Entscheidungsstichwort (Thema)

Restitutionsanspruch. strafrechtliche Rehabilitierung;. Aufhebung der Einziehung;. Unternehmensrestitution;. stillgelegtes Unternehmen. Betriebsgrundstück. mehrere zeitlich aufeinander folgende Schädigungstatbestände

 

Leitsatz (amtlich)

Der Rückübertragungsanspruch nach § 3 Abs. 2 StrRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 7 VermG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass später ein (weiteres) „Enteignungs”verfahren durchgeführt wurde, das keinen Schädigungstatbestand nach § 1 VermG erfüllt.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 3, 7, § 6 Abs. 6a; StrRehaG § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Berlin (Entscheidung vom 01.07.1998; Aktenzeichen 7 A 23.96)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juli 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger begehren die Rückübertragung eines 940 qm großen Grundstücks in Berlin-Mitte (I.-straße 12). Sie sind die Testamentsvollstrecker für den Nachlass der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Frau Hildegard W., die ihrerseits als Alleinerbin Rechtsnachfolgerin der Frau Margarete H. war. Diese war seit 1921 als alleinige Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Sie betrieb seit diesem Zeitpunkt auf dem Grundstück die einzelkaufmännische Firma C.A.L.

Mit Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 14. Oktober 1952 wurde „der Betrieb der Beschuldigten Margarete H., C.A.L. in Berlin, I.-straße 12 … mit seinem gesamten toten und lebenden Inventar sowie etwa noch bestehender Bankkonten gemäß § 16 WStVO und §§ 430 ff. StPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Ziff. 3 WStVO eingezogen”. Zur Begründung heißt es in dem Urteil, dass der Ehemann der Margarete H. im Jahre 1950 fortgesetzt Waren aus der Produktion des Betriebes entnommen und diese ohne Genehmigung nach Berlin (West) verbracht habe. Außerdem habe er aus den Tageseinnahmen des Betriebes einen Betrag von insgesamt mehr als 120 000 DM herausgezogen und das Geld für illegale Einkäufe in Berlin (West) verwandt.

Im Februar 1953 wurde in das Grundbuch eingetragen, dass das streitgegenständliche Grundstück in Schutz und Verwaltung des Magistrats von Groß-Berlin stehe. Treuhandverwalter wurde der VEB KWV Berlin-Mitte.

Im Juni 1976 beantragte der Rat des Stadtbezirks Mitte beim Magistrat von Groß-Berlin, das streitbefangene Grundstück, das als im Eigentum der Margarete H. stehend bezeichnet wurde, für die Durchführung der Aufbaumaßnahme „Schulneubau” in Anspruch zu nehmen. Die Eintragung in das Register der Aufbaugebiete erfolgte am 21. Juni 1976. Mit Inanspruchnahmebescheid des Magistrats von Groß-Berlin vom 1. September 1976 wurde das Grundstück nach der Aufbauverordnung in Anspruch genommen. Noch im selben Monat wurde in das Grundbuch „Eigentum des Volkes” eingetragen. Im April 1977 wurde eine Entschädigung in Höhe von 55 930 Mark der DDR festgesetzt, die mit auf dem Grundstück lastenden volkseigenen Forderungen verrechnet wurde.

Mit Beschluss vom 27. Mai 1992 hob das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 14. Oktober 1952 auf, weil die im objektiven Verfahren ausgesprochene Vermögenseinziehung mit rechtsstaatlichen Maßstäben unvereinbar gewesen sei.

Bereits Anfang September 1990 beantragte Frau W. die Rückübertragung des Unternehmens C.A.L. einschließlich des Grundstücks I.-straße 12. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung des beweglichen Betriebsvermögens der ehemaligen Firma C.A.L. ab und stellte zugleich fest, dass Frau W. für den Verlust des beweglichen Betriebsvermögens ein Anspruch auf Entschädigung zustehe. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, dass der Verbleib des im Jahr 1952 vorhanden gewesenen beweglichen Betriebsvermögens nicht mehr feststellbar sei. Es sei davon auszugehen, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt worden sei und die Voraussetzungen für seine Wiederaufnahme nicht mehr vorlägen. Das Grundstück I.-straße 12 sei durch das Urteil vom 14. Oktober 1952 nicht eingezogen worden, da es sich nicht um ein Betriebsgrundstück gehandelt habe.

Mit weiterem Bescheid vom 2. Juli 1996 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, das die Entscheidung insoweit an sich gezogen hatte, auch die Rückübertragung des Grundstücks im Wege der Einzelrestitution mit der Begründung ab, dass die Inanspruchnahme des Grundstücks im Jahre 1976 keinen Tatbestand des § 1 VermG erfülle.

Gegen beide Bescheide hat Frau W. jeweils Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Die damalige Klägerin hat die Ansicht vertreten, das Grundstück sei bereits durch das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 14. Oktober 1952 eingezogen worden und sei deshalb nach § 1 Abs. 7 VermG zurückzuübertragen. Das Grundstück sei nämlich, nachdem das ursprünglich gemischt genutzte Gebäude während des Krieges vollständig zerstört worden sei, nur noch mit einer behelfsmäßig errichteten Baracke für betrieblich Zwecke genutzt worden und daher Betriebsvermögen gewesen. Die im Jahr 1976 erfolgte Inanspruchnahme sei somit ins Leere gegangen. Im Übrigen seien insoweit aber auch die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 VermG erfüllt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli 1998 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks ergebe sich weder aus § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG noch aus „§ 6 a Abs. 1 Satz 1 VermG”. Dies gelte selbst dann, wenn man unterstelle, dass das streitbefangene Grundstück tatsächlich zum Betriebsvermögen gehört habe und von dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 14. Oktober 1952 erfasst worden sei. Auch in diesem Fall sei die Klägerin nicht Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes, weil die nachfolgende Inanspruchnahme des Grundstücks im September 1976 zum Zwecke eines Schulneubaus keine Maßnahme im Sinne des § 1 VermG darstelle. Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes sei derjenige, dessen Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen seien. Diese Voraussetzungen seien nicht schon dann gegeben, wenn Vermögenswerte irgendwann einmal einer Maßnahme nach § 1 VermG unterlegen hätten. Erforderlich sei vielmehr, dass die Betroffenheit noch andauere. Hieran fehle es jedoch, wenn – wie vorliegend – der Vermögenswert zwischenzeitlich von einer vermögensentziehenden Maßnahme der DDR betroffen sei, die rechtsstaatlich hinnehmbar und auch nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt worden sei.

Die Inanspruchnahme des Grundstücks im Jahr 1976 unterfalle keinem der in § 1 VermG aufgeführten Tatbestände. Insbesondere sei das Grundstück entgegen der Ansicht der (damaligen) Klägerin weder entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt worden noch sei es Gegenstand unlauterer Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gewesen. Den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG erfülle die Inanspruchnahme des Grundstücks nicht, weil bei Enteignung auf der Grundlage der Aufbauverordnung eine Entschädigung vorgesehen gewesen sei. Dass die festgesetzte Entschädigung tatsächlich nicht ausgezahlt worden sei, sei unerheblich.

Es liege auch keine unlautere Machenschaft vor. Darunter könnten zwar auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher oder sonst manipulativer Enteignungen fallen. Es gäbe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Enteignungszweck lediglich vorgeschoben worden sei. Der Umstand, dass ein Schulneubau bis zum 3. Oktober 1990 tatsächlich nicht erfolgt sei, lasse mangels weiterer Indizien keinerlei Rückschlüsse zu. Im Übrigen spreche die räumliche Nähe des streitgegenständlichen Grundstücks zu der bereits zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme existierenden 9. Oberschule auch dagegen, dass der Enteignungszweck seinerzeit lediglich vorgeschoben worden sein könnte. Die Inanspruchnahme sei auch nicht nach dem Recht der DDR offenkundig rechtswidrig gewesen. Die Aufbauverordnung habe nicht nur den Aufbau von Wohngebäuden, sondern auch den Beschluss und die planmäßige Festlegung von städtebildenden Faktoren (Industrie, Verwaltungsorgane und Kulturstätten von überörtlicher Bedeutung) gedeckt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision, zu deren Begründung die Kläger den Verstoß gegen materielles Recht rügen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juli 1998 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 2. Juli 1996 und teilweiser Aufhebung des Bescheides derselben Behörde vom 15. Dezember 1995 zu verpflichten, das Grundstück in Berlin-Mitte, I.-straße 12, an sie zurückzuübertragen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er meint, das angefochtene Urteil verstoße gegen Bundesrecht, sei aber im Ergebnis richtig.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf einem Verstoß gegen Bundesrecht. Es stellt sich nach den bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1. Das angefochtene Urteil beruht entscheidungstragend auf der Rechtsansicht, es könne dahinstehen, ob das streitbefangene Grundstück im Jahr 1952 durch das später im Kassationsverfahren vom Landgericht Berlin aufgehobene Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte, das im objektiven Verfahren die Einziehung des gesamten betrieblichen Vermögens der Firma C.A.L. ausgesprochen hatte, enteignet worden ist, denn jedenfalls sei durch die nachfolgende Inanspruchnahme des Grundstücks im Jahre 1976 ein rechtsstaatlich hinnehmbarer Zustand eingetreten, der die Rückübertragung wegen einer möglichen Enteignung im Jahr 1952 ausschließe. Damit verstößt das Verwaltungsgericht gegen Bundesrecht.

Nach § 1 Abs. 7 VermG gelten die Vorschriften des Vermögensgesetzes entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes geht mithin für den Fall, dass derartige Vermögensentziehungen auf der Grundlage von anderen Wiedergutmachungs- oder Rehabilitierungsregelungen aufgehoben werden, von der grundsätzlichen Notwendigkeit der Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts aus und unterwirft diese Rückgabe den Vorschriften des Vermögensgesetzes. Dies trifft insbesondere für die Aufhebung von Vermögensentziehungen zu, die – wie hier – im Kassationsverfahren erfolgt sind. Ob und inwieweit die strafrechtliche Rehabilitierung mit der Rückgabe von Vermögenswerten verbunden ist, ist daher in erster Linie im Kassationsverfahren zu prüfen. Wird eine Vermögenseinziehung von dem für die Kassation zuständigen Gericht aufgehoben, ergeben sich nach § 26 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches RehabilitierungsgesetzStrRehaG) vom 29. Oktober 1992 (BGBl I S. 1814), jetzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999 (BGBl I S. 2664), die weiteren Rechtsfolgen aus dem Vermögensgesetz (vgl. Beschluss vom 9. Juni 1994 – BVerwG 7 B 145.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 23 und Urteile vom 25. Februar 1999 – BVerwG 7 C 9.98 – BVerwGE 108, 315 ≪318 ff.≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1 S. 1 ≪3 ff.≫ und – BVerwG 7 C 8.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 2 sowie vom 17. Mai 2000 – BVerwG 8 C 16.99 – UA S. 9 ≪zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung und in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 7 VermG vorgesehen≫). Soweit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 VermG vorliegen, können der Rückübertragung nur die gesetzlichen Ausschlussgründe nach den §§ 4 bis 6 VermG oder § 11 InVorG entgegengehalten werden (vgl. Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand Juli 1999, § 1 VermG Rn. 173), nicht aber eine „rechtsstaatlich hinnehmbare” spätere Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz. Sollte nämlich das Grundstück bereits aufgrund des Strafurteils staatliches Eigentum geworden sein, wäre die spätere „Enteignung” auf der Grundlage des Aufbaugesetzes ins Leere gegangen (vgl. Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 54 S. 149 ≪156≫ und Beschluss vom 5. September 1997 – BVerwG 7 B 203.97 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 32). Einem Restitutionsanspruch nach § 3 Abs. 2 StrRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 7 VermG kann nicht entgegengehalten werden, es sei später noch zu einer nach § 1 VermG nicht zu beanstandenden sonstigen Enteignung gekommen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Vermögensgesetz die Wiedergutmachung in der Form der Rückübertragung des konkret entzogenen Vermögenswertes vorsieht, sofern nicht der Berechtigte eine Entschädigung wählt (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 8 VermG). Der Betroffene erhält Genugtuung durch eine Wiedereinsetzung in den vor der Unrechtsmaßnahme bestehenden rechtlichen Stand. Die staatliche Rückübertragungsentscheidung ist der actus contrarius zu der vom damaligen Staat durchgeführten oder ermöglichten Entziehung des Vermögenswertes (Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – BVerwGE 98, 137 ≪143 f.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 42 S. 101 ≪107 f.≫). Aus diesem Grunde hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt ausgeführt, dass Erwägungen fehl am Platze seien, ob und inwieweit ein vergleichbarer Vermögensverlust durch andere Vorgänge ebenfalls eingetreten wäre. Die Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs oder einer Reserveursache ist weder zu Lasten noch zu Gunsten eines Geschädigten zulässig (Urteile vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – a.a.O. S. 142 f. bzw. S. 107, vom 27. Juni 1996 – BVerwG 7 C 11.95 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 19 S. 21 ≪25≫ und vom 28. April 1998 – BVerwG 7 C 28.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 152 S. 463 ≪465≫). Dies gilt ebenso für Rückübertragungen bzw. Rückgaben nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 VermG.

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Aufgrund der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob den Klägern der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks zusteht. Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Landgericht Berlin hat durch Beschluss vom 27. Mai 1992 das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 14. Oktober 1952 aufgehoben. Ob die Kläger aufgrund dieses Beschlusses die Rückgabe des streitbefangenen Grundstücks nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes verlangen können, hängt davon ab, ob die Aufhebung der Vermögenseinziehung auch das Grundstück betrifft. Dies wiederum ist allein davon abhängig, ob das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte, mit dem im objektiven Verfahren auf „Einziehung des Betriebes … mit seinen gesamten toten und lebenden Inventar sowie etwa noch bestehender Bankkonten” erkannt wurde, auch das Grundstück erfasste. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass eine etwaige Enteignung durch das Urteil nicht in das Grundbuch eingetragen wurde. Denn mit der Rechtskraft einer Entscheidung über eine Einziehung auf Grund des § 16 der Verordnung über die Bestrafung von Verstößen gegen die Wirtschaftsordnung (Wirtschaftsstrafverordnung) vom 23. September 1948 (ZVOBl S. 439) – WStVO –, wie sie hier durch das amtsgerichtliche Urteil getroffen wurde, gingen die Rechte Dritter unter (§ 16 Abs. 4 WStVO). Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem damaligen Recht der DDR mit der Rechtskraft des Urteils das Eigentum auf den Staat überging (vgl. zu dieser Rechtslage bei strafrechtlichen Einziehungen auch § 74 e Abs. 1 StGB, § 56 Abs. 1 Satz 3 und § 57 Abs 3 Satz 3 StGB-DDR vom 12. Januar 1968 ≪GBl I S. 1≫ und in der Fassung vom 14. Dezember 1988 ≪GBl 1989 I S. 33≫ sowie für die Zeit der amtsgerichtlichen Verurteilung LG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 1952 – VI Qs 319/52 – NJW 1953, 435 ≪436≫ unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts). Der Rechtswechsel tritt unmittelbar durch die konstitutive Anordnung des Gerichts ein, auch wenn der Übergang sonst die Einhaltung von Formvorschriften verlangt. Das durch die Anordnung unrichtig gewordene Grundbuch muss ggf. berichtigt werden (vgl. für die heutige, der damaligen entsprechenden Rechtslage: Tröndle-Fischer, StGB, 49. Aufl. 1999, § 74 e Rn. 1).

Das Verwaltungsgericht wird daher zunächst Feststellungen zu der Frage treffen müssen, ob das Grundstück im Zeitpunkt der Schädigung zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörte. Dabei dürfte letztlich weder entscheidend sein, dass die damalige Eigentümerin als Privatperson im Grundbuch eingetragen war noch ob das Grundstück in der Firmenbilanz ausgewiesen wurde. Entscheidend ist bei einem einzelkaufmännisch betriebenen Unternehmen vielmehr, ob das Grundstück im Eigentum des Unternehmers stand und betrieblichen Zwecken gewidmet war (vgl. im Einzelnen dazu Urteil vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 40.96 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35 S. 45 ≪50≫). Für eine solche Annahme dürfte nach dem bisherigen Akteninhalt einiges sprechen.

Sollte das Grundstück von der Vermögenseinziehung erfasst gewesen sein, könnte, da eine Rückgabe des früheren Unternehmens gemäß § 4 Abs. 2 VermG offenbar wegen endgültiger Stilllegung des Geschäftsbetriebs ausgeschlossen ist, eine Rückgabe nur des noch vorhandenen Grundstücks nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG in Betracht kommen, sofern das Grundstück im Zeitpunkt der Stilllegung des Betriebes noch zu dessen Vermögen gehörte (vgl. Urteile vom 26. Mai 1994 – BVerwG 7 C 15.93 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 6 S. 11 ≪12 f.≫ und vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 12.97 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 27 S. 59 ≪60≫). Sollte das Grundstück dagegen vor der Stilllegung des Unternehmens „weggeschwommen” sein, könnte seine Rückgabe weder nach § 6 Abs. 6 a VermG noch im Wege der Einzelrestitution beansprucht werden (vgl. Urteile vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 25 und vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 12.97 – a.a.O.). Schließlich müsste das stillgelegte Unternehmen mit dem entzogenen Unternehmen im Zeitpunkt der Stilllegung vergleichbar gewesen sein (Urteile vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 20.93 – BVerwGE 95, 155 ≪164 ff.≫ = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 5 S. 1 ≪9 f.≫ und vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 12.97 – a.a.O.).

Das Verwaltungsgericht wird daher ggf. weiter zu prüfen haben, ob das Grundstück im Zeitpunkt der Stilllegung des Unternehmens von diesem noch betrieblich genutzt wurde, wobei es auch insoweit nicht auf die Eintragungen im Grundbuch ankommt.

b) Sollte dagegen das Grundstück nicht von dem Strafurteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte erfasst worden sein, käme – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – eine Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass ein Schädigungstatbestand nach § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG nicht vorliegt. Hinsichtlich einer möglichen Schädigung nach § 1 Abs. 3 VermG durch eine unlautere Machenschaft wird das Verwaltungsgericht im Hinblick darauf, dass offenbar seit der Inanspruchnahme des Grundstücks im Jahre 1976 bis heute keinerlei Baumaßnahmen durchgeführt wurden, noch zu prüfen haben, ob der Inanspruchnahme eine konkrete Planung hinsichtlich des Schulneubaus zugrunde lag. In diesem Zusammenhang bietet sich die Beiziehung der im Inanspruchnahmebescheid vom 1. September 1976 genannten Vorgänge über die Eintragung in das Register der Aufbaugebiete an. Sollten im Zeitpunkt der Inanspruchnahme keine konkreten Bauarbeiten geplant gewesen sein, könnte dies ein Indiz für eine unlautere Machenschaft darstellen (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140 S. 421 ≪427≫), sofern das Verwaltungsgericht nicht feststellen sollte, dass es der damaligen Rechtspraxis in der DDR entsprach, Grundstücke auch für andere Zwecke als Baumaßnahmen nach der Aufbauverordnung in Anspruch zu nehmen.

 

Unterschriften

Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Golze, Postier

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 19.07.2000 durch Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

ZAP-Ost 2000, 655

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