Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherheitsleistung, Anordnung von – bei Abfallentsorgungsanlagen. Sicherheitsleistung für immissionsschutzrechtliche Nachsorgepflichten. Ermessen bei Anordnung einer Sicherheitsleistung. Abfallentsorgungsanlagen, Sicherheitsleistungen bei –
Normenkette
BImSchG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 3, § 12 Abs. 1 S. 2; VwVfG § 40; VwGO § 139 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 16.07.2007; Aktenzeichen 6 UE 1527/06) |
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.05.2006; Aktenzeichen 2 E 2225/04 (V)) |
Tenor
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juli 2007 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
In einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage wurde der Klägerin aufgegeben, eine Sicherheit in Höhe von 100 000 € zu leisten.
Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 130a VwGO über die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 16. Juli 2007 entschieden und dieser stattgegeben. Er hat ausgeführt, die Anordnung einer Sicherheitsleistung sei hier ermessensfehlerhaft, und zur Begründung insbesondere auf sein Urteil vom 9. Mai 2007 (VGH 6 UE 42/06) Bezug genommen. Diese Entscheidung ist mit Urteil des Senats vom 13. März 2008 (BVerwG 7 C 44.07) aufgehoben worden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Beklagten. Zur Begründung fasst er die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde zusammen und verweist im Übrigen auf diese.
Die Klägerin hält die Revision sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt die Revisionsbegründung den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Revisionsbegründung enthält einen bestimmten Antrag und gibt die verletzten Rechtsnormen an. Zur Begründung der Rechtsverletzung wird das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde zusammengefasst und im Übrigen auf dieses Bezug genommen. Eine derartige Bezugnahme ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 25. Oktober 1988 – BVerwG 9 C 37.88 – BVerwGE 80, 321). Dies ist hier der Fall; denn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine umfassende kritische Würdigung des Berufungsurteils unter dem Gesichtspunkt seiner materiellrechtlichen Richtigkeit.
Die Revision ist auch begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung von materiellem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Unter Verletzung von Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Begründetheit der Klage bejaht.
Zu Recht geht er zunächst davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der angefochtenen Auflage vorliegen: Zur Erfüllung der Pflichten aus § 5 Abs. 3 BImSchG kann bei der hier vorliegenden Abfallentsorgungsanlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Sicherheitsleistung auferlegt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG).
Bundesrechtswidrig ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft, weil die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt habe (vgl. § 40 VwVfG).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs setzt die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG weder Zweifel an der Seriosität bzw. Liquidität des Betreibers noch Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzepts voraus. Vielmehr reicht das allgemeine latent vorhandene Liquiditätsrisiko grundsätzlich aus, um von Betreibern einer Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung zu verlangen (vgl. das den Beteiligten bekannte Urteil vom 13. März 2008 ≪BVerwG 7 C 44.07≫, amtl. Umdr. S. 7 – 11, zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen).
2. Die angegriffene Entscheidung selbst stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist nicht aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.
In dem angefochtenen Bescheid hat die Behörde Ermessenserwägungen angestellt. Im Widerspruchsbescheid und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sie diese vertieft. Es wird das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung hervorgehoben und ausgeführt, dass auch bei dem gegenwärtig liquiden Betreiber ein allgemeines Insolvenzrisiko bestehe, das nur ausgeschlossen wäre, wenn es sich um einen öffentlich-rechtlichen Betreiber handeln würde. Weiter wird darauf hingewiesen, dass im Falle der Insolvenz ohne Sicherheitsleistung die öffentliche Hand hohe Kosten für die Entsorgung der im Bereich der Anlage lagernden Abfälle zu tragen hätte, weil diese – wie im Einzelnen dargelegt wird – überwiegend einen (erheblichen) negativen Marktwert haben. Der Beklagte bezog sich zur Ausübung seines Ermessen zudem – auch ergänzend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 114 Satz 2 VwGO) – auf die im September 2002 durch Erlass des Hessischen Umweltministeriums eingeführte Verwaltungsvorschrift “Vollzugshandbuch der Abfallwirtschaft – Arbeitshilfe Anlagenzulassung Nr. 3 Sicherheitsleistung”.
Einer darüber hinausgehenden Begründung der Ermessensausübung bedurfte es nicht (vgl. Urteil vom 13. März 2008 – BVerwG 7 C 44.07 – amtl. Umdr. S. 12 – 13).
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Höhe der geforderten Sicherheit – zu der das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat und auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch nicht treffen musste – ist von dem Beklagten rechtsfehlerfrei festgesetzt worden.
Die Höhe der Sicherheitsleistung hält sich in dem durch die genannte Verwaltungsvorschrift des Hessischen Umweltministeriums vorgegebenen Rahmen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere nicht unverhältnismäßig (vgl. Urteil vom 13. März 2008 – BVerwG 7 C 44.07 – amtl. Umdr. S. 13 – 14).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Krauß, Neumann, Guttenberger
Fundstellen