Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückübertragung nach dem Unternehmensgesetz der DDR. Anpassungsanspruch nach § 6 Abs. 8 VermG. Ausgleichsleistungen. wesentliche Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage. Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Teilentscheidung über Ausgleichsansprüche. Entscheidung über den Grund eines Anpassungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung über Anpassungsansprüche in § 6 Abs. 8 VermG enthält keine Rechtsgrundlage für eine isolierte Entscheidung über die Zulässigkeit eines Anpassungsanspruchs oder für eine Entscheidung “dem Grunde nach”.

Ein Anspruch auf Überprüfung und Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG kann nur den noch werbend tätigen reprivatisierten Unternehmen zustehen. Er dient allein der Überlebensfähigkeit des reprivatisierten Unternehmens und besitzt nicht die Funktion eines Insolvenzersatzanspruchs zugunsten der Gläubiger eines bereits eingestellten Unternehmens (wie Beschluss vom 2. August 2002 – BVerwG 7 B 7.02 –).

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 1d, § 3b Abs. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 4, 8; URüV §§ 13-14; UnternG DDR §§ 17-19; GesO §§ 3, 16, 19; ThVwVfG §§ 48, 50

 

Verfahrensgang

VG Gera (Urteil vom 05.09.2001; Aktenzeichen 5 K 896/00 GE)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 5. September 2001 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

I.

Der beklagte Freistaat wendet sich gegen die verwaltungsgerichtliche Aufhebung eines Rücknahmebescheides und eines Ablehnungsbescheides bezüglich eines Antrags auf Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG.

Mit Kauf- und Auflassungsvertrag vom 28. Juni 1972 veräußerte die damalige Produktionsgenossenschaft des Handwerks Aufbau in M.… (im Folgenden: PGH Aufbau) die in ihrer Schlussbilanz für den 17. April 1972 ausgewiesenen Grund- und materiellen Umlaufmittel einschließlich zweier Grundstücke an den VEB Aufbau M.… (im Folgenden: VEB) für einen Preis von 1 645 210,11 Mark im Zuge der auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 9. Februar 1972 getroffenen Maßnahmen (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG).

Unter dem 10. September 1990 stellten die ehemaligen Mitglieder der PGH Aufbau bei der Bezirksverwaltungsbehörde … den Antrag auf Umwandlung des VEB in eine GmbH und Rückführung des früheren genossenschaftlichen Eigentums nach dem Gesetz vom 7. März 1990 über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen (GBl DDR 1990, S. 141 ff. – Unternehmensgesetz). Am selben Tag schlossen die zu gründende M.… Bau GmbH i.A. und der VEB eine – auch von der Bezirksverwaltungsbehörde unterschriebene – Vereinbarung über die Umwandlung des Unternehmens nach §§ 17 bis 19 des Unternehmensgesetzes. Nach dem Abschlussprotokoll des Landratsamtes … über die Beratung zur Reprivatisierung der PGH Aufbau, nunmehr M.… Bau GmbH i.A., vom 11. September 1990 ergab die Überprüfung der Abschlussbilanz 1972, dass der Antrag von 73,6 % der ehemaligen Mitglieder der PGH unterstützt werde und er gemäß § 18 des Unternehmensgesetzes berechtigt sei. Mit notarieller Umwandlungserklärung vom 15. Januar 1991 erklärten die Bevollmächtigten des VEB und der M.… Bau GmbH (im Folgenden: GmbH), dass die Reprivatisierung und Umwandlung mit Zustimmung der Treuhandanstalt zum 1. Oktober 1990 rechtswirksam erfolgt und der Antrag auf Eintragung in das Handelsregister am 17. Dezember 1990 durch das Registergericht bestätigt sei.

Mit einem “Antrag auf Anpassung an das Vermögensgesetz” vom 26. Mai 1993, beantragte die GmbH die “Rechtsanpassung und Rückgabe zu Werten von 1972”, um durch die “Zuweisung einer entsprechenden Ausgleichszahlung” die Verrechnung mit einem Altkredit und die Erhaltung des Unternehmens zu ermöglichen. Dem Antrag waren die Bilanz von 1972 sowie die Eröffnungsbilanz beigefügt. Das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (im Folgenden: Landesamt) bestätigte mit Schreiben vom 14. Juni 1993 den Eingang des Antrages und erbat zum Zwecke der Prüfung der Rechtswirksamkeit der Umwandlungsvereinbarung die Übersendung der betreffenden notariellen Beurkundung, der Handelsregistereintragung der GmbH und aktueller Grundbuchauszüge zu den Betriebsgrundstücken, jeweils in Kopie. Dem kam die GmbH in der Folgezeit nicht nach.

Mit Beschluss vom 13. April 1994 ordnete das Amtsgericht … – Gesamtvollstreckungsgericht – über das Vermögen der GmbH die Gesamtvollstreckung wegen Überschuldung an. Der Schuldnerin wurde jegliche Verfügung über ihr Vermögen verboten, zugleich wurde die Vermögensverwaltung angeordnet und der Kläger zum Verwalter ernannt.

Mit Schreiben vom 2. November 1995 beantragte die Beigeladene unter Hinweis auf das eingeleitete Gesamtvollstreckungsverfahren, den Antrag der GmbH auf Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG abzulehnen. Sie wies darauf hin, dass eine baldige Bearbeitung des Antrages nicht möglich sei, da die GmbH trotz wiederholter Aufforderung die notwendigen Unterlagen nicht vorgelegt habe.

Auf Nachfrage teilte der Kläger unter dem 18. Oktober 1995 der Beigeladenen mit, dass er den Antrag nach § 6 Abs. 8 VermG trotz der Einleitung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht zurücknehme und um die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides bitte.

Unter dem 1. April 1996 erließ das Landesamt nach vorausgegangener Anhörung der Beteiligten einen Bescheid u.a. mit dem Ausspruch:

“1. Der Antrag der M.… Bau GmbH gemäß § 6 Abs. 8 VermG ist zulässig. Die Antragstellerin hat dem Grunde nach gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben einen Anspruch auf Anpassung gem. § 6 Abs. 8 VermG i.V.m. § 14 URüV. Zur Höhe von Ausgleichsansprüchen ergeht ein gesonderter Bescheid.”

Zur Begründung wies das Landesamt im Wesentlichen darauf hin, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Gesamtvollstreckungsverfahren unter Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs durch Vergleich beendet würde und das Unternehmen danach fortbestehen könne. Das Gesetz verlange keine Prognose im Einzelfall über den Fortbestand des Unternehmens. Der Anpassungsanspruch bestehe selbst dann, wenn Ausgleichsleistungen lediglich die zu verteilende Vermögensmasse im Gesamtvollstreckungsverfahren vergrößern würden. Die Eröffnung der Gesamtvollstreckung lasse den Anpassungsanspruch auch nicht untergehen. Dafür spreche insbesondere nicht der Regelungszweck des § 3b VermG. Er bestehe nur darin, dass den Gläubigern des restitutionsbelasteten verfügungsberechtigten Unternehmensträgers, der sich in der Gesamtvollstreckung befinde, keine Haftungsmasse entzogen werden solle. Eine solche Fallgestaltung liege jedoch im Falle der Klägerin nicht vor.

Gegen den Bescheid hat die Beigeladene am 2. Mai 1996 Klage erhoben. Im Verlaufe des Rechtsstreits nahm das beklagte Landesamt nach erfolgter Anhörung seinen Bescheid vom 1. April 1996 durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juni 2000 zurück und lehnte darin den Anpassungsantrag nach § 6 Abs. 8 VermG ab. Zur Begründung führte das Landesamt aus, der Bescheid vom 1. April 1996 sei rechtswidrig und werde daher nach § 48 Abs. 3 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes (ThVwVfG) zurückgenommen, denn bereits bei seinem Erlass sei die GmbH nicht mehr existent gewesen, sondern habe sich in der Gesamtvollstreckung befunden. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens fehle dem Unternehmensträger die Handlungsvollmacht. Verfügungsberechtigt sei über die Vermögenswerte allein der Gesamtvollstreckungsverwalter. Zudem setze der hier gestellte Antrag auf Ausgleichsleistungen wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage nach dem Zweck des § 6 Abs. 2 und 4 VermG, was auch § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG belege, ein lebens- und am Markt behauptungs- und damit sanierungsfähiges Unternehmen voraus, woran es nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens fehle. Zudem habe die GmbH die angeforderten Unterlagen nicht beigebracht und damit nicht nachgewiesen, dass ein Ausgleichsanspruch tatsächlich bestanden habe und die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens hätte verhindert werden können. Auf schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Bescheides könne sich der Kläger nicht berufen. Die Interessen der Behörde und der Beigeladenen an einer rechtmäßigen Entscheidung seien im Rahmen des Rücknahmeermessens höher zu bewerten als die Interessen des Klägers am Fortbestand des rechtswidrigen Bescheides.

Gegen den Rücknahmebescheid hat der Kläger als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der GmbH am 20. Juli 2000 Anfechtungsklage erhoben. Zu ihrer Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er sei im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis berechtigt, Zahlungen zur Konkursmasse beizuziehen und damit die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber deren Gläubiger zu vermindern, was dem Zweck der Regelung im § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG entspreche. Auch ein in Gesamtvollstreckung gefallenes Unternehmen sei sanierungsfähig. Aus der bloßen Verfahrenseröffnung könne nicht auf die fehlende Sanierungsfähigkeit geschlossen werden. Diese sei erst im Rahmen dieses Verfahrens konkret festzustellen. Auch sei die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens keine Voraussetzung für eine positive Bescheidung eines Anpassungsantrages. Da der Ausgleichsanspruch tatbestandlich eine wesentliche Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage voraussetze, müsse hierüber auch alsbald entschieden werden. Die insoweit eingetretene Verzögerung des Verfahrens könne der Gemeinschuldnerin nicht angelastet werden.

Der Beklagte hat seinen Rücknahmebescheid verteidigt. Während das Klageverfahren hinsichtlich der Klage der Beigeladenen gegen den Bescheid vom 1. April 1996 nach vorausgegangener Hauptsachenerledigungserklärung eingestellt wurde, hat das Verwaltungsgericht im streitgegenständlichen Verfahren mit Urteil vom 5. September 2001 der Anfechtungsklage des Klägers in vollem Umfang stattgegeben und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Wegen der Regelung in § 50 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes stellten sich die Fragen nach Vertrauensschutz und nach der Einhaltung der Jahresfrist nicht. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Der zurückgenommene Bescheid sei jedoch nicht rechtswidrig gewesen. Denn trotz der Anordnung der Gesamtvollstreckung habe die GmbH einen Anpassungsanspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß § 6 Abs. 2 und Abs. 4 VermG “dem Grunde nach”. Ihr sei das frühere Unternehmen zurückübertragen worden. Gemäß § 6 Abs. 8 VermG i.V.m. § 14 URüV sei sie antragsberechtigt. Gegen die Wirksamkeit der Umwandlung des VEB in die GmbH bestünden keine Bedenken. Wenn die Voraussetzungen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage nach § 6 Abs. 2 VermG vorlägen, könne dem Anspruch nicht entgegengehalten werden, das Unternehmen befinde sich in der Gesamtvollstreckung. Dies sei ebenso wie die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens unerheblich, wie der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 2 VermG belege, der im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 VermG nicht auf die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens abstelle, sondern nur darauf, dass der Ausgleichsanspruch bei Vorliegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage nicht abgelehnt werden dürfe. Auch könne die Überschuldung nicht Voraussetzung für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs und zugleich dessen Ausschlussgrund sein. Aus § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG, der einen anderen Lebenssachverhalt regele, folge nichts anderes. Als alleiniger Ausschlussgrund käme die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 4 VermG in Betracht, wenn die Eigenkapitalverhältnisse im Enteignungszeitpunkt nicht günstiger gewesen seien. Ob diese Ausnahme aber vorliege, müsse der Feststellung im noch durchzuführenden Verwaltungsverfahren, was die Höhe des Anspruchs betreffe, vorbehalten bleiben. Auch das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs nach § 6 Abs. 4 VermG wegen wesentlicher Verschlechterung der Ertragslage könne nicht von vornherein mit der Begründung abgelehnt werden, das Unternehmen befände sich in Gesamtvollstreckung. Zwar schließe dort die fehlende Sanierungsfähigkeit einen Anspruch aus, jedoch seien bei deren Überprüfung die Ausgleichsansprüche nach § 6 Abs. 2 und 4 VermG mit einzubeziehen, da es sich hierbei um dem Unternehmen zustehende Vermögenswerte handele.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 17. Oktober 2001 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Der Beklagte und die Beigeladene rügen die Verletzung von materiellem Recht und beantragen jeweils,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 5. September 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der das angegriffene Urteil verteidigt, beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht.

Das Verwaltungsgericht hätte den Rücknahmebescheid des Beklagten und auch die gleichzeitig ausgesprochene Ablehnung des Anpassungsantrages des Klägers nicht aufheben dürfen. Denn der zurückgenommene Bescheid vom 1. April 1996 war entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aus zweierlei Gründen rechtswidrig. Zum einen enthält § 6 Abs. 8 VermG keine Rechtsgrundlage für eine isolierte Entscheidung über die Zulässigkeit eines Anspruchs auf Anpassung, ebenso wenig für eine Entscheidung “dem Grunde nach” (1). Zum anderen können Ausgleichsleistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 4 VermG i.V.m. § 14 URüV nur von werbend am Markt tätigen, reprivatisierten Unternehmen beansprucht werden, und damit nicht von Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb bereits vor oder nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung eingestellt haben (2).

1. Zwar sind entgegen der Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid, die das Verwaltungsgericht insoweit zu Unrecht nicht beanstandet hat, trotz der Anordnung der Gesamtvollstreckung die Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Gemeinschuldners sowie dessen Eigentümerstellung unberührt geblieben. Denn die Rechtswirkungen der mit der Verfahrenseröffnung verbundenen Auflösung der GmbH nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG (früher § 60 Nr. 4 GmbHG a.F.), beschränken sich darauf, dass der bisher auf werbende Tätigkeit gerichtete Geschäftszweck in einen Abwicklungszweck umgewandelt wird und dass zum anderen gemäß § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 GesO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das pfändbare Vermögen auf den Gesamtvollstreckungsverwalter übergeht.

Der Bescheid vom 1. April 1996 ist aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts deshalb rechtswidrig, weil das Landesamt mangels Rechtsgrundlage nicht berechtigt war, vorab durch einen Verwaltungsakt positiv nur über die Frage der Zulässigkeit des Anpassungsantrages oder den Anspruch “dem Grunde nach” zu entscheiden. Zwar steht den Behörden nach dem Vermögensgesetz die Befugnis zu, auch Teilentscheidungen über einen Restitutionsanspruch gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 VermG zu erlassen (vgl. Urteil vom 29. September 1993 – BVerwG 7 C 39.92 – Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 3), wenn im Rahmen eines dreipoligen Rechtsverhältnisses ein “selbständig regelbares Element” des Rückübertragungsanspruchs festgestellt wird und somit für den Berechtigten “mehrere rechtliche und verfahrensmäßig unterschiedliche Wege”, nämlich Restitution, Entschädigung oder Erlösauskehr eröffnet werden (vgl. Urteil vom 25. April 2001 – BVerwG 8 C 5.00 – Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 32 = VIZ 2001, 612, 613). Bei der Feststellung einer generellen “Zulässigkeit” von Ausgleichsansprüchen oder Ansprüchen “dem Grunde nach” ist aber schon das Merkmal eines selbständig regelbaren Elements zu verneinen. Die Möglichkeit einer Vorabentscheidung in Form einer allgemeinen “Zulässigkeitserklärung” bestand auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit, einen Restitutionsantrag nach § 30 Abs. 1 Satz 4 VermG auf eine einzelne Verfahrensstufe zu beschränken (vgl. hierzu Urteil vom 29. September 1993 – BVerwG 7 C 39.92 – Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 3). Eine derartige Beschränkung hat nämlich weder die GmbH noch später der Gesamtvollstrecker zu irgendeinem Zeitpunkt vorgenommen. Letzterer hat vielmehr einen rechtsmittelfähigen Bescheid über den zuvor gestellten Anpassungsantrag in seiner Gesamtheit gefordert.

§ 6 Abs. 8 VermG begründet auch nicht, wie die Beigeladene zutreffend ausführt, eine behördliche Ermächtigung zu einer separaten Feststellung der Berechtigung dem Grunde nach. Er enthält, soweit es um Ansprüche wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage geht, nach seinem klaren Wortlaut und auch nach seinem Sinn und Zweck keinen von § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG losgelösten oder gar darüber hinausgehenden materiellen Anspruch. Vielmehr eröffnet § 6 Abs. 8 VermG nur einem bestimmten Kreis von Berechtigten die Möglichkeit, zusätzlich eine Sachentscheidung der Behörde über Ansprüche nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG herbeizuführen.

Der materielle Anspruch ist insoweit hingegen in § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 VermG i.V.m. § 14 URüV geregelt, so dass die behördliche Zulässigkeitserklärung eines Anpassungsantrages nach § 6 Abs. 8 und eine Feststellung der Berechtigung “dem Grunde nach” keine rechtliche Grundlage im Gesetz haben.

2. Der weitere Bundesrechtsverstoß liegt darin, dass das Verwaltungsgericht die entscheidende materiellrechtliche Voraussetzung für einen Anpassungsanspruch nach § 6 Abs. 8 VermG übersehen hat, dass nämlich das anspruchstellende reprivatisierte Unternehmen noch werbend am Markt tätig sein muss. Dieses Erfordernis ergibt sich aus einer Auslegung des § 6 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 4 VermG. Aus Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass ein Anspruch auf Überprüfung und Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG nur den noch am Markt tätigen, und damit werbenden reprivatisierten Unternehmen zustehen kann. Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat zu dieser Problematik in einer Entscheidung (vgl. Beschluss vom 2. August 2002 – BVerwG 7 B 7.02 –) wie folgt Stellung genommen:

“Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass ein Anspruch auf Ausgleich wesentlicher Verschlechterungen der Vermögens- und Ertragslage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG nur bei noch werbend tätigen Unternehmen besteht, die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG als Unternehmen zurückgegeben werden. Die Überlebensfähigkeit eines solchen reprivatisierten Unternehmens unter marktwirtschaftlichen Bedingungen soll durch den Ausgleich wesentlicher Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage und die daraus folgende bessere Kapitalausstattung gesichert werden (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1993 – BVerwG 7 C 5.93 – BVerwGE 95, 1 ≪6≫). § 6 Abs. 1 VermG geht zwar davon aus, dass zugleich mit der Rückgabe des Unternehmens nach Satz 1 der Vorschrift über die Ausgleichsansprüche nach Satz 2 entschieden wird. Wird diese Entscheidung erst nach der Rückgabe des Unternehmens aufgrund eines Anpassungsantrags nach § 6 Abs. 8 VermG erforderlich, muss aber das bereits zurückübertragene Unternehmen nach dem Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG im Zeitpunkt dieser Anpassung noch werbend tätig sein. Nur dann kann der Ausgleich wegen einer Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage seinen Zweck erfüllen, die Überlebensfähigkeit eines reprivatisierten Unternehmens unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu sichern. Diese Ansprüche dienen nicht der Wiedergutmachung; sie sollen nicht eine Vermögensbeeinträchtigung des zurückgegebenen Unternehmens nach dessen Entziehung um ihrer selbst willen ausgleichen.”

Diesen Überlegungen tritt der erkennende Senat bei. Die Ausgleichsansprüche nach § 6 VermG haben allein das Ziel, die Überlebensfähigkeit des reprivatisierten Unternehmens unter marktwirtschaftlichen Bedingungen sicherzustellen. Wenn aber ein Unternehmen seine werbende Tätigkeit endgültig eingestellt hat, so bleibt kein Raum für eine Überprüfung und Anpassung an das Vermögensgesetz i.S. des § 6 Abs. 8 VermG. Eine Anpassung scheidet vom Schutzzweck des Vermögensgesetzes von vornherein aus, wenn in der Sache “nichts mehr anzupassen” ist. Davon ist auszugehen, wenn das Unternehmen nicht mehr werbend am Markt tätig ist, mithin seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat. Dieser Zeitpunkt kann mit der Eröffnung der Gesamtvollstreckung zusammenfallen, muss es aber nicht, da bereits vor diesem Zeitpunkt die werbende Tätigkeit auf Dauer eingestellt sein kann. Ausgleichsleistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG können dann nicht mehr der Überlebensfähigkeit des bereits eingestellten reprivatisierten Unternehmens dienen. Die im Zeitpunkt der Rückgabe festzustellende wesentliche Verschlechterung oder wesentliche Verbesserung der Vermögens- oder Ertragslage (§ 6 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VermG) ist nicht mehr ausgleichsfähig. Die Erbringung von Ausgleichsleistungen hätte nur noch die Funktion von Insolvenzersatzansprüchen zugunsten der Gläubiger des bereits eingestellten Unternehmens, was nicht Ziel der Regelung des § 6 VermG ist.

Dass der Gesetzeszweck allein auf die Sicherstellung der Überlebensfähigkeit reprivatisierter Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen gerichtet ist, folgt auch aus der Gesetzessystematik. Die engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 und 4 VermG stützen eine solche Auslegung. Eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage ist danach nur im Falle einer Überschuldung bzw. Unterdeckung des für die Rechtsform gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitals zu bejahen. Eine wesentliche Verschlechterung der Ertragslage ist nur gegeben, wenn die prognostizierten Umsätze in Einheiten der voraussichtlich absetzbaren Produkte oder Leistungen unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wesentlich niedriger sind als im Zeitpunkt der Enteignung. Betrachtet man den Umfang der Ausgleichszahlung nach §§ 24 und 26 Abs. 3 des DM-Bilanzgesetzes, die lediglich den zur Überschuldung führenden Fehlbetrag in der Bilanz zum Zwecke der Herstellung der gesetzlichen Mindestkapitalausstattung ausgleichen, so bestätigt das den normativen Zweck der Sicherung der Überlebensfähigkeit der Unternehmen.

Wenn das Verwaltungsgericht demgegenüber die Bedeutung der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mit der Frage der Relevanz fehlender Sanierungsfähigkeit von Unternehmen gleichsetzt und sich darauf beruft, dass § 6 Abs. 2 VermG entgegen der Regelung in Absatz 4 die fehlende Sanierungsfähigkeit nicht als Ausschlussgrund für Ausgleichsleistungen benenne, so übersieht es, dass der Gesetzgeber selbst bei der Zulässigkeit der Restitution von Unternehmen und damit auch hinsichtlich des Bestehens von Ausgleichsansprüchen zwischen der bloß fehlenden Sanierungsfähigkeit und der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens unterscheidet. In § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG ist nämlich geregelt, dass ein Unternehmen – abgesehen von dem hier nicht eingreifenden Sonderfall des § 6 Abs. 6a VermG – nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung und der damit verbundenen Einstellung der werbenden Tätigkeit nicht mehr Gegenstand eines Rückübertragungsanspruchs nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG sein kann (vgl. hierzu Urteil vom 5. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 95.99 – VIZ 2001, 96 ≪98≫). Demgegenüber schließt eine nur fehlende Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dessen Rückübertragung nicht aus. Das belegt auch der Umstand, dass § 2 Abs. 3 URüV auch ein nicht mehr sanierungsfähiges Unternehmen als vergleichbares und damit restitutionsfähiges Unternehmen ansieht und erst durch seine endgültige Einstellung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG der Rückübertragungsanspruch auf das Unternehmen entfällt (vgl. Nolting in: Kimme, Recht der offenen Vermögensfragen, § 6 VermG Rn. 70; Messerschmidt in: Fieberg/Reichenbach, § 6 VermG Rn. 121).

Die auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des reprivatisierten Unternehmens abstellende Auslegung wird auch nicht durch das Argument des Verwaltungsgerichts entkräftet, dass die Überschuldung nicht einerseits Tatbestandsvoraussetzung für die Annahme einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage und andererseits Ausschlussgrund sein dürfe. Es spricht zwar einiges dafür, dass die Überschuldungsbegriffe in § 1 Abs. 1 der GesO und in § 6 Abs. 2 Satz 1 VermG in gleichem Sinne zu verstehen sind (vgl. hierzu Messerschmidt in: Fieberg/Reichenbach, § 6 VermG Rn. 302). Der im Falle der Überschuldung eines zu restituierenden Unternehmens bestehende Ausgleichsanspruch gemäß § 24 DM-Bilanzgesetz soll jedoch die Überschuldung gerade beseitigen, um das zu restituierende Unternehmen in der Marktwirtschaft zu erhalten.

Damit ist dieser Anspruch geeignet, die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens wegen Überschuldung auszuschließen. Wenn aber unabhängig von der Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens der Geschäftsbetrieb des Unternehmens eingestellt ist, hätten die Ausgleichsansprüche allein die Funktion, der Befriedigung der Gläubiger zu dienen. Ein solcher Gläubigerschutz ist aber gerade nicht das Ziel des § 6 VermG, vielmehr soll er allein die Lebensfähigkeit des zu restituierenden Unternehmens sicherstellen.

Auch die Überlegung des Verwaltungsgerichts, den nach dem Unternehmensgesetz der DDR bereits zurückübertragenen Unternehmen stünden auch nach der zwischenzeitlichen Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens noch ergänzende Ausgleichsansprüche zu, greift zu kurz. Es entspricht gerade nicht dem Zweck des § 6 Abs. 8 VermG (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 8), dass lediglich eine Benachteiligung derjenigen ausgeglichen wird, die ihr Unternehmen bereits nach dem Unternehmensgesetz zurückerhalten haben, gegenüber denjenigen, die dies nach dem Vermögensgesetz beanspruchen können und dabei ggf. Ausgleichsansprüche haben. Dieser Personenkreis darf über die Regelung des § 6 Abs. 8 VermG keine Besserstellung erfahren (vgl. Bernhardt in: Rädler, § 6 VermG Rn. 262). Eine solche Besserstellung würde aber eintreten, wenn diesem Personenkreis auch nach Einstellung des Geschäftsbetriebs noch Ausgleichsansprüche gewährt würden, was wiederum der gesetzlichen Wertung in § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG widersprechen würde.

Das hier gefundene Auslegungsergebnis wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass durch die Gewährung von Ausgleichsleistungen die Lebensfähigkeit eines in Gesamtvollstreckung befindlichen Unternehmens möglicherweise in einem Einzelfall wiederhergestellt und auf diesem Wege die Einstellung der Gesamtvollstreckung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 4 der Gesamtvollstreckungsordnung mit der Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss nach § 60 Nr. 4 GmbHG a.F. (= § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG n.F.) erreicht werden kann. Denn § 6 Abs. 1 Satz 2 VermG bezweckt allein die Sicherstellung der Überlebensfähigkeit des zu restituierenden Unternehmens, das damit weiterhin werbend am Markt teilnehmen kann. Dieser Gesetzeszweck ist aber nicht auf die Wiedererweckung von bereits eingestellten Unternehmen gerichtet.

Aufgrund des Akteninhalts und des Vortrags der Beteiligten ist nichts dafür ersichtlich, dass die GmbH nach Anordnung der Gesamtvollstreckung ihren Geschäftsbetrieb in werbender Weise unter Teilnahme am Marktgeschehen fortgeführt hat. Im Übrigen spricht auch nichts dafür – ohne dass der Senat hier klären muss, ob diese Umstände überhaupt Auswirkungen auf einen Anspruch nach § 6 Abs. 8 VermG haben können –, dass vorliegend eine Unterbrechung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Unterbrechung von Gesamtvollstreckungsverfahren vom 23. Mai 1991 vor Eröffnung dieses Verfahrens eine etwaige Einstellung nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 GesO erfolgt oder das Verfahren der Gesamtvollstreckung auf Antrag des Schuldners aufgrund eines Vergleichs gemäß § 16 Abs. 1 GesO beendet worden ist.

Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, dass nach seiner Meinung die behördliche Entscheidung über den Anpassungsantrag ungebührlich verzögert worden ist. Nach dem feststehenden Sachverhalt und dem Akteninhalt hat die GmbH schon die vom Beklagten und später ebenfalls von der Beigeladenen angeforderten Unterlagen zur weiteren Prüfung ihres Antrages trotz mehrfacher Mahnung zu keiner Zeit vorgelegt und auch nicht zu erkennen gegeben, dass der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werden soll.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Voraussetzungen der Rücknahmeermächtigung nach § 48 des ThVwVfG, das mit der Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes übereinstimmt und damit revisibel ist (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), liegen ansonsten vor, wobei es aufgrund der hier einschlägigen Regelung des § 50 des ThVwVfG nicht auf die Frage der Einhaltung der Jahresfrist und auf die Beachtung von Vertrauensschutzgesichtspunkten ankam, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. Auch für das Vorliegen von Fehlern bei der Ausübung des Rücknahmeermessens sind weder Anhaltspunkte ersichtlich noch seitens des Klägers vorgetragen worden.

Auch die Ablehnung des Antrages der M.… Bau GmbH auf Anpassung gemäß § 6 Abs. 8 VermG in dem Bescheid vom 27. Juni 2000 ist rechtmäßig, da dem Kläger nach obigen Ausführungen wegen der fehlenden Überlebensfähigkeit des Unternehmens kein derartiger Anspruch zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Dr. von Heimburg

 

Fundstellen

VIZ 2003, 281

ZfIR 2003, 438

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