Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung. Selbstbenutzungsgenehmigung. Bauherrnprivileg. Vererblichkeit des Anspruchs auf Selbstbenutzung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Bauherrn von mindestens vier öffentlich geförderten Wohnungen auf Genehmigung der Selbstbenutzung einer dieser Wohnungen (sog. Bauherrnprivileg) ist unvererblich.
Normenkette
GG Art. 14; VwGO § 88; WoBindG §§ 4, 6-7; II. WoBauG § 2 Abs. 1, § 80 Abs. 1 S. 2, § 100
Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 07.09.1984; Aktenzeichen 2B 100.82) |
VG Berlin (Entscheidung vom 27.04.1982; Aktenzeichen 16 A 82.82) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 7. September 1984 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
I.
Die Kläger, deren Vater im Jahre 1969 verstorben ist, sind als dessen Nacherben Eigentümer eines von ihrem Vater 1959/60 errichteten Gebäudes mit 16 öffentlich geförderten Mietwohnungen. Die Mutter der Kläger war Vorerbin. Vor deren Tode am 1. Dezember 1979 beantragte die Klägerin, ihr den Einzug in eine freiwerdende Zwei-Zimmer-Wohnung des Hauses zu gestatten. Mit Bescheid vom 11. Oktober 1979 gewährte der Beklagte der Mutter der Kläger eine Freistellung von den Beschränkungen des Wohnungsbindungsgesetzes für die Dauer der Nutzung der Wohnung durch die Klägerin unter der Auflage, eine Ausgleichszahlung von monatlich 70 DM (1,30 DM je Quadratmeter Wohnfläche) zu leisten.
Die Kläger haben nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben und im ersten sowie im zweiten Rechtszug geltend gemacht: Die Klägerin habe als Erbin des Bauherrn aufgrund des § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG einen Anspruch auf Nutzung einer Wohnung des Hauses. Das sogenannte Bauherrnprivileg sei eine vererbliche Vermögenswerte Berechtigung. Ein vermögenswerter Anreiz zur Vornahme einer bestimmten Handlung schließe nach seinem Sinn ein, daß er erbrechtlich übertragbar sei.
Der Beklagte hat entgegnet, die Selbstbenutzung einer Wohnung ohne Ausgleichszahlungen stehe nur dem Verfügungsberechtigten zu, der mindestens vier Wohnungen geschaffen habe; dies treffe allein auf den Vater der Kläger zu.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 7. September 1984 (s. BBauBl. 1985, 756 f.) die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Allerdings entspricht die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zum Wohnungszweckentfremdungsrecht (vgl. Urteile vom 12. März 1982 – BVerwG 8 C 23.80 – BVerwGE 65, 139 und vom 7. September 1984 – BVerwG 8 C 48.83 – Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11 S. 29) zutreffend für statthaft gehaltene selbständige (isolierte) Anfechtung der dem Freistellungsbescheid beigefügten Zahlungsauflage (vgl. auch Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Bellinger, WoBindG §. 7 Anm. 7) bei der hier gegebenen Konstellation nicht dem Rechtsschutzziel der Kläger. Diese berufen sich vielmehr ausschließlich auf das sogenannte Bauherrnprivileg des § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG. Danach steht dem Verfügungsberechtigten unter den dort bezeichneten Voraussetzungen ein (strikter) Rechtsanspruch auf Erteilung einer Selbstbenutzungsgenehmigung zu, dem daher keine einschränkende (Zahlungs-)Aufläge hinzugefügt werden darf (s. § 36 Abs. 1 VwVfG). Die Erteilung (nicht einer Selbstbenutzungsgenehmigung, sondern) einer Freistellung steht demgegenüber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WoBindG im Ermessen der zuständigen Behörde. Das hat die von § 7 Abs. 3 Satz 1 WoBindG ausdrücklich bestätigte Konsequenz, daß eine Freistellung „unter Auflagen, insbesondere auch unter der Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen in angemessener Höhe, erteilt werden” darf. Angesichts dieses Unterschiedes wäre eine (isolierte) Anfechtungsklage der dem Ziel der Kläger angemessene Rechtsbehelf nur dann, wenn die Kläger in der Sache eine auflagenfreie Ermessensentscheidung, also eine Freistellung, begehrten. Das ist, wie gesagt, nicht der Fall. Die Kläger wünschen eine Selbstbenutzungsgenehmigung und damit den Erlaß eines gebundenen Verwaltungsakts. Dieses Rechtsschutziel können sie nicht mit einer auf die Zahlungsauflage beschränkten Teilanfechtung der vom Beklagten getroffenen Ermessensentscheidung erreichen. Richtige Klageart ist vielmehr die auf die Erteilung einer Selbstbenutzungsgenehmigung gerichtete Verpflichtungsklage (vgl. Urteile vom 8. Februar 1974 – BVerwG IV C 73.72 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 72 S. 40 und vom 12. März 1982, a.a.O.). Dementsprechend haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ihren mit der Revision weiterverfolgten Klageantrag in diesem Sinne klargestellt. Daß sie ihr Klagebegehren bisher in die Form eines Anfechtungsantrages gekleidet hatten, ist unerheblich. Darin liegt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 142 VwGO). Maßgebend für das jeweilige Begehren ist nicht die Fassung der Anträge, sondern das im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel (vgl. § 88 VwGO und Urteile vom 30. Juli 1976 – BVerwG IV C 15.76 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5 S. 1 und vom 12. Februar 1981 – BVerwG 2 C 42.78 – Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 21 S. 1), das hier erkennbar schon ursprünglich die Erteilung einer Selbstbenutzungsgenehmigung war.
In der Sache hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, der in § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG eingeräumte Rechtsanspruch auf Erteilung einer Selbstbenutzungsgenehmigung stehe nur dem Bauherrn zu, nicht dagegen dessen Erben. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Kläger greift nicht durch.
Richtig ist allerdings, daß öffentlich-rechtliche Ansprüche der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich auch dann auf den Erben übergehen, wenn dies in der anspruchsbegründenden Norm selbst nicht vorgesehen ist. Denn soweit nicht öffentlich-rechtliche Sonderregelungen getroffen sind oder sich aus dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis Abweichendes herleiten läßt, sind die erbrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden (vgl. Urteil vom 18. September 1981 – BVerwG 8 C 72.80 – BVerwGE 64, 105 m.weit.Nachw.). Das sogenannte Bauherrnprivileg des § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG hat jedoch – den erbrechtlichen Übergang ausschließend – höchstpersönlichen Charakter. Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut. Privilegiert wird durch § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG nur der Verfügungsberechtigte, der mindestens vier öffentlich geförderte Wohnungen „geschaffen” hat. Eine Wohnung „geschaffen” im Rechtssinne hat jedoch nur der Bauherr. Denn „Schaffen” von Wohnraum bedeutet in der maßgeblichen Terminologie des Wohnungsbaurechts das Bauen von Wohnraum. § 2 Abs. 1 II. WoBauG definiert den Wohnungsbau als das „Schaffen” von Wohnraum durch Neubau, durch Wiederaufbau zerstörter oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude oder durch Ausbau oder Erweiterung bestehender Gebäude; der auf diese Weise „geschaffene” Wohnraum ist „neu geschaffen” im Sinne des Gesetzes. Diese Begriffsbestimmung ist auch für den Bereich des Wohnungsbindungsgesetzes maßgebend (vgl. § 100 II. WoBauG). Bauherr ist nach allgemeinem Verständnis nur der Hersteller des (Wohn-)Gebäudes, d.h. derjenige, der im eigenen Namen das (Wohn-)Gebäude errichtet oder durch einen anderen (Wohnungsunternehmer, Bauunternehmer, Architekten usw.) errichten läßt und als Auftraggeber gegenüber den Bauunternehmern, Handwerkern etc. auftritt (so bereits u.a. Ehrenforth, Komm., 1958, § 33 Anm. 1).
Für die Annahme der Unvererblichkeit des Bauherrnprivilegs spricht zudem die Gesetzessystematik. Die Selbstbenutzungsgenehmigung ist das „Gegenstück” zur Wohnberechtigungsbescheinigung (vgl. § 5 WoBindG). Der Verfügungsberechtigte kann sie gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 WoBindG unter den gleichen Voraussetzungen beanspruchen, unter denen einem Wohnungsuchenden eine Wohnberechtigungsbescheinigung ausgestellt wird. Namentlich darf der Verfügungsberechtigte ebenso wie der Wohnungsuchende regelmäßig die sich aus § 25 Abs. 1 II. WoBauG ergebende Einkommensgrenze nicht überschreiten (vgl. §§ 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 WoBindG). Maßgebend sind grundsätzlich die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. §§ 5 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 WoBindG). Ein vom Erblasser vor seinem Tode nicht geltend gemachter Anspruch auf Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung oder Selbstbenutzungsgenehmigung kann danach schon deshalb nicht vererblich sein, weil das Gesamteinkommen des Erben und seiner haushaltszugehörigen Familienangehörigen im Zeitpunkt der Antragstellung die Einkommensgrenze nicht übersteigen darf. Denn die Notwendigkeit einer auf die Einkommensverhältnisse des Erben, nicht des Erblassers, abstellenden Prüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen schließt die Annahme der Vererblichkeit des Anspruchs notwendigerweise aus. Die in § 4 Abs. 7 WoBindG getroffene Regelung, daß nach dem Tode des Inhabers der Wohnberechtigungsbescheinigung die Wohnung nur dessen haushaltszugehörigen Familienangehörigen und dem Ehegatten ohne Übergabe einer Wohnberechtigungsbescheinigung zum Gebrauch überlassen werden darf, verdeutlicht den höchstpersönlichen Charakter des Anspruchs auf Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung. Für die Selbstbenutzungsgenehmigung gilt nichts anderes. Mit ihr wird dem Verfügungsberechtigten ein öffentlich-rechtliches Wohnrecht verliehen, wie ein Wohnungsuchender es mit der Ausstellung der Wohnberechtigungsbescheinigung erwirbt (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Bellinger, WoBindG § 6 Anm. 2.2). Ebenso wie das öffentlich-rechtliche Wohnrecht des Inhabers einer Wohnberechtigungsbescheinigung geht das Selbstbenutzungsrecht des Adressaten einer Selbstbenutzungsgenehmigung nur nach dem Bezug der Wohnung entsprechend § 4 Abs. 7 WoBindG beim Tode des zur Selbstbenutzung berechtigten Verfügungsberechtigten auf seine hausstandszugehörigen Familienangehörigen, die aufgrund der Sondererbfolge des § 569 a Abs. 2 BGB in ein Mietverhältnis eingetreten wären, und bei seinem Auszug aus der Wohnung auch auf seinen Ehegatten über (vgl. Fischer-Dieskau/ Pergande/Schwender/Bellinger, WoBindG § 6 Anm. 2.2). Die Beschränkung der Vererblichkeit des Selbstbenutzungsrechts auf den Fall, daß der Verfügungsberechtigte es zu seinen Lebzeiten bereits in Anspruch genommen hat, und überdies auf den Kreis der hausstandszugehörigen Familienangehörigen entspricht der Funktion der durch Selbstbenutzungsgenehmigungen und Wohnberechtigungsbescheinigungen verliehenen öffentlich-rechtlichen Wohnrechte. Deren Gewährung ist nicht darauf gerichtet, die betroffene Sozialwohnung endgültig von den gesetzlichen Bindungen zugunsten des wohnberechtigten Personenkreises auszunehmen. Es handelt sich vielmehr um lediglich vorübergehende personengebundene Berechtigungen.
Aus dem Zweck des Bauherrnprivilegs und seiner Entstehungsgeschichte ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Zweck des Bauherrnprivilegs besteht darin, einen zusätzlichen Anreiz zum Bau öffentlich geförderter Wohnungen zu geben. Angereizt werden zum Wohnungsbau kann nur derjenige, der selbst bauen soll, nicht der Rechtsnachfolger desjenigen, der gebaut hat. Zwar mag eine Vererblichkeit des Anspruchs auf Erteilung einer Selbstbenutzungsgenehmigung den Anreiz – namentlich für Bauherrn mit Kindern – erhöhen. Diese Erwägung gibt jedoch angesichts des Gesetzeswortlauts und des Sinnzusammenhangs der Regelung nicht genügend für die Annahme der Vererblichkeit her.
Gleiches gilt für die Entstehungsgeschichte des Bauherrnprivilegs, das zur Anpassung an die Zuteilungsvorschrift des früheren § 80 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG in § 6 Abs. 2 Satz 3 WoBindG übernommen wurde (vgl. den Ausschußbericht, zu BT-Drs. IV/3634, S. 10 zu § 6 und Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Bellinger, WoBindG § 6 Anm. 2.3).
Die in der Revisionsbegründung angedeutete Auffassung, die Unvererblichkeit des Bauherrnprivilegs verstoße gegen Art. 14 GG, trifft nicht zu. Diese Beschränkung beseitigt das durch Art. 14 GG gewährleistete Erbrecht weder als Institut noch als Individualrecht in bezug auf die mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung. Die Bedingung für die Vererblichkeit des Selbstbenutzungsrechts, daß der Erblasser die Selbstbenutzungsgenehmigung erwirkt und von ihr auch Gebrauch gemacht haben muß, hält sich vielmehr im Rahmen der dem Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zukommenden Befugnis zur näheren Ausgestaltung des Erbrechts (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 1. Dezember 1965 – 1 BvR 412, 524/65 – BVerfGE 19, 202). Das gleiche gilt für die Beschränkung der Vererblichkeit auf die haushaltszugehörigen Familienangehörigen und den Ehegatten. Das Eigentum der Erben kann durch eine Beschränkung der Vererblichkeit schon deshalb nicht verletzt sein, weil es bereits an einem Vermögensgegenstand fehlt, der Eigentum der Erben geworden sein könnte, wenn der Bauherr zu seinen Lebzeiten den Anspruch nicht erhoben hat (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Weyreuther, Noack, Dr. David, Prof. Dr. Driehaus, Dr. Silberkuhl
Fundstellen