Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstige Abgaben. Schwerbeschädigte. Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz
Leitsatz (amtlich)
Für die Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz besteht im Konkurs des Arbeitgebers das für Abgaben und Leistungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO geltende Vorrecht nicht.
Normenkette
KO § 61 Abs. 1 Nr. 3; SchwbG § 8
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Urteil vom 20.03.1986; Aktenzeichen 4 K 1279/85) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. März 1986 – 4 K 1279/85 – geändert.
Die Feststellung des Konkursvorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 der Konkursordnung in den Bescheiden des Beklagten vom 19. April 1985 und sein Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1985 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger als Konkursverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der Firma U. und der beklagte Landeswohlfahrtsverband, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die Aufgaben einer Hauptfürsorgestelle wahrnimmt (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes über die Landeswohlfahrtsverbände vom 23.4.1963, GBl. S. 35), streiten darüber, ob der Beklagte für die von ihm erhobene Ausgleichsabgabe nach § 8 des Schwerbehindertengesetzes (in der hier noch anwendbaren Fassung vom 8.10.1979, BGBl. I S. 1649) – SchwbG – das Konkursvorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 der Konkursordnung – KO – beanspruchen kann. Das Konkursverfahren wurde am 30.3.1984 eröffnet. Unter dem 19.4.1985 erließ der Beklagte Feststellungsbescheide über die Ausgleichsabgabe bezüglich des Werkes in Vogt für die Jahre 1982 und 1983 in Höhe von 9.500,– DM bzw. 10.400,– DM sowie für die Zeit vom 1.1. bis 29.3.1984 in Höhe von 2.748,39 DM und setzte für seine Forderungen das Vorrecht gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO fest. Den auf die Inanspruchnahme des Vorrechts beschränkten Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuß des Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 19.7.1985 als unbegründet zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen durch Urteil vom 20.3.1986 abgewiesen, da der Beklagte das Konkursvorrecht zu Recht festgesetzt habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgemäß Berufung eingelegt. Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20.3.1986 zu ändern und die Feststellung des Konkursvorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO in den Bescheiden des Beklagten vom 19.4.1985 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 19.7.1985 aufzuheben.
Er macht geltend: Die Ausgleichsabgabe solle dazu dienen, den Arbeitgeber anzuhalten, Schwerbehinderte einzustellen und die Belastungen zwischen denjenigen Arbeitgebern, die ihrer Beschäftigungspflicht nachkämen, und denen, die dies nicht täten, auszugleichen. Im Konkursfall könne aber keine dieser Funktionen erfüllt werden. Ferner hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen, daß nur in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen den Hauptfürsorgestellen Verbandsstruktur zukomme, während ansonsten die Durchführung des Schwerbehindertengesetzes staatlichen Dienststellen obliege. Diese Zufälligkeit in der Aufgabenübertragung hätte, folgte man dem Verwaltungsgericht, zur Konsequenz, daß innerhalb des Geltungsbereichs eines Bundesgesetzes die Ausgleichsabgabe unterschiedlichen Rangklassen zuzuordnen wäre, was nicht der Wille des Gesetzgebers sein könne. Auch sei die Voraussetzung des § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO, daß die Forderung dem öffentlichen Verband selbst zustehe, nicht erfüllt, weil die Hauptfürsorgestellen 40 % des Aufkommens der Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds des Bundes abzuführen hätten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, wie das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das zu einer insoweit gleichgelagerten Fallgestaltung ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.8.1985, a.a.O., zutreffend erkannt hat. Die Berufung ist auch begründet. Zwar kann der Beklagte an sich ein Konkursvorrecht durch Verwaltungsakt feststellen (BVerwG, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hätte aber seine Feststellungen aufheben müssen, weil ihm das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 KO In bezug auf die Ausgleichsabgabe nach § 8 SchwbG nicht zusteht.
Die Konkursordnung bestimmt in dieser Vorschrift, daß die Forderungen der Kirchen und Schulen, der öffentlichen Verbände und der öffentlichen, zur Annahme der Versicherung verpflichteten Feuerversicherungsanstalten wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen aus dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahren...