Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis. Denkmalschutz. denkmalrechtliche Genehmigung. Anspruch auf baupolizeiliches Einschreiten. Drittschutz. Nachbarschutz. Denkmalwürdigkeit. Erhaltungspflicht. Schutzpflicht. Umgebungsschutz. Denkmalzone. Investitionen. Verhältnismäßigkeit. Belange des Denkmalschutzes. Tatbestandswirkung
Leitsatz (amtlich)
Der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals muss jedenfalls dann berechtigt sein, die denkmalrechtliche Genehmigung eines benachbarten Vorhabens anzufechten, wenn das Vorhaben die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens möglicherweise erheblich beeinträchtigt.
Ist ein Vorhaben in der Umgebung eines geschützten Kulturdenkmals denkmalrechtlich genehmigt, können wegen der Tatbestandswirkung der Genehmigung Belange des Denkmalschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB nicht beeinträchtigt sein.
Normenkette
DSchPflG RhPf § 2 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1, §§ 5, 8, 13 Abs. 1, 2 S. 2, § 29 Abs. 1; LBO RhPf § 81; BauGB § 35 Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 5; GG Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.05.2008; Aktenzeichen 8 A 10076/08) |
VG Trier (Entscheidung vom 12.12.2007; Aktenzeichen 5 K 784/07.TR) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Mai 2008 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Kläger begehren die Beseitigung eines vom Beigeladenen errichteten landwirtschaftlichen Fahrsilos. Sie sind Eigentümer der im Außenbereich gelegenen Schlossanlage D…. Der Beigeladene hat das Fahrsilo (17 m breit, 55 m lang, 2 m hoch) innerhalb der 1985 ausgewiesenen Denkmalzone “Schloss D…” errichtet. Der Beklagte stoppte zunächst den ohne Genehmigung begonnenen Bau, erteilte dem Beigeladenen dann aber mit Bescheid vom 20. April 2006 die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung des Fahrsilos.
Rz. 2
Am 21. April 2006 beantragten die Kläger, bauaufsichtlich gegen den Beigeladenen einzuschreiten. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. April 2006 ab. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene, gegen die denkmalschutzrechtliche Genehmigung und auf baupolizeiliches Einschreiten gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht als unzulässig ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Rz. 3
Die Kläger seien nicht klagebefugt. Sie beriefen sich als Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals allein auf Belange des Denkmalschutzes. Die Vorschriften des Landesgesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler – Denkmalschutz- und -pflegegesetz, DSchPflG – vom 23. März 1978 (GVBl 1978, 159) vermittelten dem Eigentümer kein subjektiv-öffentlichrechtliches Abwehrrecht. Die Unterschutzstellung eines Kulturdenkmals (hier einer Denkmalzone) liege nach dem Denkmalschutz- und -pflegegesetz allein im öffentlichen Interesse. Dementsprechend habe der Eigentümer eines Kulturdenkmals keinen Anspruch auf Schutz gerade der Denkmalwürdigkeit des eigenen Anwesens vor Beeinträchtigungen durch Dritte oder darauf, dass benachbarte Vorhaben das Erscheinungsbild oder den Denkmalwert seines Eigentums nicht schmälern. Das gelte auch dann, wenn er Erhaltungsinvestitionen getätigt habe. Denn dadurch, dass er seiner öffentlich-rechtlichen Erhaltungs- und Pflegepflicht nachkomme, vermöge er den Schutzzweck des Denkmalrechts nicht qualitativ zu ändern und zu “privatisieren”. Dieses Ergebnis begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denkmalpflege sei eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, der nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks Rechnung getragen werden könne. Art. 14 Abs. 1 GG vermittele ein Abwehrrecht gegen unzumutbare Erhaltungsmaßnahmen, die die Privatnützigkeit des Eigentums unverhältnismäßig einschränkten; darüber hinaus lasse sich aus dem Grundrecht nicht die Verpflichtung herleiten, den Denkmaleigentümer mit dem Recht auszustatten, (auch) die Einhaltung der objektiven Denkmalschutzvorschriften einfordern zu können.
Rz. 4
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 5
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG. Die Abweisung der Klage als unzulässig mit der Begründung, Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals könnten nicht geltend machen, durch die Erteilung einer denkmalrechtlichen Genehmigung für die Errichtung einer baulichen Anlage in der Umgebung ihres denkmalgeschützten Anwesens in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO), weil das Denkmalschutz- und -pflegegesetz dem Eigentümer kein subjektives Abwehrrecht vermittele, ist mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar; jedenfalls wenn ein benachbartes Vorhaben die Denkmalwürdigkeit eines geschützten Kulturdenkmals möglicherweise erheblich beeinträchtigt, müssen dessen Eigentümer die denkmalrechtliche Genehmigung des Vorhabens anfechten können (1.). Solange die Kläger die denkmalrechtliche Genehmigung des Fahrsilos nicht erfolgreich angefochten haben, können sie nicht unter Berufung auf Belange des Denkmalschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB verlangen, dass der Beklagte gegen das Vorhaben baupolizeilich einschreitet (2.). Die Prüfung, inwieweit das Landesdenkmalrecht unter Beachtung des dargelegten bundesrechtlichen Mindeststandards zugunsten der Eigentümer eines Kulturdenkmals drittschützend ist und ob die Kläger hiernach klagebefugt sind, bleibt dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten. Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO – 3.).
Rz. 6
1. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass dem Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals ein Anspruch auf Schutz vor Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit seines Anwesens durch Vorhaben in der Umgebung von vornherein nicht zustehen könne, ist mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren. Sie wird zwar von mehreren anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 7. Januar 1986 – 2 UE 2855/84 – NVwZ 1986, 680 ≪683≫; OVG Münster, Beschlüsse vom 25. April 1989 – 12 B 2614/88 – NuR 1991, 89 ≪91≫ und vom 9. Juni 1989 – 7 B 745/89 – BRS 49 Nr. 146; OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 13. September 1996 – 3 B 111/96 – LKV 1998, 72; OVG Berlin, Beschluss vom 18. Juli 2001 – 2 S 1.01 – NVwZ-RR 2001, 722 ≪725≫; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 17. November 2006 – 7 ME 62/06 – NdsVBl 2007, 49 ≪50≫ und vom 14. März 2007 – 1 ME 222/06 – NdsVBl 2007, 171 ≪173≫; OVG Münster, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 7 A 966/07 – juris Rn. 28 ff.; zu § 47 Abs. 2 VwGO: OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Mai 2003 – 1 KN 69/02 – BRS 66 Nr. 61; VGH Mannheim, Urteil vom 27. September 2007 – 3 S 882/06 – juris Rn. 21 ff.); unumstritten war sie jedoch auch bislang nicht (VGH München, Beschluss vom 27. März 1992 – 26 CS 91.3589 – nicht veröffentlicht; VG Frankfurt, Beschluss vom 15. September 2008 – 8 L 2436/08.F – juris Rn. 34; OVG Münster, Beschluss vom 27. November 2008 – 10 B 1732/08 – juris Rn. 3; Viebrock, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 2004, E Rn. 121 f.; Martin, in: Martin/Krautzberger, a.a.O. G Rn. 135 f.; Wurster, in: Hoppenberg/deWitt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1, D Rn. 293; vgl. zum Meinungsstand auch BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 BvR 2935/06 – BRS 70 Nr. 195).
Rz. 7
1.1 Die Verneinung der Klagebefugnis beruht auf der Auslegung des Denkmalschutz- und -pflegegesetzes. Die Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht ist als solche für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Revisionsgericht hat aber zu prüfen, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung des Landesrechts die für die Entscheidung maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat. Verstößt die Vorschrift des Landesrechts in der Auslegung, die ihr das Berufungsgericht gegeben hat, gegen Bundesrecht, insbesondere gegen das Grundgesetz, ist das Revisionsgericht nicht an die Auslegung gebunden (Urteile vom 19. Dezember 1963 – BVerwG 1 C 71.61 – BVerwGE 17, 322 ≪324 f.≫, vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 9.86 – BVerwGE 78, 347 ≪351≫ und vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 C 17.90 – BVerwGE 88, 191 ≪194≫).
Rz. 8
1.2 Gemäß Art. 14 Abs. 1 GG werden das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet; Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Die Pflichten, die das Denkmalschutz- und -pflegegesetz dem Eigentümer eines Denkmals auferlegt, sind Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Beschluss vom 9. Oktober 1997 – BVerwG 6 B 42.97 – BRS 59 Nr. 231 S. 698 f. m.w.N.). Der Gesetzgeber muss bei Regelungen in diesem Sinne die Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Einzelnen aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient (BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 ≪240 f.≫, vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 242/91 u.a. – BVerfGE 102, 1 ≪16 f.≫ und vom 19. Dezember 2002 (Kammer) – 1 BvR 1402/01 – BRS 68 Nr. 1 S. 2). Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten; als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung (BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1999 a.a.O. S. 245 und vom 19. Dezember 2002 a.a.O. S. 2 f.). Aufgabe der Gerichte bei der Anwendung und Auslegung eigentumsbeschränkender Vorschriften ist es, die dem Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnisse gezogenen Grenzen zu beachten und gegebenenfalls durch verfassungskonforme Auslegung zu aktualisieren (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1985 – 1 BvR 792, 501/83 – BVerfGE 68, 361 ≪372 f.≫); die Eigentumsgarantie enthält auch einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juli 1973 – 1 BvR 153/69 – BVerfGE 35, 348 ≪361≫ und vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 ≪323≫; BVerwG, Urteil vom 16. März 1989 – BVerwG 4 C 36.85 – BVerwGE 81, 329 ≪341≫).
Rz. 9
1.3 Um diesen Anforderungen an inhalts- und schrankenbestimmende Gesetze zu genügen, muss das Denkmalschutz- und -pflegegesetz den Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals jedenfalls dann berechtigen, die denkmalrechtliche Genehmigung eines benachbarten Vorhabens anzufechten, wenn das Vorhaben die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens möglicherweise erheblich beeinträchtigt.
Rz. 10
1.3.1 Durch die Unterschutzstellung eines Kulturdenkmals wird das Eigentum an dem Kulturdenkmal beschränkt. Gemäß § 2 Abs. 3 DSchPflG sind bauliche, technische und wirtschaftliche Maßnahmen, die das Kulturdenkmal in seinem Bestand, seinem Erscheinungsbild oder seinem wissenschaftlichen Wert gefährden oder beeinträchtigen können, auf den unbedingt notwendigen Umfang zu beschränken. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 DSchPflG darf ein geschütztes Kulturdenkmal nur mit Genehmigung zerstört, abgebrochen, zerlegt oder beseitigt (Nr. 1), umgestaltet oder sonst in seinem Bestand verändert (Nr. 2), in seinem Erscheinungsbild nicht nur vorübergehend beeinträchtigt (Nr. 3) und von seinem Standort entfernt werden (Nr. 4).
Rz. 11
Die eigentumsgestaltende Wirkung der Unterschutzstellung erschöpft sich nicht in diesen Beschränkungen der Verfügungsbefugnis. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchPflG ist der Eigentümer darüber hinaus verpflichtet, das Kulturdenkmal im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten und zu pflegen. Die Erhaltungspflicht ist in erster Linie eine Rechtspflicht zu positivem Tun (vgl. Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2001, § 6 Rn. 2). Der Eigentümer muss u.a. Schäden an der Denkmalsubstanz beseitigen; beschädigte Teile muss er reparieren und, wenn dies nicht möglich ist, erneuern (Strobl/Majocco/Sieche a.a.O. Rn. 3). Die Erhaltungspflicht ist auf Dauer angelegt. Der Eigentümer hat sie grundsätzlich auf eigene Kosten zu erfüllen. Um zu gewährleisten, dass sich der denkmalbedingte finanzielle Mehraufwand im Rahmen des Zumutbaren hält, fördert das Land gemäß § 29 Abs. 1 DSchPflG Maßnahmen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege im Rahmen der verfügbaren Mittel des Landeshaushalts. Jedenfalls ein finanziell leistungsfähiger Eigentümer muss jedoch damit rechnen, einen nicht unerheblichen Teil der denkmalbedingten Mehrkosten selbst zu tragen. Er kann zwar die nach Abzug der Zuschüsse aus öffentlichen Kassen verbleibenden Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Denkmal erforderlich sind, und den Erhaltungsaufwand gemäß §§ 7i, 10g, 11b EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zu günstigeren Bedingungen absetzen als dies bei einem nicht denkmalgeschützten Gebäude der Fall wäre. Auch das Einkommenssteuerrecht ist jedoch nicht darauf gerichtet, den denkmalbedingten Mehraufwand in vollem Umfang zu kompensieren. Die erhöhte Mühewaltung eines Eigentümers bei der Erhaltung des Denkmals wird ohnehin nicht kompensiert.
Rz. 12
Die gesetzliche Pflicht des Eigentümers, das Denkmal zu erhalten und zu pflegen, ist eine Besonderheit des Denkmalschutzrechts. Der Eigentümer einer nicht denkmalgeschützten baulichen Anlage ist hierzu, solange von der Anlage keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen, nicht verpflichtet. Instandhaltungspflichten können ihm auf der Grundlage des Städtebaurechts nur im Einzelfall auferlegt werden, wenn die bauliche Anlage nach ihrer inneren oder äußeren Beschaffenheit Missstände oder Mängel aufweist und die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§ 175 Abs. 2, § 177 Abs. 1 BauGB).
Rz. 13
1.3.2 Die Unterschutzstellung eines Kulturdenkmals liegt nach dem Denkmalschutz- und -pflegegesetz allein im öffentlichen Interesse, nicht im privaten Interesse des Eigentümers. Insoweit ist die Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht nicht zu beanstanden (Urteil vom 18. Dezember 1991 – BVerwG 4 C 23.88 – Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 5 S. 5). Das öffentliche Interesse am Schutz der Kulturdenkmäler ist grundsätzlich geeignet, die einschränkenden Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, also auch die Erhaltungspflicht, zu rechtfertigen; Denkmalpflege ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 a.a.O. S. 242).
Rz. 14
Wenn ein Kulturdenkmal unter Schutz gestellt wird, genügt es jedoch nicht, den Eigentümer des Kulturdenkmals für dessen Erhaltung und Pflege in Anspruch zu nehmen. Der Gesetzgeber hat eine umfassende Schutzpflicht für das Kulturdenkmal. Er muss es auch vor Beeinträchtigungen durch Vorhaben in seiner Umgebung schützen. Ein denkmalwürdiges Gebäude und seine Umgebung bilden aus Gründen des Denkmalschutzes häufig eine Einheit. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen (VGH Mannheim, Urteil vom 20. Juni 1989 – 1 S 98/88 – BRS 49 Nr. 145; Weber, Instrumente und Grenzen des Umgebungsschutzes bei Baudenkmälern, Diss. Köln 1998 S. 74 ff.). Die Ziele des Denkmalschutzes lassen sich deshalb nur erreichen, wenn auch das Eigentum in der Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes beschränkt wird. Denkmalschutz braucht Substanz- und Umgebungsschutz (Hönes, Der Schutz der Umgebung an Beispielen aus der Rechtsprechung zum Denkmalrecht, in: DSI ≪Denkmalschutz-Informationen des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz≫ 2001, 43). Bei der Ausgestaltung des Umgebungsschutzes kommt dem Gesetzgeber allerdings ein weiter Spielraum zu; die Länder haben von diesem Spielraum in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht (vgl. Stich, Bauvorhaben in der Umgebung von Baudenkmälern, BauR 2001, 575). Er kann die an ein denkmalwürdiges Gebäude angrenzenden Flächen, soweit sie mit diesem eine Einheit bilden – z.B. durch Ausweisung einer Denkmalzone (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 5, § 8 Abs. 1 Halbs. 2 DSchPflG) – selbst unter denkmalrechtlichen Schutz stellen; er kann sich aber auch darauf beschränken, für bestimmte Vorhaben in der Umgebung eines Kulturdenkmals eine Genehmigung zu verlangen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3, § 13 Abs. 2 Satz 2 DSchPflG). Das Gesetz muss nicht jede für das Denkmal nachteilige Veränderung der Umgebung unterbinden oder einer Genehmigungspflicht unterwerfen. Vorhaben in der Umgebung eines Kulturdenkmals, die dessen Denkmalwürdigkeit erheblich beeinträchtigen, dürfen jedoch nur zugelassen werden, wenn das Vorhaben seinerseits durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls oder durch überwiegende private Interessen gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber handelte widersprüchlich, wenn er einerseits das Kulturdenkmal unter Schutz stellte und den Eigentümer zu dessen Erhaltung und Pflege verpflichtete, andererseits aber erhebliche Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit des Kulturdenkmals durch Vorhaben in der Umgebung ohne weiteres zuließe.
Rz. 15
1.3.3 Inwieweit denkmalrechtliche Vorschriften, die die Zulässigkeit eines Vorhabens in der Umgebung eines geschützten Kulturdenkmals regeln, zugunsten des Eigentümers des Kulturdenkmals drittschützend sind, haben grundsätzlich der Landesgesetzgeber und die zur Auslegung des Landesrechts berufenen Gerichte des Landes zu entscheiden. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet im Denkmalschutzrecht ebenso wenig wie im Baurecht (Urteile vom 19. September 1986 – BVerwG 4 C 8.84 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 = BRS 46 Nr. 173 S. 398 f. und vom 23. August 1996 – BVerwG 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364 ≪372≫), in jeder Hinsicht nachbarlichen Drittschutz vorzusehen. Soweit der denkmalrechtliche Umgebungsschutz objektiv geboten ist, muss er jedoch auch dem Eigentümer des Kulturdenkmals Schutz vermitteln. Jedenfalls wenn ein Vorhaben in der Umgebung des geschützten Kulturdenkmals dessen Denkmalwürdigkeit möglicherweise erheblich beeinträchtigt, muss der Eigentümer des Kulturdenkmals gemäß § 42 Abs. 2 VwGO befugt sein, die denkmalrechtliche Genehmigung des Vorhabens anzufechten. Das gilt auch, wenn das Anwesen des Eigentümers Teil einer Denkmalzone ist und die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens durch ein Vorhaben, das ebenfalls innerhalb der Denkmalzone verwirklicht werden soll, möglicherweise erheblich beeinträchtigt wird.
Rz. 16
Nur wenn dem Eigentümer ein solches Anfechtungsrecht eingeräumt wird, kann die Verhältnismäßigkeit der ihm auferlegten Pflicht, das Kulturdenkmal zu erhalten und zu pflegen, gewahrt werden. Gerechtfertigt ist die Inpflichtnahme des Eigentümers allein durch das im öffentlichen Interesse liegende Ziel, das Kulturdenkmal mit seinen Beziehungen zur Umgebung, soweit diese denkmalrechtlich schutzwürdig sind, zu erhalten. Soweit die Erreichung dieses Ziels von dritter Seite vereitelt wird, kann es auch die Inpflichtnahme des Eigentümers nicht mehr rechtfertigen.
Rz. 17
Der Eigentümer kann auch nicht darauf beschränkt werden, die Aufhebung der Unterschutzstellung zu beantragen, wenn die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens erheblich beeinträchtigt worden ist. Zum einen kommt ein Rechtsanspruch auf Aufhebung der Unterschutzstellung nur in Betracht, wenn die historische Substanz mit ihren Bezügen zur Umgebung so weit verloren gegangen ist, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Denkmals nicht mehr besteht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 26. August 2008 – 10 A 3250/07 – NWVBl 2009, 17 ≪18≫); auch erhebliche Beeinträchtigungen der Denkmalwürdigkeit lassen das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmals in der Regel nicht völlig entfallen. Zum anderen würde selbst eine Aufhebung der Unterschutzstellung nur für die Zukunft wirken. Hat ein Eigentümer aber in der Vergangenheit zur Erfüllung seiner Erhaltungspflicht in die Denkmalsubstanz investiert und wird die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens nachträglich erheblich beeinträchtigt, können dadurch auch seine Investitionen entwertet werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 27. März 1992 – 26 CS 91.3589 – nicht veröffentlicht). Diesem Risiko darf das Gesetz den Eigentümer nicht aussetzen. Er hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Belastungen, die ihm infolge der Erhaltungspflicht zum Schutz des Denkmals auferlegt werden, den mit der Unterschutzstellung angestrebten Zweck auch tatsächlich und auf Dauer erreichen können. Nur wenn er die denkmalrechtliche Genehmigung eines Vorhabens unter der genannten Voraussetzung anfechten und das Vorhaben dadurch gegebenenfalls verhindern kann, wird die Unverhältnismäßigkeit der Erhaltungspflicht – wie von Art. 14 Abs. 1 GG gefordert – real vermieden.
Rz. 18
Der Schutzzweck des Denkmalrechts wird durch die Anerkennung einer subjektiven Rechtsposition des Eigentümers weder qualitativ verändert noch “privatisiert”. Der nachbarliche Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers führt nicht zu einer Veränderung der Grundlagen und Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Vorhaben in der Umgebung des Denkmals; er erlaubt nur, dass der Eigentümer des Denkmals als Nachbar – bestimmte – Verletzungen objektiven Rechts geltend machen darf (vgl. Urteil vom 23. August 1996 – BVerwG 4 C 13.94 – a.a.O. S. 375 f.).
Rz. 19
1.3.4 Die Interessen des Bauherrn rechtfertigen es nicht, dem Denkmaleigentümer die Anfechtung der denkmalrechtlichen Genehmigung zu verwehren. Haben Widerspruch und Klage des Denkmaleigentümers aufschiebende Wirkung, können die Behörde und das Gericht gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO auf Antrag des Bauherrn die sofortige Vollziehung anordnen. Eine unzumutbare Verzögerung des Vorhabens kann dadurch, wie bei anderen Drittwidersprüchen auch, vermieden werden.
Rz. 20
2. Solange die Kläger die denkmalrechtliche Genehmigung des Vorhabens des Beigeladenen nicht erfolgreich angefochten haben, kann sich der geltend gemachte Anspruch auf baupolizeiliches Einschreiten zur Wahrung der Belange des Denkmalschutzes auch aus § 81 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz vom 24. November 1998 i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB nicht ergeben.
Rz. 21
Gemäß § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich auch ein privilegiertes Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt u.a. vor, wenn das Vorhaben Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Die Belange des Denkmalschutzes werden in der Regel – positiv wie negativ – durch das Landesdenkmalrecht konkretisiert; dennoch enthält die Regelung keine Verweisung auf das Landesrecht, sondern eine bundesrechtlich eigenständige Anforderung, die – unbeschadet einer Konkretisierung durch Landesrecht – unmittelbar selbst eingreift, wo grobe Verstöße in Frage stehen. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB gewährleistet ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz; die Vorschrift hat im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, eine Auffangfunktion (Urteile vom 20. Oktober 1972 – BVerwG 4 C 1.70 – BRS 25 Nr. 84 S. 170 und vom 12. April 2001 – BVerwG 4 C 5.00 – BRS 64 Nr. 94 S. 406, dort jeweils zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB). Eine solche Regelung ist kompetenzrechtlich unbedenklich. § 35 BauGB ist eine bodenrechtliche Regelung, die in ihrem dritten Absatz auf bestimmte Belange lediglich Rücksicht nimmt; eine solche Rücksichtnahme ist unabhängig davon zulässig, ob dem Bundesgesetzgeber auch die Kompetenz zusteht, die fraglichen Belange einer ins einzelne gehenden Regelung zu unterwerfen (Urteil vom 20. Oktober 1972 a.a.O.).
Rz. 22
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist zwar zugunsten des Eigentümers eines Kulturdenkmals drittschützend, soweit ein benachbartes Vorhaben Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigt, weil es nicht die gebotene Rücksicht auf das schutzwürdige Interesse des Eigentümers am Erhalt der Denkmalwürdigkeit seines denkmalgeschützten Anwesens nimmt. Ist ein Vorhaben in der Umgebung eines geschützten Kulturdenkmals denkmalrechtlich genehmigt, können Belange des Denkmalschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB jedoch nicht beeinträchtigt sein. Denkmalrechtlich genehmigungsfähig ist das Vorhaben nur, wenn es objektiv die gebotene Rücksicht auf die Denkmalwürdigkeit des Kulturdenkmals nimmt. Aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, der lediglich ein Mindestmaß an Denkmalschutz gewährleistet, ergeben sich insoweit keine weitergehenden Zulässigkeitsvoraussetzungen. Aufgrund der denkmalrechtlichen Genehmigung steht deshalb auch mit Wirkung für die bauplanungsrechtliche Beurteilung fest, dass das Vorhaben aus denkmalrechtlicher Sicht “freigegeben” ist. Die denkmalrechtliche Genehmigung ist aufgrund ihrer Tatbestandswirkung von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen (Urteil vom 30. Januar 2003 – BVerwG 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351 ≪354 f.≫; Beschluss vom 25. Juni 2007 – BVerwG 4 BN 17.07 – BRS 71 Nr. 45 S. 227).
Rz. 23
3. Ob der denkmalrechtliche Drittschutz zugunsten des Eigentümers eines Kulturdenkmals auf das grundrechtlich gebotene Mindestmaß beschränkt ist oder – möglicherweise jedenfalls innerhalb einer Denkmalzone – darüber hinaus geht, ist eine Frage des irrevisiblen Landesrechts. Das Oberverwaltungsgericht wird das Denkmalschutz- und -pflegegesetz unter Beachtung des dargelegten bundesrechtlichen Maßstabs neu auszulegen und auf dieser Grundlage erneut zu entscheiden haben, ob die Klage zulässig und gegebenenfalls begründet ist. Dass das Fahrsilo die Denkmalwürdigkeit des Anwesens der Kläger möglicherweise erheblich beeinträchtigt und die Kläger schon aus diesem Grund klagebefugt sind, kann der Senat auf der Grundlage des bisherigen Klägervortrags nicht feststellen, mangels tatrichterlicher Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten allerdings auch nicht ausschließen. Im Hinblick auf den Abstand zwischen dem Fahrsilo und der Schlossanlage erscheint die Erheblichkeit der Beeinträchtigung durchaus zweifelhaft.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Philipp, Dr. Bumke, Petz
Fundstellen
Haufe-Index 2179122 |
BVerwGE 2010, 347 |
BauR 2009, 1281 |
IBR 2009, 610 |
DÖV 2009, 960 |
NJ 2009, 388 |
VR 2009, 323 |
ZfBR 2009, 580 |
BayVBl. 2009, 669 |
DVBl. 2009, 913 |
Info M 2010, 503 |
UPR 2009, 310 |
BBB 2009, 42 |
BRS-ID 2009, 16 |
FSt 2010, 736 |
FuB 2009, 191 |
SächsVBl. 2009, 234 |