Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Der Kläger zu 1 trägt 3/4, die Klägerin zu 2 1/4 der Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.
Rz. 2
Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss (PFB) vom 23. August 2019 stellt im Kern den Plan für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen der Umspannanlage Gütersloh und dem Punkt Halle/Hesseln fest. Von der Gesamtlänge des Leitungsneubaus (etwa 19,9 km) entfallen rund 18,75 km auf die 380-kV-Höchstspannungsfreileitung von Gütersloh bis zum Punkt Hesseln sowie rund 1,15 km auf die gebündelt auf einem Gestänge geführte 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen dem Punkt Hesseln und der Umspannanlage Hesseln in Halle (Abzweig Hesseln). Die Höchstspannungsfreileitung nutzt im Wesentlichen die Trassenräume, die durch die Bestandstrasse bereits vorgeprägt sind und durch den Rückbau vorhandener 110-/220-kV-Freileitungen frei werden. Sie bildet den ersten Abschnitt des insgesamt 27 km langen nordrhein-westfälischen Teils der Höchstspannungsleitung Wehrendorf - Gütersloh, Nennspannung 380 kV (Nr. 16 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG).
Rz. 3
Den ursprünglich ebenfalls zur Planfeststellung gestellten Antrag für den Abschnitt vom Punkt Hesseln weiter bis zur Landesgrenze Niedersachsen (Punkt Königsholz im Spannfeld zwischen den Masten Nrn. 74 und 75) nahm die Beigeladene mit Schreiben vom 16. August 2017 zurück. Durch Beschluss vom 24. August 2017 stellte die Bezirksregierung Detmold das Planfeststellungsverfahren insoweit ein.
Rz. 4
Der Kläger zu 1 ist seit 2016 Eigentümer des zusammen mit der Klägerin zu 2 bewohnten Anwesens... in der Gemeinde S., das aus den Flurstücken..., Flur..., Gemarkung B., besteht. Die Grundstücke befinden sich im Bereich der Masten 28 und 29 der planfestgestellten Leitung. Die Flurstücke... und... werden dauerhaft für den Schutzstreifen in Anspruch genommen. Die Klägerin zu 2 ist Pächterin einer Teilfläche (ca. 800 m²) des Flurstücks..., welches an die Flurstücke... und... angrenzt. Dieser Grundstücksteil wird an seinem westlichen Rand von der planfestgestellten Leitung überspannt und dauerhaft für den Schutzstreifen in Anspruch genommen.
Rz. 5
Die Kläger sehen sich durch den Planfeststellungsbeschluss in ihren Rechten verletzt. Sie sind der Auffassung, dass dem Vorhaben die Planrechtfertigung fehle. Ferner sei aufgrund der Antragsbeschränkung § 2 Abs. 1 EnLAG in seiner ab dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung anzuwenden. § 2 Abs. 4 EnLAG stehe der Anwendung neuen Rechts nicht entgegen, denn die Vorschrift sei verfassungswidrig. Die Planfeststellungsbehörde habe daher berücksichtigen müssen, dass es sich bei dem Vorhaben um einen Abschnitt eines Pilotvorhabens handelt, für welches eine Erdverkabelung in Betracht komme. Der Planfeststellungsbeschluss missachte auch das Ziel 8.2-4 des Landesentwicklungsplans NRW und verstoße gegen zwingende Vorschriften des Immissionsschutzrechts. Darüber hinaus rügen die Kläger Abwägungsfehler in Bezug auf die Verschwenkung der Leitung im Bereich ihrer Grundstücke.
Rz. 6
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Detmold vom 23. August 2019 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 23. August 2019 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.
Rz. 9
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 11
Die Beigeladene beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 13
Sie verteidigen jeweils den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.
Entscheidungsgründe
Rz. 14
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 1 und 3 EnLAG i.V.m. Nr. 16 der Anlage zum EnLAG über die Klage im ersten und letzten Rechtszug. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts erstreckt sich auch auf Abschnitte dieses Vorhabens (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 u.a. - BVerwGE 159, 121 Rn. 10 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 12; Beschlüsse vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 9 und vom 12. September 2018 - 4 A 13.17 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 39 Rn. 3).
Rz. 15
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Die Kläger können weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen; der Planfeststellungsbeschluss verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 43 Abs. 5 EnWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW).
Rz. 16
A. I. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage der nachfolgenden Enteignung ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EnWG), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Daher hat der Kläger zu 1, dessen durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Grundeigentum (teilweise) durch Schutzstreifen in Anspruch genommen werden soll, einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr; zuletzt BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 15 m.w.N.). Der Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit des Plans unterliegt allerdings Einschränkungen. Danach kann eine Anfechtungsklage keinen Erfolg haben, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 2.16 u.a. - DVBl 2017, 1039 Rn. 22 m.w.N.).
Rz. 17
Die Klägerin zu 2 besitzt hingegen keinen Vollüberprüfungsanspruch. Ihr steht zwar ein pachtrechtlich begründetes Besitzrecht an dem Flurstück... zu, das den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 - BVerfGE 89, 1 ≪6≫ und BVerwG, Urteil vom 1. September 1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 ≪180≫). Ein solches Besitzrecht kann auch Gegenstand einer Enteignung sein, weil durch Enteignung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Enteignung und Entschädigung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz - EEG NW) vom 20. Juni 1989 (GV. NRW. S. 366, ber. S. 570), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 622), Rechte entzogen werden können, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen. Ein Planfeststellungsbeschluss kann daher einen obligatorisch Nutzungsberechtigten mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betreffen, soweit das vom ihm gepachtete Grundstück für das Vorhaben benötigt wird (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 13 mit Verweis auf BVerwG, Urteile vom 1. September 1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 ≪180 ff.≫ und vom 14. März 2018 - 4 A 11.17 - juris Rn. 24). Für eine derartige Inanspruchnahme des von der Klägerin zu 2 gepachteten Grundstücks durch die Höchstspannungsleitung bestehen indessen keine Anhaltspunkte. Die bloße Überspannung und die Ausweisung eines Schutzstreifens reichen hierfür nicht aus. Die Klägerin zu 2 kann daher nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen privaten Belange rügen (BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 6).
Rz. 18
II. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m.w.N.). Zu berücksichtigen sind allerdings Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes des Planfeststellungsbeschlusses führen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 255 f. und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52).
Rz. 19
B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an materiell-rechtlichen Fehlern, die zu seiner Aufhebung oder - als rechtliches Minus - zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen; Verfahrensfehler haben die Kläger nicht gerügt.
Rz. 20
I. Die Planrechtfertigung liegt vor.
Rz. 21
Die 380-kV-Freileitung Gütersloh - Halle/Hesseln ist ein Teilabschnitt des Vorhabens Nr. 16 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (zur anwendbaren Rechtslage siehe unten). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG entspricht es daher den Zielsetzungen des § 1 EnWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG stehen für dieses Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf fest. Diese Feststellungen sind nach § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG (seit 17. Mai 2019 § 1 Abs. 2 Satz 4 EnLAG) für die Planfeststellung nach § 43 EnWG verbindlich. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung gilt auch für einen Abschnitt eines Vorhabens (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 39) und ist vom Gericht zu beachten (stRspr, BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 29 m.w.N.).
Rz. 22
Nach Ansicht der Kläger fehlt dem Vorhaben die Planrechtfertigung. Nach der Teilrücknahme des Antrags könne die Leitung ihren ursprünglich verfolgten Zweck, auch die Stromversorgung für den Kreis und die Stadt Gütersloh zu erhöhen, nicht mehr erfüllen; es handele sich folglich nur um ein Vorratsvorhaben. Dieser Einwand ist unbegründet. Zum einen trifft der Vorwurf nicht zu, denn aus dem Planfeststellungsbeschluss (S. 145) ergibt sich, dass der festgestellte Abschnitt auch erforderlich ist, um über die durch ihn gespeiste Umspannanlage Hesseln und das daran angeschlossene Verteilernetz den gesamten Großraum Gütersloh - jedenfalls soweit er an das Verteilernetz angeschlossen ist - auf Dauer mit Energie zu versorgen; die Leitung erfüllt also auch in ihrer verkürzten Form den von den Klägern in Abrede gestellten Zweck. Zum anderen kommt es für die Planrechtfertigung darauf an, ob das Vorhaben mit den Zielen des Gesetzes übereinstimmt, so dass die Zulassung des Vorhabens im Allgemeininteresse erforderlich erscheint (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2001 - 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 ≪375≫). Dass das hier nicht der Fall sein könnte, ist weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
Rz. 23
II. Die Anforderungen zwingenden Rechts sind gewahrt.
Rz. 24
1. Der Planfeststellungsbeschluss lehnt es zu Recht ab, die Leitung ganz oder teilweise als Erdkabel zu führen.
Rz. 25
a) Maßgeblich ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG das Energieleitungsausbaugesetz in seiner vor dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (EnLAG a.F.).
Rz. 26
Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG sind - wie hier - vor dem 31. Dezember 2015 beantragte Planfeststellungsverfahren nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende zu führen, es sei denn, der Vorhabenträger beantragt die Anwendung des ab 31. Dezember 2015 geltenden Rechts (§ 2 Abs. 4 Satz 2 EnLAG). Ein solcher Antrag ist von der Beigeladenen nicht gestellt worden.
Rz. 27
Der Ansicht der Kläger, die Änderungen durch das Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsausbaus vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490) hätten gleichwohl berücksichtigt werden müssen, ist nicht zu folgen. Weder erweist sich § 2 Abs. 4 EnLAG als verfassungswidrig, noch handelt es sich bei dem Schreiben vom 16. August 2017 objektiv um einen Neuantrag, für den kein Wahlrecht nach § 2 Abs. 4 EnLAG mehr bestünde.
Rz. 28
aa) Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 4 EnLAG bestehen keine Bedenken. Es ist mit Blick auf den mit Planfeststellungsverfahren für Höchstspannungsleitungen verbundenen Planungsaufwand sowie die Dringlichkeit der unter das Energieleitungsausbaugesetz fallenden Höchstspannungsleitungen (§ 1 Abs. 1 EnLAG) gerechtfertigt, zur Vermeidung der Gefährdung laufender Projekte (vgl. BT-Drs. 18/4655 S. 37) die Fortgeltung des zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens geltenden Rechts anzuordnen. Solche Regelungen sind zudem nicht unüblich, wie § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB zeigt. Die Kläger legen nicht substantiiert dar, warum für § 2 Abs. 4 EnLAG etwas Anderes gelten, insbesondere weshalb die Regelung gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen soll.
Rz. 29
bb) Die nachträgliche räumliche Beschränkung des Leitungsvorhabens führt auch nicht zu einem neuen Antrag, auf den § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG nicht mehr anwendbar ist. Sie berührt weder das Gesamtkonzept der Planung (Höchstspannungsleitung Wehrendorf - Gütersloh, Nennspannung 380 kV, Nr. 16 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz, Erstellung eines von zwei nordrhein-westfälischen Abschnitten dieser Leitung) noch die Identität des Vorhabens. Im Vergleich zu den bereits vor der Antragsbeschränkung ausgelegten Unterlagen ist der im Planfeststellungsverfahren verbliebene Abschnitt im Wesentlichen unverändert geblieben. Die Rücknahme beschränkt sich in der Sache auf eine Verkürzung der planfestzustellenden Leitung. Die nachträgliche Abschnittsbildung berührt zudem weder erstmals noch stärker den Aufgabenbereich einer Behörde oder Vereinigung nach § 73 Abs. 4 Satz 5 VwVfG NRW noch Belange Dritter. In der Sache handelt es sich um eine nach § 73 Abs. 8 VwVfG zu beurteilende Änderung des Planentwurfs (vgl. zum Fall einer nachträglichen Abschnittsbildung durch die Planfeststellungsbehörde: BVerwG, Gerichtsbescheid vom 6. März 2002 - 9 A 6.01 - juris Rn. 27; ferner zu § 73 Abs. 8 VwVfG: BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 ≪145≫ und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 29).
Rz. 30
Das Wahlrecht nach § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 EnLAG erfasst das Leitungsvorhaben in der Gestalt, wie es im Zeitpunkt der Rechtsänderung, mithin am 31. Dezember 2015 verfahrensgegenständlich war; eine Ausübung des Wahlrechts nur für einen Teil des Vorhabens lässt § 2 Abs. 4 EnLAG ausweislich seines Wortlauts nicht zu. Hiervon zu trennen ist, ob die nachträgliche Abschnittsbildung als solche zulässig war. Das ist indessen eine Frage der Abwägung.
Rz. 31
b) Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde gegen eine Erdverkabelung im Bereich der klägerischen Grundstücke (PFB S. 147, 259 ff.) ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte war nicht befugt, von der Beigeladenen gegen deren Willen die Errichtung und den Betrieb eines Erdkabels zu verlangen.
Rz. 32
Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt § 2 Abs. 2 EnLAG a.F. abschließend, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95) die Planfeststellungsbehörde bei einem Pilotvorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. vom Vorhabenträger Errichtung und Betrieb eines Erdkabels gegen dessen Willen verlangen kann (BVerwG, Urteil vom 3. April 2019 - 4 A 1.18 - BVerwGE 165, 166 Rn. 41). Ist das zur Planfeststellung gestellte Projekt kein Pilotvorhaben, ist ein solches Verlangen ausgeschlossen. Es kann auch nicht auf das Abwägungsgebot des § 43 Abs. 3 EnWG gestützt werden (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 4 VR 7.19 u.a. - ZNER 2020, 438 = juris Rn. 104). Dass der Planfeststellungsbeschluss eine Erdverkabelung (auch) auf der Abwägungsebene ausführlich prüft und ablehnt (PFB S. 259 ff.), ist angesichts dessen zwar überschießend, aber unschädlich.
Rz. 33
2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen die unter 8.2-4 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 2017 S. 207; "LEP NRW") getroffenen Regelungen.
Rz. 34
a) Die Klägerin zu 2 kann sich - im Unterschied zum Kläger zu 1 - schon nicht auf die zielförmige Festlegung 8.2-4 berufen, denn diese besitzt keine drittschützende Wirkung. Nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschlüsse vom 24. April 1992 - 4 NB 36.91 - juris Rn. 10 und vom 30. August 1994 - 4 NB 31.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 77 = juris Rn. 8) begründen die Ziele der Raumordnung zwar ausweislich des § 4 Abs. 4 ROG a.F. und des § 1 Abs. 4 BauGB Beachtens- bzw. Anpassungspflichten der in diesen Vorschriften bezeichneten Stellen. Der Einzelne kann aus ihnen aber für sich keine Rechte herleiten. Dass das im vorliegenden Fall gegebenenfalls anders sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Rz. 35
b) Der Planfeststellungsbeschluss verstößt inhaltlich nicht gegen den LEP NRW, namentlich gegen dessen zielförmige Festlegung 8.2-4. Danach sind neue Höchstspannungsfreileitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 220 kV und mehr, die nicht unmittelbar neben einer bestehenden Hoch- oder Höchstspannungsleitung errichtet werden, so zu planen, dass u.a. ein Abstand von 200 m zu Wohngebäuden eingehalten wird, die im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB liegen. In den Erläuterungen des LEP NRW zur zielförmigen Festlegung 8.2-4 heißt es dabei u.a. (S. 109), dass grundsätzlich die Bündelung von Höchstspannungsfreileitungen mit vorhandener Bandinfrastruktur als raumverträglichste Lösung anzusehen sei, da hierdurch eine zusätzliche Zerschneidung des Raumes vermieden werde (siehe Grundsatz 8.2-1). Existierten bei einer neuen Höchstspannungsfreileitung keine Bündelungsoptionen, müsse eine neue, raumverträgliche Trasse geplant und festgelegt werden. In diesem Fall sei das Ziel 8.2-4 zu beachten. Zudem seien unter neuen Trassen für neue Höchstspannungsfreileitungen im Sinne dieses Ziels nur solche neuen Trassen zu verstehen, für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Landesentwicklungsplans noch kein Planfeststellungsverfahren begonnen worden sei.
Rz. 36
Vorliegend wurde das Planfeststellungsverfahren mit Antrag vom 16. Dezember 2013 eingeleitet, womit es sich bei dem planfestgestellten Leitungsabschnitt jedenfalls um keine neue Trasse im Sinne der zielförmigen Festlegung 8.2-4 handelt, weil der LEP NRW erst am 8. Februar 2017 in Kraft getreten ist. Damit musste diese zielförmige Festlegung nicht beachtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 24). Das sieht der Planfeststellungsbeschluss richtig (PFB S. 155).
Rz. 37
Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers zu 1 greifen nicht durch. Die Erläuterungen zu den Zielen und Grundsätzen des LEP NRW sind ebenso Bestandteil des Landesentwicklungsplans wie die Ziele und Grundsätze selbst und in gleicher Weise vom Verordnungsgeber verantwortet. Sie sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Auslegung und Anwendung der Grundsätze und Ziele. Der Ansicht, die Erläuterungen verstießen gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, da sie die Anwendung der vom Verordnungsgeber selbst normierten Vorsorgemaßnahmen gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die von der Höchstspannungsfreileitung ausgehenden Immissionen ausschlössen, ist nicht zu folgen. Zum einen ist der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht durch die in der 26. BImSchV normierten Grenzwerte genüge getan (vgl. dazu sogleich). Zum anderen steht es einem Normgeber grundsätzlich frei, den Geltungsanspruch einer von ihm verantworteten Norm partiell, insbesondere zeitlich einzuschränken.
Rz. 38
3. Das Immissionsschutzrecht ist beachtet.
Rz. 39
Das planfestgestellte Vorhaben unterliegt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Betreiberpflichten folgen damit aus § 22 BImSchG.
Rz. 40
a) Der Betreiberpflicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG wird jedenfalls dann genügt, wenn der Betrieb keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG auf das von den Klägern bewohnte Gebäude hervorruft. Das ist hier der Fall.
Rz. 41
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV sind Niederfrequenzanlagen, die nach dem 22. August 2013 errichtet werden, zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben, dass sie bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung in ihrem Einwirkungsbereich an Orten, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, die im Anhang 1a der 26. BImSchV genannten Grenzwerte nicht überschreiten, wobei Niederfrequenzanlagen mit einer Frequenz von 50 Hertz die Hälfte des in Anhang 1a genannten Grenzwertes der magnetischen Flussdichte nicht überschreiten dürfen. Damit betragen die maßgeblichen Grenzwerte für die planfestgestellte Leitung für die elektrische Feldstärke 5 kV/m und für die magnetische Flussdichte 100 µT.
Rz. 42
Wie der von der Beigeladenen vorgelegten "Betrachtung elektrischer und magnetischer Felder für das Klageverfahren Dr. M. im Projekt 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Gütersloh - Lüstringen, Bl. 4210" vom 26. Februar 2020 zu entnehmen ist, verschlechtert sich zwar die Immissionssituation durch die 380-kV-Höchstspannungsfreileitung gegenüber der Bestandsleitung. Mit maximal möglichen Werten im Bereich der Hoffläche des klägerischen Grundstücks in 1 m über der Erdoberkante von 1,0 kV/m und 17,5 µT (beim Wohnhaus betragen die Werte 0,1 kV/m und 7,5 µT) werden die maßgeblichen Grenzwerte von 5 kV/m und 100 µT aber deutlich unterschritten. Dabei ist zu beachten, dass bei den berechneten Werten die Abschirmung des elektrischen Feldes durch Bäume, Bewuchs und Gebäude nicht berücksichtigt worden ist, es sich somit um eine worst-case-Betrachtung handelt.
Rz. 43
Die Grenzwerte der 26. BImSchV sind verfassungsgemäß (stRspr, BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 51 f., vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 188, vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 87 und vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 44). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die Kläger zeigen keine neuen Aspekte oder wissenschaftlichen Erkenntnisse auf, die eine Überprüfung dieser Rechtsprechung erforderlich machen.
Rz. 44
b) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Da der planfestgestellte Leitungsabschnitt keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG an dem von den Klägern bewohnten Gebäude hervorruft, sind auch die Vorgaben des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG erfüllt.
Rz. 45
c) Dass die Vorgaben des Minimierungsgebotes nach § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV nicht beachtet sein könnten, legt die Klage nicht dar.
Rz. 46
III. Die Abwägungsentscheidung hält der gerichtlichen Kontrolle stand.
Rz. 47
Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 ≪63 f.≫ und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73).
Rz. 48
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass der nordrhein-westfälische Teil der Höchstspannungsleitung Wehrendorf - Gütersloh nachträglich in zwei Planungsabschnitte aufgeteilt und vorliegend nur der Teil zwischen der Umspannanlage Gütersloh und dem Punkt Halle/Hesseln planfestgestellt worden ist.
Rz. 49
a) Die Zulässigkeit einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung, die eine richterrechtliche Ausprägung des Abwägungsgebots darstellt (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 50 und Beschluss vom 29. November 1995 - 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 S. 17 = juris Rn. 6 m.w.N.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich anerkannt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sein können, die Planfeststellungsbehörde ein planerisches Gesamtkonzept häufig nur in Teilabschnitten verwirklichen kann. Dritte haben deshalb grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Jedoch kann eine Abschnittsbildung Dritte in ihren Rechten verletzen, wenn sie deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, oder wenn ein dadurch gebildeter Abschnitt der eigenen sachlichen Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung entbehrt (BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 ≪242 f.≫, vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 ≪14 f.≫ jeweils m.w.N. und vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - a.a.O.). Zudem dürfen nach einer summarischen Prüfung der Verwirklichung des Gesamtvorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vorneherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 26).
Rz. 50
b) Nach diesen Vorgaben ist die durch die Beigeladene vorgenommene (nachträgliche) Abschnittsbildung nicht zu beanstanden; das sieht der Planfeststellungsbeschluss richtig (S. 270 f.). Im Planfeststellungsverfahren wurde zur Abschnittsbildung darauf verwiesen, dass die nordrhein-westfälischen Leitungsabschnitte mit dem Umspannwerk Halle/Hesseln einen neuralgischen Punkt ("Flaschenhals") aufweisen würden (vgl. Ergebnisniederschrift zum Erörterungstermin vom 21. November 2017, S. 13 ff.). Der Planfeststellungsbeschluss greift diesen Aspekt auf. Während das Übertragungsnetz nördlich von Wehrendorf sowie südlich und westlich von Gütersloh über 380-kV-Leitungen mit zwei oder zumindest einem Stromkreis verfüge, gebe es zwischen Gütersloh und Wehrendorf nur eine 220-kV-Höchstspannungsfreileitung, die zudem zwischen Gütersloh und Lüstringen anders als zwischen Wehrendorf und Lüstringen nur einen einzigen Stromkreis aufweise. Rein leistungsmäßig könne dieser Engpass zwar auch über Verkabelungen beseitigt werden. Nur der eine 220-kV-Stromkreis versorge aber die Umspannanlage Halle/Hesseln und das gesamte an sie angebundene Verteilnetz mit Energie. Um diese Versorgung nicht zu unterbrechen, müsse die Umspannanlage ständig zumindest von einer Seite, d.h. entweder von Gütersloh oder von Lüstringen aus, an das Übertragungsnetz angebunden bleiben. Dies gelte auch während des Rückbaus der vorhandenen 220-kV-Leitung, was zur Folge habe, dass der Rückbau der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Gütersloh und Halle/Hesseln einerseits sowie zwischen Halle/Hesseln und Lüstringen in Niedersachsen andererseits zeitlich entkoppelt werden müsse. Nördlich von Hesseln könne erst gebaut werden, wenn Hesseln neu an Gütersloh angeschlossen sei. Alternativ müsse der Neubau zwischen Gütersloh und Halle/Hesseln warten, bis er zwischen Halle/Hesseln und Lüstringen durchgehend fertiggestellt sei (PFB S. 265). Diese Erwägungen sind tragfähig. Substantiierte Einwände haben die Kläger hiergegen nicht erhoben.
Rz. 51
Die nachträgliche Abschnittsbildung vereitelt auch den Rechtsschutz der Kläger nicht. Diese können ihre Rechte in jedem Abschnitt uneingeschränkt geltend machen, auch soweit die Gesamtplanung betroffen ist, denn die Planung muss in jedem Abschnitt, insbesondere in dem die Kläger besonders störenden Verlauf der Leitung in der Bestandstrasse zwischen Mast 28 und 29, dem Einwand standhalten, dass eine andere Planungsvariante bei einer auf die Gesamtplanung bezogenen Betrachtung gegenüber dem der Planfeststellung zugrunde liegenden Planungskonzept vorzugswürdig ist (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 27 m.w.N.). Dass die vorgenommene nachträgliche Abschnittsbildung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, wird von den Klägern nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
Rz. 52
Dem planfestgestellten Leitungsabschnitt fehlt nicht die sachliche Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung, denn er ist Bestandteil der Höchstspannungsleitung Nr. 16 der Anlage zum EnLAG, für deren Verwirklichung ein vordringlicher Bedarf besteht (§ 1 Abs. 1 EnLAG a.F.). Darauf, ob der planfestgestellte Leitungsabschnitt eine selbständige Versorgungsfunktion besitzt, kommt es nicht an (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 28).
Rz. 53
Der Verwirklichung des Vorhabens stehen schließlich auch keine absehbar unüberwindlichen Hindernisse entgegen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insofern eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils. Die Ersatzneubautrasse soll in Nordrhein-Westfalen sowohl im ersten als auch im zweiten Abschnitt (das ist der zurückgenommene Teil) grundsätzlich in bestehender Trasse und damit in einem vorbelasteten Raum verwirklicht werden. Das gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang für den zweiten Abschnitt eine Erdverkabelung in Betracht kommt (PFB S. 86). Die Rüge der Kläger, werde der zweite Teilabschnitt als Erdkabel verwirklicht, handele es sich nicht mehr um eine einheitliche Leitung, liegt mit Blick auf § 2 Abs. 1 EnLAG a.F., der auch schon bei vor dem 31. Dezember 2015 eingeleiteten Planfeststellungsverfahren für bestimmte Höchstspannungsfreileitungen eine Teilerdverkabelung zugelassen hat, fern.
Rz. 54
2. Der Planfeststellungsbeschluss entscheidet sich ohne durchgreifenden Rechtsfehler für den planfestgestellten Verlauf der Leitungen, insbesondere erweist sich die Ablehnung einer kleinräumigen Verschwenkung im Bereich der Grundstücke der Kläger (Masten 28 und 29) nicht als abwägungsfehlerhaft.
Rz. 55
Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung, deren Ausgangspunkt die vom Vorhabenträger zur Planfeststellung gestellte Trasse ist. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 ≪11≫, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und zuletzt vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 66).
Rz. 56
Der Planfeststellungsbeschluss handelt unter Nr. 7.12.3.2 (Einwendung 1; PFB S. 328 f.) die individuellen Einwendungen der Kläger ab. Danach stünden der geforderten Abstandsvergrößerung zum Wohnhaus des Klägers zu 1 durch eine Verschwenkung der Leitungstrasse zwischen den Maststandorten 26 und 29/südlich des Maststandortes 29 das Naturschutzgebiet GT-038 "Foddenbach-Landbach", das ca. 400 m südlich des Gebäudes von der Leitung an zwei Stellen gequert werde, sowie das zu diesem Naturschutzgebiet gehörende gesetzlich geschützte und einmal zu querende Biotop (G)BT-3916-022-8 am Landbach entgegen. Denn die geforderte Verschwenkung der Leitung verlagere die Querung des Naturschutzgebietes und des gesetzlich geschützten Biotops weiter nach Osten an einen bislang unvorbelasteten Bereich innerhalb des Naturschutzgebietes und des Biotops und vergrößere die Beeinträchtigungen dieser geschützten Bereiche u.a. durch Eingriffe in dort vorhandene Ufergehölze zur Anlegung des Schutzstreifens. Gleichzeitig ginge die Entlastung des Wohngebäudes des Klägers zu 1 zu Lasten eines Wohngebäudes auf der gegenüberliegenden Seite der Leitungstrasse (PFB S. 329). Mit diesen Erwägungen setzen sich die Kläger nicht ansatzweise auseinander, insbesondere legen sie nicht dar, dass sich eine andere Leitungsführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde. Sie berücksichtigen zudem nicht, dass die planfestgestellte Leitung im Bereich ihrer Grundstücke vollständig in der Bestandstrasse der (auch mit dieser Netzspannung betriebenen) 220-kV-Höchstspannungsfreileitung (Bl. 2310) verläuft, womit eine entsprechende Vorbelastung besteht (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35), und in diesem Bereich beidseitig von Wald eingesäumt ist.
Rz. 57
Unklar bleibt der weitere Vortrag, durch eine Verschiebung der Leitung könne eine Entlastung des (vermeintlich) ökologisch wertvollen und von der Klägerin zu 2 gepachteten Flurstücks... (Magerrasen) erreicht werden. Nach dem in den Aufstellungsvorgängen befindlichen umweltfachlichen Gutachten (Aktualisierung der Bestandsaufnahme 2017 für den Abschnitt UA Gütersloh - Hesseln, Schutzgut Pflanzen, Bestand Biotoptypen, Stand: 14. Juni 2018, Deckblatt 2, Ordner 3 von 3, Anlage 13 Umweltstudie, Blätter Nr. 07 und 08) handelt es sich bei der Fläche jedenfalls um kein gesetzlich geschütztes Biotop (§ 30 BNatSchG). Zudem mangelt es an jeglicher Darlegung, inwiefern die ggf. schützenswerte Teilfläche durch eine Überspannung und die Ausweisung eines Schutzstreifens beeinträchtigt werden könnte. Bei einer Magerrasenfläche ist das im Übrigen auch schwer vorstellbar.
Rz. 58
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 und 2 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.
Fundstellen
Dokument-Index HI14709668 |