Entscheidungsstichwort (Thema)

Außenbereich. öffentliche Belange. Dachgeschoßausbau. Kniestock. Verunstaltung. harmonischer Übergang. Hanglage. Orts- und Landschaftsbild

 

Leitsatz (amtlich)

In einer nicht förmlich unter Natur- oder Landschaftsschutz gestellten Außenbereichslandschaft stellt die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Interesses der Gemeinde an der Erhaltung eines bestimmten Orts- und Landschaftsbildes (hier: harmonischer Übergang von der Bebauung zur freien Landschaft an einem gut einsehbaren Hang) keine Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB dar, wenn das Bauvorhaben nicht zu einer Verunstaltung des Landschafts- und Ortsbildes führt.

 

Normenkette

BauGB § 29 S. 1, § 35 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 25.10.1994; Aktenzeichen 1 B 93.2831)

VG München (Entscheidung vom 24.06.1993; Aktenzeichen M 11 K 92.913)

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 1994 wird aufgehoben, soweit es die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1992 abgewiesen hat.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in H…. Das Grundstück liegt am Ortsrand auf der Nordseite des H…-wegs, der aus der Ortslage von H… nach Osten ansteigend in unbebautes Gelände führt.

Das Landratsamt Weilburg-Schongau erteilte dem Kläger am 6. Juni 1990 eine Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garagen. Nach den genehmigten Bauvorlagen beträgt der Kniestock des Dachgeschosses 1 m. Der Kläger führte den Kniestock hiervon abweichend mit einer Höhe von 1,46 m aus.

Nachdem die Abweichung festgestellt und die Einstellung der Bauarbeiten angeordnet worden war, beantragte der Kläger mit Tekturantrag vom 4. November 1991, den Kniestock so, wie er ausgeführt worden ist, nachträglich zu genehmigen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1992 lehnte das Landratsamt den Tekturantrag ab und forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Kniestock auf das genehmigte Maß abzusenken. Zur Begründung führte es aus, das Vorhaben entspreche nicht den öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Das Grundstück liege im Außenbereich. Die Gemeinde habe das erforderliche Einvernehmen versagt. Dies sei auch nicht zu beanstanden, weil das Gebäude mit erhöhtem Dach wegen der Hanglage am Ortsrand das Orts- und Landschaftbild verunstalte und keine Rücksicht auf die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Funktion als Erholungsgebiet nehme. Die Kniestockerhöhung könne auch nicht geduldet werden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 14. Juli 1992 mit derselben Begründung zurück.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage nach Augenscheinseinnahme durch die Kammer mit Urteil vom 24. Juni 1993 statt; es hob die Bescheide vom 10. Februar 1992 und vom 14. Juli 1992 auf und verpflichtete den Beklagten, die Genehmigung für den Tekturantrag zu erteilen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, das Baugrundstück liege im unbeplanten Innenbereich. Das Gebäude füge sich auch mit erhöhtem Dachgeschoß im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ein.

Auf die Berufungen des Beklagten und der beigeladenen Gemeinde hat das Berufungsgericht nach einer Ortsbesichtigung das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Urteil vom 25. Oktober 1994 geändert und die Klage abgewiesen. Es hat das Baugrundstück dem Außenbereich zugeordnet und angenommen, das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB). Dabei hat es offengelassen, ob dies nicht schon für das Vorhaben in der genehmigten Form gelte. Es hat als zweifelhaft bezeichnet, ob die Schwelle der Verunstaltung des Ortsbildes bereits überschritten sei, weil der Begriff der Verunstaltung eine erhebliche Störung verlange. Die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten öffentlichen Belange stellten jedoch nur Beispiele, wenn auch sehr wichtige, dar. Der Beigeladenen sei es ein Anliegen, an diesem gut einsehbaren Hang einen harmonischen Übergang von der Bebauung zur freien Landschaft zu erreichen. Auch das sei ein öffentlicher Belang. Er sei ansatzweise bereits in dem eigens aufgeführten öffentlichen Belang “natürliche Eigenart der Landschaft” enthalten, der es gebieten könne, einen möglichst “weichen” Übergang zu finden. Dafür bestehe hier wegen der exponierten Hanglage ein Bedürfnis. Auch die Beseitigungsanordnung sei nicht zu beanstanden. Sie verstoße nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, selbst wenn Kosten zwischen 80 000 und 120 000 DM anfallen sollten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufungen zurückzuweisen. Er macht geltend, sein Grundstück liege im Innenbereich. Aber auch wenn es im Außenbereich liegen sollte, müsse die Baugenehmigung erteilt werden, weil die Forderung eines harmonischen Übergangs kein öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB sei. Jedenfalls sei die Beseitigungsanordnung nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Das Berufungsurteil beruhe ferner auf einer Verletzung der § 86 und § 108 Abs. 2 VwGO.

Der Beklagte und die beigeladene Gemeinde beantragen, die Revision zurückzuweisen. Sie treten der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist zulässig und mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht.

1. Zu Unrecht macht die Revision allerdings geltend, das Grundstück des Klägers liege im unbeplanten Innenbereich.

Das Berufungsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, daß der im Zusammenhang bebaute Ortsteil von H… nicht schon an der Hauptstraße ende, sondern noch die beiden Häuser am Beginn des H…-weges auf den Flustücken 145/6 und 145/5 einschließe. Aufgrund des Geländeverlaufs bilde diese Bebauung jedoch den Ortsrand; die Bebauung auf dem Grundstück des Klägers sei davon horizontal und vertikal deutlich abgesetzt. Diese Beurteilung beruht auf einer Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, die das Berufungsgericht mittels einer Augenscheinseinnahme festgestellt hat und gegen die die Revision keine verfahrensrechtlichen Rügen erhebt; an sie ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

In rechtlicher Hinsicht befindet sich das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats. Nach ihr läßt sich die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung aufgrund einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts (BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 – BVerwG 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 = BRS Bd. 52 Nr. 146, m.w.N.). Das gilt auch für die Frage, ob ein am Rande eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegendes bebautes Grundstück diesem Bebauungszusammenhang noch zuzurechnen ist oder nicht. Zwar erfordert der Bebauungszusammenhang nur eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung. Im Regelfall ist deshalb ein an einen Bebauungszusammenhang angrenzendes bebautes Grundstück Teil des Bebauungszusammenhangs. Für die Annahme einer aufeinanderfolgenden Bebauung ausschlaggebend ist jedoch, inwieweit die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt; hierfür kommt es auf die Verkehrsauffassung und damit jeweils auf die Lage des Einzelfalls an (BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20). Dieser Grundsatz kann im Einzelfall zur Unbeachtlichkeit von Baulücken innerhalb einer zusammenhängenden Bebauung führen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 1970 – BVerwG 4 C 77.68 – BVerwGE 35, 256). Unter besonderen topographischen Verhältnissen kann sich aus ihm aber auch ergeben, daß die Bebauung auf einem an einen Bebauungszusammenhang angrenzenden Grundstück nicht mehr an diesem Bebauungszusammenhang teilnimmt. Das Berufungsgericht hat dies hier in Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse angenommen, weil das in Hanglage oberhalb des Ortsteils gelegene Gebäude des Klägers von der benachbarten Bebauung “horizontal und vertikal deutlich abgesetzt” sei. Gegen diese Wertung ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

2. Mit Bundesrecht nicht vereinbar sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Beeinträchtigung öffentlicher Belange. Nach Auffassung des Berufungsgerichts beeinträchtigt das “tektierte Vorhaben”, also das Wohngebäude mit einem Kniestock von 1,46 m Höhe, öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, weil es mit dem Anliegen der Gemeinde, an dem gut einsehbaren Hang einen harmonischen Übergang von der Bebauung zur freien Landschaft zu erreichen, nicht vereinbar sei. Auch dies sei ein öffentlicher Belang. Er sei ansatzweise bereits in dem öffentlichen Belang der “natürlichen Eigenart der Landschaft” enthalten, der es gebieten könne, einen möglichst “weichen” Übergang zu finden. Dafür bestehe hier wegen der exponierten Hanglage ein Bedürfnis. Mit dieser Begründung läßt sich eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne von § 35 Abs. 2 und 3 BauGB nicht belegen.

Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings seine Prüfung nicht auf die Erhöhung des Dachgeschosses beschränkt, sondern geprüft, ob das gesamte Wohnhaus mit dem veränderten Dachgeschoß planungsrechtlich zulässig ist; denn wenn eine bauliche Anlage im Sinne von § 29 Satz 1 BauGB geändert wird, ist das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der planungsrechtlichen Prüfung (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 – BVerwG 4 C 17.91 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158 = ZfBR 1994, 37). Um eine solche Änderung handelt es sich hier. Insbesondere ist sie bauplanungsrechtlich relevant, weil die Gebäudehöhe Gegenstand planerischer Festsetzungen sein kann (vgl. § 16 Abs. 1, § 18 BauNVO). Das Berufungsgericht durfte deshalb auch offenlassen, ob das Wohngebäude vielleicht bereits in seiner ursprünglich geplanten Gestalt bauplanungsrechtlich unzulässig war; denn aus einer möglicherweise zu Unrecht erteilten Baugenehmigung könnte der Kläger für das geänderte Vorhaben keine Rechte herleiten.

Unerheblich ist ferner, daß der vom Berufungsgericht als beeinträchtigt angesehene Belang nicht zu den in § 35 Abs. 3 BauGB ausdrücklich aufgeführten öffentlichen Belangen gehört; denn diese Vorschrift enthält keine abschließende Aufzählung der im Außenbereich zu beachtenden öffentlichen Belange (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1966 – BVerwG 4 C 16.66 – BVerwGE 25, 161 ≪163≫; stRspr; vgl. auch Urteil vom 26. November 1976 – BVerwG 4 C 69.74 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 58 – und Urteil vom 3. April 1987 – BVerwG 4 C 43.84 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 118 = ZfBR 1987, 296, zum öffentlichen Belang des “Planungsbedürfnisses”, wenn ein Vorhaben wegen seines Umfangs der Binnenkoordination bedarf). Da die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes städtebaulich bedeutsam ist (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB), erscheint es nicht von vornherein als ausgeschlossen, daß ein wuchtiger Baukörper am Übergang von der Bebauung zur freien Landschaft in exponierter Hanglage öffentliche Belange negativ berühren kann (vgl. auch Urteil vom 22. Juni 1990 – BVerwG 4 C 6.87 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261 ≪S. 37, 38≫ = ZfBR 1990, 293).

Zumindest mißverständlich ist es allerdings schon, wenn das Berufungsgericht formuliert, ein bestimmtes “Anliegen” der Gemeinde sei ein öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB. Bloße Wunschvorstellungen einer Gemeinde, sofern sie nicht bereits ihren Niederschlag in konkreten Planungen gefunden haben, sind für die planungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben im Außenbereich unbeachtlich. Auf sie kann es nur ankommen, wenn sie nicht nur in einer konkreten Beziehung zur städtebaulichen Ordnung stehen, sondern auch in den örtlichen Umständen eine Stütze finden (vgl. Dyong, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB ≪März 1987≫, § 35 Rn. 139). In diesem Sinne ist das Berufungsurteil jedoch auch zu verstehen. Der Sache nach sieht das Berufungsgericht das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines harmonischen Übergangs von der Bebauung zur freien Landschaft an einem gut einsehbaren Hang als beeinträchtigten öffentlichen Belang an.

Soweit das Berufungsgericht dieses Interesse als einen selbständigen öffentlichen Belang unabhängig von den in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführten Regelbeispielen berücksichtigt, verletzt seine Entscheidung aber Bundesrecht. Denn auch wenn über die in der Vorschrift genannten Belange hinaus grundsätzlich weitere öffentliche Belange geschützt sein können, so darf es sich dabei doch nur um solche Belange handeln, die ein ähnliches, wenn nicht stärkeres Gewicht besitzen (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1966 – BVerwG 4 C 16.66 – BVerwGE 25, 161 ≪163≫). Der vage Oberbegriff der (bodenrechtlich beachtlichen) öffentlichen Belange wird durch die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange präzisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1973 – BVerwG 4 C 61.70 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 104 ≪S. 66, 72≫). Andere Belange können nur dann beachtlich sein, wenn dies nicht mit der gesetzgeberischen Wertung, wie sie sich aus den Regelbeispielen ergibt, im Widerspruch steht. Ein derartiger Wertungswiderspruch ist hier gegeben.

Bei dem vom Berufungsgericht angenommenen öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines harmonischen Übergangs von der Bebauung zur freien Landschaft geht es um den ästhetischen Schutz der Landschaft. Diesem Schutz dient neben dem Verbot, Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu beeinträchtigen, insbesondere das Verbot, das Orts- und Landschaftsbild zu verunstalten. Damit wird durch die Regelbeispiele des § 35 Abs. 3 BauGB nicht nur die durch förmlichen Natur- und Landschaftsschutz unter Schutz gestellte Landschaft vor ästhetischen Beeinträchtigungen bewahrt. Vielmehr soll unabhängig hiervon auch jede andere schutzwürdige Landschaft vor Verunstaltungen durch bauliche Anlagen geschützt werden. Das städtebauliche Verunstaltungsverbot beruht auf der Erkenntnis, daß auch eine naturschutzrechtlich nicht besonders geschützte Landschaft empfindlich gegen ästhetische Beeinträchtigungen sein kann (BVerwG, Beschluß vom 29. April 1968 – BVerwG 4 B 77.67 – DVBl 1969, 261 = BRS 20 Nr. 59). Im Unterschied zu förmlich unter Natur- oder Landschaftsschutz gestellten Landschaftsteilen, bei denen schon eine Beeinträchtigung des Naturschutzes oder der Landschaftspflege zur Unzulässigkeit eines nicht privilegierten Vorhabens im Außenbereich führt, begründet jedoch eine Beeinträchtigung des Orts- oder Landschaftsbildes außerhalb von Schutzgebieten allein noch nicht die Unzulässigkeit des Vorhabens. Erforderlich ist vielmehr eine Verunstaltung. Sie liegt nur vor, wenn das Bauvorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1990 – BVerwG 4 C 6.87 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261 ≪S. 37, 40≫ = ZfBR 1990, 293, m.w.N.).

Diesen unterschiedlichen Regelungen zur Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes ist der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, den ästhetischen Schutz einer Landschaft vor Beeinträchtigungen durch Außenbereichsvorhaben danach zu differenzieren, ob Schutzobjekt (nur) eine aus natur- und landschaftsschutzrechtlichen Gründen nicht besonders geschützte und deshalb auch nicht besonders schutzwürdige Landschaft ist oder eine unter förmlichen Landschaftsschutz gestellte und deshalb besonders schutzwürdige Landschaft. Nur die zweite Gruppe genießt im gesteigerten Maße den Schutz gegen jede Beeinträchtigung der Landschaft; im übrigen werden öffentliche Belange erst durch eine qualifizierte Beeinträchtigung, nämlich durch eine Verunstaltung des Orts- oder Landschaftsbildes, in relevanter Weise berührt. Indem das Gesetz den Schutz des Landschaftsbildes und des Ortsbildes gegenüber Verunstaltungen nebeneinander aufführt, verdeutlicht es zugleich, daß der allgemeine Schutz der Landschaft gegenüber ästhetischen Beeinträchtigungen generell nur besteht, wenn sie den Grad der Verunstaltung erreichen. Denn andere Möglichkeiten der Beeinträchtigung einer Landschaft allein in ästhetischer Hinsicht bestehen nicht (vgl. auch Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, S. 487).

Eine bloße Beeinträchtigung des Interesses, an einem gut einsehbaren Hang einen harmonischen Übergang von der Bebauung zur freien Landschaft zu erreichen, stellt auch nicht deshalb schon eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange dar, weil es sich dabei im Ansatz um einen Belang handelt, der bereits im Begriff der “natürlichen Eigenart der Landschaft” enthalten ist, wie das Berufungsgericht meint. Zwar entsprach es der Rechtsprechung des Senats, daß mit diesem schon in § 35 Abs. 3 BBauG 1960 enthaltenen Begriff in gewissem Umfang auch eine im Einzelfall schutzwürdige Landschaft vor ästhetischer Beeinträchtigung geschützt werde (BVerwG, Beschluß vom 29. April 1968 – BVerwG 4 B 77.67 – DVBl 1969, 261 = BRS 20 Nr. 59; Beschluß vom 9. Mai 1972 – BVerwG 4 CB 30.69 – DVBl 1972, 685). Dieser Rechtsprechung ist jedoch seit der Novellierung des Bundesbaugesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. August 1976 (BGBl I, S. 2221) die Grundlage entzogen worden. Mit dieser Gesetzesnovelle sind die öffentlichen Belange in § 35 Abs. 3 BBauG durch weitere Regelbeispiele ergänzt worden. Insbesondere sind die Verbote der Verunstaltung des Landschaftsbildes und der Beeinträchtigung der Aufgabe der Landschaft als Erholungsgebiet durch ihre ausdrückliche Aufnahme in den Katalog des § 35 Abs. 3 BBauG aus dem Begriff der natürlichen Eigenart der Landschaft herausgenommen (und zugleich in Absatz 4 der Vorschrift unterschiedlichen Regelungen zugeführt) worden. Schutzgut des öffentlichen Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 BBauG 1976/1979 und BauGB ist seitdem nicht mehr das Landschaftsbild, sondern nur noch die funktionelle Bestimmung des Außenbereichs, also die Erhaltung der “naturgegebenen Bodennutzung” (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Februar 1994 – BVerwG 4 B 33.94 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 293 = ZfBR 1994, 193; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, S. 81). Durch einen unharmonischen Übergang einer Bebauung in die freie Landschaft wird das Schutzgut der natürlichen Eigenart der Landschaft – im Sinne der natürlichen Bodennutzung – nicht tangiert. Nur bei ihr reicht jedoch eine “Beeinträchtigung” aus, um eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange annehmen zu können; für eine Störung des Landschaftsbildes in optischer Hinsicht genügt dies nicht.

Das Berufungsgericht stellt nicht fest, daß der durch das Vorhaben des Klägers betroffene Landschaftsteil aus Gründen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege in gesteigertem Maße schutzwürdig ist. Mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines harmonischen Übergangs von der Bebauung zur freien Landschaft benennt es lediglich einen besonderen Gesichtspunkt des öffentlichen Belangs der Erhaltung eines (schutzwürdigen) Orts- oder Landschaftsbildes. Er wäre nur dann beeinträchtigt, wenn “die Schwelle der Verunstaltung” überschritten wäre. Wann dies der Fall ist, hängt von der jeweiligen Situation ab, wobei in exponierter Lage ein schärferer Maßstab angebracht sein mag. Es ist Aufgabe der Tatsachengerichte, hierzu eine wertende Entscheidung zu treffen. Da das Berufungsgericht diese Frage offengelassen hat, kann sein Urteil keinen Bestand haben.

Das Berufungsurteil stellt sich, soweit es einen Anspruch des Klägers auf die begehrte Tekturgenehmigung verneint, auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob das gegenüber der erteilten Baugenehmigung geänderte Wohngebäude das Orts- oder Landschaftsbild verunstaltet, bezeichnet das Berufungsgericht selbst als zweifelhaft. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer tatrichterlichen Würdigung, die das Revisionsgericht nicht vornehmen kann. Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen kommt es demgemäß nicht an. Für eine Beeinträchtigung anderer öffentlicher Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte. Umgekehrt kann das Revisionsgericht allerdings auch nicht ausschließen, daß das Wohngebäude in seiner vergrößerten Gestalt insbesondere das Landschaftsbild verunstaltet. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung durch das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

3. Auch für den gegen die Rückbauanordnung gerichteten Klagantrag ist die Frage, ob das tektierte Vorhaben genehmigungsfähig ist, entscheidungserheblich. Denn wenn das geänderte Dachgeschoß planungsrechtlich zulässig sein sollte, so wäre die Bauordnungsverfügung ebenfalls rechtswidrig.

Das Berufungsurteil ist hinsichtlich dieses zweiten Antrages auch nicht unabhängig von der planungsrechtlichen Zulässigkeit des geänderten Wohnhauses schon deshalb aufzuheben, weil die Anordnung der Absenkung des Kniestocks auch bei materieller Baurechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fehlerhaft wäre, wie die Revision geltend macht. Bei unterstellter Baurechtswidrigkeit des Vorhabens rügt die Revision der Sache nach eine fehlerhafte Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde. Insoweit käme es jedoch zunächst auf das irrevisible (Landes-) Bauordnungsrecht an. Tangiert sein mag allerdings auch der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er wäre aber auch bei Kosten in Höhe von 80 000 bis 120 000 DM nicht verletzt, weil ohne die Absenkung – sollte sie bauplanungsrechtlich erforderlich sein – rechtmäßige Zustände nicht wiederhergestellt werden könnten. Der Kläger ist zumindest fahrlässig von der ihm erteilten Baugenehmigung abgewichen und muß deshalb die Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens tragen. Die hinsichtlich der Beseitigungskosten erhobene Aufklärungsrüge geht ins Leere, weil das Berufungsgericht von der Richtigkeit der behaupteten Kostenhöhe ausgegangen ist.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Lemmel, Heeren, Halama

Richter Hien ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert.

Gaentzsch

 

Fundstellen

AgrarR 1999, 89

DÖV 1998, 74

NuR 1998, 32

BRS 1997, 300

BRS 1998, 300

UPR 1998, 59

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