Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenreformwirtschaft. Übergang auf den Erben des Neubauern. Rechtsnachfolge. Restitutionsberechtigung des Erben
Leitsatz (amtlich)
Im Falle des Entzugs eines Bodenreformgrundstücks ist der Erbe des geschädigten Neubauern nicht dessen Rechtsnachfolger und Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VermG.
Normenkette
VermG § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 11.04.1995; Aktenzeichen 3 K 181/94) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. April 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger, Mitglieder einer Erbengemeinschaft, begehren die Rückübertragung mehrerer Grundstücke nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG).
Der Vater der Kläger zu 1 bis 3, Herr Kurt W., war Inhaber einer Bodenreformwirtschaft. Im Jahre 1955 wurde das zu dieser Wirtschaft gehörende, im Grundbuch von Z. eingetragene Grundstück Flur 7, Flurstück 27 (Gartenland) in Eigentum des Volkes überführt. Nach dem Tod von Herrn Kurt W. im Jahre 1964 wurden die Bodenreformgrundstücke mit staatlicher Zustimmung von der Ehefrau des Verstorbenen und Mutter der Kläger zu 1 bis 4, Frau Elisabeth W., übernommen. Vor ihrer Eintragung im Grundbuch im Jahre 1967 wurden zwei weitere zu der Bodenreformwirtschaft gehörende Grundstücke, nämlich das Grundstück Flur 5, Flurstück 190 (Wald) und das Grundstück Flur 7, Flurstück 14/2 (Teil der Hofstelle), in Volkseigentum überführt. Frau Elisabeth W. verstarb im Jahre 1985 und wurde von den Klägern zu 1 bis 4 beerbt.
Mit Schreiben vom 19. August 1991 beantragte der Kläger zu 1 beim Landratsamt E., die in Volkseigentum überführten Grundstücke an die Erben nach Frau Elisabeth W. zurückzuübertragen. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 24. September 1992 ab, weil kein Schädigungstatbestand im Sinne von § 1 VermG erfüllt sei.
Mit der vom Kläger zu 1 nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage haben die Kläger den abgelehnten Restitutionsantrag weiterverfolgt und zur Begründung vorgetragen: Alle drei zurückverlangten Grundstücke seien entschädigungslos und zudem machtmißbräuchlich enteignet worden. Das Grundstück Flur 7, Flurstück 27 habe ihr Vater bzw. Stiefvater an die Gemeinde Z. zwecks Anlegung eines Spielplatzes abgeben müssen, nachdem ihm im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 17. Juni 1953 mit strafrechtlicher Verfolgung und persönlichen Konsequenzen gedroht worden sei. Das Grundstück Flur 5, Flurstück 190 sei für geheime militärische Zwecke in Anspruch genommen und nach seiner Abholzung an einen anderen Nichtberechtigten weitergegeben worden. Das Grundstück Flur 7, Flurstück 14/2 sei aus der Teilung des früheren Flurstücks 14 hervorgegangen. Diese zugunsten der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe vorgenommene Grundstücksteilung sei ebenso wie die rückwirkende Einsetzung des begünstigten Rechtsträgers nach damaligem Recht unzulässig gewesen; hierüber habe man ihre Mutter vorsätzlich getäuscht.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei zulässig. Das gelte auch für die Klage der Kläger zu 2 bis 4, weil die vom Kläger zu 1 rechtzeitig erhobene Klage, der sich die übrigen Kläger angeschlossen hätten, die Klagefrist für alle Kläger gewahrt habe. In der Sache könne die Klage aber keinen Erfolg haben, weil die zurückverlangten Grundstücke keiner Maßnahme im Sinne von § 1 VermG ausgesetzt gewesen seien, auf die die Kläger sich berufen könnten. Der Tatbestand der entschädigungslosen Enteignung (§ 1 Abs. 1 Buchst. a VermG) sei nicht einschlägig, weil Bodenreformland keinen enteignungsfähigen Vermögenswert darstelle. Das gelte insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Erben. Da Bodenreformeigentum nur mit staatlicher Genehmigung auf einen Erben habe übergehen können, sei diesem mit Eintritt des Erbfalls lediglich eine Chance auf Übertragung des Bodenreformeigentums zugefallen. Ebensowenig sei die Klage unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) begründet. Unmittelbar aus ihrer Erbenstellung könnten die Kläger keine Rechte ableiten, denn es fehle an einem Erbanspruch auf Übertragung des Bodenreformeigentums. Daher seien etwaige zuvor aufgetretene unlautere Machenschaften unerheblich. Soweit die Kläger als Rechtsnachfolger von Herrn Kurt W. dessen möglicherweise bestehende Ansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend machten, sei Gegenstand der Rückübertragung allenfalls die Begründung eines Nießbrauchrechts, das jedoch höchstpersönlicher Natur sei und damit von den Erben des geschädigten Bodenreformeigentümers nicht geltend gemacht werden könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger, zu deren Begründung sie vortragen: Die drei umstrittenen Grundstücke seien ihrem Vater und Stiefvater rechtswidrig entzogen worden. Ohne den Entzug wären die Grundstücke ebenso wie die übrigen Grundstücke der Bodenreformwirtschaft auf ihre Mutter und von dieser auf sie übergegangen. Ihnen müsse daher Volleigentum, möglicherweise auch Nießbrauch auf Lebenszeit eingeräumt werden. Das Bodenreformeigentum sei dem Vater auf der Grundlage der Verordnung des Landes Sachsen über die landwirtschaftliche Bodenreform vom 10. September 1945 zugeteilt worden. Eine Beschränkung, daß das Land nicht an Erben weitergegeben werden dürfe, habe es nach dieser Verordnung nicht gegeben. Die später erlassenen Besitzwechselverordnungen hätten nicht ohne weiteres in bestehendes Eigentum eingreifen können.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzweisen, und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene zu 1 hält die Revision ebenfalls für unbegründet; die Beigeladenen zu 2 und 3 haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Einklang mit Bundesrecht als unbegründet abgewiesen.
Wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ist die Klage vom Kläger zu 1 mit Wirkung für alle Kläger rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Denn der Kläger zu 1 hat, wie schon zuvor im Verwaltungsverfahren, in seiner Klageschrift vom 24. Februar 1994 (S. 2) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er die gesamte Erbengemeinschaft vertrete und von dieser bevollmächtigt sei. Der Umstand, daß sein damaliger Klageantrag auf die Rückübertragung der umstrittenen Grundstücke an ihn selbst, nicht an die Erbengemeinschaft gerichtet war, läßt nicht auf einen mangelnden Vertretungswillen schließen; hierbei handelte es sich nur um einen – später berichtigten – offensichtlichen Irrtum.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat richtig erkannt, daß die Kläger nach dem Vermögensgesetz nicht berechtigt sind, die Restitution der ehemals zu der Bodenreformwirtschaft ihrer Eltern gehörenden Grundstücke zu verlangen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Berechtigte im Sinne dieses Gesetzes und damit mögliche Inhaber eines Restitutionsanspruchs (§ 3 Abs. 1 VermG) Personen und Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte Maßnahmen nach § 1 VermG ausgesetzt waren, „sowie ihre Rechtsnachfolger”. Da die Kläger Vermögensverluste geltend machen, von denen nicht sie selbst, sondern ihre in den Jahren 1964 und 1985 verstorbenen Eltern betroffen waren, können sie nur als deren Rechtsnachfolger restitutionsberechtigt sein. Eine solche von den Eltern abgeleitete Berechtigung steht ihnen jedoch nicht zu; denn sie sind hinsichtlich der umstrittenen früheren Bodenreformgrundstücke keine Rechtsnachfolger ihrer Eltern im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VermG.
Mit dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG verwendeten Begriff des „Rechtsnachfolgers” sind Nachfolgetatbestände angesprochen, die bis zum Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 eingetreten sind, namentlich die Rechtsnachfolge im Wege des Erbgangs. War der Geschädigte am 29. September 1990 bereits verstorben, so läßt das Vermögensgesetz den Anspruch auf Rückübertragung des entzogenen Vermögenswerts grundsätzlich statt in der Person des Geschädigten in der Person seines Erben entstehen (vgl. Beschluß des Senats vom 14. November 1995 – BVerwG 7 B 225.95 – Buchholz 112 § 2 VermG Nr. 13; BGH, Beschluß vom 4. Oktober 1995 – IV ZB 5/95 – JR 1996, 280). Damit trägt es dem Umstand Rechnung, daß der Vermögenswert, wenn er nicht dem Geschädigten durch Unrechtsmaßnahmen im Sinne des § 1 VermG entzogen worden wäre, mit dem Erbfall ebenso wie die übrigen zum Nachlaß gehörigen Gegenstände auf den gesetzlich oder testamentarisch bestimmten Erben übergegangen wäre (vgl. § 1922 BGB, § 363 Abs. 1, § 399 Abs. 1 DDR-ZGB). Wegen dieses hypothetischen Vermögensübergangs setzt sich auch die Unrechtslage, die durch den Vermögensentzug geschaffen worden und nach dem Vermögensgesetz wiedergutzumachen ist, in der Person des Erben fort, der darum vom Gesetzgeber ebenfalls für anspruchsberechtigt erklärt worden ist.
Im Gegensatz zu einem sonstigen Erben trat der Erbe eines Neubauern nicht als dessen Rechtsnachfolger in das Eigentum an den zu der Bodenreformwirtschaft gehörenden Grundstücken ein. Zwar konnte er das Bodenreformland unter bestimmten Voraussetzungen als neuer Eigentümer erwerben. Jedoch vollzog sich der Eigentumserwerb nicht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Erbrechts. Diese Bestimmungen wurden vielmehr durch die Bestimmungen der Besitzwechselverordnungen überlagert, so daß das Bodenreformland nicht in den allgemeinen Nachlaß fiel (vgl. BVerfG, VIZ 1996, 81). Grund hierfür war der Charakter des Bodenreformeigentums als „Arbeitseigentum” (vgl. BVerwGE 95, 170). Dementsprechend mußte der Erbe und Erwerber des Bodenreformlands bestimmten persönlichen Eignungsanforderungen ebenso wie der ursprüngliche Eigentümer genügen. Nach der Besitzwechselverordnung 1975 konnte der Erbe nur dann in die mit dem Bodenreformgrundstück verbundenen Rechte und Pflichten eintreten, wenn er Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft oder Arbeiter der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft und darüber hinaus in der Lage war, das Grundstück zweckentsprechend zu nutzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Besitzwechselverordnung 1975). Mehrere Erben hatten sich innerhalb der vom Rat des Kreises festgelegten Frist darüber zu einigen, welchem Erben das Bodenreformgrundstück „übertragen” werden sollte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Besitzwechselverordnung 1975). Waren die Voraussetzungen für die Übertragung nicht gegeben, so war das Bodenreformgrundstück in den staatlichen Bodenfonds zurückzuführen (§ 4 Abs. 3 Besitzwechselverordnung 1975). Demnach setzte der Eigentumserwerb des Erben die (erneute) staatliche Übertragung des Bodenreformgrundstücks an ihn persönlich voraus, was in der Zweiten Verordnung über die Durchführung des Besitzwechsels bei Bodenreformgrundstücken vom 7. Januar 1988 durch eine entsprechende Änderung des § 4 Abs. 1 ausdrücklich klargestellt wurde. Die Rechtslage nach der bis 1975 geltenden Besitzwechselverordnung 1951 war im wesentlichen dieselbe. Auch unter der Geltung dieser Verordnung bedurfte es eines dem Erbfall nachfolgenden besonderen Hoheitsakts, mit dem der Erbe in das Eigentum am Bodenreformgrundstück eingewiesen wurde (vgl. §§ 1, 13 Besitzwechselverordnung 1951 sowie das Urteil des OG vom 12. März 1953, NJ 1953, 498).
Damit ergibt sich, daß es beim Übergang des Bodenreformgrundstücks an den Erben des ursprünglichen Eigentümers an der in § 2 Abs. 1 VermG vorausgesetzten Kontinuität der privaten Vermögenszuordnung („Rechtsnachfolge”) fehlte, um derentwillen der Gesetzgeber für den Fall eines zuvor eingetretenen rechtsstaatswidrigen Vermögensverlustes die Kontinuität auch der wiedergutzumachenden Unrechtslage angenommen hat. Im Gegensatz zur erbrechtlichen Rechtsnachfolge ging nämlich das Bodenreformgrundstück nicht mit dem Erbfall kraft Gesetzes vom Erblasser auf den Erben über, sondern dieser erwarb das Eigentum an dem Grundstück erst dann, wenn der Staat dem Eigentumserwerb mittels einer ausdrücklichen Entscheidung zu seinen Gunsten, also in rechtsbegründender Weise, zustimmte. Bis zu dieser Entscheidung des Staates hatte der Erbe lediglich die tatsächliche Aussicht oder bestenfalls, insbesondere nach dem Erlaß der Änderungsverordnung vom 7. Januar 1988, einen Rechtsanspruch auf Erwerb des Eigentums am Bodenreformgrundstück, der indes dem Eigentumserwerb durch Erbgang nicht gleichsteht (vgl. BVerwGE 95, 170; Urteil vom 19. März 1996 – BVerwG 7 C 30.95 – VK 1996, 388; BGH, Urteil vom 16. Februar 1996 – V ZR 208/94 – VIZ 1996, 345). Da der Erbe somit das Eigentum am Bodenreformgrundstück nur aufgrund einer konstitutiven, wenngleich an seine zivilrechtliche Erbenstellung anknüpfende Entscheidung des Staates zu erwerben vermochte, kann er im Falle des Entzugs eines solchen Grundstücks nicht (hypothetischer) Rechtsnachfolger des geschädigten früheren Eigentümers und damit Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sein. Vielmehr steht ihm nach dieser Vorschrift allein unter der Voraussetzung eine Restitutionsberechtigung zu, daß er selbst nach dem Erwerb des Eigentums an dem Bodenreformgrundstück einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt war.
Nach alledem kommt die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG den Klägern schon deswegen nicht zugute, weil es sich bei den umstrittenen Grundstücken um ehemalige Bodenreformgrundstücke handelt, die nicht im Wege der Rechtsnachfolge auf sie übergehen konnten. Ihrem Hinweis, daß ihr Vater und Stiefvater bereits vor dem Inkrafttreten der Besitzwechselverordnung 1951 das vererbliche Eigentum an der Bodenreformwirtschaft erlangt habe, kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu; denn dieser Hinweis ändert nichts daran, daß die Kläger nach dem seit 1951 geltenden Recht der DDR nicht die (mittelbare) Rechtsnachfolge nach ihrem Vater und Stiefvater im Eigentum an der Bodenreformwirtschaft angetreten haben. Während die Bodenreformwirtschaft nach dem Tod des ursprünglichen Eigentümers im Jahre 1964 immerhin noch mit Zustimmung des Staates auf seine Ehefrau umgeschrieben wurde, ist es nach deren Tod im Jahre 1985 nicht einmal mehr zu einer solchen Umschreibung auf die Kläger gekommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley ist wegen Urlaubs gehindert zu unterzeichnen. Dr. Franßen, Herbert, Dr. Brunn
Fundstellen