Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 18.07.2001; Aktenzeichen 2 K 464/96) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 18. Juli 2001 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks und, soweit eine Teilfläche des Grundstücks investiv veräußert worden ist, die Auskehr des darauf entfallenen Erlöses.
Eigentümerin des streitigen Grundstücks war Frau Elsa P. Das Grundstück bestand aus drei landwirtschaftlich genutzten Flurstücken (146/24, 147/24 und 1/1) sowie dem Anteil an den ungetrennten Hofräumen, die im Grundbuch von F. sämtlich auf einem Grundbuchblatt unter der Bezeichnung Bauerngut Nr. 35 eingetragen waren. Die Hofstelle (Hauptstraße 50) umfasste ein zweigeschossiges Wohnhaus mit zwei Wohnungen nebst angebautem Stall sowie weitere Wirtschaftsgebäude. Die drei landwirtschaftlich genutzten Flurstücke wurden 1958 in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft eingebracht. Eine der Wohnungen in dem Wohngebäude war jedenfalls seit Beginn der sechziger Jahre vermietet. Die Eigentümerin bewohnte die andere Wohnung selbst.
Die Eigentümerin verzichtete im September 1979 auf ihr Eigentum an dem Grundstück, das nach Genehmigung des Verzichts in Volkseigentum überführt wurde.
Die Rechtsnachfolger der 1986 verstorbenen Eigentümerin beantragten im September 1990 die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks. Sie traten ihre Ansprüche in der Folgezeit an die Klägerin ab. Die Gemeinde F. veräußerte aufgrund eines Investitionsvorrangbescheids eine Teilfläche (Flurstück 24/4) an einen Investor. Der Landrat des Landkreises Delitzsch, der Funktionsvorgänger der Beklagten, lehnte den Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks ab.
Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt, das Grundstück an sie zurückzuübertragen und, soweit es veräußert ist, die Auskehr des Erlöses anzuordnen. Sie hat unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes und später ergänztes Gutachten geltend gemacht: Das Grundstück sei im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts überschuldet gewesen. Es seien Instandsetzungsmaßnahmen unaufschiebbar notwendig gewesen, um die Bewohnbarkeit des Gebäudes zu erhalten. Ihre Kosten hätten den Beleihungswert des Grundstücks überschritten. Im Übrigen habe ihre Rechtsvorgängerin ihr Eigentum an dem Grundstück aufgrund unlauterer Machenschaften verloren. Sie habe nur auf die bebaute Fläche, nicht aber auf die landwirtschaftlich genutzten Flurstücke verzichten wollen. Die staatlichen Stellen hätten aber einen Verzicht auf das Grundstück insgesamt verlangt. Dieses Verlangen habe nicht der Rechtsordnung der DDR entsprochen. Ferner sei der Eigentümerin damit gedroht worden, sie werde einen Platz im Altersheim nur erhalten, wenn sie auf das Grundstück insgesamt verzichte.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben über den Zeitwert des Grundstücks, das Verhältnis von vermieteter zu eigengenutzter Wohnfläche des Wohngebäudes sowie den unaufschiebbar notwendigen Instandsetzungsbedarf zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts. Es hat hierzu das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt und aufgrund von Einwendungen der Klägerin gegen dieses Gutachten den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung gehört sowie mehrere Zeugen vernommen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage sodann durch das angefochtene Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG lägen nicht vor. Im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts habe zwar die Überschuldung des Grundstücks unmittelbar bevorgestanden. Bezogen allein auf den Zeitwert des bebauten Flurstücks und berechnet aus dem Mittel von Sach- und Ertragswert habe nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen der Beleihungswert des Grundstücks 7 340 M betragen. Dem habe nach dem Gutachten ein notwendiger Instandsetzungsaufwand von 34 600 M gegenübergestanden. Die bevorstehende Überschuldung des Grundstücks beruhe jedoch nicht ursächlich auf den nicht kostendeckenden Mieten. Die Überschuldung habe bereits ohne Berücksichtigung der Instandsetzungsaufwendungen bevorgestanden, die auf den vermieteten Teil des Gebäudes entfielen. Von den Instandsetzungsaufwendungen entfielen mindestens 7 484,20 M auf den eigengenutzten Teil des Wohngebäudes. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG seien ebenfalls nicht erfüllt. Es habe der Rechtsordnung der DDR entsprochen, dass die Eigentümerin nur auf das Grundstück insgesamt, nicht aber nur auf die bebaute Hofstelle habe verzichten können. Eine unlautere Machenschaft läge auch dann nicht vor, wenn der Eigentümerin gesagt worden wäre, sie habe mit der üblichen Wartezeit für einen Platz im Altersheim zu rechnen, wenn sie nicht auf ihr Eigentum an dem gesamten Grundstück verzichte. Indem ihr die schnellere Zuweisung eines Platzes im Altersheim versprochen worden sei, wenn sie auf das Grundstück insgesamt verzichte, sei ihr ein Vorteil im Vergleich zu anderen Bürgern der DDR in Aussicht gestellt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Sie macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft bei der Ermittlung des maßgeblichen Grundstückswertes nicht die hierfür einschlägige „Richtlinie für die Bewertung von bebauten Grundstücken” berücksichtigt. Nach dieser Richtlinie sei anstelle des Ertragswertes der Bodenwert anzusetzen, wenn der Ertragswert – wie hier – niedriger sei als der Bodenwert. Statt eines Zeitwertes von 7 340 M ergebe sich dann ein solcher von 7 900 M. Unter Zugrundelegung dieses Zeitwertes hätte das Verwaltungsgericht eine bevorstehende Überschuldung des Grundstücks schon wegen der Instandsetzungsaufwendungen für den eigengenutzten Teil des Hauses nicht mehr annehmen können. Zudem habe das Verwaltungsgericht diese Aufwendungen verfahrensfehlerhaft festgestellt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen den nicht kostendeckenden Mieten und der bevorstehenden Überschuldung des Grundstücks mit einer Begründung verneint, die mit § 1 Abs. 2 VermG nicht vereinbar ist. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Weil eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin auch auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 VermG nicht in Betracht kommt, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Allerdings ist der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG auf das streitige Grundstück grundsätzlich anwendbar, auch wenn dieses überwiegend landwirtschaftlich genutzt wurde. § 1 Abs. 2 VermG erfasst bebaute Grundstücke und Gebäude, die aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum übernommen wurden. Gegenstand einer solchen Schädigung ist das Grundstück im Rechtssinne (Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141). Ob das Buchgrundstück neben der Vermietung zu Wohnzwecken auch zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurde, ist unerheblich. Entscheidend ist die Nutzung des Wohngebäudes (Urteil vom 15. Mai 1997 – BVerwG 7 C 50.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 111). Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die in Rede stehenden Flurstücke zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts im Grundbuch von F. Blatt 24 unter der Bezeichnung Bauerngut Nr. 35 als einheitliches Grundstück verzeichnet waren.
a) Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass eine Überschuldung des Grundstücks zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts unmittelbar bevorgestanden hat.
Ein Grundstück war überschuldet, wenn die ihm zuzuordnenden Verbindlichkeiten den Zeitwert der Immobilie überschritten. Um den Zeitwert des Grundstücks zu ermitteln, muss der Wert festgestellt werden, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der Beleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Waren – wie hier – die landwirtschaftlichen Nutzflächen eines teilweise bebauten Grundstücks in eine LPG eingebracht, bestimmt sich der Zeitwert des Buchgrundstücks allein nach dem Beleihungswert des bebauten Flurstücks (Beschluss vom 20. November 2000 – BVerwG 7 B 147.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 11).
Von diesem rechtlichen Ansatz aus hat das Verwaltungsgericht den Zeitwert des bebauten Teils des Grundstücks durch den Sachverständigen konkret ermitteln lassen. Hierfür waren die Bewertungsvorschriften heranzuziehen, die in der DDR seinerzeit galten. Für den Zeitpunkt des Eigentumsverzichts (September 1979) war die – nicht veröffentlichte – Bewertungsrichtlinie vom 4. Mai 1960 maßgeblich (Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪91≫). Danach war der Grundstückswert aus dem Mittel zwischen Sachwert und Ertragswert zu berechnen, wobei der Sachwert die Obergrenze bildete. Dementsprechend ist der Sachverständige vorgegangen. Er hat aus dem Mittel von Sachwert und Ertragswert für den bebauten Teil des Grundstücks einen Zeitwert von 7 340 M ermittelt.
Die hiergegen erhobene Rüge der Klägerin ist unbegründet. Sie meint, das Verwaltungsgericht hätte die „Richtlinie für die Bewertung von bebauten Grundstücken” vom 4. Juni 1942 heranziehen müssen. Die Klägerin entnimmt dieser Richtlinie, dass bei der Ermittlung des Zeitwertes anstelle des Ertragswertes der Bodenwert als Mindestwert anzusetzen ist, wenn der Ertragswert eines bebauten Grundstücks niedriger als der Wert des Grundstücks ohne Gebäude ist (Nr. 18 der erwähnten Richtlinie). Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen betrug der Ertragswert hier 1 130 M, der Bodenwert 2 250 M.
Ob und gegebenenfalls unter welchem Gesichtspunkt eine Verletzung revisiblen Rechts insoweit überhaupt in Betracht kommt, kann offen bleiben. Denn das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht dem Sachverständigen gefolgt. Nach der Bewertungsrichtlinie zum Entschädigungsgesetz vom 4. Mai 1960 war bei Mietwohngrundstücken der Grundstückswert aus dem Mittel von Sachwert und Ertragswert zu errechnen. Dagegen sahen die Bewertungsrichtlinien vom 4. Juni 1942 bei bebauten Mietwohngrundstücken eine andere Art der Wertermittlung vor, nämlich eine Bewertung ausschließlich nach Maßgabe des Ertragswertes. Nur für diese Art der Wertermittlung ist unter Nr. 18 der in Rede stehenden Richtlinien vorgeschrieben, dass der Bodenwert als Mindestwert einzusetzen ist, falls der Ertragswert eines bebauten Grundstücks niedriger als der Wert des Grundstücks ohne Gebäude ist. Es liegt auf der Hand, dass diese nur für die Bewertung von Mietgrundstücken mit dem Ertragswert geltende Regelung nicht auf eine Bewertung übertragen werden kann, die auf das Mittel von Sachwert und Ertragswert abstellt.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Aufwendungen für Instandsetzungsmaßnahmen, die im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts unaufschiebbar notwendig waren, um die Bewohnbarkeit des Mietwohnhauses zu erhalten, den Zeitwert des Grundstücks von 7 340 M deutlich überstiegen. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht konkret festgestellt, welche Maßnahmen in diesem Sinne notwendig waren und welche Kosten sie verursacht hätten. Es ist nämlich den Einwänden nicht nachgegangen, welche die Klägerin insoweit gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen erhoben hat. Es hat sich mit der Feststellung begnügt, auch ohne Berücksichtigung der angegriffenen Positionen habe der notwendige Instandsetzungsaufwand den Zeitwert erheblich überschritten. Diese Wertung ist für das Revisionsgericht ohne weiteres nachvollziehbar, weil bereits die nicht angegriffenen Positionen für die Reparatur des Daches und der Dachentwässerung Kosten ergaben, die über dem Zeitwert des Grundstücks liegen.
b) Das Verwaltungsgericht durfte aber den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der bevorstehenden Überschuldung des Grundstücks und den nicht kostendeckenden Mieten nicht schon deshalb verneinen, weil bereits der notwendige Instandsetzungsaufwand, der auf den eigengenutzten Teil des Wohnhauses entfiel, den Zeitwert des Grundstücks überschritt (so in Abgrenzung zum Urteil vom 15. Mai 1997 – BVerwG 7 C 50.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 111 nunmehr Urteil vom 24. Oktober 2002 – BVerwG 7 C 11.02 –). Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG verlangt nicht, dass die nicht kostendeckenden Mieten die einzige Ursache der Überschuldung waren. Vielmehr reicht es aus, wenn sie eine wesentliche Mitursache waren.
Dass die nicht kostendeckenden Mieten für die Überschuldung des Grundstücks mitursächlich waren, kann nicht ausgeschlossen werden, wenn bei einer Zuordnung der Kosten für unabweisbare Instandsetzungsmaßnahmen zum eigengenutzten und zum vermieteten Teil des Wohngebäudes sowohl die Aufwendungen für den eigengenutzten Gebäudeteil als auch diejenigen für den vermieteten Teil jeweils den Beleihungswert des Grundstücks überstiegen „Doppelkausalität”).
Die erforderliche Kausalität der nicht kostendeckenden Mieten für die Überschuldung des Grundstücks kann ferner in Betracht kommen, wenn die Instandsetzungskosten, die dem eigengenutzten und dem fremdgenutzten Gebäudeteil zuzuordnen sind, jeweils für sich betrachtet nicht den Beleihungswert des Grundstücks überstiegen, sondern erst zusammen die Überschuldung begründet haben. Denn unter diesen Umständen lässt sich die Vermietung nicht hinweg denken, ohne dass die Überschuldung entfiele. Da der Schädigungstatbestand auf Mietobjekte bezogen ist, muss aber im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts der durch die Fremdnutzung bedingte Beitrag zur Überschuldung größer gewesen sein als die Aufwendungen, die den eigengenutzten Teil des Gebäudes betrafen. Von der danach erforderlichen Zuordnung der Aufwendungen zum eigengenutzten und zum vermieteten Teil des Gebäudes kann abgesehen werden, wenn entweder die entgeltliche Fremdnutzung oder die Eigennutzung wirtschaftlich derart untergeordnet war, dass die Berücksichtigung des entsprechenden Gebäudeteils bei der Prüfung vernachlässigt werden kann, ob das Gebäude überschuldet war. Kam bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vermietung neben der Eigennutzung keine selbstständige Bedeutung zu, wird das Gebäude vom Schutzbereich des Schädigungstatbestandes von vornherein nicht erfasst. Das ist etwa bei der Vermietung einer Einliegerwohnung in einem Eigenheim anzunehmen (Beschluss vom 3. Januar 1996 – BVerwG 7 B 361.95 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 60). Auf der anderen Seite ist eine Aufteilung der Aufwendungen entbehrlich, wenn offensichtlich ist, dass ein Abzug der auf die eigengenutzte Wohnung entfallenden Aufwendungen nichts an der Überschuldungslage ändert, wie dies bei größeren Mehrfamilienhäusern der Fall ist (Urteil vom 15. Mai 1997 – BVerwG 7 C 50.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 111).
Danach hätte das Verwaltungsgericht klären müssen, ob das Grundstück infolge der Kosten des unaufschiebbar notwendigen Instandsetzungsbedarfs überschuldet war, der auf den vermieteten Gebäudeteil entfiel. Weder die Fremdnutzung noch die Eigennutzung waren von vornherein so gering, dass auf eine Zuordnung der Instandsetzungskosten hätte verzichtet werden können. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das insoweit dem eingeholten Gutachten gefolgt ist, entfielen auf das vermietete Obergeschoss 60 % der Wohnfläche des Gebäudes und auf das eigengenutzte Erdgeschoss 40 % der Wohnfläche.
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat das Gutachten des Sachverständigen und die Aussagen der Zeugen nur unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, welche unaufschiebbar notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen mit welchem Kostenanteil dem eigengenutzten Teil des Wohnhauses zuzuordnen sind. Das Verwaltungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob bereits allein auf den fremdgenutzten Teil Kosten für unaufschiebbar notwendige Instandsetzungsmaßnahmen entfielen, die den maßgeblichen Zeitwert des Grundstücks überschritten. Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht Feststellungen dazu getroffen, ob der durch die Fremdnutzung bedingte Beitrag zur Überschuldung größer war als die Aufwendungen, die den eigengenutzten Gebäudeteil betrafen, wenn erst die dem eigengenutzten und dem fremdgenutzten Gebäudeteil zuzuordnenden Instandsetzungskosten zusammen die Überschuldung begründet haben sollten. Welche Instandsetzungsmaßnahmen überhaupt unaufschiebbar notwendig waren und welche dieser Maßnahmen dem eigengenutzten und dem fremdgenutzten Teil zuzuordnen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig gewesen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die insoweit erhobenen Beweise zu würdigen. Die Beweiswürdigung ist vielmehr Aufgabe des Tatsachengerichts. Das Verwaltungsgericht wird sie mit Blick auf die entscheidungserhebliche Fragestellung nachzuholen haben.
2. Eine Entscheidung in der Sache zu Gunsten der Klägerin ist auf der Grundlage der nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 VermG möglich. Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt hat die seinerzeitige Eigentümerin das Grundstück nicht aufgrund unlauterer Machenschaften verloren.
Nach § 1 Abs. 3 VermG ist eine vermögensrechtliche Schädigung unter anderem dann gegeben, wenn Vermögenswerte durch Nötigung staatlicher Stellen erworben wurden. Diese Bestimmung betrifft solche Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. An einem solchen Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR fehlt es hier, wenn die zuständigen Stellen von der damaligen Eigentümerin verlangt haben, sie müsse auch auf die landwirtschaftlichen Flurstücke verzichten. Diese bildeten zusammen mit der bebauten Fläche ein Grundstück im Rechtssinne. Nur dieses konnte Gegenstand des von der Eigentümerin gewünschten Verzichts sein. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall von denjenigen, in denen die landwirtschaftlich genutzten Flurstücke selbstständige Buchgrundstücke bildeten. In solchen Fällen erfüllt unter Umständen das Verlangen nach einem Gesamtverzicht den Tatbestand der unlauteren Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG (vgl. etwa Urteil vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 8 C 31.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 22). Es fehlt in dieser Situation auch an einer Täuschung der Eigentümerin über die Rechtslage.
Dass der Eigentümerin für den Fall eines Eigentumsverzichts Hilfe bei der Erlangung eines Platzes im Altersheim außerhalb der Reihe in Aussicht gestellt worden ist, stellt einen Vorteil dar, den die Eigentümerin nicht beanspruchen konnte. Der spiegelbildlich damit verbundenen „Drohung”, ihr diese Hilfe vorzuenthalten, wenn sie auf das Grundstück nicht verzichte, fehlt das Element der Rechtswidrigkeit, das für eine unlautere Machenschaft erforderlich ist.
Unterschriften
Sailer, Gödel, Kley, Herbert, Neumann
Fundstellen