Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 06.09.1995; Aktenzeichen 1 K 320/94) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 6. September 1995 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Kläger, Mitglieder einer Erbengemeinschaft, beanspruchen die Rückübertragung eines ehemaligen Bodenreformgrundstücks nach dem Vermögensgesetz (VermG). Der 1979 verstorbene Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 4 wurde 1957 als Eigentümer des Bodenreformlands eingetragen. Im Jahre 1966 wurde das Grundstück in Volkseigentum, Rechtsträger Rat der Gemeinde A., überführt. Im Rechtsträgernachweis ist dazu vermerkt: „Entzug, wird schon jahrelang nicht mehr bewirtschaftet.” Im Jahre 1983 stellte die Klägerin zu 3 beim Rat des Kreises W. den Antrag, ihr das Grundstück im Wege des Besitzwechsels zu übertragen. Der Antrag wurde vom Rat der Gemeinde sowie von der LPG (T) „Ernst Thälmann” und der LPG (P) „W. I. Lenin” befürwortet, vom Rat des Kreises aber unter Hinweis auf das im Grundbuch eingetragene Volkseigentum abgelehnt. Darauf schloß der Rat der Gemeinde als Verpächter mit der Klägerin zu 3 einen Nutzungsvertrag über das Grundstück. Danach war die Klägerin zu 3 unter Ausschluß des Rechts zur Weiterverpachtung verpflichtet, das Grundstück gegen eine jährliche Nutzungsgebühr von 1,80 M selbst zu bewirtschaften.
Im Oktober 1990 beantragte die Klägerin zu 3 beim Landratsamt W. die Rückübertragung des Grundstücks. Das Landratsamt lehnte den Antrag durch Bescheid vom 26. November 1992 mit der Begründung ab, der Entzug von Bodenreformeigentum wegen mangelhafter Bewirtschaftung sei kein Schädigungstatbestand. Nach erfolglosem Widerspruch haben die Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Das Grundstück sei ununterbrochen als Gartenland bewirtschaftet worden, zunächst vom Erblasser bis zu seinem Tod, danach von der Klägerin zu 3. Die im Rechtsträgernachweis vermerkte Überführung, des Grundstücks in Volkseigentum sei erst bekannt geworden, als die Klägerin zu 3 im Jahre 1983 den Besitzwechsel beantragt habe. Die Enteignung könne nur auf einem Irrtum oder auf unlauteren Machenschaften beruhen und müsse daher rückgängig gemacht werden. Die Klägerin zu 3 habe sämtliche Voraussetzungen für eine Übertragung des Bodenreformgrundstücks an sie als Erbin erfüllt. Den Nutzungsvertrag habe man abgeschlossen, weil nach Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch die Rückführung in Privateigentum nicht mehr möglich gewesen und das Nutzungsrecht dem Eigentum seinerzeit gleichgekommen sei.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 6. September 1995 der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, den Klägern in ungeteilter Erbengemeinschaft das Eigentum an dem Grundstück zurückzuübertragen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Dem Erblasser sei das Bodenreformeigentum im Jahre 1966 aufgrund unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) entzogen worden. Der im Rechtsträgernachweis angegebene Entziehungsgrund einer mangelhaften Bewirtschaftung des Grundstücks sei nur vorgeschoben gewesen. Das frühere Bodenreformeigentum könne zwar nicht wiederhergestellt werden, doch sei den Klägern das Eigentum zurückzuübertragen, weil dieses dem früheren Recht am ehesten entspreche (§ 3 Abs. 1 a Satz 4 VermG analog).
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor: Die vom Verwaltungsgericht festgestellte Schädigungsmaßnahme habe den Inhaber des Bodenreformeigentums betroffen. Als Rechtsnachfolger seien die Kläger nicht Berechtigte, weil Bodenreformgrundstücke entsprechend ihrer rechtlichen Eigenart mit dem Tod des Eigentümers in den Bodenfonds zurückgefallen seien. Da Bodenreformeigentum nur mit staatlicher Genehmigung auf einen Erben habe übergehen können, habe dieser mit Eintritt des Erbfalls lediglich eine Chance auf Übertragung des Bodenreformeigentums gehabt. Vermögensrechtliche Ansprüche wegen schädigender Maßnahmen, die Bodenreformeigentum betroffen hätten, könne deshalb allein der Bodenreformeigentümer geltend machen. Die Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform ordneten unter bestimmten Voraussetzungen das Bodenreformeigentum kraft Gesetzes dem Inhaber der formellen Rechtsposition zu. Daraus lasse sich schließen, daß weitere Fälle hiervon nicht erfaßt werden sollten.
Die Kläger leiten ihre Stellung als Berechtigte daraus ab, daß das Bodenreformeigentum ein Vermögenswert sei (§ 2 Abs. 2 VermG). Sie müßten mit Berechtigten in den Fällen, in denen private Personen am 15. März 1990 als Eigentümer eines Bodenreformgrundstücks im Grundbuch eingetragen gewesen seien (Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB), gleichgestellt werden. Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Die Kläger sind nicht berechtigt, die Rückübertragung des ehemaligen Bodenreformgrundstücks zu verlangen. Sie machen einen Vermögensverlust geltend, von dem nicht sie selbst, sondern der 1979 verstorbene Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 4 betroffen war. Sie können daher nur als dessen Rechtsnachfolger restitutionsberechtigt sein. Eine solche vom Recht des Inhabers des Bodenreformgrundstücks abgeleitete Berechtigung steht ihnen jedoch nicht zu; denn sie sind hinsichtlich des Bodenreformgrundstücks keine Rechtsnachfolger des früheren Inhabers im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VermG. Wie der Senat bereits in seinem den Verfahrensbeteiligten bekannten Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 43.95 – entschieden hat, ist im Fall des Entzugs eines Bodenreformgrundstücks der Erbe des geschädigten Neubauern nicht dessen Rechtsnachfolger und damit nicht Berechtigter. Der Senat hat in jenem einen gleichartigen Sachverhalt betreffenden Urteil ausgeführt:
„Im Gegensatz zu einem sonstigen Erben trat der Erbe eines Neubauern nicht als dessen Rechtsnachfolger in das Eigentum an den zu der Bodenreformwirtschaft gehörenden Grundstücken ein. Zwar konnte er das Bodenreformland unter bestimmten Voraussetzungen als neuer Eigentümer erwerben. Jedoch vollzog sich der Eigentumserwerb nicht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Erbrechts. Diese Bestimmungen wurden vielmehr durch die Bestimmungen der Besitzwechselverordnungen überlagert, so daß das Bodenreformland nicht in den allgemeinen Nachlaß fiel (vgl. BVerfG, VIZ 1996, 81). Grund hierfür war der Charakter des Bodenreformeigentums als „Arbeitseigentum” (vgl. BVerwGE 95, 170). Dementsprechend mußte der Erbe und Erwerber des Bodenreformlands bestimmten persönlichen Eignungsanforderungen ebenso wie der ursprüngliche Eigentümer genügen. Nach der Besitzwechselverordnung 1975 konnte der Erbe nur dann in die mit dem Bodenreformgrundstück verbundenen Rechte und Pflichten eintreten, wenn er Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft oder Arbeiter der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft und darüber hinaus in der Lage war, das Grundstück zweckentsprechend zu nutzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Besitzwechselverordnung 1975). Mehrere Erben hatten sich innerhalb der vom Rat des Kreises festgelegten Frist darüber zu einigen, welchem Erben das Bodenreformgrundstück „übertragen” werden sollte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Besitzwechselverordnung 1975). Waren die Voraussetzungen für die Übertragung nicht gegeben, so war das Bodenreformgrundstück in den staatlichen Bodenfonds zurückzuführen (§ 4 Abs. 3 Besitzwechselverordnung 1975). Demnach setzte der Eigentumserwerb des Erben die (erneute) staatliche Übertragung des Bodenreformgrundstücks an ihn persönlich voraus, was in der Zweiten Verordnung über die Durchführung des Besitzwechsels bei Bodenreformgrundstücken vom 7. Januar 1988 durch eine entsprechende Änderung des § 4 Abs. 1 ausdrücklich klargestellt wurde. Die Rechtslage nach der bis 1975 geltenden Besitzwechselverordnung 1951 war im wesentlichen dieselbe. Auch unter der Geltung dieser Verordnung bedurfte es eines dem Erbfall nachfolgenden besonderen Hoheitsakts, mit dem der Erbe in das Eigentum am Bodenreformgrundstück eingewiesen wurde (vgl. §§ 1, 13 Besitzwechselverordnung 1951 sowie das Urteil des OG vom 12. März 1953, NJ 1953, 498).
Damit ergibt sich, daß es beim Übergang des Bodenreformgrundstücks an den Erben des ursprünglichen Eigentümers an der in § 2 Abs. 1 VermG vorausgesetzten Kontinuität der privaten Vermögenszuordnung („Rechtsnachfolge”) fehlte, um derentwillen der Gesetzgeber für den Fall eines zuvor eingetretenen rechtsstaatswidrigen Vermögensverlustes die Kontinuität auch der wiedergutzumachenden Unrechtslage angenommen hat. Im Gegensatz zur erbrechtlichen Rechtsnachfolge ging nämlich das Bodenreformgrundstück nicht mit dem Erbfall kraft Gesetzes vom Erblasser auf den Erben über, sondern dieser erwarb das Eigentum an dem Grundstück erst dann, wenn der Staat dem Eigentumserwerb mittels einer ausdrücklichen Entscheidung zu seinen Gunsten, also in rechtsbegründender Weise, zustimmte. Bis zu dieser Entscheidung des Staates hatte der Erbe lediglich die tatsächliche Aussicht oder bestenfalls, insbesondere nach dem Erlaß der Änderungsverordnung vom 7. Januar 1988, einen Rechtsanspruch auf Erwerb des Eigentums am Bodenreformgrundstück, der indes dem Eigentumserwerb durch Erbgang nicht gleichsteht (vgl. BVerwGE 95, 170; Urteil vom 19. März 1996 – BVerwG 7 C 30.95 – VK 1996, 388; BGH, Urteil vom 16. Februar 1996 – V ZR 208/94 – VIZ 1996, 345). Da der Erbe somit das Eigentum am Bodenreformgrundstück nur aufgrund einer konstitutiven, wenngleich an seine zivilrechtliche Erbenstellung anknüpfenden Entscheidung des Staates zu erwerben vermochte, kann er im Falle des Entzugs eines solchen Grundstücks nicht (hypothetischer) Rechtsnachfolger des geschädigten früheren Eigentümers und damit Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sein. Vielmehr steht ihm nach dieser Vorschrift allein unter der Voraussetzung eine Restitutionsberechtigung zu, daß er selbst nach dem Erwerb des Eigentums an dem Bodenreformgrundstück einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt war.”
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie läßt sich uneingeschränkt auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragen, dem in allen entscheidungserheblichen Fragen derselbe Geschehensablauf zugrunde liegt. Auch im Revisionsverfahren sind keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte hervorgetreten. Der Umstand, daß der Rat der Gemeinde mit der Klägerin zu 3 im Jahre 1983 einen entgeltlichen Nutzungsvertrag über das volkseigene Grundstück abgeschlossen hat, ist nicht entscheidungserheblich; denn dieser Vorgang ändert nichts daran, daß auch die Klägerin zu 3 nach dem seit 1951 geltenden Recht der DDR nicht die (mittelbare) Rechtsnachfolge nach ihrem Vater im Eigentum an dem Bodenreformgrundstück antreten konnte. Das Vorbringen der Kläger, daß nach dem Recht der DDR das schuldrechtliche Nutzungsrecht in bezug auf ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück dem Eigentum praktisch gleichgekommen sei, rechtfertigt eine abweichende Beurteilung schon deswegen nicht, weil die von der Klägerin zu 3 mit dem Nutzungsvertrag erlangte schuldrechtliche Rechtsposition allenfalls die vorangegangene Schädigung faktisch auszugleichen vermochte, aber nicht geeignet war, die für eine Rechtsnachfolge vorausgesetzte rechtliche Kontinuität in bezug auf den geschädigten Inhaber des Bodenreformeigentums herzustellen. Die sachenrechtlichen Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über die Abwicklung der Bodenreform (Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB) geben für die Rechtsansicht der Kläger nichts her, weil sie an die durch das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 (GBl DDR I S. 134) entstandene Rechtslage anknüpfen und damit voraussetzen, daß am maßgeblichen Stichtag eine natürliche Person als Eigentümer des Bodenreformgrundstücks im Grundbuch eingetragen war (vgl. Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB), woran es im Fall der Kläger gerade fehlt. Diese Regelung der sogenannten „hängenden Bodenreformgrundstücke” auf Fälle zu erstrecken, in denen bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 6. März 1990 kein Bodenreformeigentum mehr bestand und keine natürliche Person als Eigentümer eines Bodenreformgrundstücks im Grundbuch eingetragen war, hatte der Gesetzgeber weder Grund noch Anlaß, da derart abgeschlossene Tatbestände keiner sachenrechtlichen Abwicklung bedurften und die Wiedergutmachung von Vermögensschäden im Vermögensgesetz geregelt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert, Dr. Brunn Beschluß
Fundstellen