Bundesrat macht sich für Vorkaufsrecht-Reform stark

Der Bundesrat setzt sich für eine Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts zum Milieuschutz ein – das drohe derzeit de facto leerzulaufen. Die Bundesregierung solle schnellstens das Baugesetzbuch ändern, damit es wieder effektiv genutzt werden könne.

Das kommunale Vorkaufsrecht zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum müsse effektiv und wirksam ausgeübt werden können, begründet der Bundesrat seine Entschließung vom 8.4.2022, die sich an die Bundesregierung richtet, das Baugesetz schnellstmöglich zu ändern. Städte und Gemeinden müssten berücksichtigen können, ob der Käufer eines Grundstücks erhaltungswidrige Nutzungsabsichten in der Zukunft verfolge.

Hintergrund des Entschließungsantrags ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v. 9.11.2021, Az. 4 C 1.20) mit dem das Vorkaufsrecht genau in diesem Punkt gekippt wurde.

Bundesrat reagiert auf BVerwG-Urteil

Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei ausgeschlossen, wenn das Grundstück zum Ausübungszeitpunkt im Sinne der Sozialen Erhaltungssatzung regulär genutzt werde, so die Richter. Das BVerwG hat die gesetzliche Vorschrift so ausgelegt, dass es nur auf den Zustand zum Zeitpunkt des Verkaufs ankommt und nicht auf Absichten des Käufers in der Zukunft. Es ging um einen Fall im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Das höchstrichterliche Urteil habe der bisherigen Praxis zum Vorkaufsrecht die Grundlage entzogen, befand nun die Länderkammer. Auf mögliche Entwicklungen, die zu einer Verdrängung angestammter Mieter führen würden, könnten die Kommunen nicht mehr reagieren, daher sei gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben. Die Bundesregierung muss sich nun mit der Vorlage befassen. Feste Fristen gibt es hierfür aber nicht.

Die Initiative zur entsprechenden Änderung des Baugesetzbuchs, um eine rechtssichere Regelung für das Vorkaufsrecht zu schaffen, wurde von Berlin, Bremen und Hamburg in den Bundesrat eingebracht.

Vorkaufsrecht-Urteil beschäftigt Großstädte

Anfang des Jahres hatten sich bereits die drei größten deutschen Städte Berlin, Hamburg und München für eine Reform des Baugesetzbuchs ausgesprochen, um die Ausübung des Vorkaufsrechts "als Ultima Ratio gegen Bodenspekulanten, steigende Mieten und die Verdrängung von Bewohnern" wieder rechtssicher anwenden zu können, teilten die Städte in einem gemeinsamen Schreiben am 26. Januar mit.

Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (alle SPD) appellierten an den Bund und die Länder, an einer bundesweiten Lösung mitzuwirken.

Aus Sicht der Städte heißt das: Das Vorkaufsrecht kann in Stadtteilen mit Milieuschutz nicht ausgeübt werden – und mit den Käufern können auch keine Abwendungserklärungen geschlossen werden, wenn nur für die Bewohner nachteilige, zukünftige Nutzungsabsichten der Erwerber als Begründung angeführt werden. Dabei seien kommunale Vorkaufsrechte gerade in angespannten Wohnungsmärkten in Gebieten mit sozialen Erhaltungsverordnungen ein wichtiges Instrument.

Hamburg kauft Spekulanten öfter Bauland vor der Nase weg

Auch Hamburg nutzt das Vorkaufsrecht gerne und ist zuletzt im Jahr 2020 besonders rigide gegen mögliche Bodenspekulanten vorgegangen: 110 Vorkaufsrechtsverfahren seien bei Grundstücksdeals bearbeitet worden, erklärte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Herbst 2021 bei Vorlage des jüngsten Geschäftsberichts des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), der zu seiner Behörde gehört – das waren rund ein Drittel (35 Prozent) mehr als 2019.

Manchmal reichte es schon aus, das "scharfe Schwert" bloß zu zeigen, sagte Dressel. In 56 Fällen habe die Stadt eine "freihändige Einigung" erzielt – also die Grundstücke gekauft, ohne formal das Vorkaufsrecht zu nutzen. In 14 Fällen sei während des Verfahrens eine Abwendungsvereinbarung getroffen worden: Die Käufer verpflichteten sich, bestimmte Miethöhen oder Grenzen bei der Umlage von Modernisierungskosten einzuhalten. In zwölf Fällen habe die Stadt Verfahren gestoppt.

Tatsächlich umgesetzt worden ist das Vorkaufsrecht laut Dressel in 28 Fällen. Sechs Fälle mussten juristisch geklärt werden. Die Kosten der von der Stadt gekauften Grundstücke bezifferte die Finanzbehörde auf rund 22,5 Millionen Euro. In Gebieten mit Sozialer Erhaltungsverordnung müssen bestimmte Maßnahmen vorab genehmigt und überprüft werden. Dazu gehören der Abriss von Gebäuden und Gebäudeteilen, Baumaßnahmen und Modernisierungen, die den Wohnwert steigern. Auch eine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie die Nutzungsänderung von Mietwohnungen wird in die Prüfung einbezogen.

Berlin verteidigt Ausgaben in Millionenhöhe für Vorkaufsrecht

Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) hatte kürzlich die Millionenausgaben für die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts bei Wohnungen in verschiedenen Berliner Bezirken verteidigt. Der Großteil der Vorkäufe sei ein gutes Geschäft gewesen, sagte der Senator in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". Die öffentliche Hand sei nicht darauf angewiesen, dass sich ein Kauf innerhalb von wenigen Jahren amortisiere.

Berlin hat über das Vorkaufsrecht seit 2015 durch Genossenschaften und landeseigene Unternehmen 2.674 Wohnungen für insgesamt knapp 530 Millionen Euro gekauft, wie der Senat im Dezember 2021 auf eine Anfrage der FDP-Fraktion mitteilte. "Das Prinzip war: Um abzuwenden, dass irgendein Investor nach dem Kauf einer Immobilie Mondmieten fordert, prüfen Bezirke und Land einen Vorkauf", sagte Wesener.

Sie wolle das Vorkaufsrecht als "Instrument der Kommunen, um gegen Verdrängung vorzugehen" verbessern, sprach sich Cansel Kiziltepe (SPD), Staatsekretärin des Bundesministeriums für Bauwesen, am 13. Januar im ARD-Mittagsmagazin für eine rasche Gesetzesänderung aus. Nach dem BVerwG-Urteil dürfe das Vorkaufsrecht nur noch angewendet werden, wenn Wohnungen eines Gebäudes leer stehen oder die Immobilie verwahrlose. Die Befürchtung, dass private Investoren die Mieten nach dem Kauf erhöhen, gelte nicht.

"Es war nicht die Absicht des Gesetzgebers, dass das so gedeutet wird", so Kiziltepe. Deshalb sei es wichtig, dass hier Rechtssicherheit geschaffen werde durch eine Gesetzesänderung.


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Schlagworte zum Thema:  Vorkaufsrecht, Wohnungspolitik, Wohnungsmarkt, Mieter