Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnung (Wohnraum, bewohnter Raum) im Eigentum der Eltern nach § 13 Abs. 3a BAföG. Miteigentum als Eigentum der Eltern im Sinne von § 13 Abs. 3a BAföG
Leitsatz (amtlich)
Der vom Auszubildenden bewohnte Raum steht im Sinne von § 13 Abs. 3a BAföG jedenfalls dann “im Eigentum der Eltern”, wenn er zu 50 v.H. oder mehr in ihrem Eigentum steht.
Normenkette
BAföG § 13 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 a
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 02.03.1995; Aktenzeichen 12 B 93.3085) |
VG Würzburg (Urteil vom 23.06.1993; Aktenzeichen W 3 K 93.143) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. März 1995 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Juni 1993 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Klägerin studierte im Wintersemester 1992/1993 und im Sommersemester 1993 an der Universität Würzburg Betriebswirtschaftslehre. Sie beantragte am 7. August 1992 beim Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsförderung für dieses Studium. Dabei gab sie an, daß sie in einer Einliegerwohnung eines Reihenhauses in E… wohne. Eigentümer dieses Reihenhauses waren die in M… wohnhaften Eltern der Klägerin zu je einem Viertel und ein Onkel der Klägerin zur Hälfte. Diese Eigentümer hatten die Wohnung an die Klägerin zu einem Mietzins von 342 DM vermietet, den die Klägerin auf ein gemeinsames Konto der Hauseigentümer zahlte. Ab Juni 1993 wohnte die Klägerin in Würzburg bei anderen Personen zur Miete.
Mit Bescheid vom 19. November 1992 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung ab, weil das angerechnete elterliche Einkommen den Bedarf der Klägerin übersteige. Bei der Ermittlung des Bedarfs ging der Beklagte unter anderem davon aus, daß die Klägerin im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3a BAföG bei ihren Eltern wohne.
Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1993 zurück. Er vertrat die Auffassung, vom Eigentumsbegriff des § 13 Abs. 3a BAföG seien alle Formen des Eigentums, also auch das Miteigentum, erfaßt.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage erhoben und, nachdem ihr unter Berücksichtigung höherer Sozialabzüge vom Einkommen ihres Vaters mit Bescheid vom 3. März 1993 für die Monate Oktober 1992 bis September 1993 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 197 DM bewilligt worden war, beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Monate Oktober 1992 bis Mai 1993 eine weitere Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 1 240 DM (225 DM nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BAföG abzüglich gewährter 70 DM nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BAföG für acht Monate) zu gewähren.
Mit Urteil vom 23. Juni 1993 hat das Verwaltungsgericht nach dem Klageantrag entschieden. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und sein Urteil vom 2. März 1995 im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe Anspruch auf die erhöhte Unterkunftspauschale, denn sie wohne nicht bei ihren Eltern. Allerdings wohne ein Auszubildender gemäß § 13 Abs. 3a BAföG auch dann bei den Eltern, wenn der von ihm bewohnte Raum im Eigentum der Eltern stehe. Doch stehe Wohnraum nicht “im Eigentum” der Eltern, wenn diese nur zur Hälfte Miteigentümer des Wohnraums seien. Durch die in § 13 Abs. 3a BAföG getroffene Regelung solle mittelbar auf die Festlegung des Mietzinses durch die Eltern Einfluß genommen werden. Sie sollten diese Entscheidung in Kenntnis des Umstandes treffen, daß ihrem Kind nur der geringere Bedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG zugestanden werde. Eine solche typisierende Erwartung sei aber nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn man davon ausgehen könne, daß die Eltern auf die Festlegung der Miethöhe auf der Vermieterseite einen entscheidenden Einfluß ausüben könnten. Das könnten sie regelmäßig nur dann, wenn der Wohnraum zu mehr als 50 v.H. in ihrem Eigentum stehe und sie damit über eine Stimmenmehrheit in der Bruchteilsgemeinschaft verfügten. Könnten sie auf die Festlegung der Miethöhe dagegen nur mit dem Gewicht eines hälftigen oder eines noch geringeren Bruchteils Einfluß nehmen, so sei die typisierende Erwartung des Gesetzes nicht mehr gerechtfertigt, daß dem Auszubildenden nur die geringeren Aufwendungen nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG entstünden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 13 Abs. 3a BAföG, denn diese Bestimmung umfasse alle Formen des Eigentums.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt tritt der Rechtsauffassung des Beklagten bei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Annahme der Vorinstanzen, daß die Klägerin einen Anspruch auf die Bewilligung weiterer Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 1 240 DM habe, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b BAföG in der Fassung des Art. 1 Nr. 5 des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 19. Juni 1992 (BGBl I S. 1062) ist ein – erhöhter – Bedarf des Auszubildenden für die Unterkunft in Höhe von 225 DM anzuerkennen, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Sie wohnte im hier maßgeblichen Zeitraum im Sinne von § 13 Abs. 3a BAföG bei ihren Eltern.
Gemäß § 13 Abs. 3a BAföG wohnt ein Auszubildender auch dann bei seinen Eltern, wenn er nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihnen, aber doch in einem im Eigentum der Eltern stehenden Raum wohnt. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt erkannt, daß dieser Eigentumsbegriff nicht auf das Alleineigentum beschränkt ist. Der Wortlaut des Gesetzes ist dahin offen, den Begriff “Eigentum” auch als Oberbegriff für die Unterarten Alleineigentum, Miteigentum und Gesamthandseigentum zu verstehen. Sinn und Zweck der geringeren Unterkunftspauschale sowohl bei einem Wohnen in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern als auch bei einem Wohnen in einer im Eigentum der Eltern stehenden Wohnung ist, daß nach der Auffassung des Gesetzgebers in beiden Fällen ein Vermietergewinn nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BTDrucks 6/1975 S. 27; BVerwGE 61, 235 ≪239≫). Dies gilt im Hinblick auf den generalisierenden, typisierenden Charakter der gesetzlichen Regelung unabhängig davon, ob die Wohnung von den Eltern unentgeltlich, zu besonders günstigen Bedingungen oder nur zu den marktüblichen Konditionen überlassen wird. Durch § 13 Abs. 3a BAföG sollen mögliche Vorteile beim Bewohnen von im Eigentum der Eltern stehenden Wohnraum ausgeschlossen werden, die sich ergäben, wenn Auszubildende dort kostengünstig oder ganz mietfrei wohnen und dennoch die erhöhte Unterkunftspauschale verlangen könnten. Der Gesetzgeber konnte bei generalisierender und typisierender Sicht davon ausgehen, daß eine solche Zuwendungsmöglichkeit der Eltern auch bei Eigentumsanteilen von weniger als 100 v.H. an einem Haus oder einer Wohnung besteht. Das zeigt beispielhaft der vorliegende Fall. Den Eltern der Klägerin wäre es auch mit ihrem Miteigentumsanteil von zusammen 1/2 möglich gewesen, die Klägerin in der von ihr bewohnten Einliegerwohnung ohne Vermietergewinn wohnen zu lassen. Denn zum Ausgleich der dem Onkel für seinen Miteigentumsanteil zu 1/2 zustehenden Früchte des Grundstücks reichten die Nutzungen der von der Klägerin nicht bewohnten Hauptwohnung. Abhängig von der Größe des Objekts mag selbst ein geringerer Miteigentumsanteil den Eltern die Möglichkeit eröffnen und damit beim Auszubildenden die Zuwendungserwartung rechtfertigen können, in einer Wohnung auf diesem Grundstück gegen einen nur geringen Kostenbeitrag oder vielleicht ganz kostenfrei wohnen zu können.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob und bis zu welcher Grenze auch Miteigentumsanteile der Eltern unter 50 v.H. den Eigentumsbegriff des § 13 Abs. 3a BAföG erfüllen. Nach Tz. 13.3 a.1 in Verbindung mit Tz. 12.3 a.1 BAföGVwV 1991 (GMBl S. 770 ≪789/790≫) ist § 13 Abs. 3a BAföG bei Miteigentum der Eltern an der vom Auszubildenden genutzten Wohnung nämlich nur dann anzuwenden, wenn sie zu 50 v.H. oder mehr im Eigentum der Eltern steht. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Verwaltungsvorschrift von den Behörden nicht praktiziert wird, und daher keinen Anlaß, in eine Prüfung einzutreten, inwieweit unterhalb der bezeichneten Anteilsgröße Eigentum im Sinne von § 13 Abs. 3a BAföG vorliegen mag. Der Gesetzgeber durfte jedenfalls darüber liegende Anteile der Eltern pauschalierend als genügend groß ansehen, um dem Kind während der Ausbildung durch Verzicht auf ihren Vermietergewinn ein preisgünstiges Wohnen zu ermöglichen. Bei Miteigentumsanteilen der Eltern von 50 v.H. oder mehr ist es deshalb von Gesetzes wegen gerechtfertigt, den Bedarf des Auszubildenden mit der geringeren Unterkunftspauschale abzugelten.
Demgegenüber kann für die Auslegung des § 13 Abs. 3a BAföG seinem generalisierenden, typisierenden Charakter entsprechend nicht maßgeblich sein, ob Eltern mit Miteigentumsanteilen von 50 v.H. oder mehr in jedem Fall zu einer die geringere Unterkunftspauschale berücksichtigenden preiswerteren Überlassung von Wohnraum in der Lage sind. Auch wenn ihnen das im Einzelfall nicht möglich sein sollte, bedeutet das für den Auszubildenden keine Härte. Denn es steht ihm frei, eine im (Mit-)Eigentum seiner Eltern stehende Wohnung mit der Folge der geringeren Unterkunftspauschale nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG oder eine nicht im (Mit-)Eigentum seiner Eltern stehende Wohnung mit der Folge der höheren Unterkunftspauschale nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG zu bewohnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rojahn, Dr. Franke
Fundstellen
BVerwGE, 344 |
DÖV 1997, 337 |