Bauland-Novelle: Meilenstein für die Wohnungswirtschaft?
Am 23.06.2021 ist das "Gesetz zur Mobilisierung von Bauland" in Kraft getreten, mit dem das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung wesentlich geändert wurden. Den Entwurf bezeichnete Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in seiner Presseerklärung vom 4.11.2020 als "Meilenstein der Wohnungspolitik". Zunächst weitet das Gesetz die staatliche Regulierung und die damit verbundenen Rechtseingriffe in die Projektentwicklung von Wohnimmobilien aus. Wird das Baulandmobilisierungsgesetz so den hohen Erwartungen der Wohnungswirtschaft gerecht?
Ausweitung kommunaler Vorkaufsrechte
Zuerst handelt es sich bei dem Baulandmobilisierungsgesetz um ein Baulandbeschaffungsgesetz. Die Fälle, in denen Gemeinden bei Grundstücksverkäufen ein kommunales Vorkaufsrecht auf Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB) ausüben können, werden ausgeweitet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Nr. 8, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Auch die neuen Vorkaufsrechte können zugunsten Dritter, beispielsweise kommunale Wohnungsbaugesellschaften, ausgeübt werden (§ 27a BauGB).
Zudem haben die Gemeinden nun drei (statt bislang zwei) Monate Zeit, ein Vorkaufsrecht auszuüben. Vorkaufsrechte bestehen nun auch in Gebieten, für die ein (städtebaulicher oder anlagenbezogener) Missstand vorliegt und die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld aufweisen – gemeint sind "Schrottimmobilien".
Die Gemeinden können zudem Satzungen für Gebiete mit unbebauten oder brachliegenden Grundstücken erlassen, für die dann Vorkaufsrechte ausgeübt werden können. Voraussetzung für dieses neue Vorkaufsrecht ist aber, dass das Gebiet zugleich ein "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" ist.
Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten
Nicht nur aus diesem Grund müssen die Akteure der Wohnungswirtschaft ab jetzt darauf achten, ob ein Grundstück in einem "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" liegt (§ 201a BauGB). Solche Gebiete werden von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmt. Neben Vorkaufsrechten und Baugeboten kann vor allem das Umwandlungsverbot zur Anwendung kommen.
Ein "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Gemeindeteil zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist – dies wird vermutlich das gesamte Land Berlin betreffen.
Diese neue städtebauliche Gebietskategorie als Grundlage zahlreicher möglicher staatlicher Rechtseingriffe wird ab jetzt Teil jeder öffentlich-rechtlichen Due Diligence sein müssen. Der Gesetzgeber hat die Geltungsdauer der Rechtsverordnung zunächst bis zum 31.12.2026 befristet. Damit bleibt es dem neuen Bundestag überlassen, der am 26.9.2021 gewählt wird, über die Verlängerung dieses grundrechtsrelevanten Eingriffsinstruments zu entscheiden.
Das "Umwandlungsverbot"
Zuletzt drohte das Baulandmobilisierungsgesetz am sogenannten "Umwandlungsverbot" zu scheitern, das im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt höchst umstritten war (und noch ist). Für ein "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" kann von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung – befristet bis 31.12.2025 – die Bildung von Wohnungseigentum einer Genehmigungspflicht unterworfen werden.
Bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung bestanden, bedürfen die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum einer Genehmigung. Für Neubauten gilt die Genehmigungspflicht also nicht. Für bestehende Wohngebäude mit nicht mehr als fünf Wohnungen gilt diese Genehmigungspflicht zwar bundesgesetzlich ebenfalls nicht, die Landesregierungen können aber eine abweichende Anzahl von Wohnungen zwischen drei und 15 bestimmen.
Zwar wird der einschlägige § 250 BauGB nahezu irreführend mit "Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten" betitelt, in der Sache handelt es sich aber um ein "Umwandlungsverbot", da eine Genehmigung nur noch unter ganz engen Voraussetzungen erteilt werden wird. Etwa dann, wenn das Wohnungs- oder Teileigentum an Familienangehörige des Eigentümers oder zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.
Selbst wenn keine Genehmigungspflicht für eine Umwandlung in einem "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" besteht, kann eine solche immer noch aufgrund der Lage des Wohngebäudes in einem "Gebiet zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung" (soziales Erhaltungsgebiet, "Milieuschutz", § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) erforderlich sein.
Ausweitung von Baugeboten
Ein Grundstückseigentümer kann zusätzlich verpflichtet werden, sein in einem "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" gelegenes Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheit(en) zu bebauen. Dabei kann die Gemeinde auch ein bestimmtes Nutzungsmaß anordnen (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Neu geregelt wurde außerdem, dass die Gemeinde das Grundstück zugunsten einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft übernehmen kann, wenn dem Grundstückseigentümer die Befolgung eines Baugebotes nicht zuzumuten ist (§ 176 Abs. 4 Satz 2 BauGB).
Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung
Als "Kernstück" der Novelle wird der "Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung" angesehen (§ 9 Abs. 2d BauGB). Mit dem auf den Sektor "Wohnen" beschränkten Bebauungsplan soll "schnell und einfach" der unbeplante Innenbereich (nur) für die Errichtung von Wohngebäuden überplant werden können.
Nur scheinbar vermittelt das Instrument den Eindruck, es wäre für private Grundstückseigentümer, Entwickler und Investoren ausschließlich günstig. Mit der Überplanung wird dem Eigentümer das bestehende Baurecht des unbeplanten Innenbereichs "weggenommen". Außerdem ist zu erwarten, dass die Aufstellung eines "Bebauungsplanes zur Wohnraumversorgung" mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages zur Umsetzung eines sozialen Baulandmodells verbunden wird, um mit Mietpreis- und Belegungsbindungen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers.
Für die Rechtspraxis ist nicht zu erwarten, dass allein die inhaltliche Beschränkung auf den Sektor "Wohnen" zu "schnelleren und einfacheren" Bebauungsplänen führt. Gemeindepolitik und fehlende Verwaltungskapazitäten sowie das behördliche "Das haben wir schon immer so gemacht" werden leider entscheidend bleiben.
Erleichterungen für Befreiungen
Die Lage eines Grundstückes in einem "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" kann aber auch ihr Gutes haben. Sollte in diesem Gebiet ein Bebauungsplan bestehen, kann von dessen Festsetzungen – insbesondere zur Erhöhung des Nutzungsmaßes – unter erleichterten Voraussetzungen zugunsten des Wohnungsbaus eine Befreiung erteilt werden. Bislang durfte eine Befreiung nicht die "Grundzüge der Planung" berühren. Auf diese Voraussetzung wird nun verzichtet (§ 31 Abs. 3 BauGB). Ausdrücklich werden zudem die "Wohnbedürfnisse der Bevölkerung" als Rechtfertigungsgrund für eine Befreiung genannt.
Nutzungsmaße nur noch "Orientierungswerte"
Der Bauherr will maximale Geschossfläche und maximale Baumasse. § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) setzte diesem Wunsch bislang "Obergrenzen", die grundsätzlich nicht überschritten werden durften. Regelmäßig streiten sich Vorhabenträger und Plangeber in Bebauungsplan-Aufstellungsverfahren um das festzusetzende Nutzungsmaß oder Bauantragsteller und Genehmigungsbehörde um eine Befreiung zur Erhöhung dessen.
Im Interesse der "Flexibilisierung" der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung werden die bisher geltenden "Obergrenzen" mit dem Baulandmobilisierungsgesetz nur noch als "Orientierungswerte" ausgestaltet. Das soll insbesondere Nachverdichtungen erleichtern. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie flexibel die Baubehörden im Einzelfall mit den "Orientierungswerten für Obergrenzen" tatsächlich umgehen werden. So erfreulich die vom Gesetzgeber gewollte Flexibilisierung ist: Die Obergrenzen selbst, an denen sich zu orientieren ist, wurden nicht geändert. So weit reichte der gesetzgeberische Mut dann doch nicht.
Das "Dörfliche Wohngebiet"
Das "Urbane Gebiet" (§ 6a BauNVO) wurde als neue Baugebietskategorie 2017 eingeführt, mit variablen Nutzungsmischungen, vergleichsweise hohen Nutzungsmaßen und tagsüber höheren Lärmgrenzwerten. Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz tritt mit dem "Dörflichen Wohngebiet" (§ 5a BauNVO) ein weiteres neues Baugebiet ein. Das Dörfliche Wohngebiet soll dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen. Wie im Urbanen Gebiet auch, muss die Nutzungsmischung nicht gleichwertig sein.
Weitere Neuregelungen im Baurecht
Neben diesen Neuregelungen hat der Gesetzgeber auch hervorgehoben, dass die Aufstellung von Bebauungsplänen insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB), und den Katalog der Festsetzungsmöglichkeiten eines Bebauungsplanes um "Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge" (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) und "Naturerfahrungsräume" (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) ergänzt.
Bis zum 31.12.2022 können Außenbereichsflächen für Wohnnutzung im "beschleunigten Verfahren" überplant werden (§ 13b BauGB). Das im Referentenentwurf noch vorgesehene Ersatzgeld für naturschutzrechtliche Eingriffe im Fall der Aufstellung eines Bebauungsplanes wurde verworfen.
Fazit
Aufgrund der bundesweit überlangen Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die zudem fachlich immer komplexer werden, wird nur – und erst in Jahren – die Wohnungswirtschaft selbst beurteilen können, ob das Baulandmobilisierungsgesetz tatsächlich der erhoffte "Meilenstein der Wohnungspolitik" war. Zuzugeben ist, dass die Baurechtsnovelle 2021 für Teilbereiche neue Rechtsgrundlagen schafft, die den Wohnungsbau erleichtern. Zu bemängeln bleibt, dass der Gesetzgeber dabei zuerst auf staatliche Regulierung und gerade nicht die für die Wohnungswirtschaft entscheidenden Rahmenbedingungen setzt.
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