Entscheidungsstichwort (Thema)
Beförderungsverbot. Zwangsgeldandrohung. mehrstufiges Vollstreckungsverfahren. Bestandskraft. abschichtende Wirkung der Bestandskraft. Wiederaufgreifen des Verfahrens. Verhältnismäßigkeit im Vollstreckungsrecht. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
- Bei der Vollstreckung eines behördlichen Beförderungsverbotes nach § 74 Abs. 2 AuslG ist die abschichtende Wirkung der Bestandskraft der Grundverfügung im Verhältnis zu den auf ihr beruhenden Vollstreckungsakten zu beachten.
- Sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Beförderungsverbots nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nachträglich entfallen, kann das betroffene Beförderungsunternehmen dessen Aufhebung im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG geltend machen. Erst nach erfolgreicher Durchführung dieses Verfahrens und Aufhebung des Beförderungsverbots wird die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig.
Normenkette
GG Art. 16a; Richtlinie 2001/51/EG Art. 4 Abs. 1; AuslG § 74 Abs. 2-3; VwVG § 9 Abs. 2, § 18 Abs. 1 S. 3; VwVfG § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.09.2003; Aktenzeichen 10 A 10967/03) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 11.11.2002; Aktenzeichen 3 K 41/02.KO) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. September 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine Airline, wendet sich gegen die Androhung von Zwangsgeld zur Durchsetzung des Verbots, Fluggäste ohne Pass und Visum nach Deutschland zu befördern.
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft türkischen Rechts. Sie befördert im Linienverkehr Passagiere von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Weil sie in den vergangenen Jahren immer wieder Fluggäste ohne Pass und Visum aus der Türkei nach Deutschland beförderte, erließ die Grenzschutzdirektion Koblenz zuletzt am 12. April 2000 – nach Abmahnung und Anhörung der Klägerin – eine Verbotsverfügung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG. Darin gab sie der Klägerin auf, Ausländer nicht ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente auf dem Luftweg nach Deutschland zu befördern (Ziff. 1) und drohte ihr für jeden Ausländer, den sie entgegen dem gesetzlichen Beförderungsverbot oder dieser Untersagungsverfügung nach Deutschland verbringe, ein Zwangsgeld von 4 000 DM an (Ziff. 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Klägerin sei es nicht gelungen, die Anzahl der vorschriftswidrig beförderten Ausländer dauerhaft zu reduzieren. Vielmehr sei in den zurückliegenden Monaten ein Anstieg der Verstöße festzustellen. Daher werde die im Dezember 1994 verfügte Zwangsgeldandrohung von 3 000 DM nunmehr auf 4 000 DM erhöht. Das Verwaltungsgericht hat mit rechtskräftigem Urteil vom 10. September 2001 (3 K 2935/00.KO) die gegen die Untersagungsverfügung (Ziff. 1 des Bescheides) gerichtete Klage zurückgewiesen, die Zwangsgeldandrohung (Ziff. 2 des Bescheides) hingegen aufgehoben. Daraufhin drohte die Grenzschutzdirektion der Klägerin mit Bescheid vom 27. September 2000 ein auf 3 000 DM reduziertes Zwangsgeld an. Auch diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 10. September 2001 (3 K 470/01.KO) auf.
Nunmehr drohte die Grenzschutzdirektion der Klägerin mit Bescheid vom 30. Mai 2001 auf der Grundlage der Untersagungsverfügung vom 12. April 2000 erneut ein Zwangsgeld in Höhe von jetzt nur noch 2 000 DM an. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin habe im 4. Quartal 2000 sowie im 1. Quartal 2001 jeweils 20 Ausländer, die nicht im Besitz der erforderlichen Grenzübertrittsdokumente gewesen seien, in die Bundesrepublik Deutschland befördert. Damit habe sie weiterhin in erheblichem Maße gegen das gesetzliche Beförderungsverbot und die Untersagungsverfügung verstoßen. Da sich insgesamt allerdings eine Tendenz der Reduzierung unerlaubter Beförderungen abzeichne, habe die Höhe des Zwangsgeldes nochmals herabgesetzt werden können. Weiter heißt es in dem Bescheid wörtlich:
“Eine Aufhebung der Untersagungsverfügung kann auf der Grundlage der ermittelten Beförderungszahlen an unvorschriftsmäßig ausgewiesenen Ausländern jedoch nicht in Betracht kommen. Hierzu bedarf es noch eines weiteren dauerhaften Rückganges um mindestens 25 %.”
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Grenzschutzdirektion mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 zurück. Die von der Klägerin erhobene Klage ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zwangsgeldandrohung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Grenzschutzdirektion habe sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 74 Abs. 2 AuslG gehalten, indem sie mit der Androhung eines Zwangsgeldes von 2 000 DM weiterhin auf die Klägerin habe einwirken wollen, damit diese ihre Kontrollpflichten sorgfältig wahrnehme und darauf achte, dass möglichst nur solche Passagiere in die Bundesrepublik Deutschland befördert würden, die im Besitz des für eine legale Einreise erforderlichen Passes und Visums seien. Die Grenzschutzdirektion habe zur Ermittlung des Beförderungsverhaltens der Klägerin alle festgestellten Verstöße gegen die Einreisebestimmungen zugrunde legen dürfen, die sie als grundsätzlich vermeidbar ansah. Nicht zu beanstanden sei ferner, dass sie im Hinblick auf das Gewicht und die Vorwerfbarkeit von Verstößen Fallgruppen gebildet und dabei der Beförderung von Passagieren ohne Visum und ohne zeitlich gültiges Visum einen besonders hohen Stellenwert beigemessen habe. Die für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids von der Grenzschutzdirektion ermittelten Gesamtzahlen unerlaubter Beförderungen und das Überwiegen leicht erkennbarer Verstöße gegen die Visumbestimmungen hierbei rechtfertigten die verfügte Androhung eines Zwangsgeldes (UA S. 21 f.). Die Zahlen und Prozentsätze stelle auch die Klägerin nicht in Frage (UA S. 20).
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht allein auf die Tatsache der unerlaubten Beförderung abgestellt, nicht aber geprüft, ob die Klägerin durch ein bestimmtes Tun oder Unterlassen die Untersagungsverfügung auch subjektiv missachtet habe. Die Klägerin setze an sämtlichen türkischen Flughäfen ein 50 Personen umfassendes Visa-Team ein, das die Reisepapiere der Passagiere kontrolliere. Solange sie mit geschultem Kontrollpersonal über die Einhaltung der Untersagungsverfügung wache und mit großem Erfolg Passagiere mit unzureichenden Reisepapieren von der Beförderung ausschließe (im Jahr 2001 allein 558 Personen), habe sie die ihr obliegende Pflicht zur Beachtung der Untersagungsverfügung erfüllt. Solange die Kontrollen grundsätzlich effektiv und erfolgreich seien, müsse das Beförderungsverbot als eingehalten angesehen werden, unabhängig davon, ob es einzelnen Passagieren pro Monat oder pro Quartal gelinge, die Kontrollen zu umgehen. § 74 AuslG fordere keine hundertprozentige Erfolgsquote bei der Verhinderung unerlaubter Beförderungen. Die Grenzschutzdirektion setze sich mit den im angefochtenen Bescheid aufgestellten Anforderungen auch in Widerspruch zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000. Dort werde nämlich in Ziff. 74.1.4.1 als geeignete Kontrollmaßnahme beispielhaft die “stichprobenweise Durchführung von Dokumentenkontrollen unmittelbar am Einstieg des Verkehrsmittels” erwähnt, hingegen würden keine zeitraubenden und umfassenden Kontrollen jedes einzelnen Reisenden gefordert. Das der Klägerin abverlangte Verhalten sei daher unverhältnismäßig. Aber selbst wenn man die Zwangsgeldandrohung allein aufgrund einzelner objektiv unerlaubter Beförderungen für zulässig halte, sei die Revision auch deshalb begründet, weil das Berufungsgericht die angeblichen Verstöße gegen die Untersagungsverfügung fehlerhaft ermittelt und damit seiner Entscheidung falsche Zahlen unerlaubter Beförderungen zugrunde gelegt habe. Denn das Berufungsgericht habe keinen Schwellenwert benannt, ab dem es den unerlaubten Beförderungen das für eine Zwangsgeldandrohung erforderliche Gewicht beimesse.
Das Berufungsgericht habe auch eine Bindung der Beklagten aufgrund der erteilten Zusage für den Fall einer Reduzierung der unerlaubten Beförderungen um mindestens 25 % zu Unrecht abgelehnt. Da die Beklagte die Entwicklung der Beförderungszahlen stets von Quartal zu Quartal bewertet habe und somit im 2. und 3. Quartal des Jahres 2001 eine Reduzierung gegenüber den angeblich vorwerfbaren Beförderungen im 1. Quartal um mehr als 25 % erreicht war, hätte die Zwangsgeldandrohung aufgehoben werden müssen. Die Reduzierung über einen Zeitraum von zwei Quartalen sei auch als dauerhaft anzusehen, so dass die Voraussetzungen der erteilten Zusage erfüllt gewesen seien. Außerdem bestreitet die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ermächtigung für Beförderungsverbote und Zwangsgelder.
Sie beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. September 2003 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. November 2002 zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 30. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2001 aufzuheben.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht. Die angefochtene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegen die Ermächtigungsnorm des § 74 Abs. 2 AuslG bestehen weder im Hinblick auf das bestandskräftige Beförderungsverbot noch im Hinblick auf die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung verfassungsrechtliche Bedenken. Insbesondere erweitert Art. 16a GG nicht die Betriebsrechte der Beförderungsunternehmen (vgl. hierzu Urteil vom 21. Januar 2003 – BVerwG 1 C 5.02 – BVerwGE 117, 332 ≪335≫ m.w.N.).
Im Übrigen entspricht die in § 74 Abs. 2 AuslG geregelte Ermächtigung zur Verhängung von Zwangsgeldern den Anforderungen von Art. 26 Abs. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 (SDÜ – BGBl II 1993, 1013), in dem sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer einzuführen, die Drittausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente befördern. In Ergänzung dieser Regelung wurde die Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 erlassen (ABl L 187 vom 10. Juli 2001, S. 45). Sie fordert in Art. 4 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten, wirksame finanzielle Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer vorzusehen, um der in Art. 26 Abs. 2 SDÜ übernommenen Verpflichtung zu entsprechen.
2. Die Zwangsgeldandrohung ist formell ordnungsgemäß aufgrund der Ermächtigung in § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG erlassen worden, insbesondere nach vorheriger Anhörung der Klägerin und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr. Entgegen der Auffassung der Revision lagen auch die materiellen Voraussetzungen für ihren Erlass vor.
a) Die Beklagte war nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ermächtigt, ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen ein – die allgemeine gesetzliche Pflicht nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AuslG konkretisierendes – Beförderungsverbot nach Nr. 1 dieser Bestimmung anzudrohen. Ein solches Verbot hatte die Beklagte am 12. April 2000 erlassen, das bestandskräftig geworden ist. Wegen der Bestandskraft kann die Revision mit ihren Einwänden gegen das Beförderungsverbot im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Das betrifft insbesondere die durch die Untersagungsverfügung allgemein festgelegte Pflichtenstellung der Klägerin und den Umfang ihrer daraus abgeleiteten Kontrollpflichten. Hält ein Beförderungsunternehmer die ihm abverlangten Pflichten für zu weitgehend oder fehlen aus seiner Sicht bereits die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Untersagungsverfügung, so hat er dies im Verfahren gegen das Beförderungsverbot geltend zu machen. Dringt er dort mit seinen Einwänden nicht durch, so kann er sich mit den gleichen Argumenten nicht erneut gegen die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld wenden. Vielmehr ist die abschichtende Wirkung der Bestandskraft der Grundverfügung (hier: Untersagungsverfügung) im Verhältnis zu den darauf beruhenden Vollstreckungsakten (hier: Zwangsgeldandrohung – Zwangsgeldfestsetzung – Zwangsgeldbeitreibung) zu beachten. Was im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens auf der vorangegangenen Stufe bestandskräftig entschieden ist, darf danach – ohne weitere Überprüfung der Rechtmäßigkeit bis hin zur Grenze der Nichtigkeit – unberücksichtigt bleiben. Denn die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Akte ist Bedingung für die Rechtmäßigkeit folgender Vollstreckungsakte (vgl. Urteil vom 13. April 1984 – BVerwG 4 C 31.81 – Buchholz 345 § 10 VwVG Nr. 4 = NJW 1984, 2591 ≪2592≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 – BayVBl 1999, 303 ≪304≫; Engelhardt/App, 6. Aufl., 2004, VwVG § 18 Rn. 6). Ist – wie hier – die Zwangsgeldandrohung nicht mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden und ist dieser unanfechtbar geworden, so bestimmt bereits § 18 Abs. 1 Satz 3 VwVG, dass die Zwangsgeldandrohung nur insoweit angefochten werden kann, als eine Rechtsverletzung gerade durch sie selbst behauptet wird. Sind die Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung nach deren Bestandskraft entfallen, kann das betroffene Beförderungsunternehmen deren Aufhebung regelmäßig nur im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG geltend machen. Erst nach erfolgreicher Durchführung dieses Verfahrens und Aufhebung der Grundverfügung wird die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig (vgl. hierzu Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 VwGO, Rn. 62; Erichsen/Rauschenberg, Jura 1998, 323 ≪323 f. zu Fn. 14≫).
b) Zu Unrecht sieht die Revision eine Rechtsverletzung darin, dass das Berufungsgericht allein die Tatsache der objektiv unerlaubten Beförderung von Ausländern durch die Beklagte als ausreichend für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung angesehen habe. Die Rechtsauffassung der Klägerin, wonach eine Zuwiderhandlung “im Sinne eines willensgesteuerten Ignorierens oder Rebellierens” erforderlich sei, findet im Gesetz keine Grundlage. Sie verkennt zudem den Charakter des Zwangsgeldes nach § 74 Abs. 2 AuslG als striktes Beugemittel ohne strafähnlichen Ahndungscharakter, den der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Januar 2003 (a.a.O., S. 337) hervorgehoben hat. Für seine Androhung und Festsetzung ist kein Verschulden des Beförderungsunternehmers erforderlich, wie dies die Revision der Sache nach sogar in der Form des Vorsatzes für geboten hält. Vielmehr dient die in § 74 Abs. 2 AuslG enthaltene Ermächtigung zur Androhung, Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeld ausschließlich der Vermeidung künftiger objektiver Rechtsverletzungen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 338). Voraussetzung für die Zwangsgeldandrohung ist nach § 74 Abs. 3 Satz 1 AuslG somit – wie für die Untersagungsverfügung – lediglich ein objektiver Verstoß gegen das Beförderungsverbot oder – falls noch kein Verstoß erfolgt ist – der begründete Verdacht eines künftig drohenden objektiv verbotswidrigen Handelns. Das Zwangsgeld wird in § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung angedroht. Eine “Zuwiderhandlung” im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ist jedoch – anders als die Revision meint – nicht Voraussetzung für den Erlass der Androhung.
3. Von dem ihr nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG eröffneten Ermessen hat die Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin, die sie bereits in den Vorinstanzen vorgebracht hat, greifen auch nach Ansicht des Senats nicht durch.
a) Die Zwangsgeldandrohung verstößt nicht gegen den vollstreckungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 9 Abs. 2 VwVG). Die Beklagte ist bei Erlass eines Beförderungsverbots grundsätzlich auch zur Androhung von Zwangsgeld befugt. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000 (AuslG-VwV) sieht dementsprechend vor, dass das Zwangsgeld zusammen mit der Verbotsverfügung angedroht werden soll (Nr. 74.2.2 AuslG-VwV). Soweit die Klägerin rügt, die Anforderungen der Beklagten an die Kontrollpflichten der Klägerin seien unverhältnismäßig, weil sie mit ihrem eigens für Kontrollen abgestellten Team von 50 Personen alles ihr Mögliche unternehme und auch eine beachtliche Zahl von Passagieren von der Beförderung ausgeschlossen habe, ohne jedoch eine hundertprozentige Erfolgsquote zu erreichen, kann sie derartige Einwände der Zwangsgeldandrohung nicht entgegensetzen. Die Zwangsgeldandrohung bezieht sich auf ein Beförderungsverbot, das so auszulegen ist, dass es keine objektiv unzumutbaren Anforderungen an die Beklagte stellt. Es erfasst vielmehr nur Verstöße durch Handlungen oder Unterlassungen, die bei gesetzeskonformer Auslegung des Verbots objektiv rechtswidrig erscheinen (Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 340). Sofern im Einzelfall unzumutbar überspannte, mit dem Gesetzeszweck unvereinbare Anforderungen an die Beachtung des Verbots nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG gestellt werden, kann die Klägerin Rechtsschutz hiergegen im Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung in Anspruch nehmen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 337). Die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung wird hiervon nicht berührt. Im Übrigen bleibt es der Klägerin – wie bereits ausgeführt – unbenommen, die Aufhebung des Beförderungsverbots zu verlangen, wenn sie meint, inzwischen alle gesetzlichen Anforderungen dauerhaft zu erfüllen. Auch der Höhe nach ist das nunmehr angedrohte Zwangsgeld zweifellos verhältnismäßig; es ist auf den gesetzlichen Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG beschränkt.
b) Zu Unrecht sieht die Revision einen Ermessensfehler darin, dass die Beklagte ihrer Entscheidung alle Fälle unerlaubter Beförderungen zugrunde gelegt hat und nicht nur diejenigen, die zum Erlass von Zwangsgeldbescheiden geführt haben. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 21. Januar 2003 ausgeführt, dass die Androhung von Zwangsgeldern gerade dazu dienen soll, den Beförderungsunternehmer zur Einhaltung der Pass- und Visumspflicht durch seine Passagiere “in jedem Einzelfall” anzuhalten (Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 339). Ein Zwangsgeld kann ohne weitere Differenzierung “für jeden Ausländer”, der verbotswidrig in die Bundesrepublik Deutschland gebracht wird, angedroht werden (Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 340). Die Beklagte brauchte sich zur Begründung ihres Vorgehens daher nicht auf die Verstöße der Klägerin zu beschränken, die zum Erlass von Zwangsgeldbescheiden geführt hatten. Das Berufungsgericht spricht insoweit missverständlich von “Vorwerfbarkeit” (UA S. 17), versteht das aber – wie seine weiteren Ausführungen zeigen – im Sinne einer objektiven Vermeidbarkeit für die Klägerin und nicht im Sinne von subjektivem Verschulden, auf das es nicht ankommt (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 337).
c) Ein Ermessensfehler liegt auch nicht darin, dass das Berufungsgericht – wie die Revision meint – einen Schwellenwert hätte benennen müssen, ab dem es den unerlaubten Beförderungen das für eine Zwangsgeldandrohung erforderliche Gewicht beimisst, um sodann zu prüfen, ob dieser Schwellenwert vermeidbarer Beförderungen auch tatsächlich überschritten ist. Einen ähnlichen Einwand der Klägerin hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Januar 2003 zurückgewiesen (Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 339 f.). Er hat dazu bemerkt, dass sowohl das Beförderungsverbot als auch die Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsgeldern nach dem Gesetzeszweck gerade dazu dienen sollen, den Beförderungsunternehmer zur Kontrolle der Einhaltung der Pass- und Visumspflicht in jedem Einzelfall anzuhalten. Damit wäre es unvereinbar, wenn ein bestimmter Prozentsatz unerlaubter Beförderungen von vornherein nicht mehr zum Anlass für ein verschärftes Vorgehen genommen werden dürfte.
d) Soweit die Revision einwendet, die Grenzschutzdirektion habe ihr Ermessen im Hinblick auf Nr. 74.1.4.1 AuslG-VwV fehlerhaft ausgeübt, weil dort keine zeitraubenden und umfassenden Einzelkontrollen der Passagiere verlangt, sondern mit der beispielhaften Erwähnung stichprobenweiser Dokumentenkontrollen – verglichen mit den Anforderungen der Beklagten an die Klägerin – wesentlich geringere Anforderungen gestellt würden, wendet sie sich in Wahrheit wiederum nur gegen das der Zwangsgeldandrohung zugrunde liegende Beförderungsverbot. Im Übrigen kann offen bleiben, ob sich die zitierten Ausführungen zu stichprobenweisen Kontrollen überhaupt auf Luftfahrtunternehmen beziehen (vgl. hierzu die Regelung für Luftfahrtunternehmen in Nr. 74.1.4.2 AuslG-VwV).
e) Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Verletzung einer verbindlichen Zusage im Bescheid vom 30. Mai 2001 berufen. Die in der Begründung enthaltenen Ausführungen dazu, dass eine Aufhebung der Untersagungsverfügung im Falle eines weiteren dauerhaften Rückgangs der unerlaubten Beförderungen um mindestens 25 % in Betracht komme, sind nicht als eine rechtlich verbindliche Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG zu verstehen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass sich die Beklagte im Falle des Rückgangs der unerlaubten Beförderungen um 25 % nicht zur Aufhebung der Untersagungsverfügung verpflichtet, sondern lediglich in Aussicht gestellt hat, dass eine solche “in Betracht komme”. Damit hat die Beklagte eine Voraussetzung für die Aufhebung benannt, ist aber keine Verpflichtung eingegangen. Außerdem sollte die Aufhebung nur im Falle eines “dauerhaften” Rückgangs der Zahl unerlaubter Beförderungen in Erwägung gezogen werden. Von der Dauerhaftigkeit des Rückgangs brauchte die Beklagte nicht schon – wie die Revision meint – aufgrund einer positiven Entwicklung in zwei Quartalen des Jahres 2001 ausgehen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Zahlen in den beiden folgenden Quartalen erneut deutlich angestiegen waren, und deswegen rechtsfehlerfrei eine Dauerhaftigkeit des Rückgangs verneint. Nach welcher Zeit allgemein eine dauerhaft rechtmäßige Beförderungspraxis anzunehmen wäre und welche Rechtsfolgen sich hieraus im Einzelnen ergeben würden, bedarf keiner weiteren Erörterung und Entscheidung.
Allerdings weist der Senat darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts zu beurteilen ist. Denn die Zwangsgeldandrohung entfaltet fortdauernde Rechtswirkungen; insoweit sind entscheidungserhebliche Veränderungen grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus dem Charakter des angedrohten Zwangsgeldes als Beugemittel. Entscheidungserhebliche Änderungen im Laufe des Gerichtsverfahrens gegen die Zwangsgeldandrohung können aber nicht auf bereits zuvor rechtmäßig erlassene und vollstreckte Zwangsgeldfestsetzungen zurückwirken (zur Unzulässigkeit nachträglicher Beitreibung vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 342). Im vorliegenden Fall berührt die fehlerhafte Beurteilung der Zeitpunktfrage durch das Berufungsgericht (UA S. 13 f.) die Richtigkeit seiner Entscheidung im Ergebnis nicht. Denn die Sach- und Rechtslage hätte sich nach dem Vorbringen der Klägerin nur dann entscheidungserheblich verändert, wenn zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht das behördliche Beförderungsverbot aufgehoben gewesen wäre, etwa als Ergebnis eines Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG. Das war jedoch nicht der Fall. Insofern bestand auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch die erforderliche vollziehbare Grundverfügung für den Erlass der Zwangsgeldandrohung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen
Haufe-Index 1348868 |
BVerwGE 2005, 293 |
DÖV 2005, 566 |
DVP 2005, 166 |
ZAR 2005, 129 |
AuAS 2005, 119 |
DVBl. 2005, 645 |
NordÖR 2005, 56 |
Polizei 2005, 88 |