Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagefrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wiedereinsetzung von Amts wegen. Ermessensentscheidung. Klagebefugnis des Miterben. nicht beanspruchte Vermögenswerte. nicht bekannte oder nicht auffindbare Miteigentümer oder Miterben. Aufgebotsverfahren. Aufgebotsfrist. nachträgliche Meldung. Ausschlussbescheid. Bestandskraft. Ausschlussurteil. Entschädigungsfonds
Leitsatz (amtlich)
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO ist keine Ermessensentscheidung.
Ein Bescheid nach § 15 Abs. 3 GBBerG, mit dem sämtliche Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft mit ihren Rechten an einem Nachlassgegenstand ausgeschlossen werden, kann von jedem einzelnen Miterben nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB angefochten werden.
Im Verfahren nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EntschG i.V.m. § 15 GBBerG sind alle Anmeldungen zu berücksichtigen, die bis zur Bestandskraft des Ausschlussbescheides eingegangen sind.
Normenkette
VwGO § 60 Abs. 1, 2 Sätze 3-4, Abs. 3, § 74 Abs. 1; VwZG a.F. § 15 Abs. 2, 3 S. 2; EntschG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 12 Abs. 1 S. 1; GBBerG § 15 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 2-5; ZPO §§ 951, 957 Abs. 2; BGB § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2; VermG § 36 Abs. 4 S. 1; HypAblV a.F. § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 04.08.2005; Aktenzeichen 1 K 2643/03) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. August 2005 wird geändert.
Der Bescheid des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 16. Juni 2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich als Miterbin der früheren Eigentümerin eines Grundstücks in Falkensee gegen den Ausschluss der Rechtsnachfolger der Grundstückseigentümerin mit ihren Rechten an diesem Vermögenswert.
Die Klägerin ist ausweislich eines gemeinschaftlichen Erbscheins zu 1/4 Erbin ihrer 1974 kinderlos verstorbenen Großtante. Die Erblasserin war eingetragene Eigentümerin eines ehemals staatlich verwalteten Grundstücks in Falkensee. Da ihr Aufenthalt unbekannt war, bestellte der Landkreis Havelland im Jahre 1995 die Stadt Falkensee gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 des Vermögensgesetzes – VermG – zu ihrem gesetzlichen Vertreter.
Nachdem Nachforschungen des Landkreises und – später – des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen lediglich die letzte Wohnanschrift der Eigentümerin und ihre und ihres Ehemannes Sterbedaten, jedoch keine Angaben über etwaige Erben ergeben hatten, leitete das Bundesamt auf Antrag des Landkreises ein Aufgebotsverfahren nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Entschädigungsgesetzes – EntschG – i.V.m. § 15 des Grundbuchbereinigungsgesetzes – GBBerG – ein und veröffentlichte das Aufgebot im Bundesanzeiger vom 29. Dezember 2001 mit der Aufforderung an die Berechtigten oder ihre Rechtsnachfolger, sich bis zum 29. Dezember 2002 zu melden, und der Ankündigung, dass nach Ablauf der Frist die Berechtigten mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen würden.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 16. Juni 2003 wurden die unbekannten Rechtsnachfolger der eingetragenen Grundstückseigentümerin mit ihren Rechten an dem Grundstück ausgeschlossen, weil sich keine Erben gemeldet hatten. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass das Eigentum an dem Grundstück auf die Beklagte – Entschädigungsfonds – übergehe. Der Bescheid wurde am 24. Juni 2003 öffentlich bekannt gemacht.
Am 4. August 2003 wandte sich die Klägerin fernmündlich an das Bundesamt, wies auf ihr Verwandtschaftsverhältnis zur Grundstückseigentümerin hin und gab an, zur Erbengemeinschaft nach dieser zu gehören. Auf ihre Frage nach ihren rechtlichen Möglichkeiten wurde sie darüber belehrt, bis zum 15. August 2003 Klage gegen den Ausschlussbescheid erheben zu können.
Am 11. August 2003 meldete die Klägerin beim Bundesamt vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks an. Am selben Tage hat sie beim Verwaltungsgericht Klage auf Aufhebung des Ausschlussbescheides erhoben und im Laufe des Verfahrens den zwischenzeitlich erteilten Erbschein vorgelegt. Sie hat sich darauf berufen, bis zur Bestandskraft des Ausschlussbescheides ihr Erbrecht geltend machen zu können, weil nach § 15 Abs. 3 Satz 5 GBBerG erst der bestandskräftige Ausschlussbescheid die Wirkungen eines Ausschlussurteils habe. Im Übrigen sei der Ausschlussbescheid rechtswidrig, weil die Behörde nicht den ihr nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GBBerG obliegenden Ermittlungspflichten nachgekommen sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die nachträgliche Meldung der mittlerweile als Erbin ausgewiesenen Klägerin den Ausschluss nicht rechtswidrig mache. Zunächst spreche einiges dafür, dass der Ausschlussbescheid bestandskräftig geworden sei, weil er nach § 41 Abs. 4 Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekanntgegeben gelte. Im Übrigen habe mit dem durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle eingeführten behördlichen Aufgebotsverfahren nach § 15 GBBerG keineswegs der Erhalt von Rechten über den Erlass des Ausschlussbescheides hinaus erreicht werden sollen. Auch die durch das Grundstücksrechtsänderungsgesetz vom 2. November 2000 in § 15 Abs. 3 Satz 2 GBBerG eingeführte Ermächtigung zur Setzung einer Nachfrist für den Nachweis der Berechtigung belege überdeutlich, dass eine rechtserhebliche Anmeldung nur vor Erlass des Ausschlussbescheides möglich sei. Die in § 15 Abs. 3 Satz 5 GBBerG vorgenommene Gleichsetzung des bestandskräftigen Ausschlussbescheides mit einem Ausschlussurteil mache die Bestandskraft des Bescheides nicht zur Voraussetzung eines wirksamen Ausschlusses, sondern beschreibe nur die Rechtsfolgen eines bestandskräftigen Ausschlusses. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen sei. Zwar treffe es zu, dass man ausgehend von der eingetragenen Eigentümerin auch die Erben zweiter Ordnung hätte ermitteln können. Dafür habe hier jedoch keine Veranlassung bestanden. Um eine endlose Erbenermittlung zu verhindern, könne nur das geboten sein, was auf Grund vorliegender Erkenntnisse hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche. Weitere Ermittlungen seien hier nicht geboten gewesen, weil nicht nur eigene Nachforschungen der Behörde sowie ein Aufgebotsverfahren erfolglos geblieben seien, sondern auch ein professioneller Erbenermittler nach Ablauf der Ausschlussfrist mitgeteilt habe, dass erbberechtigte Personen nicht feststellbar seien. Belegt werde dies im Nachhinein durch die von der Klägerin selbst geschilderten Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Erbscheins und dem Umstand, dass eine Erbenlinie nach Aktenlage noch heute unbekannt sei.
Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beanstandet nach wie vor, dass sich die Behörden – abweichend von den insoweit aktenwidrigen Feststellungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils – nicht nach eventuellen Erben, sondern nur nach Kindern der Erblasserin erkundigt hätten. Daneben bekräftigt sie ihren Standpunkt, dass infolge der Regelung des § 15 Abs. 3 Satz 5 GBBerG der Ausschlussbescheid erst mit seiner Bestandskraft seine rechtsgestaltende Wirkung entfalte. Der Bedeutung des Erbrechts werde nur eine Gesetzesauslegung gerecht, die dem materiellen Recht Vorrang vor Formalien und Verfahrensgängen einräume.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, und vertritt die Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Klage bereits als unzulässig hätte abweisen können, weil die Klägerin die Klagefrist versäumt habe. Die Behörden hätten auch nicht ihre Ermittlungspflicht verletzt; denn die zu Gebote stehenden Mittel zur Feststellung der Erben, also die Mittel, die hinreichend Aussicht auf Erfolg versprochen hätten, seien ausgeschöpft worden. Nach Ablauf der Ausschlussfrist sei eine Anfechtung des Ausschlussbescheides nur noch unter den Voraussetzungen des § 957 Abs. 2 ZPO möglich. Dies bedeute, dass ab Erlass des Ausschlussbescheides materielle Einwendungen unzulässig seien. Die Ausschlussfrist hätte ebenso wie ein darauf folgender Ausschlussbescheid keinen Sinn, wenn dem vermeintlich Berechtigten dennoch alle Möglichkeiten zur Geltendmachung seines materiellen Anspruchs verblieben.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht; denn es beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 5 GBBerG. Bei richtigem Verständnis dieser Norm hätte die Klage Erfolg haben müssen, weil die Klägerin und die übrigen Miterben der früheren Eigentümerin nicht mit ihren Rechten an dem umstrittenen Grundstück hätten ausgeschlossen werden dürfen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts muss daher gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO geändert und der angefochtene Bescheid aufgehoben werden.
1. Einem Erfolg der Klage steht zunächst nicht entgegen, dass sie erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden ist; denn der Klägerin muss insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Da der Ausschlussbescheid gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 und 4 GBBerG i.V.m. § 5 Abs. 1 der Hypothekenablöseverordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Juni 1994 (BGBl I S. 1253) – HypAblV a.F. – und § 15 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2006 geltenden Fassung – VwZG a.F. – am 24. Juni 2003 öffentlich bekanntgemacht worden ist, gilt er nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG a.F. als nach Ablauf von zwei Wochen, also als mit Ablauf des 8. Juli 2003 zugestellt. Da ein Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 EntschG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 des Vermögensgesetzes – VermG – nicht stattfindet, hätte demgemäß spätestens am 8. August 2003 Klage erhoben werden müssen, um die Anfechtungsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO zu wahren. Erhoben worden ist sie aber erst am 11. August 2003 und damit außerhalb der Klagefrist.
Die Klage ist dennoch nicht unzulässig, weil die Klägerin einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO hat. Dieser Anspruch ergibt sich daraus, dass ihr das Bundesamt ausweislich eines in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Vermerks die fehlerhafte Auskunft gegeben hat, die Klagefrist ende erst am 15. August 2003. Die Klägerin war daher im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert, die Klage rechtzeitig zu erheben. Da sie die versäumte Rechtshandlung binnen der zweiwöchigen Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nachgeholt hat, ist ihr die Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 3 VwGO von Amts wegen zu gewähren; denn die Tatsachen, die den Wiedereinsetzungsanspruch begründen, waren und sind offensichtlich. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, bei der Wiedereinsetzung von Amts wegen handele es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 18); der Senat folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Die “Kann”-Formulierung des § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO will die Wiedereinsetzung nicht in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellen; vielmehr handelt es sich um eine Ermächtigung, bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 60 Rn. 66; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 60 Rn. 131 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 24), der ein entsprechender Anspruch des Betroffenen korrespondiert. Für Ermessenserwägungen gibt es dabei aus rechtsstaatlicher Sicht keinen Raum; denn die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs kann keine Frage richterlichen Ermessens sein. Der Wiedereinsetzung steht auch nicht die Jahresfrist des § 60 Abs. 3 VwGO entgegen; denn diese hindert nur einen Antrag auf Wiedereinsetzung, nicht aber eine Wiedereinsetzung von Amts wegen; andernfalls hinge die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme davon ab, wann sich das Verwaltungsgericht erstmals intensiv mit der anhängigen Sache beschäftigt und den Wiedereinsetzungsgrund “entdeckt”. Schließlich ist auch die Bewilligung der Wiedereinsetzung durch den Senat als Revisionsgericht unproblematisch, weil es sich um eine Rechtsentscheidung handelt, deren Voraussetzungen nach dem Akteninhalt ohne weiteres vorliegen (vgl. Czybulka, a.a.O. Rn. 139 m.w.N.).
2. Die Klägerin ist auch befugt, den Ausschlussbescheid in vollem Umfang zum Gegenstand ihrer Anfechtungsklage zu machen, obwohl sie nur eine der Erben der Grundstückseigentümerin ist, die in ihrer Gesamtheit mit ihren Rechten an dem Grundstück ausgeschlossen worden sind. Zwar steht die Verwaltung des Nachlasses nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB den Erben gemeinschaftlich zu. Die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln, zu denen Rechtsbehelfe gegen den Entzug von Nachlassgegenständen zählen, darf jedoch nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen (Beschluss vom 20. Oktober 1997 – BVerwG 7 B 248.97 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 33). Aus dem Umstand, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EntschG seit seiner Änderung durch das Entschädigungsrechtsänderungsgesetz vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) auch den Ausschluss der Rechte einzelner Miteigentümer oder Miterben kennt, ergibt sich für die Klagebefugnis des einzelnen Miterben aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB jedenfalls dann nichts anderes, wenn sich die Maßnahme – wie hier – gegen die Erbengemeinschaft insgesamt richtet, also nicht einzelne Mitglieder der Erbengemeinschaft gegen den Entschädigungsfonds ausgetauscht werden, sondern der Nachlassgegenstand der Sache nach vollständig dem Erbe entzogen wird. Ein solcher Fall ist ohne weiteres der Restitution eines Nachlassgegenstandes vergleichbar, gegen die sich auch einzelne Miterben nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB im Wege der Anfechtungsklage wehren können (Beschluss vom 20. Oktober 1997 a.a.O.).
3. Die somit zulässige Klage ist auch begründet; denn der Ausschluss der Rechtsnachfolger der eingetragenen Grundstückseigentümerin mit ihren Rechten an dem Grundstück ist rechtswidrig. Zwar hat die Klägerin ihre Erbenstellung erst nach Erlass des Ausschlussbescheides gemeldet und ihre und ihrer Miterben Berechtigung erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durch Vorlage eines gemeinschaftlichen Erbscheins nachgewiesen. Dennoch führt auch diese nachträgliche Meldung zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil dieser noch nicht in Bestandskraft erwachsen war und daher seine rechtsgestaltende Wirkung noch nicht entfaltet hatte.
Voraussetzung für den Erlass eines Ausschlussbescheides ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 GBBerG, dass sich der dinglich Berechtigte nicht innerhalb eines Jahres nach der ersten Veröffentlichung der Aufforderung im Bundesanzeiger gemeldet hat und keine Nachfrist nach Satz 2 dieses Absatzes gesetzt worden ist oder auch diese Nachfrist abgelaufen ist. Was zu geschehen hat, wenn der Berechtigte sich nach Ablauf der – gegebenenfalls verlängerten – Frist, aber vor Erlass des Ausschlussbescheides meldet, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Daraus zu schließen, nach Ablauf der Aufgebotsfrist eingehende Meldungen seien unbeachtlich, wäre jedoch verfehlt. Der Ablauf der Frist ist Mindestvoraussetzung für den Ausschluss. Weitere ungeschriebene Voraussetzung ist, dass auch bis zum Erlass des Bescheides keine Meldung des Berechtigten eingegangen und der Behörde der Berechtigte und sein Aufenthalt auch nicht auf andere Weise bekanntgeworden sind; denn der Ausschluss verlangt materiell die Nichtauffindbarkeit des Berechtigten. Von ihr darf zwar mit Fristablauf ausgegangen werden, jedoch nur solange, wie nicht nachträglich die erforderliche Kenntnis erlangt wird. Dementsprechend regelt auch § 951 ZPO für das gerichtliche Aufgebotsverfahren, das vor Einführung des behördlichen Verfahrens nach § 15 GBBerG auch in den Fällen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EntschG durchzuführen war, dass eine Anmeldung, die nach dem Schluss des Aufgebotstermins, jedoch vor Erlass des Ausschlussurteils erfolgt, als rechtzeitig anzusehen ist. Nur diese Regelung wird dem Zweck des Ausschlussverfahrens gerecht; denn es dient allein der baldigen Bereinigung der Eigentumsverhältnisse an früher staatlich verwalteten Vermögenswerten bei unbekannten Berechtigten oder Berechtigten unbekannten Aufenthalts (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2006 – BVerwG 3 B 176.05 – Buchholz 428.41 § 10 EntschG Nr. 4), nicht aber dazu, allein auf Grund Fristablaufs trotz zwischenzeitlich gewonnener Klarheit die offenbar gewordene Eigentumszuordnung zu ändern.
Im Ergebnis ebenso zu beantworten ist die hier maßgebliche Frage, welche rechtliche Wirkung eine erst nach Erlass des Ausschlussbescheides abgegebene Meldung des Berechtigten oder eine erst nach diesem Zeitpunkt auf anderem Wege erlangte Kenntnis der Behörde von dem Berechtigten hat. Selbst wenn in einem solchen Fall der Bescheid bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen sein sollte, weil die Aufgebotsfrist abgelaufen war und die Berechtigten trotz Nutzung der zu Gebote stehenden Mittel nicht bekannt oder auffindbar waren, wird er durch die nachträglich erlangte Kenntnis der Behörde rechtswidrig, solange er nicht in Bestandskraft erwachsen, also unanfechtbar geworden ist; denn nach § 15 Abs. 3 Satz 5 GBBerG hat erst der bestandskräftige Ausschlussbescheid die Wirkungen eines Ausschlussurteils. Das bedeutet, dass auch erst zu diesem Zeitpunkt die gestaltende Wirkung des Bescheides – der Ausschluss des Betroffenen – eintritt. Dies hat zur Folge, dass der Betroffene sich bis dahin auf seine Berechtigung berufen und sie auch im Anfechtungsprozess gegen den Ausschlussbescheid geltend machen kann.
Der Einwand der Beklagten, ein einmal erlassener Ausschlussbescheid könne wie ein Ausschlussurteil nur noch unter den Voraussetzungen des § 957 Abs. 2 ZPO angefochten werden, so dass materielle Einwände gegen den Bescheid bereits mit dessen Erlass unzulässig seien, verkennt Tragweite und Regelungsziel der gesetzlichen Gleichsetzung von Ausschlussurteil und bestandskräftigem Ausschlussbescheid, mit der die Ausschlusswirkung bewusst von der Bestandskraft des Ausschlussbescheides abhängig gemacht wird.
Als mit der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17. Dezember 1997 das verwaltungsbehördliche Ausschlussverfahren eingeführt wurde (Art. 2 Abs. 17 des Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften – BGBl I S. 3039), ist zugleich der Weg bestimmt worden, auf dem der Betroffene Rechtsschutz erlangen kann. Da der Ausschlussbescheid ein Verwaltungsakt ist, kann er, solange keine andere Rechtswegzuweisung getroffen worden ist, nur im Verwaltungsrechtsweg angegriffen werden, und er erwächst erst in Bestandskraft, wenn er nicht fristgerecht angefochten oder durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wird. Folgerichtig setzt die gesetzliche Parallelisierung zwischen Ausschlussurteil und Ausschlussbescheid ausdrücklich dessen Bestandskraft voraus. Dementsprechend kann es bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides auch keine Präklusion von Einwendungen geben, was ohnehin nicht mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren wäre. Ebenso wie nach § 951 ZPO Anmeldungen noch bis zum Erlass des Ausschlussurteils als rechtzeitig anzusehen sind, müssen daher im Bescheidverfahren Anmeldungen berücksichtigt werden, die bis zur Bestandskraft des Bescheides eingehen. Auch vor dem Hintergrund der Verfassungsgewährleistungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist es nicht gerechtfertigt, jemanden von seinen Rechten auszuschließen, von dessen Existenz und Aufenthalt die Behörde bis zum gesetzlich definierten Verfahrensabschluss – der Bestandskraft des Bescheides – Kenntnis erlangt hat.
Der angefochtene Bescheid ist mithin spätestens zu dem Zeitpunkt rechtswidrig geworden, als die Behörde durch die Mitteilung der Klägerin und die Vorlage des gemeinschaftlichen Erbscheins Gewissheit über die Erben der Grundstückseigentümerin gewonnen hat. Auf die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Behörde zuvor ihrer Ermittlungspflicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GBBerG genügt hat, kommt es daher nicht mehr an. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass es mehr als nahe gelegen hätte, anhand der Geburtsurkunde der Erblasserin zu versuchen, Erben zweiter Ordnung zu ermitteln, und sich nicht darauf zu verlassen, dass ein professioneller Erbenermittler nach eigenen Angaben erfolglos geblieben war; denn das hätte zumindest vorausgesetzt, dass Richtung und Umfang der Ermittlungen des Privaten bekannt waren. Dazu ist jedoch nichts festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen