Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsruhe. Arbeitsschutz. gesetzgeberisches Ermessen (Sonn- und Feiertagsschutz. Ermessen bei Durchsetzung eines gesetzlichen Verbots. Sonntag als verfassungsgesetzlich geschützte Institution. Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Sonntagsschutz und Arbeitsschutz. Sonntagsschutz und Schutz religiöser Betätigung, Sonntagsschutz und Grundrechtseinschränkung. Sonntagsschutz und Berufsfreiheit. Sonntagsschutz und Freiheit nicht-gewerblicher Betätigung. Verbot von mit der Zweckbestimmung des Sonntags unvereinbaren Betätigungen. Sonntagsschutz und sozial nicht relevantes Verhalten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der durch die Art. 140 GG, 139 WRV vorgeschriebene besondere gesetzliche Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage soll diese Tage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung schützen, d.h. gewährleisten, daß die durch die Verfassung festgelegte besondere Zweckbestimmung dieser Tage durch gesetzliche Vorschriften hinreichend gesichert wird.

2. Durch die Art. 140 GG, 139 WRV wird die Institution des Sonntags als ein Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung geschützt.

3. Der Schutz des Sonntags ist durch den hierzu jeweils berufenen Gesetzgeber im Rahmen seiner jeweiligen Gesetzgebungskompetenz zu bewirken. Art, Umfang, Intensität und nähere inhaltliche Ausgestaltung des Sonntagsschutzes unterliegen dem gesetzgeberischen Ermessen. Dieses findet seine Grenzen darin, daß einerseits der Sonntag als Institution hinreichend geschützt sein muß und daß andererseits die zum Schutz des Sonntags getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen.

4. Der gesetzliche Schutz des Sonntags kann auch das Verbot von Tätigkeiten umfassen, die mit der verfassungsgesetzlich festgelegten Zweckbestimmung des Sonntags nicht vereinbar sind. Schon diese Unvereinbarkeit rechtfertigt ein gesetzliches Verbot und die damit ggf. verbundenen Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten, ohne daß es dabei darauf ankäme, ob die verbotenen Tätigkeiten generell oder im Einzelfall über diese Unvereinbarkeit hinaus zu einer konkreten Gefährdung oder Störung der Sonntagsruhe führen.

5. Ein Gebrauchtwagenmarkt für nicht-gewerbliche Anbieter und Nachfrager ist eine Veranstaltung zur Ermöglichung typisch werktäglicher Lebensvorgänge und daher mit der verfassungsgesetzlichen Zweckbestimmung des Sonntags nicht vereinbar.

6. Die Behörde kann von der Durchsetzung eines gesetzlichen Verbots in Wahrnehmung eines ihr eingeräumten Ermessens nicht aus Gründen absehen, die nach der gesetzlichen Regelung Verbotsgründe und daher als Gründe für die Zulassung oder Duldung der verbotenen Handlung kraft Gesetzes ausgeschlossen sind.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 139; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Urteil vom 22.03.1984; Aktenzeichen 12 OVG A 345/81)

VG Braunschweig (Urteil vom 22.06.1981; Aktenzeichen 1 VG A 88/81)

 

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 22. März 1984 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 22. Juni 1981 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Aufhebung der Untersagungsverfügung der Beklagten vom 3. Oktober 1977 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 29. März 1978 begehrt.

Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin betreibt in mehreren Städten gewerbsmäßig Gebrauchtwagenmärkte für private (nicht-gewerbliche) Anbieter. Im September 1977 begann sie mit der Veranstaltung eines solchen Marktes an Sonntagen auf dem von ihr hierfür gemieteten Parkplatz eines Kaufhauses in Braunschweig. Sie stellte den Verkaufsinteressenten Stellflächen für die von ihnen angebotenen Fahrzeuge gegen ein Standgeld von 15 DM pro Tag und Fahrzeug zur Verfügung und gewährte im übrigen unentgeltlichen Zutritt zu der Marktfläche. Für diese – inzwischen wegen des vorliegenden Verfahrens eingestellten – Veranstaltungen wurde durch Zeitungsanzeigen und Plakate geworben.

Auf einen Hinweis des Landesinnungsverbandes Niedersachsen des Kraftfahrzeughandwerks untersagte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 3. Oktober 1977 unter Bezugnahme auf die §§ 1, 6, 29 und 30 des Niedersächsichen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (NdsSOG) in Verbindung mit §§ 3, 4 des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage (NFeiertagsG) die weitere Durchführung des privaten Automarktes. Die von der Klägerin beantragte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 14 NFeiertagsG lehnte die Beklagte ab.

Die Klägerin hat daraufhin nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der Untersagungsverfügung, hilfsweise die Verpflichtung zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung begehrte.

Das Verwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung aufgehoben. Es hat unter Darlegung diesbezüglicher Zweifel offengelassen, ob der private Automarkt gemäß den §§ 3, 4 Abs. 1 NFeiertagsG verboten sei. Die angefochtenen Bescheide seien jedenfalls wegen fehlerhafter Ausübung des Ermessens rechtswidrig.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit im wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Die Zulässigkeit des privaten Automarktes der Klägerin bemesse sich nach § 4 Abs. 1 NFeiertagsG, weil die Veranstaltung der Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 2 NFeiertagsG durch Bundes- oder Landesrecht besonders zugelassen sei.

Die Veranstaltung der Klägerin stelle zwar eine öffentlich bemerkbare Handlung im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Klägerin betreibe den Automarkt jedoch unter Umständen, die nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Feiertagesgesetzes ein Verbot nicht rechtfertigten; die Berufsfreiheit gebiete es, die Veranstaltung bei verfassungskonformer Auslegung des Niedersächsischen Feiertagsgesetzes als erlaubt anzusehen. Insbesondere widerspreche der private Automarkt nicht dem Wesen der Sonntage. Art. 139 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung/WRV), der gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes sei, bestimme, daß der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt blieben. Die Veranstaltung von privaten Automärkten an Sonntagen könne nach heutiger Auffassung nicht als ein für die Arbeitsruhe und die seelische Erhebung störendes Vorhaben angesehen werden. Automärkte an Sonntagvormittagen seien nach der Einschätzung breiter Bevölkerungsschichten aus wirtschaftlichen Gründen angemessene und sozialadäquate Veranstaltungen. Die Allgemeinheit habe sich darauf eingestellt, daß Automärkte an hierfür geeigneten Plätzen abgehalten würden. Darin liege eine sozial förderungswürdige Initiative, weil ein privater Automarkt zu einer Möglichkeit sozialen Kontaktes geworden und in der Art seiner Durchführung eher einem Flohmarkt und ähnlichen der Kommunikation dienenden Veranstaltungen vergleichbar sei. Er führe zu einer Erleichterung des sonst über Zeitungsinserate abgewickelten Handels und diene damit einem Interesse breiter Bevölkerungsschichten. In Hamburg und Bremen würden derartige Märkte geduldet bzw. nicht als mit dem Feiertagsverbot unvereinbar angesehen.

Die Gewährung des Eintritts zu dem Parkplatz und das Kassieren von Geld sei zwar auf Gewinnerzielung ausgerichtet; diese Tätigkeit werde indes vom Zweck des Feiertagesgesetzes nicht erfaßt. Der Angestellte der Klägerin verletze mit seiner Anwesenheit und mit dem Kassieren von Eintrittsgeldern nicht die Empfindungen Unbeteiligter; dessen Tätigkeit könnten die einzelnen Passanten im Gebiet des Parkplatzes nicht als eine Verletzung der Arbeits- und Sonntagsruhe empfinden. Die Kaufwilligen und die am Automarkt Interessierten gehörten ohnehin nicht zum Kreis der möglicherweise gestörten Personen. Der Hinweis des Landesinnungsverbandes Niedersachsen des Kraftfahrzeughandwerks sei lediglich durch Konkurrenzerwägungen veranlaßt gewesen. Störungen aus einer derartigen Konkurrenzsituation würden jedoch durch das Feiertagsrecht nicht geregelt. Weitere Zwecke würden mit dem Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG nicht verfolgt.

Schließlich gebiete die Berufsfreiheit, die Veranstaltung der Klägerin bei verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs. 1 NFeiertagsG als erlaubt anzusehen. Die Klägerin übe mit der Veranstaltung eines Automarktes einen Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG aus. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 NFeiertagsG auf die Klägerin komme einer Berufszulassungsregelung in Form einer objektiven Zugangsbeschränkung gleich.

Die Klägerin könne von ihrer Berufsfreiheit wirtschaftlich sinnvoll nur an Sonn- und Feiertagen Gebrauch machen. Nur an Sonntagen habe sie die Möglichkeit, den an Werktagen durch den Betrieb des Warenhauses in Anspruch genommenen Parkplatz vormittags zu mieten. Nur an Sonntagvormittagen setze ein nennenswerter Zustrom von Verkaufs- und Kaufinteressenten zu den Automärkten ein, während sich solche Veranstaltungen an Sonnabendnachmittagen nicht lohnten. Das Verbot des § 4 Abs. 1 NFeiertagsG stehe deshalb unter dem besonderen Vorbehalt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und dürfe mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit nur bei wirklich erheblichen Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter aufgrund gewichtiger, sachgerechter und vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls konkretisiert werden. Derartige Gemeinwohlbelange habe die Beklagte nicht überzeugend darlegen können.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Die Auslegung des § 4 Abs. 1 NFeiertagsG durch das Berufungsgericht verstoße gegen Art. 140 GG, 139 WRV. Die institutionelle Garantie der Art. 140 GG, 139 WRV stelle nicht nur eine Konkretisierung der Religionsfreiheit dar, sondern bezwecke, den Menschen an Sonn- und Feiertagen nicht dem Druck des Arbeitslebens auszusetzen. Die Abhaltung von Automärkten und das Verkaufen von Autos an Sonn- und Feiertagen stellten normale werktägliche Arbeiten dar. Sie seien mit der verfassungsrechtlichen Bestimmung der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unvereinbar. Ein Verbot privater Automärkte sei bereits wegen der Möglichkeit der Wahrnehmung und dem von dieser erwerbsorientierten Tätigkeit ausgehenden Druck auf konkurrierende gewerbliche Gebrauchtwagenhändler auszusprechen. Für eine Abwägung zwischen Art. 12 GG und dem Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit sei kein Raum, weil Art. 12 GG eine berufliche Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen nur in dem durch Art. 140 GG, 139 WRV festgelegten Umfang schütze.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 22. März 1984 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 22. Juni 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz den Hilfsantrag mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Sie beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie erwidert: Das Urteil des Berufungsgerichts beruhe ausschließlich auf der Anwendung des irrevisiblen Feiertagsgesetzes des Landes Niedersachsen. Bundesrecht werde auch nicht insoweit angewendet, als dieses zur Interpretation von landesrechtlichen Regelungen herangezogen werde. Das Berufungsurteil beruhe nicht auf einer grundgesetzkonformen Auslegung des Feiertagsgesetzes des Landes Niedersachsen; denn es habe eine durch den Automarkt eintretende Störung der äußeren Ruhe allein aufgrund der Anwendung von Landesrecht verneint. Soweit das Berufungsgericht auch einen Verstoß des Automarktes gegen das Wesen der Sonntage verneint habe, beruhe die Entscheidung nicht hierauf.

Im übrigen sei das Berufungsurteil mit Bundesrecht vereinbar. Die Art. 140 GG, 139 WRV könnten als Einrichtungsgarantie nicht die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG ausschließen, sondern verlangten als Grundrechtsschranke eine Abwägung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit. Die Klägerin könne ihrem Beruf außerhalb von Sonn- und Feiertagen nicht effektiv nachgehen; dies habe das Berufungsgericht bindend festgestellt. Art. 140 GG, 139 WRV dienten entgegen der Auffassung der Revision nicht dem Konkurrentenschutz. Private Automärkte stellten zudem keine Konkurrenz zum gewerblichen Gebrauchtwagenhandel dar, weil sie den direkten (Ver-)Kauf von Gebrauchtwagen zwischen Privaten ermöglichten. Die Veranstaltung privater Automärkte sei gerade für die unteren bis mittleren Sozialschichten von großer Bedeutung und schaffe nichts anderes als Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Privaten außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, zu denen der Private normalerweise seinem Beruf nachgehe. Sonn- und Feiertage seien der günstigste Zeitpunkt zur Abwicklung der (Ver-)Käufe von Kraftfahrzeugen; dies zeigten auch die Vielzahl der Gebrauchtwagen offerierenden privaten Kleinanzeigen in den großen Wochenendausgaben der Tageszeitungen.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren und äußert sich im wesentlichen wie folgt: Die Art. 140 GG, 139 WRV gewährleisteten bereits ohne einfach-gesetzliche (landesrechtliche) Regelung den Schutz der Sonn- und Feiertage. Art und Umfang des Sonn- und Feiertagsschutzes sei weitgehend dem Regelungsermessen der Landesgesetzgeber überantwortet. Die durch die Art. 140 GG, 139 WRV eintretenden Beschränkungen des Art. 12 Abs. 1 GG seien am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Die Art. 140 GG, 139 WRV statuierten kein generelles berufliches Betätigungsverbot für Sonn- und Feiertage; die Bezeichnung der Sonn- und Feiertage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung” sei insofern eher im Sinne einer grundsätzlichen, schutzwerten Einschätzung dieser Tage zu verstehen. Art. 139 WRV habe neben seiner religionsrechtlichen Bedeutung vor allem den Schutz der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen bezweckt. Im Arbeitsleben der Bundesrepublik Deutschland sei eine so wesentliche Verringerung der Arbeitszeit eingetreten, daß jedenfalls gegenwärtig aus spezifisch sozialen Gründen kein Bedürfnis mehr für einen Schutz der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe bestehe. Die hauptsächliche Bedeutung der Art. 140 GG, 139 WRV liege in ihrem das Grundrecht der Glaubensfreiheit ergänzenden und ausfüllenden Regelungsgehalt. Den privaten Anbietern und Nachfragern sei unbenommen, statt des Besuchs des Automarktes ihren ggf. vorhandenen religiösen Überzeugungen zu dienen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klägerin wird durch die angefochtene Untersagungsverfügung nicht in ihren Rechten verletzt.

1. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht.

a) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß nach den Art. 140 GG, 139 WRV die Sonntage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt bleiben und das „Wesen der Sonntage” im Sinne der Verbotsvorschrift des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG durch diese Verfassungsbestimmungen bindend festgelegt ist. Es prüft daher zu Recht, ob die Veranstaltung privater Automärkte an Sonntagen „als ein für die Arbeitsruhe und die seelische Erhebung störendes Vorhaben” angesehen werden kann und deshalb dem Wesen der Sonntage widerspricht (§ 4 Abs. 1 ≪2. Alt.≫ NFeiertagsG).

Das Berufungsgericht führt hierzu aus, dies sei nach heutiger Auffassung nicht der Fall, weil der von der Klägerin veranstaltete private Automarkt – der zu „einer Erleichterung des sonst über Zeitungsinserate abgewickelten Handels” führe, „einem echten Interesse breiter Bevölkerungsschichten” diene, einen „sozial billigenswerten Zweck” verfolge und sich seiner Umgebung störungsfrei einordne – von den Passanten nicht als eine Verletzung der Arbeits- und der Sonntagsruhe empfunden werden könne, weil ferner die Kaufwilligen und die am Automarkt interessierten Personen ohnehin nicht zum Kreise der möglicherweise gestörten Personen gehörten und weil schließlich weitere Zwecke mit dem Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG nicht verfolgt würden. Hiernach widersprechen jedenfalls Handlungen, die sozial billigenswerten Zwecken dienen und sich ihrer Umgebung störungsfrei einordnen, dem Wesen der Sonntage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung dann nicht, wenn Unbeteiligte, die diese Handlungen wahrnehmen, diese nicht als eine Verletzung der Arbeits- und der Sonntagsruhe empfinden, sich also durch diese Handlungen nicht in ihren Anschauungen über das Wesen des Sonntags oder in ihrer individuellen Sonntagsruhe verletzt oder gestört fühlen. Diese Auffassung verkennt die durch Art. 140 GG i.V. mit Art. 139 WRV verfassungsgesetzlich festgelegte Zweckbestimmung des Sonntags, die nach der den Senat bindenden Auffassung des Berufungsgerichts das „Wesen der Sonntage” im Sinne von § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG und damit das Schutzgut und den Anwendungsbereich des in dieser Vorschrift normierten Handlungsverbots unmittelbar und abschließend bestimmt.

b) Nach Art. 140 GG ist Art. 139 WRV Bestandteil des Grundgesetzes. Diese Vorschrift lautet: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.” Hiernach soll der besondere gesetzliche Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage gewährleisten, daß die durch die Verfassung festgelegte besondere Zweckbestimmung dieser Tage durch gesetzliche Vorschriften hinreichend gesichert wird (Urteil vom 7. September 1981 – BVerwG 1 C 43.78 –, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 29 = NJW 1982, 899 = GewArch 1982, 20 ≪21≫). Schutzgut der Art. 140 GG. 139 WRV ist angesichts dieser Zweckbestimmung die Institution des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung, die als ein Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung verfassungskräftig gewährleistet und dem gesetzlichen Schutz überantwortet wird.

c) Der Schutz des Sonntags ist durch den hierzu jeweils berufenen Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz zu bewirken. Die Art. 140 GG, 139 WRV enthalten keine Verhaltensgebote oder -verböte, sondern Normativbestimmungen für die Gesetzgebung von Bund und Ländern. Erst diese setzt die für den Bürger unmittelbar verbindlichen Gebote, Verbote, Freiräume, Ausnahmen oder Gestattungen. Das Gebot des gesetzlichen Sonntagsschutzes ist ein verfassungsgesetzlich vorgeschriebenes Gestaltungselement der gesetzlichen Ordnung von Lebensbereichen und daher nach Maßgabe der verfassungsgesetzlichen Kompetenzordnung von demjenigen Gesetzgeber zu berücksichtigen, der zur Ordnung des jeweiligen Lebensbereichs berufen ist.

Für die gesetzliche Ordnung von Lebensbereichen ist der Gesichtspunkt des Sonntagsschutzes kein isolierter – absolut zu setzender – Maßstab, dem sich alle anderen für die Regelung des jeweiligen Lebensbereichs bedeutsamen Gesichtspunkte schlechthin unterzuordnen hätten. Der Sonntagsschutz stellt vielmehr ein verfassungsgesetzlich vorgeschriebenes Regelungselement dar, das der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zukommenden Gesetzgebungsmacht mit den anderen für den zu regelnden Lebensbereich bedeutsamen Regelungselementen zum Ausgleich bringen und damit im Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Ordnung durch eine eigenständige gesetzgeberische Entscheidung konkretisieren muß. Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Sonntagsschutz im Rahmen anderer Materien – etwa im Gewerberecht, im Arbeitszeitrecht oder im Ladenschlußrecht – zu gewährleisten ist, sondern auch dort, wo der Sonntagsschutz (und Feiertagsschutz) als solcher den ausschließlichen Regelungsgegenstand bildet, wie dies bei dem hier in Rede stehenden Niedersächsischen Feiertagsgesetz der Fall ist. Art, Umfang, Intensität und nähere inhaltliche Ausgestaltung des gesetzlichen Sonntagsschutzes sind damit der spezifischen Regelungsmacht des Gesetzgebers überantwortet und unterliegen seinem gesetzgeberischen Ermessen. Dieses gesetzgeberische Ermessen findet seine Grenzen darin, daß einerseits die durch das Grundgesetz festgelegte besondere Zweckbestimmung des Sonntags hinreichend gewährleistet und dadurch der Sonntag als Institution hinreichend geschützt sein muß, und daß andererseits die zum Schutz des Sonntags getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen. In diesem Rahmen hat der Gesetzgeber insbesondere darüber zu entscheiden, ob bestimmte Tätigkeiten an Sonntagen verboten sein sollen oder ob sie beschränkt oder uneingeschränkt zulässig sein sollen. Dies kann auch in der Weise geschehen, daß er von seinem Verbot bestimmte Tätigkeiten ausdrücklich ausnimmt, also das generelle Verbot durch einen mehr oder weniger großen Katalog von Ausnahmen einschränkt.

Hieraus ergibt sich, daß die Länder, soweit sie zur Regelung dieser Materie zuständig sind, keine bundeseinheitlichen Vorschriften zum Schutz des Sonntags erlassen müssen (Beschluß vom 20. April 1983 – BVerwG 1 B 53.83 –, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 31). Es ist deshalb durchaus möglich, daß die gesetzliche Regelung eines Bundeslandes, wonach bestimmte Tätigkeiten an Sonntagen verboten sind, gleichermaßen verfassungsmäßig ist wie die eines anderen Bundeslandes, wonach diese Tätigkeiten an Sonntagen zulässig sind. Dabei ist zu beachten, daß die Verfassungsmäßigkeit der jeweiligen Regelungen durch den systematischen und inhaltlichen Zusammenhang des gesamten Gesetzes wesentlich mitbestimmt wird.

d) In diesem Rahmen kann der gesetzliche Schutz des Sonntags auch das gesetzliche Verbot von Tätigkeiten umfassen, die mit der verfassungsgesetzlich festgelegten Zweckbestimmung des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung nicht vereinbar sind. Schon diese Unvereinbarkeit rechtfertigt ein gesetzliches Verbot und die damit ggf. verbundenen Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten, ohne daß es dabei darauf ankäme, ob die verbotenen Tätigkeiten generell oder im Einzelfall über diese Unvereinbarkeit hinaus zu einer konkreten Gefährdung oder Störung der Sonntagsruhe führen (Urteil vom 7. September 1981, a.a.O.). Durch seine verfassungsgesetzliche Zweckbestimmung als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unterscheidet sich der Sonntag von Grund auf von den Werktagen; sie kann nur verwirklicht werden, wenn die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es den einzelnen dadurch möglich wird, im sozialen Zusammenleben den Sonntag nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen allein oder in der Gemeinschaft mit anderen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen zu begehen. Diese Zweckbestimmung des Sonntags beschränkt sich – entgegen der Ansicht des Oberbundesanwalts – nicht auf den Arbeitsschutz und die Abwehr von Störungen der Religionsausübung. Sie rechtfertigt es. Tätigkeiten zu verbieten, die mit dem Charakter des Sonntags als Nicht-Werktag unvereinbar sind, und dadurch zu ermöglichen, daß der Sonntag im sozialen Zusammenleben seiner Zweckbestimmung entsprechend begangen werden kann.

e) Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Veranstaltung der Klägerin widerspreche nicht dem Wesen des Sonntags und werde daher von dem Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG nicht erfaßt, steht mit den Art. 140 GG, 139 WRV nicht in Einklang. Das Berufungsurteil verletzt damit Bundesrecht. Das Berufungsgericht gründet seine Auffassung letztlich auf die Erwägung, daß Automärkte „sozialadäquate Veranstaltungen” und „sozial förderungswürdige Initiativen” seien, die „einem echten Interesse breiter Bevölkerungsschichten” und damit einem „sozial billigenswerten Zweck” dienten. Diese Erwägungen legen nicht dar, daß die streitige Veranstaltung dem Wesen des Sonntags nicht widerspricht. Sie sind für die Beantwortung dieser Rechtsfrage unerheblich; denn der Zweckbestimmung – und damit dem Wesen – des Sonntags können Tätigkeiten, die sozial billigenswerten und förderungswürdigen Zwecken dienen, durchaus widersprechen. Mit Rücksicht auf ihre besonderen Zwecke sind derartige Tätigkeiten nur dann mit dem Wesen des Sonntags vereinbar, wenn sie sich gerade im Lichte der Zweckbestimmung des Sonntags als billigenswert und förderungswürdig erweisen. Hierzu legt das Berufungsgericht nichts dar. Soweit es die Sozialadäquanz und Förderungswärdigkeit privater Automärkte daraus herleitet, daß diese „aus wirtschaftlichen Gründen angemessene … Veranstaltungen” seien, die „einer Erleichterung des sonst über Zeitungsinserate abgewickelten Handels und … damit einem echten Interesse breiter Bevölkerungsschichten” dienten, hebt es Umstände hervor, die den Werktagscharakter des Marktes betonen und damit gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts sprechen. Der weitere Hinweis des Berufungsgerichts, der private Automarkt sei an Sonntagen zu einer „Möglichkeit des sozialen Kontaktes” geworden, ändert hieran deswegen nichts, weil sich der angesprochene „soziale Kontakt” nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Rahmen des Marktgeschehens vollzieht.

2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Nach der den Senat bindenden Auffassung des Berufungsgerichts werden das Schutzgut und der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG durch die Art. 140 GG, 139 WRV unmittelbar und abschließend bestimmt. Die Verbotsnorm ist deshalb nach Maßgabe des Art. 139 WRV auszulegen und anzuwenden. Die diesbezügliche Prüfung ergibt, daß der strittige private Automarkt in verfassungsmäßiger Weise von dem Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG erfaßt wird und von der Beklagten ohne Ermessensfehler untersagt worden ist.

a) § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG verbietet an Sonn- und Feiertagen öffentlich bemerkbare Handlungen, die dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprechen. Diese Merkmale sind hier erfüllt.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, der von der Klägerin veranstaltete private Automarkt sei eine öffentlich bemerkbare Handlung im Sinne der Verbotsvorschrift, steht mit Bundesrecht in Einklang. Der private Automarkt der Klägerin ist aber mit der verfassungsgesetzlichen Zweckbestimmung des Sonntags nicht zu vereinbaren und widerspricht daher dem Wesen der Sonntage im Sinne von § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG. Als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unterscheidet sich der Sonntag als Nicht-Werktag von den übrigen Tagen der Woche; als solcher soll er gemäß Art. 140 GG, 139 WRV durch das Gesetz institutionell geschützt werden. Dieser Sonntagsschutz soll das öffentliche Leben seiner werktäglichen Elemente entkleiden und dadurch die Begehung des Sonntags als Nicht-Werktag ermöglichen. Er erfüllt diesen Zweck nur, wenn am Sonntag die werktägliche Geschäftigkeit ruht, sofern sie nicht gerade der Befriedigung sonntäglicher (nicht-werktäglicher) Bedürfnisse dient oder in Wahrnehmung gesetzgeberischer Regelungsmacht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes in verfassungsmäßiger Weise – insbesondere im Einklang mit Art. 139 WRV – besonders zugelassen ist. Sofern nicht einer dieser Gründe eine Tätigkeit als zulässig kennzeichnet, ist sie als werktägliche Tätigkeit mit der Zweckbestimmung des Sonntags unvereinbar und widerspricht deshalb dem Wesen des Sonntags. So liegt es hier.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden private Automärkte an Sonntagvormittagen nach der Einschätzung breiter Bevölkerungsschichten aus wirtschaftlichen Gründen als angemessen angesehen, also als werktägliche Veranstaltungen und nicht zu spezifisch sonntäglichen Zwecken durchgeführt. Dem entspricht die Zweckbestimmung, die Ausgestaltung und das Erscheinungsbild des streitigen privaten Automarktes. Die Klägerin ermöglicht durch die gewerbsmäßige Veranstaltung des privaten Automarktes den Kauf und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen „von Privat an Privat” auf der von ihr für diesen Zweck gemieteten und dem Publikum eröffneten Marktfläche. Der Markt soll ausschließlich die Möglichkeit zum Abschluß derartiger Geschäfte schaffen, wobei – wie das Berufungsgericht weiter festgestellt hat – Verkäufer wie Käufer auf einfache Weise mit möglichen Vertragspartnern in Kontakt treten können.

Der von der Klägerin veranstaltete private Automarkt stellt sich so nach seinem durch Zweck und Ausgestaltung geprägten Gesamtcharakter als eine Veranstaltung zur Ermöglichung typisch werktäglicher Lebensvorgänge dar. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Markt der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Landesinnungsverband Niedersachsen des Kraftfahrzeughandwerks aus Konkurrenzgründen beanstandet worden ist. An dem werktäglichen Charakter der Veranstaltung ändert nichts, daß der Automarkt nach der ihm von der Klägerin gegebenen Zweckbestimmung nur nicht-gewerbliche Käufe und Verkäufe ermöglichen soll. Mit der Zweckbestimmung des Sonntags sind nicht nur gewerbliche Tätigkeiten, sondern alle Tätigkeiten unvereinbar, die nach ihrem Charakter nicht sonntägliche, sondern werktägliche Tätigkeiten sind. Dazu zählen auch die marktmäßig organisierten Verkäufe von gebrauchten Kraftfahrzeugen „von Privat an Privat” (so auch OLG Stuttgart, GewArch 1977, 203; VGH Mannheim, Städtetag 1983, 368; VGH München, NJW 1987, 2604). Unerheblich ist, ob ein Teil der Besucher des Marktes diesen nicht als Kauf-Interessenten, sondern aus anderen Gründen aufsucht. Auch insoweit kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der private Automarkt der Klägerin ein werktäglicher Lebensvorgang ist, nur darauf an, wie sich die Veranstaltung nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben darstellt. Diejenigen Personen, die die Veranstaltung der Klägerin nicht als Kauf-Interessenten, sondern aus anderen Gründen aufsuchen, sind ebenfalls Besucher eines Marktes, der zur Ermöglichung werktäglicher Geschäftigkeiten veranstaltet wird und deswegen dem Wesen des Sonntags widerspricht. Der private Automarkt der Klägerin ist schließlich auch nicht deswegen mit der Zweckbestimmung des Sonntags vereinbar, weil er – wie das Berufungsgericht meint – „in der Art seiner Durchführung eher einem Flohmarkt und ähnlichen der Kommunikation dienenden Veranstaltungen vergleichbar” wäre; denn die vom Berufungsgericht angenommene „Kommunikation” vollzieht sich im Rahmen werktäglicher und deswegen mit der Zweckbestimmung des Sonntags nicht vereinbarer Lebensvorgänge. Sonstige Gründe, die die Annahme rechtfertigen könnten, der private Automarkt der Klägerin diene der Befriedigung spezifisch sonntäglicher Bedürfnisse seiner Besucher und widerspreche daher nicht dem Wesen des Sonntags, werden durch den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen. Schließlich ist die Veranstaltung privater Automärkte an Sonntagen nicht durch Bundesrecht und – wie das Berufungsgericht für den Senat bindend festgestellt hat – auch nicht durch Landesrecht besonders zugelassen.

b) Die Einbeziehung privater Automärkte der von der Klägerin betriebenen Art in das allgemeine Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG erfaßt diese Märkte als mit der Zweckbestimmung des Sonntags unvereinbare Bestandteile des öffentlichen Lebens. Sie wird deshalb durch die Art. 140 GG, 139 WRV gedeckt und steht auch im übrigen mit dem Grundgesetz in Einklang.

Die Auffassung des Berufungsgerichts und der Klägerin, private Automärkte der von der Klägerin betriebenen Art dürften nicht in das Verbot des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG einbezogen werden, weil dies einer objektiven Berufszulassungsbeschränkung gleichkäme, die nur aus schwerwiegenden – hier nicht gegebenen – Gründen des Gemeinwohls zulässig sei, trifft nicht zu. Das Verbot derartiger Veranstaltungen an Sonntagen bedeutet keine objektive Berufszulassungsbeschränkung. Das Berufungsgericht stützt seine dem entgegenstehende Bewertung auf die Erwägung, daß die Klägerin den für die Abhaltung des Marktes gemieteten Kaufhaus-Parkplatz vormittags nur an Sonntagen mieten und nur zu dieser Zeit mit einem nennenswerten Zustrom zu ihren Veranstaltungen rechnen könne. Aus diesen Erwägungen ergibt sich jedoch lediglich, daß die Klägerin bei Anwendung des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG gehindert ist, den von ihr gemieteten Parkplatz an Sonntagen zur Abhaltung privater Automärkte zu nutzen, nicht aber, daß der Klägerin die Abhaltung solcher Märkte wirtschaftlich unmöglich wäre. Die Klägerin ist beispielsweise nicht gehindert, an arbeitsfreien Samstagen von anderweitiger Nutzung freie Flächen – etwa Fabrikparkplätze – zu mieten und auf diesen während des ganzen Tages private Automärkte zu veranstalten. Daß Kaufhaus-Parkplätze, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, verkehrsmäßig weit günstiger als andere Standorte liegen und ferner an Sonntagen eine gegenüber Samstagen höhere Besucherzahl zu erwarten ist, ist für die Frage, ob die Anwendung des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG auf die Klägerin einer objektiven Berufszulassungsbeschränkung gleichkommt, unerheblich. Der verfassungsgesetzlich gewährleistete Schutz des Sonntags begrenzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Maß beruflicher Betätigung auf das mit der Zweckbestimmung des Sonntags noch vereinbare Maß. Die Berufsfreiheit der Klägerin gewährleistet nicht die hier in Rede stehende Befugnis, eine Fläche, die allein wegen der gebotenen Sonntagsruhe von anderweitiger Nutzung freigehalten ist, ihrerseits für eine mit der Zweckbestimmung des Sonntags unvereinbare Nutzung zu besetzen und damit im Ergebnis den Zustand herbeizuführen, für dessen Vermeidung der primäre Nutzer des Parkplatzes durch die sonntägliche Schließung des Kaufhauses zu sorgen hat.

c) Die angefochtene Untersagungsverfügung ist auch nicht wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht – nicht festgestellt, ob, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, das hierfür maßgebliche Landesrecht die Durchsetzung des Verbots aus § 4 Abs. 1 NFeiertagsG dein Ermessen der zuständigen Behörde überantwortet. Diese Frage bedarf hier keiner Klärung. Auch wenn man unterstellt, daß die Beklagte eine solche Ermessensentscheidung zu treffen hatte, war die streitige Untersagungsverfügung rechtmäßig, weil die Beklagte die ihr durch § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG gezogenen gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens verletzt hätte, wenn sie von der Untersagung abgesehen hätte (§ 114 ≪1. Alt.≫ VwGO).

Die Behörde kann von der Durchsetzung eines gesetzlichen Verbots in Wahrnehmung eines ihr eingeräumten Ermessens nicht aus Gründen absehen, die nach der gesetzlichen Regelung Verbotsgründe und daher als Gründe für die Zulassung oder Duldung der verbotenen Handlung kraft Gesetzes ausgeschlossen sind. Sie kann eine verbotene Handlung aufgrund eines ihr eingeräumten Ermessens nur aus Gründen hinnehmen, die keine Verbotsgründe sind, diesen vielmehr als sachgerechte Gründe für die Zulassung oder Duldung der verbotenen Handlung entgegengesetzt werden können. Solche Gründe liegen hier nicht vor. Die Gründe, deren Berücksichtigung das Verwaltungsgericht vermißt, sind durch den Verbotstatbesband des § 4 Abs. 1 (2. Alt.) NFeiertagsG als Zulassungs- oder Duldungsgründe ausgeschlossen. Da diese Verbotsnorm nicht erst konkrete Störungen der Sonntagsruhe, sondern alle Handlungen verbietet, die mit der Zweckbestimmung des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unvereinbar sind, läßt sich eine Duldung des verbotenen Zustandes weder auf die örtlichen Verhältnisse am Veranstaltungsort noch darauf stützen, daß der Automarkt bislang nicht zu Beschwerden der potentiell beeinträchtigten Bürger geführt habe, und war die Untersagung der Veranstaltung der Klägerin zur Durchsetzung des gesetzlichen Verbots auch erforderlich.

Auch im übrigen sind Gründe, die den gesetzlichen Verbotsgründen als sachgerechte Gründe für die Zulassung oder Duldung der Veranstaltung der Klägerin hätten entgegengesetzt werden können, nicht ersichtlich. Bei dem privaten Automarkt der Klägerin handelte es sich um eine öffentlich bemerkbare, mit der Zweckbestimmung des Sonntags unvereinbare und auf Dauer angelegte Veranstaltung, die als solche weder kurzfristig auslaufen sollte, noch gemäß § 14 NFeiertagsG als eine Ausnahme aus besonderem Anlaß im Einzelfall zugelassen und deshalb auch nicht vorläufig geduldet werden konnte.

3. Den hilfsweise gestellten Antrag, die Beklagte zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 14 NFeiertagsG zu verpflichten, hat die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Das Verfahren war insoweit einzustellen (§ 92 Abs. 2 VwGO). Die vorinstanzlichen Urteile werden durch die Rücknahme des Hilfsantrages nicht berührt, da sie über diesen nicht entschieden haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Heinrich, Prof. Dr. Barbey, Meyer, Dr. Diefenbach, Dr. Kemper

 

Fundstellen

Haufe-Index 1211519

BVerwGE, 118

MDR 1990, 14

DVBl. 1988, 584

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