Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 9 C 11571/04) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz – Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland – vom 25. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2 tragen die Kläger. Die Beigeladene zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
I
Die Kläger begehren eine Änderung des Flurbereinigungsplans Ernzen. Als Eigentümer von zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücken sind sie – ebenso wie der Beigeladene zu 2 – Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren.
Der Flurbereinigungsplan wies den Klägern als Abfindungsgrundstücke u.a. das – östlich an das ebenfalls den Klägern zugeteilte Abfindungsgrundstück Flurstück Flur … Nr. 2 anschließende – Flurstück Flur … Nr. 3 zu, das ihren Altbesitz in dieser Lage nur zu einem Teil abdeckt und darüber hinaus andere Flächen einbezieht. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und begehrten, dieses Abfindungsflurstück in östliche Richtung zu verschieben, damit es ihren gesamten, nach ihrer Ansicht besseren Altbesitz in dieser Lage umfasst.
Die Spruchstelle für Flurbereinigung wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die begehrte Verschiebung führe dazu, dass die beiden Abfindungsflurstücke Flur … Nrn. 2 und 3 der Kläger voneinander getrennt würden. Dazwischen entstehe ein neues, etwa 80 m breites Grundstück, das dem Beigeladenen zu 2 zugeteilt werden müsse. Dies sei unzweckmäßig und auch nicht durch Unterschiede in Bodenverhältnissen und Bewirtschaftbarkeit geboten. Nach den Ergebnissen der Wertermittlung lägen keine gravierenden Unterschiede vor.
Die hiergegen erhobene Klage der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen, hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz – Flurbereinigungsgericht – durch Urteil vom 25. Mai 2005 – abgesehen von der Zuerkennung eines zusätzlichen Geldausgleichs wegen einer Neumessungsdifferenz – als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Flurbereinigungsgericht ausgeführt: Die Kläger seien durch den Flurbereinigungsplan ermessensfehlerfrei mit Land von gleichem Wert abgefunden. Auch die Gestaltung der Landabfindung sei nicht zu beanstanden. Ein Abwägungsmangel bestehe nicht. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Abfindung mit ihren im Abfindungsflurstück Flur … Nr. 5 des Beigeladenen zu 2 aufgegangenen Einlageflächen. Soweit die Kläger geltend machten, bei den ihnen im Abfindungsflurstück Flur … Nr. 3 zugewiesenen Flächen, die nicht aus ihrem Altbesitz stammen, handele es sich nicht um ackerfähige Flächen, die auch falsch bewertet seien, müssten sie sich die unanfechtbaren Ergebnisse der Wertermittlung entgegenhalten lassen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Kläger seien auch nicht nachträglich zuzulassen, weil die Voraussetzungen einer Nachsichtgewährung nicht gegeben seien.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und machen darüber hinaus geltend, die Zuteilung widerspreche einer im Jahr 1994 gegebenen Zusicherung der Flurbereinigungsbehörde, ihnen die Einlagegrundstücke wieder zuzuteilen. Die Abfindung mit dem Flurstück Flur … Nr. 3 sei unter landwirtschaftlichen Gesichtspunkten jedenfalls nicht wertgleich. Die Bestandskraft der Ergebnisse der Wertermittlung könne ihnen nicht entgegengehalten werden. Sie hätten sich auf die ihnen erteilte Zusicherung verlassen und daher keinen Anlass gehabt, sich um die Wertermittlung in Bezug auf das Flurstück Flur … Nr. 3 zu kümmern.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Mai 2005 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 2 beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
Sie treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von revisiblem Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
1. Das angegriffene Urteil verstößt nicht gegen formelles Bundesrecht.
Unter Bezugnahme auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil es ihre Einwände gegen die Wertgleichheit ihrer Abfindung mit dem Flurstück … Nr. 3 nicht berücksichtigt habe. Diese Verfahrensrüge greift nicht durch.
Zwar genügt sie den formellen Begründungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, weil die Kläger in ihrer Revisionsschrift auf genau bezeichnete Teile ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Bezug nehmen, so dass keine Zweifel über die Art der erhobenen Rüge und den Umfang der Bezugnahme verbleiben (vgl. zu diesen Voraussetzungen Urteil vom 30. Juni 1998 – BVerwG 9 C 6.98 – BVerwGE 107, 117 ≪121≫ = Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 4 S. 8 m.w.N.). Es fehlt aber an einer substantiellen Darlegung einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Sinne der genannten Vorschrift. Denn die Kläger machen selbst geltend, das Oberverwaltungsgericht habe ihr Vorbringen zur mangelhaften Qualität des Abfindungsgrundstücks Flur … Nr. 3 unter Hinweis auf die abgeschlossene Wertermittlung unberücksichtigt gelassen. Nach ständiger Rechtsprechung bietet der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. etwa Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 8 C 20.96 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 274 S. 34 f.). Ob dies zu Recht geschehen ist, was die Kläger bestreiten, ist im Rahmen der Gehörsrüge ohne Bedeutung.
2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts enthält zwar einen Verstoß gegen materielles Bundesrecht; sie beruht aber nicht hierauf. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Abänderung des Flurbereinigungsplans und Zuweisung einer anderen Abfindung zu Recht verneint.
a) Die den Klägern vom Beklagten gegebene Zusicherung steht der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Zwar ist eine Zusicherung grundsätzlich geeignet, dem Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens einen – ansonsten nicht bestehenden (Urteil vom 23. August 2006 – BVerwG 10 C 4.05 – RdL 2007, 14 ≪17≫ zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen) – Anspruch auf bestimmte Abfindungsgrundstücke zu verschaffen, wie ihn die Kläger hier der Sache nach geltend machen. Das hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tage in dem zwischen denselben Beteiligten geführten Parallelverfahren (BVerwG 10 C 1.06 – zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen) entschieden und näher ausgeführt. Nach ihrem eindeutigen Inhalt, den zu ermitteln der Senat schon mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht gehindert ist (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 – BVerwG 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274 ≪280≫ = Buchholz 406.27 § 31 BBergG Nr. 2 S. 11 f.), bezieht sich die den Klägern im Jahr 1994 gegebene Zusicherung aber ausschließlich auf die an anderer Stelle des Flurbereinigungsgebiets gelegenen Flurstücke 1… Nrn. 6 und 11, die Gegenstand des erwähnten Parallelverfahrens sind. Deswegen und mangels sonstiger Anhaltspunkte scheidet eine Ausweitung der Zusicherung auf weitere Einlagegrundstücke der Kläger wie den hier in Rede stehenden Altbesitz östlich des Flurstücks Flur … Nr. 3 aus. Als Anspruchsgrundlage für die Zuteilung bestimmter Abfindungsgrundstücke kommt die den Klägern gegebene Zusicherung mithin – unabhängig von der Frage ihrer Bindungswirkung – jedenfalls nicht in Betracht.
b) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht den Klägern einen über den zuerkannten Geldausgleich für eine Neumessungsdifferenz hinausgehenden Anspruch auf Abänderung des Flurbereinigungsplans versagt.
aa) Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht dabei einen der Vorschrift des § 44 FlurbG widersprechenden und mithin bundesrechtswidrigen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Denn die Vorinstanz geht davon aus, dass den Klägern als Teilnehmern am Flurbereinigungsverfahren ein umfassender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Abfindung mit Land von gleichem Wert zusteht. Wie der Senat jedoch in seinem – gerade diese Rechtsprechung desselben Oberverwaltungsgerichts betreffenden – Urteil vom 23. August 2006 – BVerwG 10 C 4.05 – (a.a.O. S. 16) näher dargelegt hat, lässt die spezifische Verknüpfung der planerischen Abwägung nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG mit dem Gebot wertgleicher Abfindung des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für eine gesonderte gerichtliche Abwägungskontrolle neben der Prüfung, ob ein Teilnehmer mit Land von gleichem Wert abgefunden wurde, keinen Raum, soweit es nicht ausnahmsweise um Faktoren geht, denen ein über den Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausgehender Eigenwert zukommt und deren ordnungsgemäße Berücksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht gewährleistet ist. Solche Faktoren, die – wie vom Senat (a.a.O.) ausgeführt – konkretisierte betriebliche Entwicklungsperspektiven betreffen müssen, sind im Falle der Kläger weder erkennbar noch geltend gemacht worden.
Auf diesem Verstoß gegen Bundesrecht beruht die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts jedoch nicht. Die Vorinstanz hat nämlich Abwägungsfehler des Beklagten nicht festgestellt und sich der Sache nach ohnehin auf eine Kontrolle der Wertgleichheit der Landabfindung beschränkt. Der unzutreffende Prüfungsmaßstab hat sich mithin auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht ausgewirkt.
bb) Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die gleichwertige Landabfindung der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG auch ohne die von ihnen begehrte Änderung des Flurbereinigungsplans gewährleistet ist. Die hiergegen erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch.
Die Kritik der Kläger an der die Flurstücke Flur … Nrn. 2 und 3 betreffenden Wertermittlung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen. Denn die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens sind nach den insoweit von den Klägern nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz bestandskräftig geworden, so dass Einwände hiergegen – abgesehen vom hier nicht geltend gemachten Fall der nachträglichen Änderung von für die Wertermittlung maßgebenden Umständen – nicht mehr erhoben werden können (vgl. hierzu Urteil vom 19. September 1989 – BVerwG 5 C 3.87 – BVerwGE 82, 313 ≪318 f.≫ = Buchholz 424.01 § 60 FlurbG Nr. 8 S. 5 f.).
Die von den Klägern geforderte nachträgliche Zulassung ihrer Einwendungen gegen die Wertermittlung gemäß § 134 Abs. 2 FlurbG hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Ein die Nachsichtgewährung rechtfertigender Fall unverschuldeter Versäumung rechtzeitiger Einwendungen gegen die Wertermittlung liegt nicht vor. Zwar braucht kein Teilnehmer die festgestellten Werte aller Grundstücke nachzuprüfen. Er kann sich aber andererseits nicht auf die Nachprüfung der Wertermittlung seines Altbesitzes beschränken. Denn jedenfalls für solche Grundstücke, die im Gebiet des Altbesitzes eines Teilnehmers liegen, besteht eine Prüfpflicht schon deswegen, weil nur durch einen Vergleich mit Flächen gleicher Lage und vergleichbarer Bodenqualität ermittelt werden kann, ob der für das eigene Grundstück angenommene Schätzwert richtig ist. Aus diesem Grund wird einem Teilnehmer zugemutet, sich bereits im Wertermittlungsverfahren über die Bewertung der seinem Altbesitz benachbarten Grundstücke zu vergewissern und Einwendungen hiergegen rechtzeitig vorzubringen (Urteil vom 15. Oktober 1974 – BVerwG 5 C 56.73 – BVerwGE 47, 96 ≪98≫ = Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 29 S. 27). Um solche benachbarten Grundstücke handelt es sich bei den von den Klägern kritisierten Abfindungsgrundstücken, weil sie an ihre Einlagegrundstücke in dieser Lage unmittelbar anschließen. Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, sie hätten aufgrund der Zusicherung keinen Anlass zu einer Überprüfung der Wertermittlung gehabt. Denn wie bereits dargelegt bezieht sich die Zusicherung nur auf bestimmte, hier nicht in Rede stehende Einlagegrundstücke der Kläger, so dass sie nicht davon ausgehen konnten, ausschließlich Einlagegrundstücke wiederzuerlangen.
Soweit sich die Kläger gegen eine Mehrzuteilung von Waldfläche statt Ackerfläche im Bereich ihrer Abfindungsgrundstücke wenden, übersehen sie, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit von einer Neumessungsdifferenz ausgegangen ist, der ein Flächenzugewinn in der Örtlichkeit nicht entspricht. Die Wertgleichheit der Abfindung hat das Oberverwaltungsgericht durch die Gewährung einer dem zahlenmäßigen Flächenzugewinn entsprechenden Gutschrift sichergestellt. Das lässt auf der Grundlage der insoweit von den Klägern nicht in Frage gestellten tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2, nicht jedoch diejenigen der Beigeladenen zu 1 für erstattungsfähig zu erklären, weil nur der Beigeladene zu 2 durch Antragstellung ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Unterschriften
Dr. h.c. Hien, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen