Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsverbot des § 105 b Abs. 2 GewO. Zeitungsvertrieb als handelsgewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 105 b Abs. 2 GewO. Begriff des Verkehrsgewerbes im Sinne des § 105 i GewO. Arbeiten, die im Sinne des § 105 c Abs. 1 Nr. 1 2. Alt.GewO im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen. Bedürfnisgewerbe im Sinne des § 105 e Abs. 1 Satz 1 GewO. Begriff der Regelung der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse im Sinne des Art. 75 Nr. 2 GG. Gewerbeordnung und Zulassungsverbot der Landespressegesetze. die Regelung der §§ 105 b ff. GewO als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG
Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtmäßigkeit eines auf § 105 b Abs. 2 GewO gestützten Verbotes, Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen beim Vertrieb eines Anzeigenblattes am Sonntag zu beschäftigen.
Normenkette
GG Art. 74 Nrn. 11-12, Art. 75 Nr. 2; Landespressegesetz § 2; GewO § 105b Abs. 2-3, § 105c Abs. 1 Nr. 1, § 105e Abs. 1 S. 1, § 105i
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 24.08.1984; Aktenzeichen 4 A 768/83) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.12.1982; Aktenzeichen 3 K 2496/81) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. August 1984 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin verteilt sonntags vormittags im Großraum Mönchengladbach/Viersen das Anzeigenblatt „Report am Sonntag” an die Haushalte. Das Anzeigenblatt wird von einer Viersener Verlagsgesellschaft mit einer Auflage von mehr als 210.000 Exemplaren verlegt und in einer Druckerei in Monschau gedruckt. Von dort wird es am Sonntagmorgen um 6 Uhr im Betrieb der Klägerin angeliefert. Die Klägerin setzt für die Verteilung rund 250 Erwachsene und Jugendliche ein, denen jeweils ein bestimmter Verteilungsbezirk zugewiesen wird und die nach der Zahl der verteilten Exemplare bezahlt werden. Die Verteilung soll nach den Anordnungen der Klägerin in der Zeit von 7 bis 12 Uhr erfolgen. Endabnehmer erhalten das Blatt kostenlos. Das Blatt besteht aus einem umfangreichen Anzeigenteil, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mindestens 60 % seines Gesamtumfanges ausmacht, sowie einem redaktionellen Teil, der unter anderem eine aktuelle Berichterstattung über die Sportereignisse vom Samstag enthält. Daneben wird über kommunale und kommunalpolitische Vorgänge sowie ganz vereinzelt auch über aktuelle Ereignisse im gesellschaftlichen Bereich wie Verbrechen, Unglücksfälle und wichtige Tagungen berichtet.
Durch Ordnungsverfügung vom 13. November 1980 ordnete der Beklagte an, ab sofort dürften Arbeitnehmer und Personen, die in einem arbeitnehmerähnlichen Arbeitsverhältnis stehen, von der Klägerin nicht mehr an Sonn- und Festtagen beschäftigt werden. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Berufungsurteil beruht im wesentlichen auf folgenden Ewägungen:
Das Einschreiten des Beklagten sei gerechtfertigt, weil die Klägerin mit der Verteilung des Anzeigenblattes an Sonntagen gegen § 105 b Abs. 2 Satz 1 GewO verstoße. Das in dieser Vorschrift geregelte Beschäftigungsverbot gelte auch für die Klägerin, da die von der Klägerin entgeltlich durchgeführte Verteilung der Anzeigenblätter ein Hilfsgewerbe des Handels darstelle. Die in Rede stehende Tätigkeit gehöre nicht dem Verkehrsgewerbe an und sei daher auch nicht nach § 105 i Abs. 1 GewO vom Beschäftigungsverbot an Sonntagen freigestellt. Das Verkehrsgewerbe umfasse nur solche Betriebe, die nicht als Handelsgewerbe im Sinne des § 105 b GewO einzustufen seien. Die Tätigkeit der Klägerin rechne auch nicht zu den Arbeiten, die im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müßten und deshalb gemäß § 105 c Abs. 1 Ziff. 1 GewO an Sonn- und Feiertagen erledigt werden dürften. Die Tätigkeit sei nicht von der Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit, die diese Vorschrift verlange. Eine andere Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil das von der Klägerin verteilte Produkt der Presse zuzurechnen sei und daher den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genieße. Die Pressefreiheit sei nach Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die §§ 105 b ff. GewO zählten. Zwar bedürften diese Vorschriften ihrerseits der Auslegung im Hinblick auf den Wert der von der Verfassung garantierten Pressefreiheit. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, daß nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV auch der Schutz der Arbeitsruhe am Sonntag verfassungsrechtlichen Rang genieße. Art. 5 Abs. 1 GG zwinge daher nicht dazu, Arbeiten an Sonntagen alleine deshalb zuzulassen, weil sie zum Bereich des Pressewesens gehörten. Ob die Presse hiernach überhaupt dem Geltungsbereich des § 105 c Abs. 1 Ziff. 1 2. Alternative GewO unterfallen könne, brauche nicht entschieden zu werden. Jedenfalls werde das öffentliche Interesse nicht schwer beeinträchtigt, wenn das von der Klägerin vertriebene Anzeigenblatt nicht gerade am Sonntag verteilt werden könne. Es entstehe keine notstandsähnliche Situation, wie sie § 105 c Abs. 1 Nr. 1 GewO voraussetze, wenn die von der Klägerin angebotenen Informationen die Bevölkerung erst am Montag erreichten. Auch die Vorschrift des § 105 e Abs. 1 GewO könne die Klägerin nicht mit Erfolg für sich ins Feld führen, weil danach zur Freistellung vom gesetzlichen Beschäftigungsverbot eine behördliche Ausnahmegenehmigung erforderlich sei, über die die Klägerin nicht verfüge. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 24. August 1976. Diese Verfügung decke die Tätigkeit der Klägerin nicht. Dabei könne offenbleiben, ob das von der Klägerin verteilte Anzeigenblatt überhaupt von der Verfügung erfaßt werde. Diese richte sich nur an Betriebe des Zeitungsgewerbes. Es sei aber streitig, ob Anzeigenblätter begrifflich als Zeitung anzusehen seien. Darauf komme es hier indes nicht an, weil sich die Verfügung jedenfalls nur auf den Bereich der Herstellung von Zeitungen beziehe, während die Klägerin ausschließlich mit dem Vertrieb befaßt sei. Die Klägerin werde durch die Verweisung auf die fehlende Ausnahmegenehmigung nicht unverhältnismäßig belastet. Zwar sei es grundsätzlich nicht zulässig, gegen eine ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübte gewerbliche Tätigkeit einzuschreiten, wenn auf die Erteilung der Erlaubnis offensichtlich ein jederzeit durchsetzbarer Rechtsanspruch bestehe. Dieser Grundsatz könne hier jedoch schon deshalb keine Anwendung finden, weil nicht der Beklagte, sondern der Regierungspräsident zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung zuständig sei. Es komme hinzu, daß zumindest von einem offensichtlich bestehenden Rechtsanspruch der Klägerin auf die Ausnahmegenehmigung keine Rede sein könne. Es sei durchaus zweifelhaft, ob die Tätigkeit der Klägerin an Sonntagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich sei, wie es § 105 e Abs. 1 Satz 1 GewO zwingend verlange.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie macht geltend, eine an ihren Grundrechten aus Art. 5 GG und Art. 12 GG orientierte Gesetzesauslegung ergebe folgendes: Ihre Tätigkeit rechne weder zum Handelsgewerbe noch zum Verkehrsgewerbe, sie sei vielmehr Teil des Pressegewerbes, das außerhalb der Gewerbeordnung zu beurteilen sei. Falls grundsätzlich die Gewerbeordnung Anwendung finde, so sei der in Rede stehende Vertrieb von Presseerzeugnissen – in Übereinstimmung mit der Auslegung des in der Arbeitszeitordnung verwendeten Begriffs des Verkehrswesens – dem Verkehrsgewerbe im Sinne des § 105 i Abs. 1 GewO zuzurechnen, so daß die Regelung des § 105 b GewO nicht gelte. Betreibe sie aber ein Handelsgewerbe, so finde die Bestimmung des § 105 b GewO deshalb keine Anwendung, weil die beanstandete Vertriebstätigkeit gemäß § 105 c Abs. 1 Nr. 1 GewO im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müsse. Letztlich könne die Ordnungsverfügung zumindest deshalb keinen Bestand haben, weil ihr jedenfalls ein Anspruch auf Ausnahmegenehmigung gemäß § 105 e Abs. 1 GewO zustehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. August 1984, das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 1982, den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten Düsseldorf vom 21. Mai 1981 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. November 1980 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das Berufungsurteil.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hat seine Äußerung darauf beschränkt, auf den im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines neuen Arbeitszeitgesetzes aufmerksam zu machen, in dem die gegenwärtig in den §§ 105 a ff. GewO geregelte arbeitszeitrechtliche Materie miterfaßt werden soll und der nach der vom Oberbundesanwalt wiedergegebenen Meinung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eine Verteilung von Anzeigenblättern an Sonn- und Feiertagen nicht zulassen soll.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung untersagt der Klägerin, an Sonn- und Festtagen beim Vertrieb des Anzeigenblattes „Report am Sonntag” Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen zu beschäftigen. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil befunden, die Ordnungsverfügung des Beklagten sei rechtmäßig. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt nicht Bundesrecht.
Das beklagte Amt, dessen Zuständigkeit durch das Berufungsgericht mit verbindlicher Wirkung für den Senat festgestellt worden ist, hat im Sinne des § 105 j GewO mit der strittigen Ordnungsverfügung die Maßnahme angeordnet, die zur Durchführung des § 105 b GewO erforderlich war.
Der Vertrieb des Anzeigenblattes ist eine handelsgewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 105 b Abs. 2 GewO. Für den Begriff des Handelsgewerbes im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist der Umsatz von Waren aller Art und von Geld kennzeichnend (vgl. BVerwG, GewArch 1966, 34). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, umschließt diese Begriffsbestimmung auch Gewerbe, die – wie im Falle der Klägerin – eigenständig nur den Absatz der Ware – hier des Anzeigenblattes – besorgen und damit den Umsatz der Ware ermöglichen. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang keine Bedeutung dem Umstand beigelegt, daß der Endabnehmer für das Anzeigenblatt nichts zu bezahlen braucht. Überzeugend ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts, die Zuordnung der klägerischen Tätigkeit zum Handelsgewerbe im Sinne des § 105 b Abs. 2 GewO finde in dem nachfolgenden Absatz 3 eine entscheidende Stütze. § 105 b Abs. 3 GewO stellt es in das Ermessen der zuständigen Behörde, für das Speditionsgewerbe und für andere Gewerbebetriebe, soweit es sich um die Abfertigung und Expedition von Gütern handelt, eine Beschäftigung bis zu zwei Stunden zuzulassen. Die Vorschrift hat damit zur Voraussetzung, daß die in ihr genannten Tätigkeiten grundsätzlich als Handelsgewerbe anzusehen sind und der Verbotsregelung des § 105 b Abs. 2 GewO unterfallen. Die in § 105 b Abs. 3 GewO erwähnte Güterabfertigung stellt aber – wie das Berufungsgericht betont hat – einen wesentlichen Teil der Tätigkeit dar, auf die sich die angefochtene Ordnungsverfügung bezieht.
Beim Vertrieb des Anzeigenblattes setzt die Klägerin auch Personen ein, die dem Beschäftigungsverbot des § 105 b Abs. 2 GewO unterfallen. Wie im Berufungsurteil zutreffend dargelegt ist, zählen zu diesem Personenkreis nicht nur die bei der Klägerin fest angestellten Beschäftigten, die am Sonntagmorgen die Austräger mit den Anzeigenblättern versorgen und anschließend bei ihrer Tätigkeit überwachen, sondern auch die Austräger selbst, da sie nach Weisung der Klägerin und unter der Kontrolle der Klägerin ihre Arbeit verrichten und nach dem Umfang ihrer Tätigkeit entlohnt werden.
Die Vertriebstätigkeit der Klägerin rechnet nicht zum Verkehrsgewerbe im Sinne des § 105 i Abs. 1 GewO, für das das Beschäftigungsverbot des § 105 b Abs. 2 GewO nicht gilt. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 7. April 1983 – BVerwG 1 C 15.82 – (GewArch 1983, 225) entschieden hat, schließt die Qualifizierung einer Tätigkeit als Handelsgewerbe im Sinne des § 105 b Abs. 2 GewO die Einordnung als Verkehrsgewerbe im Sinne des § 105 i Abs. 1 GewO aus. Daß sich der Begriff des Verkehrsgewerbes im Sinne des § 105 i Abs. 1 GewO mit dem Begriff des Verkehrswesens im Sinne der §§ 17, 19 der Arbeitszeitordnung nicht deckt, führt zwar zu unerfreulichen Unterschieden bei der Behandlung der Werktagsarbeit einerseits und der Sonn- und Feiertagsarbeit andererseits, ist aber angesichts der klaren gegenwärtigen gesetzlichen Regelung nicht zu verhindern. Es ist Sache des Gesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen. Der in der parlamentarischen Beratung befindliche Regierungsentwurf eines Arbeitszeitgesetzes (BT-Drucks. 10/2706) sieht vor, daß die Bestimmungen der §§ 105 a ff. GewO entfallen und die betreffende Materie im Arbeitszeitgesetz geregelt wird. Es ist zu hoffen, daß das neue Gesetz unzweifelhaft klarstellt, welche verkehrlichen Bereiche vom Beschäftigungsverbot ausgenommen werden und inwieweit eine Ausnahmeregelung für die Presse gilt.
Die von der Klägerin bekämpfte Ordnungsverfügung betrifft auch keine Arbeiten, die gemäß § 105 c Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative GewO „im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen”. In seinem oben bereits erwähnten Urteil vom 7. April 1983 – BVerwG 1 C 15.82 – (GewArch 1983, 225) hat der Senat im Vergleich der Anwendungsbereiche von § 105 c Abs. 1 Nr. 1 GewO einerseits und § 105 e Abs. 1 Satz 1 1. Alternative GewO andererseits befunden, daß § 105 c Abs. 1 Nr. 1 GewO nur solche Arbeiten erfaßt, die der unmittelbaren Abwehr zumindest notstandsähnlicher Gefahren dienen, wogegen § 105 e Abs. 1 Satz 1 GewO die weitergehende Bedürfnisbefriedigung sichern soll, die – wie die hier interessierende Informationsvermittlung durch Anzeigenblätter – jenseits einer aktuellen Schadensverhütung liegt. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 105 e Abs. 1 Satz 1 GewO ist der Klägerin bislang nicht erteilt worden. Auf die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 24. August 1976 hinsichtlich der Sonderregelung für Betriebe des Zeitungsgewerbes kann sich die Revision nicht mit Erfolg berufen, da diese Verfügung durch das Berufungsgericht verbindlich dahingehend ausgelegt worden ist, daß davon die Tätigkeit der Klägerin nicht erfaßt ist.
Zu Unrecht legt die Klägerin dem beklagten Amt zur Last, von dem ihm durch § 105 j GewO eingeräumten Ermessen deshalb nicht sachgerecht Gebrauch gemacht zu haben, weil der Klägerin ein Rechtsanspruch auf eine Ausnahmegenehmigung nach § 105 e GewO zustehe. Laut verbindlicher Feststellung des Berufungsgerichts ist das beklagte Amt für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht zuständig. Bei dieser Sachlage wäre das Vorgehen des Beklagten allenfalls dann zu beanstanden, wenn bei Erlaß der Ordnungsverfügung die Erteilung der Ausnahmegenehmigung zu erwarten gewesen wäre. Dies ist indes schon deshalb nicht der Fall, weil die Klägerin bis heute eine Ausnahmegenehmigung überhaupt nicht beantragt hat. Darüber hinaus würde ein solcher Antrag die Frage aufwerfen, ob die Tätigkeit der Klägerin in ihrer Gesamtheit zur Befriedigung von Bedürfnissen erforderlich ist, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten. Der Beklagte brauchte nicht anzunehmen, daß die zuständige Stelle diese Frage im Sinne des klägerischen Begehrens beantworten würde.
Unbegründet ist auch der Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht habe die privilegierte Rechtsstellung der Presse verkannt. Unter Hinweis auf einschlägige Veröffentlichungen und ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Oktober 1985 – 7/0/83.85 – vertritt die Revision den Standpunkt, die Verbotsverfügung sei weder mit den einfach-gesetzlichen Presseregelungen noch mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Pressefreiheit vereinbar. Der Senat teilt diesen Standpunkt nicht. Die Regelung des § 105 b Abs. 2 GewO gehört wesensmäßig zum Gewerbe- und Arbeitsrecht, für das dem Bund gemäß Art. 74 Nr. 11 und Nr. 12 GG die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zusteht. Die Vorschrift erfaßt auch den Bereich des Pressewesens im allgemeinen und den Vertrieb von Presseerzeugnissen im besonderen. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß dem Bund durch Art. 75 Nr. 2 GG hinsichtlich des Pressewesens nur eine rahmenrechtliche Kompetenz zur Regelung der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse zuerkannt ist, während im übrigen das gesamte Presserecht der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers unterliegt. Zum Presserecht gehören kompetenzrechtlich nur solche Normen, die herkömmlich oder kraft inneren Sachzusammenhanges dem Presserecht zuzuordnen sind (vgl. BVerfGE 7, 29, 36 ff.). Zu diesen Normen zählt ein gesetzliches Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen für den Bereich der Presse nach zutreffender ganz herrschender Meinung nicht. Trotz der presserechtlichen Auswirkungen des § 105 b Abs. 2 GewO kollidiert die Vorschrift auch nicht mit den in § 2 aller Landespressegesetze festgelegten Zulassungsfreiheit für die Presse. In § 105 b Abs. 2 GewO ist kein Zulassungserfordernis aufgestellt. Das in dieser Vorschrift enthaltene Beschäftigungsverbot wirkt sich allenfalls auf die Ausübung der Pressetätigkeit aus (vgl. auch Löffler, Presserecht, 3. Aufl., § 2 LPG, Rdnrn. 47 und 49). Diese Ausübungsbeschränkung verstößt nicht gegen die Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG, die auch die Vertriebsfreiheit einschließt (vgl. BVerfGE 20, 162, 176). Die Regelung der §§ 105 b ff. GewO ist ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das die Pressefreiheit begrenzt. Allerdings hat ein allgemeines Gesetz dieser Art nur in dem Umfang verfassungsrechtlichen Bestand, in dem es der Bedeutung der Garantie des Art. 5 Abs. 1 GG gerecht wird und die Pressefreiheit nur insoweit einschränkt, als dies von der Rücksicht auf mindestens gleichwertige Rechtsgüter unbedingt geboten ist (vgl. BVerfGE 20, 162, 177). Auch unter Berücksichtigung dieses Güterabwägungsgebotes bildet § 105 b Abs. 2 GewO eine tragfähige Grundlage für die strittige Ordnungsverfügung. Die Gewerbeordnung enthält in § 105 e Abs. 1 Satz 1 eine Regelung, die Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot des § 105 b Abs. 2 GewO für den Bereich der Presse zuläßt. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 7. April 1983 – BVerwG 1 C 15.82 – (GewArch 1983, 225) ausdrücklich betont hat, wird durch diese Regelung entsprechend der bisherigen langjährigen Staatspraxis eine differenzierte Behandlung der Pressearbeit ermöglicht und unter Einengung des behördlichen Ermessens eine verfassungsgerechte Anerkennung der Funktion der Presse in der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung im Lichte des Art. 5 GG gewährleistet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Heinrich, Prof. Dr. Barbey, Dr. Dickersbach, Meyer, Gielen
Fundstellen
Haufe-Index 1211512 |
AfP 1986, 148 |