wird. Die Rechtsstellung des Beamten wird hierdurch nicht geschmälert; vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Der erkennende Senat ist demgemäß bereits im Urteil vom 9. Juni 1981 – BVerwG 2 C 24.79 – (Buchholz 232 § 31 Nr. 28; insoweit in BVerwGE 62, 280 nicht abgedruckt; vgl. nunmehr auch OVG Münster, Urteil vom 24. März 1988 – 12 A 854/86 – ≪DÖD 1988, 269≫) als selbstverständlich davon ausgegangen, daß durch ein fehlerfrei durchgeführtes Mitwirkungsverfahren den Anforderungen einer Anhörung genügt sein kann. Hieraus folgt, daß auch die irrtümliche Bezeichnung eines stärkeren Beteiligungsrechts noch nicht zur Rechtswidrigkeit der Entlassung führt, wenn dieses sodann fehlerfrei rechtzeitig abgeschlossen wird. Das vom Berufungsgericht angeführte Urteil vom 9. Mai 1985 – BVerwG 2 C 23.83 – (Buchholz 238.31 § 77 Nr. 1 = ZBR 1985, 347) stützt die gegenteilige Auffassung nicht. Während sich der Personalrat nach dem jenem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt nicht zu der beabsichtigten Maßnahme geäußert hatte, ist dies hier der Fall. Die Personalvertretung war über die beabsichtigte Maßnahme richtig unterrichtet. Sie hat sich zu der fristlosen Entlassung des Klägers in ihrer Sitzung vom 5./6. Januar 1984 und damit vor der Entlassung des Klägers geäußert, jedoch in stärkerer Form als vorgesehen. Dabei ist unerheblich, daß die nach dem Inhalt der Entlassungsverfügung vom 6. Januar 1984 der Beklagten bekannte Äußerung der Personalvertretung erst später schriftlich zu den Akten gelangt ist.
Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Personalrat sei nicht gemäß § 68 Abs. 2 BPersVG in der gebotenen Weise umfassend von dem Dienststellenleiter unterrichtet worden. Das in dieser Vorschrift verankerte allgemeine Informationsrecht der Personalvertretung wirkt sich allerdings auch auf die von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahmen aus, weil nur so ein ordnungsgemäßes Beteiligungsverfahren durchgeführt werden kann (Fürst, GKÖD V, K § 68 Rz 27). Die Unterrichtung muß konkret genug sein und Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen Anforderungen nicht und führt – auch wenn der Personalrat sich nicht auf Täuschung berufen sollte – zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme (vgl. u.a. Beschluß vom 1. Juli 1986 – BVerwG 2 B 65.85 – ≪Buchholz 238.33 § 65 Nr. 5 = ZBR 1987, 93≫ unter Hinweis auf BVerwGE 68. 189 ≪192, 196≫ und Urteil vom 9. Mai 1985 – BVerwG 2 C 23.83 – ≪a.a.O.≫ sowie Beschluß vom 9. Juli 1986 – BVerwG 2 CB 5.85 – ≪Buchholz 316 § 28 Nr. 10≫). So aber liegt der Fall hier nicht. Die Beklagte hat durch die ihrem Schreiben vom 15. November 1983 beigefügten Fotokopien der Verfügungen vom 6. Oktober 1983 und vom 27. Oktober 1983 den Personalrat zutreffend in kurzer und knapper Form über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet. Die Einlassung des Klägers war allerdings nicht detailliert wiedergegeben. Das war auch für die Personalvertretung erkennbar. Wenn sie insoweit weitere Informationen für erforderlich gehalten hätte, hätte sie diese fordern müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat vielmehr in Kenntnis einer knappen Unterrichtung durch die Dienststelle ihre Stellungnahme abgegeben. Sie selbst könnte sich auf einen von ihr nicht gerügten Informationsmangel nicht mehr berufen. Eine Verletzung des der Sphäre der Personalvertretung zuzuordnenden weitergehenden Informationsanspruchs führt – ebensowenig wie ein Verzicht auf die im Mitwirkungsverfahren vorgeschriebene, von dem Kläger vermißte Erörterung mit dem Dienststellenleiter (vgl. hierzu BAGE 54, 215 ≪224 f.≫) – aber nicht zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme (Fürst, GKÖD V, K § 69 Rz 8, § 72 Rz 8). Zu berücksichtigen ist auch hier, daß die Beteiligung des Personalrats nicht in erster Linie den Individualinteressen eines Beschäftigten dient. Vielmehr sind vornehmlich das Wohl aller Beschäftigten und die Verhältnisse in der Dienststelle als Ganzes die Richtschnur jeden personalvertretungsrechtlichen Handelns. Grundsätzlich können deshalb für den Personalrat erkennbare, aber unbeanstandete formelle Mängel nicht die Rechte des einzelnen Beschäftigten berühren (vgl. hierzu auch Urteile vom 23. Februar 1989 – BVerwG 2 C 8.88 – ≪DVBl. 1989; 773, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt≫ und vom 6. April 1989 – BVerwG 2 C 26.88 – ≪PersR 1989, 203≫). Es ist auch unbeachtlich, daß die Unterrichtung formal die ursprüngliche, später aufgehobene Entlassungsverfügung vom 15. November 1983 betraf. Denn die Beteiligung des Personalrats bei der Entlassung eines Beamten auf Probe bezieht sich nicht auf die verwaltungstechnische Entlassungsverfügung, sondern auf den Vorgang der Entlassung und den ihr zugrundeliegenden Sachverhalt (Beschluß vom 10. Juni 1988 – BVerwG 2 B 84.88 – ≪Buchholz 251.6 § 78 Nr. 6 = RiA 1988. 308≫).
Die Entlassung des Klägers ist schließlich nicht wegen fehlerhafter Ermessensentscheidung rechtswidrig. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihr Ermessen ausgeübt, ohne aufgrund eigener Würdigung des Sachverhalts die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG festgestellt zu haben, trifft nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide, zu deren Auslegung auch das Revisionsgericht befugt ist (vgl. u.a. BVerwGE 60, 223 ≪228 f.≫; 67, 222 ≪234≫ sowie Urteil vom 24. November 1988 – BVerwG 2 C 23.87 – ≪Buchholz 237.6 § 29 Nr. 1≫ mit weiteren Nachweisen), nicht zu. Der Beklagte hat vielmehr eigenständig, vor allem im Widerspruchsbescheid – unabhängig von den Ausführungen der Untersuchungsbeamtin – die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG geprüft und angenommen. In dem an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen anknüpfenden Ausspruch der Entlassung liegt in aller Regel – ohne daß dies ausdrücklicher Darlegung bedarf – kein fehlerhafter Ermessensgebrauch (vgl. BVerwGE 66, 19 ≪25≫ mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 28. April 1983 – BVerwG 2 C 89.81 – ≪Buchholz 237.6 § 39 Nr. 1≫). Im Hinblick hierauf ist nicht zu beanstanden, daß sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid auf den Hinweis beschränkt hat, daß zu einer anderweitigen Ermessensausübung bei dem vorliegenden Sachverhalt kein Anlaß bestehe.
Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat – ausgehend von seiner anderen Rechtsauffassung – keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Dienstpflichtverletzung (§ 77 Abs. 1 BBG) vorliegen und ob das zuständige Disziplinargericht mit der erforderlichen Sicherheit bei einem Beamten auf Lebenszeit eine nur im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme ausgesprochen hätte (vgl. hierzu BVerwGE 62, 280 ≪282 ff.; 287 f.≫; 66, 19 ≪20 f.≫). Dabei kommt allerdings den tatsächlichen Feststellungen in dem gegen den Kläger ergangenen rechtskräftigen Strafbefehl vom 24. Mai 1983 keine bindende Wirkung im Sinne von § 18 Abs. 1 BDO zu. Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen (§ 137 Abs. 2 VwGO). ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
Unterschriften
Dr. Schwarz, Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Dr. Müller, Dr. Maiwald
Fundstellen
Haufe-Index 1213614 |
BVerwGE, 356 |