Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsruhe. gesetzgeberisches Ermessen (Sonn- und Feiertagsschutz). Sonntag als verfassungsgesetzlich geschützte Institution. Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Schutzbereich des Sonn- und Feiertagsschutzes. Sonn- und Feiertagsschutz und Grundrechtseinschränkung. Sonn- und Feiertagsschutz und Berufsfreiheit. Verbot von mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage unvereinbaren Betätigungen. Sonn- und Feiertagsschutz und sozial nicht relevantes Verhalten
Leitsatz (amtlich)
1.) Durch die Art. 140 GG, 139 WRV wird die Institution des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage als ein Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung geschützt. Der gesetzliche Schutz der Sonn- und Feiertage kann auch das Verbot von Tätigkeiten umfassen, die mit der verfassungsgesetzlich festgelegten Zweckbestimmung dieser Tage nicht vereinbar sind (wie Urteil vom 15. März 1988 – BVerwG 1 C 25.84 –).
2.) Der Sonn- und Feiertagsschutz rechtfertigt nicht das gesetzliche Verbot von Arbeiten oder Handlungen, die sich in dem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen individuellen Lebensbereich des einzelnen vollziehen und schon deswegen nicht dem Schutzbereich der Art. 140 GG, 139 WRV unterfallen.
3.) Die gewerbliche Vermietung von Video-Kassetten in den zu diesem Zweck dem Publikumsverkehr geöffneten Geschäftsräumen ist ein öffentlich bemerkbares Verhalten, das als solchesr von dem Schutzbereich der Art. 140 GG, 139 WRV erfaßt wird.
4.) Die Vermietung von Video-Kassetten ist eine gewerbliche Tätigkeit, die an Sonn- und Feiertagen unterbleiben kann, ohne daß deswegen ein an diesen Tagen bestehender Bedarf an der Vorführung gemieteter Video-Filme nicht oder nur unter unzumutbaren Erschwernissen befriedigt werden könnte; sie ist daher mit der verfassungsgesetzlichen Zweckbestimmung dieser Tage nicht vereinbar.
Normenkette
GG Art. 140; WRV Art. 139; GG Art. 5 Abs. 3, Art. 12, 14; SchlHFeiertagsG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.02.1986; Aktenzeichen 12 OVG A 170/85) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 26.06.1985; Aktenzeichen 12 A 92/85) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 27. Februar 1986 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin betreibt in Itzehoe eine Videothek, in der sie auch bespielte Videokassetten vermietet. Seit November 1982 fand die Vermietung auch an Sonn- und Feiertagen zwischen 14.00 und 22.00 Uhr statt und blieb zunächst unbeanstandet.
Mit Bescheid vom 28. März 1984 untersagte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Sonn- und Feiertagsgesetzes, den Video-Markt an Sonn- und Feiertagen geöffnet zu halten und Video-Filme zu vermieten.
Die gegen diesen Bescheid nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet:
Gesetzliche Grundlage des ausgesprochenen Verbots sei § 5 Abs. 1 des Schleswig-holsteinischen Gesetzes über Sonn- und Feiertage in der Fassung vom 30. Juni 1969 (GVOBl. S. 112, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 1981 – GVO. S. 239) – SchlHFeiertagsG –. Diese Vorschrift verbiete an Sonn- und Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten oder Handlungen, die geeignet seien, die äußere Ruhe zu beeinträchtigen oder die dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprächen. Die Verbotsvoraussetzungen dieser Vorschrift seien im vorliegenden Fall erfüllt:
Der Betrieb einer Videothek in einem – wie hier – nicht einsehbaren Ladengeschäft sei öffentlich bemerkbare Arbeit oder Handlung im Sinne des Gesetzes, weil aus den äußeren Umständen ohne weiteres erkennbar sei, daß Arbeiten oder Handlungen durchgeführt würden.
Der Betrieb der Videothek verstoße gegen das Wesen der Sonn- und Feiertage. Der Sonn- und Feiertagsschutz sei zwar im wesentlichen aus zwei Komponenten – der sozialpolitischen Forderung nach einem arbeitsfreien Tag in der Woche und der kirchenpolitischen Forderung nach dem Schutz des sonntäglichen Kirchenbesuchs – hervorgegangen, die im vorliegenden Fall ohne Bedeutung seien. Die gesetzliche Regelung wolle den Sonn- und Feiertagsschutz jedoch nicht nur in den angeführten beiden Beziehungen, sondern umfassend ausgestalten. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe ziele dahin, Sonn- und Feiertage von normaler Werktagsarbeit freizuhalten. Der Sonntag und der Feiertag müßten etwas Besonderes sein, nämlich Nicht-Werktage, wobei allerdings der einzelne an diesen Tagen nicht zu sehr in seiner freien Lebensgestaltung gehindert werden dürfe. Nur dann könne sich der einzelne von der Werktagsarbeit distanzieren und aus dem Rhythmus eines sich ständig wiederholenden Tagesablaufs heraustreten. Dadurch werde wirkliche Erholung möglich und der Sonntag erfülle seinen beabsichtigten Zweck. Dem stehe die Vermietung von Videokassetten an Sonn- und Feiertagen entgegen.
Diese Betrachtungsweise schränke die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit möglicher Kunden des Videomarktes, jederzeit Videokassetten mieten zu können, nicht unzulässig ein. Der Klägerin sei zuzugeben, daß die Benutzung eines Videorekorders mit den dazugehörenden Videokassetten Teil des heutigen Freizeitverhaltens einer Vielzahl von Menschen geworden sei, wozu auch der Kauf oder die Miete bespielter Videokassetten gehöre. Indessen könnten Kunden sich auch an Wochentagen vorausschauend für Sonn- und Feiertage mit einer ausreichenden Zahl von Videokassetten versorgen.
Auch im übrigen schränke das Verbot Grundrechte – insbesondere die Berufsfreiheit der Klägerin – nicht unzulässig ein.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die Öffnung von Videotheken an Sonn- und Feiertagen sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit der verfassungsgesetzlich festgelegten und geschützten Zweckbestimmung dieser Tage vereinbar. Die Entstehungsgeschichte des Sonn- und Feiertagsschutzes zeige, daß dessen Motive im sozialpolitischen Bereich (Arbeitsruhe), im ethischen Bereich (seelische Erhebung) sowie im kirchenpolitischen Bereich lägen. Diese Belange würden durch den Betrieb einer Videothek an Sonn- und Feiertagen nicht berührt.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, der verfassungsrechtlich gewährleistete Sonn- und Feiertagsschutz solle die Sonn- und Feiertage von normaler Werktagsarbeit freihalten, sei nicht zu folgen. Gegen diese Auffassung spreche bereits die historische Interpretation des Art. 139 WRV. Bei Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung sei es durchaus noch üblich gewesen, daß Einzelhandelsgeschäfte auch an Sonntagen geöffnet gehabt hätten. Das Gebot der Sonntagsruhe besage lediglich, daß an diesen Tagen eine im öffentlichen Leben spürbare Unterbrechung des werktäglichen Arbeitsprozesses eintreten solle; dies bedeute jedoch nicht, daß schlechthin jede Erwerbstätigkeit zu unterbleiben habe. Es sollten die das Bild der Arbeitswelt prägenden Tätigkeiten in Landwirtschaft und Gewerbe einschließlich der Bereiche der Dienstleistungen und des Handels unterbleiben: das Offenhalten eines ohne großen Personalaufwand zu betreibenden Ladengeschäfts durchschnittlichen Umfangs könne jedoch nicht als Teil des werktäglichen Arbeitsprozesses angesehen werden (Hinweis auf OLG Celle, GewArch 1984, 397).
Vor allem könne das Argument nicht durchgreifen, daß Videokassetten auf Vorrat gemietet werden könnten und deshalb der Video-Filmverleih bloße Werktagsarbeit sei. Entscheidend sei vielmehr, daß Freizeitgestaltung der beschriebenen Art das Anbieten der entsprechenden Dienstleistungen notwendig voraussetze, so daß zwischen dem Ansehen und dem Vermieten der Videokassetten nicht differenziert werden könne. Es sei widersprüchlich, wenn einerseits zutreffend angenommen werde, daß das Abspielen von Videokassetten an Sonn- und Feiertagen typische Freizeitgestaltung sei, andererseits aber die Vermietung von Videokassetten als werktägliche Arbeit gewertet werde. Entscheidend sei vielmehr darauf abzustellen, daß diese Tätigkeiten von der Bevölkerung als für die Gestaltung des Sonntags typische Tätigkeiten akzeptiert würden und infolgedessen die Sonn- und Feiertagsruhe nicht störten. Insoweit unterscheide sich die beanstandete Tätigkeit nicht von zahllosen anderen gewerblichen Tätigkeiten. Die angefochtene Untersagungsverfügung verletze daher die Grundrechte der Klägerin aus den Art. 5, 12, 14 Abs. 1 und aus Art. 3 des Grundgesetzes.
Im übrigen genüge § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG auch nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Dies gelte vor allem für die zweite Alternative dieser Vorschrift, durch die Arbeiten oder Handlungen verboten seien, „die dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprechen”. Was nämlich das Wesen der Sonn- und Feiertage ausmache, sei nicht eindeutig definiert, sondern allenfalls den Gesetzesmotiven aus Art. 139 WRV zu entnehmen. Dort werde jedoch lediglich auf die sozialpolitische und kirchenpolitische Komponente abgestellt. Diese würden durch die untersagte Tätigkeit indessen nicht berührt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 27. Februar 1986, den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 26. Juni 1985 sowie die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 28. März 1984 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrats des Kreises Steinburg vom 18. März 1985 aufzuheben.
Die Beklagte läßt sich im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt nicht Bundesrecht.
1. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ist die angefochtene Verfügung durch § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG gedeckt. Die Vorschrift verbietet an Sonn- und Feiertagen „öffentlich bemerkbare Arbeiten oder Handlungen, die geeignet sind, die äußere Ruhe zu beeinträchtigen oder die dem Wesen der Sonn- und Feiertage widersprechen.”
Das Berufungsgericht hat als öffentlich bemerkbare Arbeit oder Handlung im Sinne der genannten Vorschrift auch Tätigkeiten angesehen, die in geschlossenen Räumen vorgenommen werden und unmittelbar nicht wahrgenommen werden können, sofern nur aus den äußeren Umständen – hier: aus dem Zu- und Abgangsverkehr der Kunden der Klägerin – ohne weiteres erkennbar sei, daß Arbeiten oder Handlungen vorgenommen würden. Es hat ferner angenommen, daß der Betrieb einer Videothek dem Wesen der Sonn- und Feiertage widerspricht: Diese Tage seien von normaler Werktagsarbeit freizuhalten, wobei allerdings der einzelne nicht zu sehr in seiner freien Lebensgestaltung gehindert werden dürfe.
An diese Auslegung des Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO). Zu prüfen ist lediglich, ob die irrevisiblen Rechtsvorschriften in der Auslegung und Anwendung des Berufungsgerichts Bundesrecht verletzen. Das ist nicht der Fall.
2. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 7. September 1981 – BVerwG 1 C 43.78 –, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 29 = NJW 1982, 899 = GewArch 1982, 20, und vom 15. März 1988 – BVerwG 1 C 25.84 –) bemißt sich das Verhältnis zwischen den Art. 140 GG, 139 WRV und den Sonn- und Feiertagsgesetzen der Länder nach folgenden Grundsätzen:
Art. 139 WRV, der gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes ist, bestimmt, daß der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt bleiben. Dieser durch das Grundgesetz vorgeschriebene besondere gesetzliche Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage soll diese Tage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung schützen, d.h. gewährleisten, daß die durch die Verfassung festgelegte besondere Zweckbestimmung dieser Tage durch gesetzliche Vorschriften hinreichend gesichert wird. Schutzgut der Art. 140 GG, 139 WRV ist angesichts dieser Zweckbestimmung die Institution des Sonntags und der Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung, die als ein Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung verfassungskräftig gewährleistet und dem Schutz der Gesetze überantwortet ist.
Der Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage ist durch den hierzu jeweils berufenen Gesetzgeber im Rahmen seiner jeweiligen Gesetzgebungskompetenz zu bewirken. Art, Umfang, Intensität und nähere inhaltliche Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes unterliegen dem gesetzgeberischen Ermessen. Dieses findet seine Grenzen darin, daß einerseits der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Institutionen hinreichend geschützt sein müssen und daß andererseits die zum Schutz des Sonntags und der Feiertage getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen.
Der gesetzliche Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage kann auch das gesetzliche Verbot von Tätigkeiten umfassen, die mit der verfassungsgesetzlich festgelegten Zweckbestimmung dieser Tage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung nicht vereinbar sind. Schon diese Unvereinbarkeit rechtfertigt ein gesetzliches Verbot und die damit ggf. verbundenen Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten, ohne daß es dabei darauf ankäme, ob die verbotenen Tätigkeiten generell oder im Einzelfall über diese Unvereinbarkeit hinaus zu einer konkreten Gefährdung oder Störung der Sonntagsruhe führen. Durch ihre verfassungsgesetzliche Zweckbestimmung als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unterscheiden sich der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage von Grund auf von Werktagen; diese Zweckbestimmung kann nur verwirklicht werden, wenn die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es den einzelnen dadurch möglich wird, den Sonntag und die Feiertage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen allein oder in der Gemeinschaft mit anderen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen zu begehen. Diese Zweckbestimmung des Sonntags beschränkt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht auf den Arbeitsschutz und die Abwehr von Störungen der Religionsausübung. Sie rechtfertigt es, Tätigkeiten zu verbieten, die mit dem Charakter der Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Nicht-Werktage unvereinbar sind, und dadurch zu ermöglichen, daß diese Tage im sozialen Zusammenleben ihrer Zweckbestimmung entsprechend begangen werden können.
3. Das Berufungsurteil steht im Einklang mit den Art. 140 GG, 139 WRV, verletzt nicht die Art. 5, 12, 14 und 3 GG und verstößt auch nicht gegen sonstige bundesrechtliche Vorschriften.
a) Das Berufungsurteil verletzt nicht deshalb Bundesrecht, weil es die Verbotsnorm des § 5 Abs. 1 (2. Alt.) SchlHFeiertagsG als eine inhaltlich hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage der angegriffenen Untersagungsverfügung angesehen hat: entgegen der Auffassung der Revision ist hinreichend bestimmt, was das Wesen der Sonn- und Feiertage im Sinne dieser Verbotsbestimmung ausmacht. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß nach den Art. 140 GG, 139 WRV die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt bleiben und deshalb das „Wesen der Sonn- und Feiertage” im Sinne der Verbotsvorschrift des § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG durch diese Verfassungsbestimmungen bindend festgelegt ist. Hieraus folgt ohne weiteres, daß nach der Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 5 Abs. 1 (2. Alt.) SchlHFeiertagsG an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten oder Handlungen verboten sind, die dem Wesen der Sonn- und Feiertage als Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung widersprechen. Das Berufungsgericht hat dies für den hier in Rede stehenden Bereich gewerblicher Betätigung in Anlehnung an § 4 Abs. 1 SchlHFeiertagsG, wonach die Sonntage und die gesetzlichen Feiertage Tage allgemeiner Arbeitsruhe sind, dahin konkretisiert, daß der Sonntag und die Feiertage als Nicht-Werktage von normaler Werktagsarbeit freizuhalten seien, wobei der einzelne an diesen Tagen nicht zu sehr – also nicht übermäßig – in seiner freien Lebensgestaltung gehindert werden dürfe.
b) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Betrieb einer Videothek sei ungeachtet des Umstandes, daß die Vermietung in geschlossenen Räumen stattfinde, schon wegen des Zu- und Abgangsverkehrs der Kunden eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne von § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG und unterfalle deshalb dem sachlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift, steht in Einklang mit den Art. 140 GG. 139 WRV.
Soweit der Sonn- und Feiertagsschutz durch gesetzliche Tätigkeitsverbote bewirkt wird, ist er darauf beschränkt, das soziale Zusammenleben von werktäglichen Elementen möglichst freizuhalten. Er rechtfertigt insbesondere nicht das Verbot von Arbeiten oder Handlungen, die sich in dem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen individuellen Lebensbereich des einzelnen vollziehen und schon deswegen nicht dem Schutzbereich der Art. 140 GG, 139 WRV unterfallen. Dieser Rechtslage entspricht es, daß § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG den sachlichen Anwendungsbereich der in ihm normierten allgemeinen Verbote auf „öffentlich bemerkbare Arbeiten oder Handlungen” eingrenzt.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Arbeit oder Handlung sei auch dann öffentlich bemerkbar im Sinne des § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG, wenn sie zwar in einem geschlossenen Raum stattfinde, ihre. Vornahme aber aus den äußeren Umständen ohne weiteres erkennbar sei, ist durch Art. 140 GG, 139 WRV gerechtfertigt; denn auch in diesen Fällen vollzieht sich die Arbeit oder Handlung nicht in dem der Öffentlichkeit unzugänglichen individuellen Lebensbereich des einzelnen, sondern ist Teil des dem gesetzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage unterliegenden sozialen Zusammenlebens. Daß schließlich die gewerbliche Vermietung von Videokassetten in den zu diesem Zweck dem Publikumsverkehr geöffneten Geschäftsräumen ein öffentlich bemerkbares Verhalten darstellt, das als solches von dem Schutzbereich der Art. 140 GG, 139 WRV erfaßt wird, bedarf keiner weiteren Erörterung (vgl. Beschlüsse vom 29. April 1986 – BVerwG 1 B 83.85 – und vom 11. September 1986 – BVerwG 1 B 147.86 –).
c) Auch die – mit der einhelligen Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder übereinstimmende (vgl. die Nachweise bei OVG Hamburg, GewArch. 1987, 102 ≪103≫) – weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Betrieb einer Videothek widerspreche dem Wesen der Sonn- und Feiertage, steht mit den Art. 140 GG, 139 WRV in Einklang und verletzt auch im übrigen Bundesrecht nicht.
Der Schutz der Sonn- und Feiertage soll das öffentliche Leben soweit möglich seiner werktäglichen Elemente entkleiden und dadurch die Begehung der Sonn- und Feiertage als Nicht-Werktage ermöglichen. Er erfüllt diesen Zweck nur, wenn an den geschützten Tagen die werktägliche Geschäftigkeit ruht, sofern sie nicht gerade zur Befriedigung sonntäglicher (nicht-werktäglicher) Bedürfnisse erforderlich oder in Wahrnehmung gesetzgeberischer Regelungsmacht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes in verfassungsmäßiger Weise – insbesondere im Einklang mit Art. 139 WRV – besonders zugelassen ist. Sofern die Vornahme einer werktäglichen Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen nicht aus einem dieser Gründe gerechtfertigt ist, ist sie mit der Zweckbestimmung dieser Tage unvereinbar und widerspricht deshalb dem Wesen dieser Tage. So liegt es hier.
Daß eine gewerbliche Tätigkeit eine nach ihrem Charakter werktägliche Tätigkeit ist und ihre Vornahme an Sonn- und Feiertagen deshalb dem Wesen dieser Tage als Tagen der Arbeitsruhe widerspricht, wenn sie zur Deckung eines an diesen Tagen hervortretenden einschlägigen Bedarfs nicht erforderlich ist, liegt auf der Hand. Der gewerbliche Betrieb einer Videothek ist eine werktägliche Tätigkeit und gehört nicht zu den Tätigkeiten, ohne deren Vornahme an Sonn- und Feiertagen ein an diesen Tagen bestehender Bedarf nicht oder nur unter unzumutbaren Erschwernissen befriedigt werden könnte.
Es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, der die Annahme rechtfertigen könnte, der Betrieb einer Videothek sei mit der Zweckbestimmung der Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage vereinbar. Die gewerbliche Vermietung von Videokassetten an Sonn- oder Feiertagen ist nicht durch die Eigenart der angebotenen Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt. Videokassetten können werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Die Vermietung von Video-Filmen zur Mitnahme nach Hause dient auch nicht der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumsbedarfs an Ort und Stelle. Dadurch unterscheidet sie sich z.B. von den Darbietungen eines Kinos, das zur Befriedigung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Bedürfnisses an einer Filmvorführung geöffnet sein muß. Hieran ändert nichts, daß nach § 5 Abs. 1 SchlHFeiertagsG in der Auslegung des Berufungsgerichts derjenige, der an Sonn- und Feiertagen eine gemietete Videokassette verwenden will, seinen Bedarf an einem der vorangehenden Werktage decken oder von der Vorführung von Video-Filmen an dem folgenden Sonntag oder Feiertag absehen muß. Diese Folgen sind die von der Verfassung gewollten Folgen für alle diejenigen Fälle, in denen eine gewerbliche Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen unterbleiben kann, ohne daß deswegen ein an diesen Tagen bestehender Bedarf nicht oder nur unter unzumutbaren Erschwernissen befriedigt werden könnte. Die Annahme der Revision, der gesetzliche Schutz der Sonn- und Feiertage müsse allein schon deswegen zurückstehen, weil die Kunden ihren an Sonn- oder Feiertagen bestehenden Bedarf an Video-Filmen zwar an Werktagen decken könnten, ihn aber nicht an diesen Tagen, sondern aufgrund eines spontanen Entschlusses an Sonn- oder Feiertagen decken wollten, ist mit Art. 140 GG, 139 WRV nicht vereinbar. Diese Vorschriften machen die Rechtmäßigkeit der zum Schutz der Sonntagsruhe getroffenen gesetzlichen Regelungen gerade nicht davon abhängig, daß spontane Wünsche auf der Stelle befriedigt werden können, und muten dem betroffenen Publikum die mit dem gesetzlichen Schutz der Sonntage und Feiertage eintretenden Beschränkungen als verfassungsmäßige Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten zu.
Es trifft deshalb auch nicht zu, daß das Gebot der Arbeitsruhe nur die das Bild der Arbeitswelt prägenden Tätigkeiten in Landwirtschaft und Gewerbe einschließlich der Dienstleistungen und des Handels umfasse und daß hierzu das Offenhalten eines ohne großen Personalaufwand zu betreibenden Ladengeschäfts durchschnittlichen Umfangs nicht gehöre. Diese Auffassung verkennt, daß nicht der Tätigkeitsbereich und auch nicht die Größe eines Betriebes für die Reichweite des verfassungsgesetzlich gebotenen Sonn- und Feiertagsschutzes maßgeblich sind, sondern daß es hierfür allein darauf ankommt, ob die Art und die konkrete Ausgestaltung des Betriebes mit der verfassungsgesetzlich geschützten Zweckbestimmung der Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage vereinbar ist.
Durch die Einbeziehung von Videotheken in das allgemeine gesetzliche Verbot des § 5 Abs. 1 (2. Alt.) SchlHFeiertagsG werden schließlich auch Grundrechte der Klägerin nicht verletzt. Der durch die Art. 140 GG, 139 WRV verfassungsgesetzlich gewährleistete Schutz des Sonntags begrenzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Maß der Eigentumsnutzung und der beruflichen Betätigung (Art. 12. 14 GG) auf das mit der Zweckbestimmung des Sonntags noch vereinbare Maß. Ob die Klägerin, wie sie geltend macht, für die Vermietung von Videokassetten das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen kann, bedarf keiner Entscheidung. Aus Art. 5 Abs. 3 GG läßt sich jedenfalls nicht ableiten, daß Erzeugnisse der Kunst ohne Rücksicht auf Art. 139 WRV auch an Sonn- und Feiertagen in Ladengeschäften zur Vermietung angeboten werden dürfen.
Daß die Klägerin unter Umständen die Form ihres Angebots der Schließung ihres Betriebes an Sonn- und Feiertagen anpassen muß, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des gesetzlichen Betätigungsverbots unerheblich. Diese Folgen werden der Klägerin wie allen Gewerbetreibenden, die sich in gleicher Lage befinden, als rechtmäßige Folgen des verfassungsmäßigen Sonn- und Feiertagsschutzes zugemutet.
Unbehelflieh ist schließlich auch die Verweisung der Revision darauf, daß andere Betriebe wie Kinos, Tankstellen, Blumenläden, gewerbliche Fahrzeugvermietung, private Automärkte, Messen, Möbelhäuser (für Besichtigungen), Gaststätten, Discotheken, Sportveranstaltungen, Museen, Bibliotheken usw. an Sonn- und Feiertagen geöffnet hätten. Die Vereinbarkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 (2. Alt.) SchlHFeiertagsG mit Bundesrecht hängt nicht davon ab, ob die von der Klägerin vergleichsweise herangezogenen Betriebe und Veranstaltungen anders als Videotheken beurteilt werden dürfen – wie dies z.B. für Kinos der Fall ist – oder ebenso wie diese an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen geschlossen zu halten sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Heinrich, Prof. Dr. Barbey, Dr. Diefenbach, Gielen, Dr. Kemper
Fundstellen
Haufe-Index 1211528 |
BVerwGE, 236 |
JZ 1989, 489 |
DVBl. 1988, 744 |