Entscheidungsstichwort (Thema)
Erschließungsbeitragsrecht. Beitragspflichtiger. Eigentumswechsel nach Entstehung der Beitragspflicht. Erschließungsbeitrag als öffentliche Last
Leitsatz (amtlich)
Ist der Erschließungsbeitragsbescheid dem Grundstückseigentümer zugestellt worden, so darf die Gemeinde jedenfalls dann, wenn dieser Bescheid unanfechtbar geworden ist, nicht denjenigen, der nach der Zustellung des Bescheides neuer Eigentümer des Grundstücks geworden ist, zusätzlich als persönlichen Schuldner zur Zahlung desselben Beitrags heranziehen.
Sie kann jedoch gegen den neuen Eigentümer einen Duldungs- oder Haftungsbescheid erlassen, um sich aus dem Grundstück zu befriedigen, weil der Erschließungsbeitrag auf dem Grundstück als öffentliche Last ruht.
Normenkette
BBauG § 133 Abs. 2, § 134 Abs. 1-2; PrFluchtlG § 15
Verfahrensgang
VG Darmstadt (Urteil vom 23.03.1971; Aktenzeichen IV E 175/70) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 23. März 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer des an der Elisabethenstraße Nr. 11 in Offenbach/M, liegenden Hausgrundstücks Gemarkung Offenbach Flur 22 Flurstück Nr. 233/7 sowie Miteigentümer zu 1/3 des Grundstücks Flur 22 Flurstück Nr. 233/5 (Hoffläche) und zu 1/16 des Grundstücks Flur 22 Flurstück Nr. 233/8 (Einfahrt). Voreigentümer dieser Grundstücke war die Wohnungsbaugesellschaft „Heim und Boden GmbH” in Hanau. Von dieser kaufte der Kläger die Grundstücke im Dezember 1967 durch notariell beurkundeten Vertrag zum Preise von 144.000,– DM, der auch die Kosten für die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses und die „öffentlich-rechtlichen Erschließungskosten” einschloß. Bevor das Wohnhaus fertiggestellt werden konnte, meldete die „Heim und Boden GmbH” Konkurs an. Am 7. August 1968 wurde der Kläger als Eigentümer der genannten Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.
In der Zeit vom August 1964 bis zum April 1965 baute die Beklagte die Elisabethenstraße endgültig aus. Bevor der Kläger als Eigentümer der Grundstücke im Grundbuch eingetragen wurde, stellte die Beklagte der „Heim und Boden GmbH” am 4. Juli 1968 einen Erschließungsbeitragsbescheid zu, der unanfechtbar wurde. Auf Antrag der „Heim und Boden GmbH” stundete die Beklagte die Erschließungsbeitragsforderung in Höhe von 3.525,09 DM mehrmals. Die „Heim und Boden GmbH” zahlte jedoch nicht; sie ging schließlich vermögenslos in Liquidation. Daraufhin erließ die Beklagte gegen den Kläger einen weiteren Heranziehungsbescheid vom 13. November 1969 über den Erschließungsbeitrag in Höhe von 3.525,09 DM.
Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage erhoben und vorgetragen: Für seine Heranziehung fehle es an der gesetzlichen Grundlage, weil § 134 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) – BBauG – „die Beitragspflicht allein dem durch die Zustellung des Beitragsbescheides der Person nach fixierten Eigentümer auferlege”. Die Beklagte könne sich für ihre erneute Heranziehung auch nicht auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu § 15 des Fluchtliniengesetzes berufen; denn entgegen dem früheren Recht lasse es heute § 134 Abs. 1 BBauG nicht mehr zu, einen nachfolgenden Grundstückseigentümer heranzuziehen, wenn der zunächst herangezogene Voreigentümer die Beitragsschuld nicht erfüllt habe. Im Bundesbaugesetz müsse § 134 Abs. 1 im Zusammenhang mit, § 133 Abs. 2 gesehen werden. Während § 133 Abs. 2 die Entstehung der Beitragspflicht regele, bestimme erst § 134 Abs. 1 den persönlichen Beitragsschuldner. Insoweit komme der Regelung des § 134 Abs. 1 eine materiellrechtliche Bedeutung zu. Die Beklagte, könne sich auch nicht auf § 134 Abs. 2 in Verbindung mit § 120 a der Abgabenordnung berufen. Der Erschließungsbeitrag sei zwar eine in der Zwangsversteigerung bevorzugt zu berücksichtigende „öffentliche Last”, aber nicht mit einer „dinglichen Haftung” verbunden.
Der Kläger hat beantragt,
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten in Höhe von 3.525,09 DM vom 13. November 1969 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Oktober 1970 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: § 134 Abs. 1 BBauG regele zwar die persönliche Beitragspflicht. Das schließe jedoch nicht aus, daß die Beitragspflicht, selbst wenn sie bereits einmal entstanden sei, erneut für eine andere Person entstehen könne. Die Gefahr, daß die Gemeinde den Erschließungsbeitrag zweimal erhalte, bestehe nicht, weil beide herangezogenen Beitragspflichtigen als Gesamtschuldner hafteten. Selbst wenn man aber der Meinung sei, daß innerhalb der Verjährungsfrist ein Rechtsnachfolger im Eigentum durch Zustellung eines Beitragsbescheides nicht persönlich beitragspflichtig gemacht werden könne, müsse man zumindest aus § 134 Abs. 2 BBauG eine dingliche Haftung ableiten. Der Heranziehungsbescheid gegen den Kläger sei jedenfalls aus diesem Grund gerechtfertigt. Das entspreche auch der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu § 15 des Fluchtliniengesetzes.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. März 1971 den Heranziehungsbescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Beitragspflichtiger sei gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG derjenige, der im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer des durch die Straße erschlossenen Grundstücks sei. Als der „Heim und Boden GmbH” der Bescheid am 4. Juli 1968 zugestellt worden sei, sei sie noch eingetragene Eigentümerin der drei streitigen Grundstücke gewesen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, nachdem die Voreigentümerin zahlungsunfähig geworden sei, einen weiteren Erschließungsbeitragsbescheid an den Kläger zu richten, auf den inzwischen das Eigentum an den Grundstücken übergegangen sei. Der nochmaligen Anforderung des Erschließungsbeitrages stehe die Vorschrift des § 134 Abs. 1 BBauG entgegen.
In den §§ 133 und 134 BBauG habe der Gesetzgeber den Versuch gemacht, nähere Regelungen auch über die Person, die beitragspflichtig sei, zu treffen. Hierzu habe deshalb Anlaß bestanden, weil das Preußische Straßen- und Baufluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 (GS S. 561) – FluchtlG – und vergleichbarerweise auch Art. 21 Abs. 1 der Hessischen Allgemeinen Bauordnung aus dem Jahre 1881 – vom Wortlaut her keine klare und eindeutige Regelung für Fälle getroffen habe, in denen das Eigentum an einem Grundstück nach Entstehung der Beitragspflicht wechselte. Nach § 15 Abs. 1 FluchtlG seien „die angrenzenden Eigentümer” beitragspflichtig gewesen. Das Preußische Oberverwaltungsgericht habe zu dieser Vorschrift die Auffassung vertreten, daß der Erwerber eines Grundstücks neben dem bereits herangezogenen Rechtsvorgänger zum Anliegerbeitrag herangezogen werden könne, solange der Beitrag noch nicht bezahlt sei. Demgegenüber sei § 134 Abs. 1 BBauG so auszulegen, daß mit der Zustellung des Beitragsbescheides bestimmt werde, wer persönlicher Schuldner des Beitrages sei; die nochmalige Heranziehung eines Nachfolgers im Eigentum sei ausgeschlossen. Hierfür spreche schon der Wortlaut der Bestimmung, demzufolge die Person des Beitragspflichtigen „im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides” festgelegt werde. Aus Gründen der im öffentlichen Abgabenrecht in besonderem Maße zu fordernden rechtlichen Klarheit wäre es bedenklich, diese Vorschrift ausweitend dahin auszulegen, daß nach erfolgter Festlegung der Person des Beitragspflichtigen eine Gemeinde gleichwohl noch das Recht haben solle, ein zweites Mal durch Zustellung eines weiteren Bescheides an den Erwerber eines Grundstücks auch im Verhältnis zu diesem ein persönliches Beitragsschuldverhältnis zu begründen. Diese Auslegung des § 134 Abs. 1 BBauG führe nicht dazu, daß die Gemeinden ihren Anspruch bei Zahlungsunfähigkeit des früheren. Eigentümers nicht mehr durchsetzen könnten; denn nach Abs. 2 des § 134 BBauG ruhe der Beitrag „als öffentliche Last” auf dem Grundstück. § 134 Abs. 2 BBauG gewähre den Gemeinden ein dingliches Verwertungsrecht an dem Grundstück, durch das der Erschließungsbeitragsanspruch auch dann realisiert werden könne, wenn bei dem früheren Eigentümer keine Zahlung zu erlangen sei. Demnach hafte der Kläger zwar dinglich mit den jetzt in seinem Eigentum stehenden Grundstücken für die Erschließungsbeitragsforderung; das berechtige die Beklagte aber nicht, einen neuen Erschließungsbeitragsbescheid an ihn zu richten, weil die dingliche Haftung schon aufgrund des früher an den Voreigentümer gerichteten, unanfechtbar gewordenen Bescheides bestehe. Der rechtliche Unterschied bestehe darin, daß ein neuer Heranziehungsbescheid den Kläger persönlich verpflichte, so daß er mit seinem gesamten Vermögen für die Erschließungsbeitragsschuld hafte, während die dingliche Haftung gemäß § 134 Abs. 2 BBauG sich auf die Grundstücke beschränke, für die der Erschließungsbeitrag gefordert worden sei. Nur eine solche beschränkte Haftung der Erwerber von Grundstücken, für die der Erschließungsbeitrag bereits vor dem Übergang des Eigentums angefordert worden sei, habe der Gesetzgeber mit § 134 BBauG herbeiführen wollen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Beklagten, der der Kläger gemäß § 134 Abs. 1 VwGO zugestimmt hat. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheid ohne Verletzung von Bundesrecht aufgehoben. Nachdem ein Beitragsbescheid wegen desselben Beitrages der Voreigentümerin des Grundstücks zugestellt und unanfechtbar geworden war, durfte die Beklagte nicht den Kläger als neuen Eigentümer ebenfalls zur Zahlung des Beitrags heranziehen; seine Heranziehung verstößt gegen § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG.
Vorweg mag klargestellt werden, daß hier nicht der Fall zur Entscheidung steht, in dem eine bestehende Abgabenschuld im Wege der (Gesamt-)Rechtsnachfolge – etwa durch Erbfolge (§ 1922 BGB) oder durch Vermögensübernahme (§ 419 BGB) – auf den neuen Grundstückseigentümer als (Gesamt-)Rechtsnachfolger übergeht. Ferner sei klargestellt, daß es für diesen Rechtsstreit ohne Bedeutung ist, ob zwischen der Voreigentümerin und dem Kläger privatrechtlich vereinbart worden ist, wer von ihnen den Erschließungsbeitrag zu zahlen hat; eine solche Vereinbarung würde die Gemeinde nicht berechtigen können, zum Erschließungsbeitrag einen anderen heranzuziehen als den, den das öffentliche Recht hierfür bestimmt. Die maßgebende öffentlich-rechtliche Vorschrift ist § 134 BBauG.
Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG ist „beitragspflichtig … derjenige, der im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist”. An die Stelle des, Eigentümers tritt gegebenenfalls gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 BBauG der Erbbauberechtigte. Unmittelbar dem Wortlaut des Satzes 1 – für sich allein betrachtet – mag sich nicht mit letzter Klarheit entnehmen lassen, ob bei Eigentumswechsel alle aufeinander folgenden Eigentümer, denen ein Beitragsbescheid während der Zeit ihres Eigentums zugestellt wird, nebeneinander – und dann gemäß § 134 Abs. 1 Satz 3 BBauG als Gesamtschuldner – beitragspflichtig sind, oder ob – persönlich – beitragspflichtig nur derjenige ist, der im Zeitpunkt der erstmaligen Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Daß § 134 Abs. 1 BBauG im letzteren Sinne zu verstehen ist, ergibt sich jedoch aus der Entwicklungsgeschichte und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit anderen Regelungen des Bundesbaugesetzes:
Das Erschließungsbeitragsrecht des Bundesbaugesetzes lehnt sich in vielem an das Preußische Anliegerbeitragsrecht an, wie es vom Preußischen Oberverwaltungsgericht aus § 15 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875 (GS S. 561) – FluchtlG – entwickelt worden ist. Es weicht aber von diesem früheren Recht bewußt in mehreren Punkten ab, und zwar insbesondere auch bezüglich der hier zu entscheidenden Frage, Nach § 15 FluchtlG konnten zu einem Beitrag für die Kosten einer neuangelegten Straße, die zur Bebauung bestimmt war, der Unternehmer der neuen Anlage oder die „angrenzenden Eigentümer” herangezogen werden, letztere, „sobald sie Gebäude an der neuen Straße errichten”. Der Zugang des Heranziehungsbescheides begründete die Beitragspflicht und ihre Fälligkeit. Beitragsschuldner war derjenige, der im Zeitpunkt der Veranlagung Eigentümer des Grundstücks war. Nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zum Gesetzesbegriff des „angrenzenden Eigentümers” konnte jedoch durch weiteren Bescheid auch ein späterer Eigentümer des Grundstücks – neben dem ursprünglichen Schuldner – herangezogen werden, soweit die Beitragsschuld noch nicht beglichen war. Dies leitete das Preußische Oberverwaltungsgericht zunächst aus dem Gedanken her, daß der Anliegerbeitrag als dingliche Last auf dem Grundstück ruhe und deshalb auf den jeweiligen Eigentümer übergehe. Später gab es diese Begründung auf und ließ den jeweiligen Eigentümer als den jeweiligen „angrenzenden Eigentümer” im Sinne des § 15 FluchtlG persönlich den Beitrag schulden, soweit diese Schuld noch nicht getilgt war (vgl. z.B. PrOVG 53, 108; 71, 146; 97, 49); danach hafteten der alte und der neue Eigentümer nach ihrer Heranziehung persönlich, also nicht nur mit dem Grundstück, für den Beitrag. Von dieser im Schrifttum vielfach als unbefriedigend angesehenen Regelung hat sich das Erschließungsbeitragsrecht des Bundesbaugesetzes abgekehrt. Es hat die Entscheidung getroffen, daß die persönliche Beitragspflicht für ein Grundstück nur einmal entsteht.
Dies hat der I. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, als er über Streitigkeiten des Erschließungsbeitragsrechts zu entscheiden hatte, in seinem Urteil vom 25. Februar 1964 – BVerwG I C 124.63 – (BVerwGE 18, 102 [103]) wie folgt klargestellt: „Nach dem Erschließungsbeitragsrecht des Bundesbaugesetzes entsteht die Beitragspflicht für ein Grundstück nur einmal. Ist sie einmal entstanden, aber von der Gemeinde nicht innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht worden, so wird durch kein späteres Ereignis eine neue Pflicht begründet. Dem Gesetz ist die wiederholte Entstehung der Beitragspflicht für ein und dasselbe Grundstück fremd.” Daß der I. Senat dies aus Anlaß eines Streites über die Anwendung des § 133 Abs. 4 BBauG entschieden hat, beeinträchtigt nicht die generelle Gültigkeit dieser Erkenntnis für das Erschließungsbeitragsrecht schlechthin. Aus ihr ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die persönliche Beitragspflicht, nachdem sie durch die Zustellung des Beitragsbescheides an die Voreigentümerin in deren Person entstanden war, nicht durch spätere Ereignisse wie den Eigentumsübergang und die Zustellung eines weiteren Beitragsbescheides an den Kläger, nochmals – als eine neue Pflicht des Klägers – entstehen konnte.
Daß dies – unter anderem – in § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG zum Ausdruck kommt, wird schon durch die Gesetzesmaterialien nahegelegt. § 157 Abs. 1 Satz 1 des Regierungsentwurfes, der dem jetzigen § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG entspricht, sah nämlich vor, daß „beitragspflichtig … der jeweilige Eigentümer im Zeitpunkt der Fälligkeit des Erschließungsbeitrages” sein sollte (BT-Drucks. Nr. 336 der 3. WP S. 39). Diese in § 15 FluchtlG nicht enthaltene genauere Bestimmung des Beitragspflichtigen, welche die persönliche Beitragspflicht an das Eigentum in einem bestimmten Zeitpunkt anknüpfte, beschränkte damit diese Beitragspflicht auf einen von mehreren etwa einander folgenden Eigentümern des Grundstücks; denn die Möglichkeit einer Mehrheit von „Zeitpunkten der Fälligkeit” hatte dabei der Gesetzgeber offenbar nicht im Auge. Der 24. Ausschuß des Bundestags gab dann der Vorschrift ihre heutige Fassung, um „genauer auf den Zeitpunkt der Zustellung” abzustellen (BT-Drucks. Nr. 1749 der 3. WP S. 26). Offensichtlich wollte der Gesetzgeber damit den einen maßgebenden Zeitpunkt noch genauer bestimmen, aber nicht die Möglichkeit mehrerer maßgebender Zustellungszeitpunkte eröffnen. Dies wird noch deutlicher, wenn man den Unterschied der neuen Regelung zu der des § 15 FluchtlG in der Ausgestaltung der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ins Auge faßt: Hätte der Bundesgesetzgeber die alte Regelung beibehalten wollen, nach der mehrere einander folgende Grundstückseigentümer nebeneinander als Beitragspflichtige herangezogen werden konnten, so hätte er dies erkennbar und jedenfalls in anderer Weise zum Ausdruck gebracht als dadurch, daß er die Beitragspflicht an das Eigentum in einem genau bestimmten Zeitpunkt knüpfte. Hiernach gestattet die Entstehungsgeschichte den Schluß, daß der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand im Sinne des nur einmaligen Entstehens der persönlichen Beitragsschuld ändern wollte (im gleichen Sinne Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Kommentar zum Bundesbaugesetz § 134 RdNr. 9 S. 5/6).
Bestätigt wird dies weiter durch den Zusammenhang, in dem § 134 Abs. 1 BBauG mit anderen Vorschriften des Bundesbaugesetzes steht. So spricht schon § 133 Abs. 1 BBauG, demzufolge ein Grundstück der Beitragspflicht nicht – wie nach § 15 FluchtlG – vom Zeitpunkt der Bauausführung an, die sich mehrmals wiederholen kann und deren Wiederholung in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nach einem Eigentumswechsel fingiert worden ist, sondern vom Zeitpunkt der Bebaubarkeit an unterliegt, von einem Zeitpunkt also, der in der Regel nur einmal eintritt. § 134 BBauG ergänzt ferner die Regelung des § 133 Abs. 2 BBauG. Nach dieser Vorschrift entsteht die Beitragspflicht grundsätzlich mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, also in einem früheren Zeitpunkt als dem, in dem nach Berechnung der Herstellungskosten die Beitragsbescheide erlassen und zugestellt werden können. Daß für das Entstehen der Beitragspflicht daneben noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wie z.B. die Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr, die Wirksamkeit einer gültigen Beitragssatzung oder die Bebaubarkeit des Grundstücks, beeinträchtigt nicht die Grundsätzlichkeit der Regelung des § 133 Abs. 2 BBauG. Die hiernach schon vor Zustellung der Beitragsbescheide entstehende Beitragspflicht ist bereits derart voll ausgestaltet, daß sie z.B. den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzt; das Beitragsschuldverhältnis besteht mithin schon in dem Zeitpunkt, in dem es – grundsätzlich – nach § 133 Abs. 2 BBauG entsteht, nicht nur in bezug auf das Grundstück, sondern auch gegenüber einem persönlichen Schuldner, dem Beitragspflichtigen. Die genaue Bestimmung des Beitragspflichtigen, den die Gemeinde zum Beitrag heranziehen darf, enthält § 134 Abs. 1 BBauG. Einmal besagt diese Vorschrift, daß nicht auch – wie nach § 15 FluchtlG – der Unternehmer der Anlage, sondern nur noch der Eigentümer des anliegenden Grundstücks und gegebenenfalls an seiner Stelle der Erbbauberechtigte herangezogen werden darf. Zweitens bestimmt sie, daß derjenige heranzuziehen ist, der im Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer (bzw. Erbbauberechtigter) des Grundstücks ist. Das bedeutet, daß im Falle eines Eigentumswechsels zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht (regelmäßig nach § 133 Abs. 2 BBauG) und dem Zeitpunkt der Heranziehung der frühere Eigentümer nicht beitragspflichtig ist und der neue Eigentümer nicht geltend machen kann, er sei bei der Entstehung der Beitragspflicht nicht Eigentümer gewesen und könne deshalb nicht beitragspflichtig sein. Ebenso wie derart in die Vergangenheit wirkt aber § 134 Abs. 1 BBauG auch in die Zukunft; denn die Vorschrift schließt auch für den Fall eines Eigentumswechsels nach dem Zeitpunkt der Heranziehung die Entstehtung einer neuen persönlichen Beitragspflicht bei einem neuen Eigentümer aus. Das ergeben ihr Sinn und ihr Wortlaut, betrachtet im Lichte der Entstehungsgeschichte und im Vergleich zur früheren andersartigen Regelung des § 15 FluchtlG.
Dieses Verständnis des § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG wird nicht in Frage gestellt durch die ergänzende Regelung des § 134 Abs. 1 Satz 3 BBauG, derzufolge „mehrere Beitragspflichtige … als Gesamtschuldner” haften. Diese Regelung setzt nicht voraus, daß mehrere aneinander folgende Eigentümer des Grundstücks haften, sondern hat ihren Sinn schon für die Fälle, in denen in dem einen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG maßgebenden Zeitpunkt eine Mehrheit von Eigentümern, z.B. von Miteigentümern in einer der unterschiedlichen Formen dieser Rechtsgemeinschaft, vorhanden ist.
Diese Auslegung des § 134 Abs. 1 BBauG steht übrigens im Einklang mit einem allgemeinen Rechtsgedanken des Abgabenrechts, demzufolge es die einmal begründete persönliche Abgabepflicht unberührt läßt, daß der der Abgabe unterliegende Gegenstand (z.B. Grundstück, Kraftfahrzeug, Hund) weiterveräußert worden ist.
Von diesem Grundsatz enthält das Abgabenrecht nur wenige, ausdrücklich angeführte Ausnahmen (z.B. § 116 Abs. 2 der Abgabenordnung); eine solche Ausnahme sieht § 134 Abs. 1 BBauG nicht vor.
§ 134 Abs. 1 BBauG mit dem soeben dargelegten die persönliche Beitragspflicht beschränkenden Inhalt bringt keine unangemessene Unsicherheit für die Durchsetzung der gemeindlichen Beitragsansprüche mit sich. Denn § 134 Abs. 1 wird ergänzt durch die Vorschrift des § 134 Abs. 2 BBauG, derzufolge der Beitrag „als öffentliche Last auf dem Grundstück” bzw. auf dem Erbbaurecht ruht. Diese öffentliche Last ruht als dingliches Recht derart auf dem Grundstück, daß sie die Beitragsforderung bis zur Befriedigung der Beitragsgläubigerin, ungeachtet jedes inzwischen eintretenden Eigentumswechsels, mit der Folge sichert, daß sich die Gläubigerin erforderlichenfalls aus dem Grundstück befriedigen kann. Die Unterscheidung zwischen dem persönlichen Beitragsschuldverhältnis und der mit dem Grundstück verbundenen öffentlichen Last hat der Gesetzgeber, wie die amtliche Begründung zu § 134 BBauG deutlich macht, in Anlehnung an die §§ 7 und 9 des Grundsteuergesetzes eingeführt (BT-Drucks. Nr. 336 der 3. WP Begründung zu § 157 S. 104). Die auf dem Grundstück ruhende öffentliche Last räumt der Gemeinde nicht nur ein Vorrecht im Falle der Zwangsversteigerung ein (§ 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes), sondern gewährt ihr die Befriedigungsrechte, die auch sonst im Abgabenrecht eine öffentliche Last vermittelt. Die Anlehnung an das Recht der Grundsteuer zeigt, daß ebenso, wie nach § 9 des Grundsteuergesetzes, §§ 116 Abs. 2, 120 a und 326 Abs. 2 der Abgabenordnung dem neuen Eigentümer eines Grundstücks gegenüber die dingliche Haftung geltend gemacht werden kann, auch im Erschließungsbeitragsrecht das mit der öffentlichen Last beschwerte Grundstück dem Zugriff der Gemeinde ausgesetzt ist, solange nicht die persönliche Beitragsschuld beglichen ist.
Die Festlegung der persönlichen Beitragspflicht auf den in § 134 Abs. 1 Satz 1 BBauG bestimmten Eigentümer des Grundstücks setzt einmal voraus, daß der Beitragsbescheid diesem Eigentümer (bzw. Erbbauberechtigten) und nicht einer anderen, zu diesem Zeitpunkt nicht beitragspflichtigen Person, zugestellt wird. Sie setzt ferner voraus, daß die Zustellung rechtlich beachtlich ist und bleibt. Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der zugestellte Beitragsbescheid wegen schweren Rechtsfehlers nichtig oder wenn die Zustellung rechtsunwirksam ist, und auch dann nicht, wenn der Beitragsbescheid auf einen Rechtsbehelf hin mit Rückwirkung auf den Zustellungszeitpunkt aufgehoben wird, weil in diesem Zeitpunkt eine Beitragspflicht – etwa mangels Bebaubarkeit des Grundstücks oder mangels endgültiger Herstellung der Anlage – nicht bestand. In Fällen dieser Art darf die Gemeinde später, wenn die Voraussetzungen für eine Heranziehung erfüllt sind, im Falle eines zwischenzeitlichen Eigentumswechsels nicht denjenigen heranziehen, der Eigentümer im Zeitpunkt der ersten, rechtlich unbeachtlichen Zustellung war, sondern nur denjenigen, der im Zeitpunkt der neuen Zustellung Eigentümer des Grundstücks ist. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich, weil im vorliegenden Fall der der Voreigentümerin zugestellte Beitragsbescheid unanfechtbar geworden ist und gegen die rechtliche Beachtlichkeit dieser Zustellung Bedenken nicht ersichtlich sind.
Hiernach erweist sich das angefochtene Urteil als zutreffend. Die Heranziehung des Klägers zum Erschließungsbeitrag – neben der unanfechtbar gewordenen Heranziehung, durch die die Beitragspflicht der Voreigentümerin festgelegt worden ist, – verstößt gegen § 134 Abs. 1 BBauG. Der an den Kläger gerichtete Beitragsbescheid kann nicht in einen Duldungsbescheid des Inhalts umgedeutet werden, daß der Kläger wegen der auf seinem Grundstück noch ruhenden öffentlichen Last (§ 134 Abs. 2 BBauG) die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden habe. Denn mit dem angefochtenen Bescheid ist der Kläger als persönlich Beitragspflichtiger zur Zahlung eines Erschließungsbeitrags herangezogen worden. Nach der Ausgestaltung des Heranziehungsbescheides würde dieser, wäre er unanfechtbar, als Titel auch die Vollstreckung in das persönliche Vermögen des Klägers ermöglichen. Eine Einschränkung, daß der Bescheid nur als Grundlage für eine Befriedigung aus dem Grundstück dienen kann, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Wegen dieser grundsätzlich unterschiedlichen Rechtsfolgen, die ein Erschließungsbeitragsbescheid einerseits und ein Duldungs-(oder Haftungs-)Bescheid andererseits auslösen, verbietet sich – im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten – eine Umdeutung des Heranziehungsbescheides.
Da die Revision aus diesen Gründen zurückzuweisen ist, hat die Beklagte nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Unterschriften
Oppenheimer, Clauß, Prof. Dr. Weyreuther, Dr. Korbmacher, Dr. Schlichter
Fundstellen
BVerwGE, 49 |
DNotZ 1976, 157 |
DVBl. 1975, 795 |