Entscheidungsstichwort (Thema)
Postbeamter des höheren Dienstes. Disziplinarklage(-schrift). Mitwirkung des Personalrats (Betriebsrats). Verfahrensmangel (Heilung). Prüfverfahren der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost. Dienstverweigerung. dienstliches Handeln nach anwaltlichem Rat. Tatbestands-/Verbotsirrtum. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (schweres Dienstvergehen, endgültiger Vertrauensverlust). Zumessungserwägungen
Leitsatz (amtlich)
Im Geschäftsbereich der Deutschen Post AG hat bei Erhebung der Disziplinarklage regelmäßig der Betriebsrat des Betriebes mitzuwirken, bei dem der Beamte beschäftigt ist; eine Mitwirkungszuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ist nur ausnahmsweise gegeben.
Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost hat den gesamten Disziplinarverfahrensgang auf Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht sowie auf sachgerechte Ermessensausübung im Regelfall erst dann zu überprüfen, wenn zuvor alle Verfahrensschritte einschließlich des Beteiligungsverfahrens abgeschlossen sind.
Normenkette
BAPostG F. 2001 § 3 Abs. 2 Nr. 8; BAPostG F. 2001 § 15; BBG § 77 Abs. 1 S. 1; BDG § 13 Abs. 1, 2 S. 1, § 34 Abs. 2, § 52 Abs. 1 S. 1, §§ 55, 65 Abs. 1; BetrVG §§ 1, 50, 58; BPersVG § 72 Abs. 1, 4 S. 2, § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; BRRG § 126 Abs. 3 Nr. 3; PostPersRG § 1 Abs. 2, 5, 7, §§ 24, 28, 29 Abs. 5-6; StGB § 17
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.10.2004; Aktenzeichen 11 A 11253/04) |
VG Trier (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 4 K 1133/03.TR) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2004 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der … Beklagte ist Postdirektor (Besoldungsgruppe A 15 BBesG) im Dienst der Klägerin.
Im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen war der damals bei der Generaldirektion der Deutschen Post AG in B… beschäftigte Beklagte im Oktober 1998 (“mit Wirkung vom 1. September 1998”) zur damaligen Direktion Briefpost der Deutschen Post AG K… und – nach deren Auflösung – im Juni 1999 zur Service Niederlassung Einkauf K… versetzt worden. Hinsichtlich der zweiten Versetzung ist noch ein Klageverfahren anhängig.
Der Leiter der Service Niederlassung Einkauf K… leitete im Dezember 2002 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Dem Beamten wurde zur Last gelegt, in der Zeit von Oktober 2001 bis zur vorläufigen Dienstenthebung am 14. Januar 2003 die Arbeit am Projektauftrag “X…” beharrlich verweigert zu haben.
Nachdem der Arbeitsdirektor der Deutschen Post AG beschlossen hatte, gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben, wurde auf Antrag des Beklagten durch den Leiter der Service Niederlassung Einkauf K… der dortige Betriebsrat mit der Disziplinarsache befasst. Dessen Einwendungen wurden durch die Vertreterin des Niederlassungsleiters zurückgewiesen. Der vom Betriebsrat angerufene Arbeitsdirektor teilte diesem mit, er teile die Einwendungen gegen die Erhebung der Disziplinarklage nicht.
Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost stimmte anschließend der beabsichtigten Klageerhebung zu.
Das Verwaltungsgericht hat auf die Disziplinarklage den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren sei rechtsfehlerfrei durchgeführt worden.
Das Verwaltungsgericht habe den Beklagten zu Recht aus dem Dienst entfernt. Dieser habe sich geweigert, den Projektauftrag entsprechend den Vorgaben seiner Vorgesetzten auszuführen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Arbeit völlig verweigert habe. Denn es stehe fest, dass die vom Beklagten angeblich getätigten Projektarbeiten jedenfalls ohne die als unverzichtbar angesehene nähere Abstimmung mit dem Fachvorgesetzten und ohne Vorlage von Zwischenberichten vorgenommen worden seien. Darin bestehe der Kern des Disziplinarvorwurfs. Der Beklagte habe auch vorsätzlich gehandelt. Die vollständige Verweigerung seiner Dienstleistung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr stelle als Kernpflichtverletzung ein schweres Dienstvergehen dar. Der Beklagte habe dadurch das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren mit der Folge, dass er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müsse. Durchgreifende Milderungsgründe lägen nicht vor.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2004 und des Verwaltungsgerichts Trier vom 27. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren einzustellen,
hilfsweise,
auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die Mitwirkung des Betriebsrats und die erst daran anschließende Vorkontrolle durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost bei Erhebung der Disziplinarklage nicht zu beanstanden seien.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 BDG).
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht von der Zulässigkeit der im Namen des Vorstands der Deutschen Post AG von einem Postdirektor bei der Service Niederlassung Personalrecht erhobenen Disziplinarklage ausgegangen. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG liegt die Befugnis zur Erhebung einer Disziplinarklage gegen einen Beamten bei der obersten Dienstbehörde. Deren Befugnisse werden im Bereich der Deutschen Post AG vom Vorstand wahrgenommen, der durch das Personalvorstandsmitglied (Arbeitsdirektor) handelt (§ 1 Abs. 2 und 7 PostPersRG). Da eine gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG mögliche Übertragung der Zuständigkeit zur Klageerhebung gegen Beamte der Besoldungsgruppe A 15 auf eine nachgeordnete Stelle nicht erfolgt war (vgl. Ziff. II der Anordnung zur Übertragung disziplinarrechtlicher Befugnisse im Bereich der Deutschen Post AG vom 13. November 2001, BGBl I S. 3355, geändert durch Anordnung vom 29. Januar 2002, BGBl I S. 678), hatte zu Recht der Vorstand durch sein Personalvorstandsmitglied den Entschluss zur Klageerhebung gefasst. Dass die Disziplinarklageschrift (§ 52 Abs. 1 Satz 1 BDG) im Auftrag und mit Vollmacht des Personalvorstandsmitglieds vom Postdirektor erstellt und unterzeichnet worden war, ist unbedenklich. Der Inhalt der Klageschrift war im Entwurf vom Personalvorstandsmitglied gebilligt worden.
2. Das Revisionsvorbringen des Beklagten lässt nicht erkennen, dass das Berufungsurteil auf einem Mangel des gerichtlichen Verfahrens beruht. Insbesondere brauchte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin keine Frist zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG zu setzen. Die vom Beklagten geltend gemachten Mängel, die die Ausgestaltung der Mitwirkung des Betriebsrats und die Prüfung der Klageerhebung durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation betreffen, liegen entweder nicht vor oder haben sich nicht rechtserheblich ausgewirkt.
a) Die sich aus § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 BPersVG, §§ 28, 29 Abs. 5 PostPersRG ergebende Mitwirkungsbefugnis des Betriebsrats bei der Erhebung der Disziplinarklage ist zutreffend vom Betriebsrat der Service Niederlassung Einkauf K… als dem Betriebsrat desjenigen Betriebes wahrgenommen worden, bei dem der Beklagte beschäftigt war (sog. örtlicher Betriebsrat). Dies folgt aus den Zuständigkeitsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes, die gemäß § 24 Abs. 1 PostPersRG Anwendung finden. Danach ist der von den Arbeitnehmern – im Bereich der Deutschen Post AG einschließlich der Beamten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG) – in den einzelnen Betrieben gewählte Betriebsrat für die Ausübung der gesetzlichen Beteiligungsbefugnisse zuständig. Er hat die Interessen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer – einschließlich der Beamten – gegenüber dem Unternehmen wahrzunehmen.
Hat bei Erhebung der Disziplinarklage der Betriebsrat des Betriebes mitzuwirken, bei dem der Beamte beschäftigt ist (vgl. Altvater, PersR 2001, 496; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, BPersVG, 5. Aufl. 2004, Anhang IV B, § 24 PostPersRG Rn. 5; Gerhold, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Stand 2006, § 69 Rn. 54t am Ende), war hierfür der Betriebsrat der Service Niederlassung Einkauf K… zuständig. Die Niederlassung ist als selbstständige Organisationseinheit ein Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG. Der Beklagte war im Mitwirkungszeitraum auf Grund der Versetzungsverfügungen vom 6. Oktober 1998 und 24. Juni 1999 bei diesem Betrieb auch beschäftigt. Zwar ist die letztgenannte Verfügung noch nicht bestandskräftig. Dieser Umstand ist jedoch rechtlich unerheblich, da Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Versetzung keine aufschiebende Wirkung haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eine solche auch gerichtlich nicht angeordnet worden ist; die Versetzungsverfügungen waren verbindlich und daher zu befolgen (vgl. zur früheren Rechtslage Urteil vom 8. Mai 1969 – BVerwG 6 C 59.66 – Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 12).
Eine Mitwirkungszuständigkeit des Gesamtbetriebsrats lag nicht vor. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Danach kommt bei personellen Einzelmaßnahmen – wie der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten – eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nur dann in Betracht, wenn das Arbeits- oder Dienstverhältnis mehreren Betrieben des Unternehmens gleichzeitig zuzuordnen ist (vgl. zur Kündigung BAG, Urteil vom 21. März 1996 – 2 AZR 559/95 – BAGE 82, 316 ≪319≫; vgl. auch BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2002 – 1 ABR 27/01 – BAGE 104, 187 ≪204≫). Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn der Beklagte seine Projektaufträge von der Zentrale der Deutschen Post AG in B… erhalten hatte und dort sein Fachvorgesetzter saß, war das Dienstverhältnis des Beklagten – versetzungsbedingt – nicht zugleich der Zentrale zugeordnet; deshalb scheidet auch eine Zuständigkeit des Betriebsrats der Zentrale aus. Der Gesamtbetriebsrat war auch nicht gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG vom Betriebsrat beauftragt worden, die Mitwirkungsangelegenheit für ihn zu behandeln.
Eine Mitwirkungszuständigkeit des Konzernbetriebsrats war ebenfalls nicht gegeben. Die Zuständigkeitsregelung des Konzernbetriebsrats ist derjenigen des Gesamtbetriebsrats nachgebildet (BAG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 7 ABR 8/95 – BAGE 82, 36 ≪45≫). Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Konzernbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Ein solcher Fall lag hier ebenso wenig vor wie eine Zuständigkeitsübertragung kraft Auftrags (§ 58 Abs. 2 BetrVG).
b) Fraglich ist, ob der Leiter der Service Niederlassung Einkauf K… trotz der sich aus § 34 Abs. 2 BDG, § 1 Abs. 2 PostPersRG ergebenden Zuständigkeit des Vorstands der Post AG (bzw. gemäß § 1 Abs. 7 PostPersRG des Arbeitsdirektors) für die Erhebung der Disziplinarklage das Mitwirkungsverfahren mit dem örtlichen Betriebsrat durchführen durfte. Dies kann dahingestellt bleiben, weil ein etwaiger Mangel durch die nachträgliche Einschaltung des Arbeitsdirektors geheilt worden wäre. Dieser hat sich mit den schriftlichen Einwendungen des Betriebsrats befasst, nachdem er von diesem angerufen worden war. Die Vorgehensweise entspricht § 29 Abs. 6 PostPersRG.
Wenn es in § 29 Abs. 6 Satz 2 PostPersRG heißt, dass “nach Verhandlung mit dem Betriebsrat” endgültig entschieden wird, muss dies nicht zwingend eine mündliche Verhandlung sein. Der Begriff “Verhandlung” entspricht dem gleichnamigen Begriff im personalvertretungsrechtlichen Stufenverfahren nach § 72 Abs. 4 Satz 2 BPersVG. Dort ist mit “Verhandlung” inhaltlich das Gleiche gemeint wie mit “erörtern” in § 72 Abs. 1 BPersVG (vgl. Gerhold, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG a.a.O., § 72 Rn. 31 m.w.N.). Nichts anderes ergibt sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 29 Abs. 6 PostPersRG. Die Vorschrift eröffnet dem Betriebsrat die Möglichkeit, seine Vorstellungen, nach Ablehnung seiner Einwendungen durch den Arbeitgeber, dem zuständigen Vorstandsmitglied vor dessen endgültiger Entscheidung vorlegen und “erörtern” zu können (vgl. BTDrucks 12/6718 S. 103 – zu § 28 Abs. 6 des Entwurfs ~ § 29 Abs. 6 PostPersRG). Wie bei einer “Erörterung” im Sinne des § 72 Abs. 1 BPersVG kann, sofern vom Betriebsrat nicht ausdrücklich anders gewünscht, eine “Verhandlung” im Sinne des § 29 Abs. 6 Satz 2 PostPersRG durch den Austausch schriftlicher Äußerungen erfolgen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Zweck der Mitwirkung des Betriebsrats bei Erhebung der Disziplinarklage ist damit letztlich erreicht worden.
c) Das Prüfverfahren der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (im Folgenden: Bundesanstalt) ist zutreffend erst nach Abschluss des personalvertretungsrechtlichen Mitwirkungsverfahrens durchgeführt worden. Beabsichtigt der Vorstand der Deutschen Post AG oder ein ihm nachgeordneter Stelleninhaber mit den Befugnissen eines Dienstvorgesetzten, Disziplinarklage zu erheben, hat er die Klageschrift vor ihrer Einreichung bei Gericht unverzüglich unter Vorlage der Akten von der Bundesanstalt auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Ausübung des Ermessens prüfen zu lassen; dem Prüfergebnis hat er Rechnung zu tragen (§ 1 Abs. 5 PostPersRG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 8 und § 15 BAPostG in der Fassung vom 9. Juli 2001 – BAPostG a.F.).
Aus dem Wortlaut der Vorschriften sowie aus Sinn und Zweck des Prüfverfahrens ergibt sich, dass die Bundesanstalt erst nach Abschluss des gesamten Verfahrensganges vor Einreichung der Disziplinarklageschrift bei Gericht einzuschalten ist. Zweck des Prüfverfahrens ist es, im Bereich der privatisierten Postunternehmen das Vertrauen der Beamten in die Rechtmäßigkeit des Disziplinarverfahrensganges und in die sachgerechte Ausübung des disziplinarischen Ermessens – schwerwiegende Eingriffe in Beruf und Status eines Beamten – dadurch zu stärken, dass diese in jedem Einzelfall vorab von der Bundesanstalt als einer unabhängigen Behörde geprüft werden (vgl. BTDrucks 12/8060 S. 184 – zu § 12a BAPostG ~ § 15 BAPostG a.F.). Um dem gerecht werden zu können, hat die Bundesanstalt den gesamten bisherigen Disziplinarverfahrensgang auf Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht sowie auf sachgerechte Ermessensausübung zu überprüfen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn zuvor alle Verfahrensabschnitte einschließlich des Beteiligungsverfahrens abgeschlossen sind; erst dann sind die Akten und der Entwurf der Klageschrift der Bundesanstalt vorzulegen (vgl. Altvater, PersR 2001, 496; Wendt/Elicker, ZBR 2002, 76).
3. Das Berufungsurteil ist jedoch deshalb aufzuheben, weil es gegen § 13 Abs. 1 und 2 BDG verstößt.
Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG nach der Schwere des nachgewiesenen Dienstvergehens unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten und Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Ein endgültiger Vertrauensverlust gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist eingetreten, wenn die Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände ergibt, dass der Beamte auch künftig seinen Dienstpflichten nicht nachkommen wird oder die Ansehensschädigung nicht wiedergutzumachen ist (Urteil vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – NVwZ 2006, 469 ≪471≫).
a) Die Urteilsgründe müssen zunächst nachvollziehbar und in sich stimmig erkennen lassen, welches konkrete und objektiv dienstpflichtwidrige Handeln das Gericht dem Beamten zur Last legt. Schon daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG) ist der Beklagte seiner dienstlichen Verpflichtung, den Projektauftrag entsprechend den Vorgaben seiner Vorgesetzten auszuführen, im Zeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2003 nicht nachgekommen. Dies hat es nicht durch (festzustellende) nähere Einzelheiten konkretisiert und insoweit eine mögliche weitere Sachverhaltsaufklärung fehlerhaft unterlassen. Der Frage, ob der Beklagte für die Erfüllung des Projektauftrags überhaupt dienstlich tätig geworden ist, ist das Berufungsgericht nicht weiter nachgegangen, weil feststehe, dass die vom Beklagten angeblich getätigten Projektarbeiten jedenfalls ohne die als unverzichtbar angesehene nähere Abstimmung mit dem Fachvorgesetzten und ohne Vorlage von Zwischenberichten vorgenommen worden seien. Der Kern des Disziplinarvorwurfs bestehe gerade darin, dass sich der Beklagte über die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten bezüglich der Art und Weise der Erfüllung des Projektauftrags hinweggesetzt habe. Wenn aber offen bleibt, ob und in welchem Umfang der Beamte überhaupt Leistungen erbracht hat, und damit mangels weiterer Feststellungen zwangsläufig auch, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Leistungen verwertet worden sind oder doch objektiv verwertbar oder aber mangels Abstimmung nach der Natur des Auftrags in jedem Falle vollkommen wertlos gewesen sind, lässt sich der disziplinarrechtliche Vorwurf nicht mehr ausreichend konturieren: Es bleibt im Grunde ungeklärt, ob der Beamte in einer Art und Weise und in einem Umfang Leistungen verweigert hat, dass dies in seinen Wirkungen einem Fernbleiben vom Dienst vergleichbar ist, und er zusätzlich seiner Pflicht, Weisungen zu befolgen, nicht nachgekommen ist, oder aber der Beamte im Wesentlichen “nur” seiner Pflicht zur Abstimmung weisungswidrig nicht gefolgt ist und daneben – in welchem Umfang auch immer – Leistungen erbracht hat, die möglicherweise teilweise oder sogar ganz verwertbar gewesen sind. Ein derart offener Sachverhalt ist unterschiedlichen disziplinarrechtlichen Wertungen zugänglich und daher als Grundlage einer disziplinarrechtlichen Verurteilung nicht bestimmt genug (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juni 2000 – 2 BvR 993/94 – ZBR 2001, 208 ≪209≫). Die in diesem Zusammenhang vermissten Feststellungen lassen sich hier auch nicht durch in den Zumessungserwägungen enthaltene Feststellungen ergänzen. Dort heißt es zwar, dass der Beklagte “seine Dienstleistungen über einen langen Zeitraum vollständig verweigert” habe; es ist auch von einer “vollkommene(n) Verweigerungshaltung” die Rede. Wie lange dieser Zeitraum währte, wird indessen nicht gesagt. Die bloße Annahme einer wahrhaft vollständigen Verweigerung jeglicher Leistung wiederum wäre mangels Benennung konkreter Einzelheiten nicht geeignet, die diesbezüglich zuvor ausdrücklich offen gehaltenen Tatsachenfeststellungen zu ergänzen.
b) Weiterhin hat das Berufungsgericht festgestellt, der Beklagte habe auch vorsätzlich schuldhaft gehandelt. Insoweit könne er sich nicht mit Erfolg auf das verwaltungsgerichtliche Urteil von Mai 2001 berufen, das seine Auffassung von der fehlerhaften ersten Projektbeauftragung geteilt habe. Er habe gewusst, dass das Urteil nicht rechtskräftig geworden sei und sich außerdem auf einen anderen Projektauftrag bezogen habe. Diese Würdigung erfasst den festgestellten Sachverhalt nur unvollständig und ist daher fehlerhaft.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Dienstpflichtverletzungen vorsätzlich schuldhaft im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen worden sind, ist insoweit rechtsfehlerhaft, als dabei unberücksichtigt geblieben ist, dass der Beklagte auf anwaltlichen Rat gehandelt hat. Im Berufungsurteil sind tatsächliche Feststellungen zur anwaltlichen Beratung des Beklagten im Tatzeitraum getroffen worden – so die Empfehlung, an vorgesehenen dienstlichen Gesprächsterminen nicht teilzunehmen, dienstliche Anordnungen über die Verfahrensbevollmächtigten laufen zu lassen, Einlegung eines Widerspruchs gegen die Erteilung des Projektauftrags –, ohne dass das Berufungsgericht diesen zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt in seine disziplinarrechtliche Würdigung einbezogen hat. Dies hindert jedoch nicht seine revisionsrechtliche Verwertbarkeit gemäß §§ 3, 69 BDG, § 137 Abs. 2, § 173 VwGO i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1983 – BVerwG 5 C 26.83 – BVerwGE 68, 290 ≪296 f.≫, vom 8. März 1984 – BVerwG 6 C 6.83 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 116 und vom 23. März 1999 – BVerwG 1 C 12.97 – Buchholz 402.44 VersG Nr. 12).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats (vgl. z.B. Urteil vom 29. Oktober 1981 – BVerwG 1 D 50.80 – BVerwGE 73, 263 ≪285≫; Beschlüsse vom 19. Juni 2000 – BVerwG 1 DB 13.00 – BVerwGE 111, 246 ≪254≫ und vom 17. Januar 2003 – BVerwG 1 DB 18.02 – Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 24 S. 37) erfolgt ein Handeln in dienstlichen Angelegenheiten nach anwaltlichem Rat zwar grundsätzlich auf eigenes Risiko. Im Einzelfall ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich ein entsprechendes Verhalten des Beamten entscheidungserheblich als so genannter Tatbestands- oder Verbotsirrtum auswirken kann (vgl. zum Arbeitsrecht: Kliemt/Vollstädt, NZA 2003, 357 ff.).
Erkennt der Beamte zutreffend den von ihm verursachten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt er aber gleichwohl, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben, so beruft er sich auf einen so genannten Verbotsirrtum. Ein solcher Rechtsirrtum über das Bestehen, den Umfang oder den Inhalt dienstlicher Pflichten (vgl. z.B. Urteile vom 25. März 1980 – BVerwG 1 D 14.79 – BVerwGE 63, 353 ≪364 f.≫ und vom 11. Dezember 1991 – BVerwG 1 D 75.90 – BVerwGE 93, 202 ≪210 f.≫) kann das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (Unrechtsbewusstsein) entfallen lassen. Wenn dem Beamten nicht widerlegt werden kann, die Pflichtverletzung unter einem Verbotsirrtum begangen zu haben, schließt ein solcher Irrtum die Schuld – und damit das Dienstvergehen – nur dann aus, wenn er unvermeidbar war (vgl. § 17 Satz 1 StGB). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall auf Grund der Ausbildung der Beamten und der Praxis dienstzeitbegleitender Belehrungen über Rechte und Pflichten im Dienstverhältnis auszugehen. Im Zweifel wird von einem Beamten – im eigenen Interesse – erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt. So kann er verhindern, dass ihm gegebenenfalls entgegengehalten wird, er habe zwar in einem Verbotsirrtum gehandelt, der jedoch vermeidbar gewesen sei; ein solcher vermeidbarer Irrtum, der die Vorsatzschuld nicht ausschließt, “kann” bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden (vgl. § 17 Satz 2 StGB).
Auch wenn bei anwaltlicher Beratung – insbesondere bei einem Beamten des höheren Dienstes – im Regelfall ein unvermeidbarer Verbotsirrtum nicht vorliegen dürfte, war es disziplinarrechtlich nicht zulässig, diesen Sachverhalt völlig unberücksichtigt zu lassen. Der Beklagte hatte als Nichtjurist nicht nur im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskünfte seiner Berater, rechtskundiger Dritter, gehandelt. Er sah den ihm erteilten Rechtsrat auch durch das von seinem Anwalt erstrittene Urteil des VG Köln vom 3. Mai 2001 bestätigt, das die Versetzungsverfügung vom 6. Oktober 1998 im Hinblick auf die Durchführung des ersten Projektauftrags aufgehoben hatte. Die gegenteilige Berufungsentscheidung des OVG Münster erging erst am 3. März 2004, als die Disziplinarklage bereits anhängig war.
c) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme sind ebenfalls mit Bundesrecht nicht vereinbar.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Einstufung der vorsätzlich schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzungen als schweres Dienstvergehen im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG. Nach dieser Vorschrift ist ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Bei der Frage nach der Schwere des Dienstvergehens ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld, Beweggründe für das Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z.B. materieller Schaden). Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien – Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild des Beamten, Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung – mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht bei jedem Dienstvergehen, gleichgültig zu welcher Disziplinarmaßnahme es letztlich führt, ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat ein schweres Dienstvergehen darin gesehen, dass “der Beklagte seine Dienstleistung über einen langen Zeitraum vollständig verweigert” hat. Er habe sich den zur Erfüllung des Auftrags dringend notwendigen Detailbesprechungen mit seinem Fachvorgesetzten entzogen. “Stattdessen” sei “er nur zu Verhandlungen mit dem Personalvorstand mit dem Ziel der Rückkehr auf den einmal innegehabten Beförderungsdienstposten – oder vergleichbare Stellen – bereit” gewesen. Dieses eigenmächtige Verhalten zeige, dass er sich von seiner Kernpflicht als Beamter, dienstlichen Anordnungen Folge zu leisten, vollkommen gelöst habe. Erschwerend komme hinzu, dass er die Dienstleistung verweigert habe, obwohl ein solches Verhalten in früherer Zeit bereits disziplinarisch verfolgt worden sei (Einstellungsverfügung vom 10. September 2001) und ihm auch im Jahr 2002 mehrfach disziplinarische Schritte angedroht worden seien.
Diese Zumessungserwägungen des Berufungsgerichts beruhen auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen.
Die Vorinstanz ist – wie schon ausgeführt – dem in der Klageschrift erhobenen Vorwurf der vollständigen, beharrlichen Dienstverweigerung, d.h. der nur unregelmäßigen (körperlichen) Anwesenheit im Büro im Zeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2003, nicht nachgegangen. Sie hat sich bei der Annahme eines schuldhaft begangenen Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) tatsächliche Feststellungen dazu, ob der Beklagte für die Erfüllung des Projektauftrags überhaupt dienstlich tätig geworden ist, erspart, weil die behaupteten Arbeiten, sollten sie tatsächlich erbracht worden sein, jedenfalls ohne Abstimmung mit dem Fachvorgesetzten und damit entgegen der ausdrücklichen dienstlichen Anweisung erfolgt seien. Zudem habe es der Beklagte unterlassen, innerhalb der festgelegten Zeiträume Zwischenberichte vorzulegen. Demnach hat das Berufungsgericht zugunsten des Beklagten als möglich unterstellt, dieser habe an dem Projektauftrag gearbeitet (UA S. 14).
Davon ausgehend hat es die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst nicht auf eine Dienstverweigerung in der Zeit von Oktober 2001 bis Januar 2003 (“Nichtstun”), sondern auf dessen Weigerung gestützt, sich mit seinen Vorgesetzten in Verbindung zu setzen bzw. deren Weisungen einzuholen.
Jedenfalls durfte das Berufungsgericht die Frage, ob der Beklagte an dem Projektauftrag überhaupt gearbeitet hat, auch in diesem Zusammenhang nicht offen lassen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG kommt es für die Maßnahmebemessung maßgeblich auf die Schwere des Dienstvergehens an. Um diese richtig und vollständig beurteilen zu können, sind Feststellungen über Art und Umfang der vom Beklagten behaupteten Tätigkeit – so er sie denn erbracht hat – erforderlich. Auch das Gewicht der Weigerung, mit dem Fachvorgesetzten zusammenzuarbeiten, bemisst sich danach, ob die behauptete Arbeitsleistung brauchbar war. Ferner hat es das Berufungsgericht unterlassen, zu prüfen, ob es – wenn ein schuldhaftes Handeln vorliegt – für die Schuldform und den Verschuldensgrad und damit letztlich auch für die Zumessung von Bedeutung ist, dass der Beklagte auf anwaltlichen Rat gehandelt hat.
Das Berufungsurteil verletzt auch insoweit Bundesrecht, als es bei seiner Entscheidung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG einen endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn angenommen hat, ohne zuvor eine umfassende Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Bei der prognostischen Frage, ob bei einem Beamten auf Grund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis alle für diese Einschätzung bedeutsamen belastenden und entlastenden Bemessungsgesichtspunkte. Dies gebieten sowohl das gesetzliche Bemessungskriterium “angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten” (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) als auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gesamte Prognosegrundlage muss in der Entscheidung des Gerichts dargelegt werden; ob sie dann den Schluss auf einen noch verbleibenden Rest an Vertrauen in die Person des Beamten zulässt, ist eine Frage der Gesamtabwägung im Einzelfall (Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O.).
Diesen Anforderungen wird das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung der gemäß § 130b Satz 2 VwGO, § 3 BDG in Bezug genommenen erstinstanzlichen Ermessenserwägungen nicht gerecht. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats gelten im Falle einer Dienstverweigerung – sofern und soweit sie im eigentlichen Sinne vorliegt – dieselben disziplinarrechtlichen Bemessungserwägungen wie für vorsätzlich unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst (vgl. z.B. Urteil vom 8. Juli 1987 – BVerwG 1 D 140.86 –; Beschluss vom 26. Februar 2003 – BVerwG 1 DB 1.03 – Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 25 S. 38 f.; vgl. auch Urteil vom 25. September 2003 – BVerwG 2 C 49.02 – Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41 f.). Auch wenn im Falle des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst der Fernbleibensdauer bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme regelmäßig ein wesentliches Gewicht zukommt, hat der Disziplinarsenat doch wiederholt hervorgehoben, dass es auch auf die Ursachen der Dienstsäumnis oder -verweigerung und damit auf die Persönlichkeit des Beamten, seine Motive und – vor allem – auf die Prognose seines zukünftigen Verhaltens ankommt. Er hat insbesondere auch bei ungenehmigtem Fernbleiben vom Dienst von insgesamt nicht unerheblicher Dauer die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses dann für möglich gehalten, wenn es sich bei den Ursachen für das Fernbleiben um im Grunde persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände gehandelt hat und die Aussicht auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten deshalb begründet war (vgl. z.B. Urteil vom 26. Februar 2004 – BVerwG 1 D 3.03 – m.w.N.). Entsprechendes hat im Falle einer Dienstverweigerung zu gelten. Allerdings wird im Regelfall davon auszugehen sein, dass auch bei Anwesenheit im Dienst eine länger dauernde beharrliche Dienstverweigerung zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt, falls keine in ihrer Gesamtheit durchgreifenden mildernden Umstände vorliegen (vgl. zum vorsätzlich unerlaubten Fernbleiben vom Dienst z.B. Urteil vom 26. Februar 2004 a.a.O. m.w.N.). Es bedarf also einer Gesamtabwägung aller belastenden und entlastenden Umstände (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O.).
Da auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden kann, ob unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist, ob die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme oder ob der Ausspruch einer anderen Entscheidung in Betracht kommt, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Albers, Dr. Kugele, Dr. Müller, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1568248 |
ZBR 2006, 385 |
ZBR 2007, 53 |
DÖV 2007, 665 |
PersV 2007, 195 |