Entscheidungsstichwort (Thema)
Für Ausgleichsabgabe gemäß § 8 SchwbG kein Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO. Ausgleichsabgabe. Konkursvorrecht, kein – für Ausgleichsabgabe
Leitsatz (amtlich)
Für die Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz besteht im Konkurs des Arbeitgebers nicht der für öffentliche Abgaben geltende Vorrang nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO.
Normenkette
SchwbG § 8; KO § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 146
Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 04.12.1981; Aktenzeichen Bf I 103/78) |
VG Hamburg (Entscheidung vom 09.06.1978; Aktenzeichen V VG 2870/77) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 1981 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für die Ausgleichsabgabe nach § 8 des. Schwerbehindertengesetzes – SchwbG – das Konkursvorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung – KO – beanspruchen kann.
Der Kläger ist Konkursverwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen der Firma X. Die Beklagte hält die Gemeinschuldnerin für verpflichtet, als Ausgleich dafür, daß sie im Jahre 1975 und in den Monaten Januar bis Juli 1976 die vorgeschriebene Zahl an Schwerbehinderten nicht beschäftigt hat, eine Ausgleichsabgabe von 3.100 DM zu zahlen. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte ihre Hauptfürsorgestelle gegenüber dem Kläger ihre Forderung in Höhe von 3.081,44 DM (die Minderung um 18,56 DM beruht auf § 65 Abs. 2 KO) mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO zur Konkurstabelle fest.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid aufgehoben, soweit darin für die Ausgleichsabgabe das Vorrecht nach der Konkursordnung festgestellt worden ist. Im übrigen hat es die Feststellung der Ausgleichsabgabe als rechtmäßig angesehen und die Klage abgewiesen. Die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Hauptfürsorgestelle sei zwar befugt gewesen, das Konkursvorrecht dem Kläger gegenüber durch Verwaltungsakt festzustellen. Der angefochtene Bescheid sei jedoch, soweit er sich auf das nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO geltend gemachte Konkursvorrecht beziehe, rechtswidrig, weil der Ausgleichsabgabe ein solches Vorrecht nicht zukomme. Nach der genannten Vorschrift seien nur Steuern und steuerartige Abgaben mit Einschluß der Zölle bevorrechtigt. Die Ausgleichsabgabe erfülle die entsprechenden Merkmale nicht. Sie sei, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26. Mai 1981 (BVerfGE 57, 139) klargestellt habe, eine Sonderabgabe und keine Steuer. Sie sei auch keine steuerartige Abgabe. Die Ausgleichsabgabe diene nicht dazu, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates zu erzielen, wie es für die Steuer und auch die steuerartige Abgabe begriffsnotwendig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie will erreichen, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird. Sie ist der Auffassung, die Ausgleichsabgabe sei eine steuerähnliche Abgabe, so daß § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO anzuwenden sei.
Der Kläger tritt dem entgegen. Er hält die im Berufungsurteil angeführten Gründe für richtig.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält ebenfalls das Berufungsurteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte für die von ihr geltend gemachte Ausgleichsabgabe nach § 8 des Schwerbehindertengesetzes – SchwbG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. April 1974 (BGBl. I S. 1005) das Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung – KO – nicht beanspruchen kann.
Ein Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO besteht für Forderungen der im Gesetz näher bestimmten öffentlichen Kassen wegen öffentlicher Abgaben, welche im letzten Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens fällig geworden sind oder nach § 65 KO als fällig gelten.
Im Revisionsverfahren ist Gegenstand von Erörterungen zwischen den Beteiligten allein noch die Frage, ob die Ausgleichsabgabe eine öffentliche Abgabe im Sinne von § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO ist. Es besteht auch von Amts wegen kein Anlaß, die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den übrigen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Konkursvorrechts zu beanstanden.
So sind keine Bedenken dagegen vorzubringen, daß der Streit über das Vorrecht sich auf eine öffentlich-rechtliche Frage bezieht. Das Konkursvorrecht einer Forderung ist eine der Forderung zustehende Eigenschaft, die sich in ihrer rechtlichen Einordnung nach der Rechtsnatur der Forderung richtet (BGHZ 60, 64 ≪65 f.≫ mit weiteren Nachweisen; BSG 32, 263 ≪264≫; BFH, Urteil vom 21. September 1973 – III R 153, 154/72 – BFHE 110, 318 ≪320≫ = WM 1974, 162 ≪163≫). Der Streit über das Vorrecht ist daher ebenso wie der Streit über die Ausgleichsabgabe nach § 8 SchwbG dem öffentlichen Recht zuzuordnen, für dessen Entscheidung mangels Zuweisung an ein anderes Gericht der Verwaltungsrechtsweg offensteht (§ 40 Abs. 1 VwGO). Über das Vorrecht konnte auch von der Beklagten durch Verwaltungsakt entschieden werden. Nach § 146 Abs. 5 KO ist u.a. für Forderungen, für deren Feststellung eine Verwaltungsbehörde zuständig ist, das in § 146 Abs. 2 KO geregelte Klageverfahren für die Feststellung von Konkursforderungen nicht einzuhalten. Diese Regelung ist nicht nur anzuwenden, wenn es um die Feststellung der Forderung selbst geht, sondern auch, wenn das Vorrecht einer solchen Forderung streitig ist (BGHZ 55, 224 ≪225≫; 60, 64 ≪67≫). Es kann deshalb auch eine Verwaltungsbehörde zu der Feststellung des Konkursvorrechts befugt sein (Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. 1979, § 146 Rdnr. 15). Das ist für die Beklagte hier anzunehmen. In ihrer Eigenschaft als Hauptfürsorgestelle ist sie nach § 8 Abs. 2 Satz 3 SchwbG berechtigt, rückständige Ausgleichsabgaben durch Feststellungsbescheid festzusetzen. Da, wie bereits gesagt, das in Anspruch genommene Konkursvorrecht nur eine Eigenschaft der Forderung selbst ist, bestehen keine Bedenken gegen die Befugnis der Behörde, auch über das Vorrecht durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die Ausgleichsabgabe war auch, wie sich aus §§ 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2, 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SchwbG ergibt, vor Eröffnung des Konkursverfahrens bereits fällig oder galt nach § 65 Abs. 1 KO als fällig.
Das von der Beklagten für die Ausgleichsabgabe nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO in Anspruch genommene Konkursvorrecht besteht jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Ausgleichsabgabe keine öffentliche Abgabe im Sinne dieser Vorschrift ist. Darunter fallen nur Steuern und steuerähnliche oder steuerartige Abgaben mit Einschluß der Zölle, nicht aber andere öffentlich-rechtliche Abgaben oder Beiträge (BGHZ 10, 312 ≪313≫; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1953 – IV ZR 31/53 – LM Nr. 2/3 zu § 61 KO; BFHE 110, 318 ≪321≫; ferner ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, z.B. RGZ 83, 206 ≪208 ff.≫; 114, 372 ≪373≫; 131, 137 ≪139≫; 156, 366 ≪370≫; ebenso Schrifttum, z.B. Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl. 1983, § 61 Anm. 5 a; Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck a.a.O. § 61 Rdnr. 52).
Die Unterscheidung im Sprachgebrauch zwischen „steuerähnlichen” (so RG a.a.O.; BGH a.a.O.; Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck a.a.O.) und „steuerartigen” Abgaben (so BFH a.a.O., Böhle-Stamschräder/ Kilger a.a.O. und das Berufungsgericht) deutet nicht auf ein unterschiedliches Begriffsverständnis hin. Beiden Begriffsbildungen liegt zugrunde, daß wesentliche Merkmale der Steuer erfüllt sein müssen.
Die Ausgleichsabgabe des Schwerbehindertengesetzes ist keine Steuer und auch keine steuerähnliche oder steuerartige Abgabe. Sie dient anderen Zwecken als der Erzielung von Einnahmen für den öffentlichen Finanzbedarf. Es fehlt damit an einem wesentlichen Merkmal der Steuer und auch der steuerähnlichen oder steuerartigen Abgabe.
Mit der rechtlichen Einordnung der Ausgleichsabgabe hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26. Mai 1981 (BVerfGE 57, 139 ≪166 ff.≫) befaßt. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Ausgleichsabgabe keine Steuer, sondern eine „nichtsteuerliche Sonderabgabe” sei (a.a.O. Seite 166). Geht man von dieser begrifflichen Einordnung aus, so erscheint es vor dem Hintergrund der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zu den Sonderabgaben entwickelt hat, fraglich, ob überhaupt noch Raum für die Überlegung ist, daß die Ausgleichsabgabe, auch wenn sie eine Sonderabgabe ist, gleichwohl als steuerähnliche Abgabe angesehen werden könnte. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, Steuer und Sonderabgabe seien wesensverschieden; sie unterschieden sich nach „Idee und Funktion” grundlegend (BVerfGE 18, 315 ≪328≫; 55, 274 ≪298≫; 67, 256 ≪275≫). Danach erscheint es kaum mehr zulässig, eine als Sonderabgabe gekennzeichnete öffentliche Abgabe als eine steuerähnliche Abgabe anzusehen. Dies kann jedoch letztlich auf sich beruhen. Daß die Ausgleichsabgabe keine steuerähnliche Abgabe ist, ergibt sich auch dann, wenn man näher auf eine inhaltliche Begriffsbestimmung eingeht.
Für den Begriff der Steuer ist auf § 3 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung – AO – vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 613) zurückzugreifen. Steuern sind danach Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; dabei kann die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck sein. An diese Begriffsbestimmung knüpft auch das Bundesverfassungsgericht an (BVerfGE 67, 256 ≪282≫ mit weiteren Nachweisen). Es bestehen keine Bedenken, sie allgemein und damit ebenfalls § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO zugrunde zu legen. Dabei nötigt die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht dazu, auf alle Merkmale der Begriffsbestimmung einzugehen. Für die hier anzustellende Prüfung reicht es vielmehr aus, als Begriffsmerkmal den wesentlichen Zweck der Steuer heranzuziehen. Er liegt darin, daß die Steuer zur Erzielung von Einnahmen bestimmt ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO nicht entgegen, wonach die Erzielung von Einnahmen auch Nebenzweck sein kann. Diese Regelung entspricht dem Bestreben des Gesetzgebers, mit Steuergesetzen nicht nur fiskalische Zwecke, sondern auch wirtschafts-, gesellschafts- und sozialpolitische Anliegen zu verfolgen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß auch in diesen Fällen die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck nicht nur sein kann, sondern sein muß, um eine Steuer annehmen zu können. Dieser Zweck bleibt daher weiterhin begriffsnotwendig (Tipke-Kruse, AO, 11. Aufl. 1983, § 3 Rdnr. 9). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist wesentliches Begriffsmerkmal der Steuer, daß sie nach ihrem materiellen Gehalt der Mittelbeschaffung für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens dienen muß (BVerfGE 55, 274 ≪305, 309≫; vgl. auch 67, 256 ≪283≫). Die Verwendung dieses Merkmals macht zugleich eine scharfe Trennung zwischen Steuer und steuerähnlicher oder steuerartiger Abgabe entbehrlich. Daß diese Begriffe nebeneinander verwendet werden, findet seinen Sinn darin, daß für die Kennzeichnung einer öffentlichen Abgabe als Steuer der materielle Gehalt der Abgabe, nicht aber die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung maßgebend ist (so bereits RGZ 83, 206 ≪210≫; ferner BVerfGE 55, 274 ≪304 f.≫). Es ist daher nur folgerichtig, daß das in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO geregelte Vorrecht nicht nur den ausdrücklich vom Gesetzgeber als Steuern bezeichneten Abgaben zukommt, sondern auch solchen Abgaben, die in ihrem materiellen Gehalt die Merkmale einer Steuer erfüllen. Die Verwendung der Worte „steuerähnlich” oder „steuerartig” deutet zwar auf eine Begriffserweiterung in dem Sinne hin, daß nicht eine volle Übereinstimmung mit der Steuer erforderlich ist, um das Vorrecht in Anspruch nehmen zu können. Dabei muß jedoch einschränkend berücksichtigt werden, daß Sinn und Zweck von § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO eine erweiterte Auslegung nicht rechtfertigen. Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, daß die öffentlichen Einnahmen, deren der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben bedarf, aus Gründen des allgemeinen Interesses vorzugsweise sicherzustellen sind (BGHZ 52, 155 ≪165≫). Dem entspricht es, wenn das Konkursvorrecht auf die öffentlichen Abgaben beschränkt bleibt, die nach ihrem Zweck der Erzielung von Einnahmen und damit der Sicherung des allgemeinen Finanzbedarfs dienen. Unter diesem Blickwinkel kann von einer steuerähnlichen oder steuerartigen Abgabe, für die das Vorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO gilt, unabhängig von anderen Abgrenzungsmerkmalen nur dann die Rede sein, wenn ihr Zweck, wie es für die Steuer begriffsnotwendig ist, in der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf besteht (so auch BFHE 110, 318 ≪321≫). Die anderen Merkmale des Steuerbegriffs sind für die Abgrenzung hier weniger geeignet. Nicht zulässig ist vor allem, die Ausgleichsabgabe deswegen als steuerähnliche Abgabe anzusehen, weil sie, wie die Steuer, keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellt (so LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22. März 1951, NJW 1951, 808 und Bayer. ObLG, Urteil vom 21. August 1953, NJW 1953, 1708 f. für die vergleichbare Ausgleichsabgabe nach dem früheren Schwerbeschädigtengesetz). Bei diesem Merkmal ergeben sich Überschneidungen mit dem Begriff der Sonderabgabe, die ebenfalls ohne Gegenleistung zu erbringen ist (BVerfGE 67, 256 ≪274/275≫).
Das somit entscheidende Merkmal, daß die Abgabe zur Erzielung von Einnahmen erhoben wird, fehlt bei der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SchwbG wird die Abgabe vom Arbeitgeber nur erhoben, solange er seiner in § 4 SchwbG näher bestimmten Pflicht, eine vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter zu beschäftigen, nicht nachkommt. Die Ausgleichsabgabe verfolgt damit zwei Ziele (siehe dazu BVerfGE 57, 139 ≪167/168≫ unter Hinweis auf die Unterlagen des Gesetzgebungsverfahrens – BT-Drucks. 7/656 Seite 20, II 2). Einmal soll sie die Arbeitgeber anhalten, Schwerbehinderte einzustellen (Antriebsfunktion). Ferner soll die Abgabe einen Ausgleich schaffen zwischen den Arbeitgebern, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllen und denjenigen, die ihr nicht entsprechen (Ausgleichsfunktion). Die Ausgleichsabgabe verfolgt dagegen nicht den Zweck, Einkünfte für den öffentlichen Finanzbedarf zu erzielen. Dem steht, anders als die Beklagte meint, nicht entgegen, daß die Ausgleichsabgabe jährlich zu einem nicht unerheblichen Finanzaufkommen führt, weil viele Arbeitgeber ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen wollen oder können und deshalb die Ausgleichsabgabe leisten. Die Erzielung dieses Finanzaufkommens ist weder Haupt- noch Nebenzweck der Ausgleichsabgabe. Dies wird vor allem dadurch deutlich, daß der Arbeitgeber die Zahlung der Ausgleichsabgabe abwenden kann, wenn er seiner Beschäftigungspflicht nachkommt. Der Zweck der Ausgleichsabgabe liegt deshalb darin, die Arbeitgeber zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und dadurch die Ausgleichsabgabe überflüssig zu machen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, daß das nicht unerhebliche Finanzaufkommen, zu dem die Ausgleichsabgabe führt, den Rechtscharakter der Ausgleichsabgabe als „nichtsteuerliche Sonderabgabe” nicht beeinträchtige; die Antriebs- und Ausgleichsfunktion sei so bedeutsam, daß demgegenüber die Finanzierungsfunktion zurücktrete (BVerfGE 57, 139 ≪168/169≫). Auch in seiner späteren Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht nochmals betont, daß die Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz keine Finanzierungszwecke verfolge (BVerfGE 67, 256 ≪277≫).
Damit fehlt es an einem wesentlichen Merkmal, um die Ausgleichsabgabe als Steuer oder steuerähnliche Abgabe mit Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO einordnen zu können. Die beiden Vorinstanzen sind daher mit Recht davon ausgegangen, daß die von der Beklagten vorgenommene Feststellung eines entsprechenden Vorrechts nicht bestehen bleiben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Zehner, Dr. Fink, Rochlitz, Rotter, Bermel
Fundstellen
Haufe-Index 1212094 |
BVerwGE, 82 |
ZIP 1985, 1336 |
JZ 1986, 198 |