Entscheidungsstichwort (Thema)
Einberufungsbescheid. Zurückstellung. besondere Härte. Berufsausbildung. Meisterprüfung. Vorbereitungskurs. Erledigung in der Hauptsache. einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung handelt es sich um eine Berufsausbildung im Sinne des Zurückstellungstatbestandes nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG.
Normenkette
WPflG § 12
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen 11 K 2378/05) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Revision der Beklagten wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2005 ist wirkungslos.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Der am 16. März 1984 geborene Kläger absolvierte bis Anfang 2005 eine Lehre als Kraftfahrzeug-Mechaniker. Nach dem Ergebnis der im November 2004 erfolgten Musterung war er wehrdienstfähig mit Einschränkung für bestimmte Tätigkeiten. Mit Einberufungsbescheid vom 16. März 2005 berief die Beklagte den Kläger zum neunmonatigen Grundwehrdienst ab 1. Juli 2005 ein. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er die einmalige Gelegenheit erhalten habe, bei einem angesehenen Unternehmen mit eigenem Fahrzeugbau in P… von Juli bis Dezember 2005 ein Volontariat zu absolvieren. Im Anschluss daran werde er bei der Handwerkskammer D… die Meisterschule besuchen. Eine entsprechende Anmeldung sei bereits erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Volontariat/Praktikum sei keine Berufsausbildung im Sinne des Wehrpflichtgesetzes, sondern eine bloße Fort- oder Weiterbildung, die keine Zurückstellung rechtfertige. Auch liege keine einmalige berufliche Chance vor.
Am 28. Mai 2005 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es liege ein Zurückstellungsgrund vor, da er von der Handwerkskammer D… eine rechtsverbindliche Zusage zum Besuch der Meisterschule ab dem 2. Januar 2006 erhalten habe. Hierbei handele es sich um eine Berufsausbildung im Sinne des Wehrpflichtgesetzes. Die Einberufung zur Bundeswehr würde diese Ausbildung unmöglich machen.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
1. den Einberufungsbescheid vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Zurückstellung vom Wehrdienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Meisterausbildung handele es sich nicht um eine Berufsausbildung, sondern um einen sonstigen Ausbildungsabschnitt, der erst dann als Zurückstellungsgrund anerkannt werden könne, wenn er im Einberufungstermin bereits zu einem Drittel absolviert worden sei.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 hat die Handwerkskammer D… mitgeteilt, der Kläger habe sich am 12. Mai 2005 für die komplette Meisterschule zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung angemeldet. Die Anmeldung sei am 13. Mai 2005 schriftlich bestätigt worden. Eine mündliche Voranmeldung sei am 12. März 2005 erfolgt. Die Teile III (Fachkaufmann ≪HWK≫) und IV (Ausbildung der Ausbilder) fänden vom 2. Januar bis zum 1. April 2006, die Teile I (Kfz-Servicetechniker) und II (Fachtheorie) vom 2. Mai bis zum 14. November 2006 statt.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2005 – 11 L 1015/05 – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Der Kläger könne seiner Einberufung einen Zurückstellungsgrund entgegenhalten. Die Einberufung würde die Aufnahme des am 2. Januar 2006 beginnenden Lehrgangs zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk verhindern. Dieser Lehrgang sei eine Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG. Die Tätigkeit des Kraftfahrzeugtechnikermeisters stelle einen eigenständigen Beruf dar. Maßgeblich seien insoweit die Berufsbilder, die kraft rechtlicher Ordnung oder tatsächlicher Übung von der Gesellschaft als selbstständige Berufe angesprochen würden. Der Kraftfahrzeugtechnikermeister werde von der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk (Kraftfahrzeugtechnikermeisterverordnung – KfzTechMstrV) vom 10. August 2000 (BGBl I S. 1286) als eigenständiger Beruf angesprochen. Es stehe der Annahme eines selbstständigen Berufs nicht entgegen, dass es sich bei einem Kraftfahrzeugtechnikermeister gegenüber einem Gesellen lediglich um eine qualifizierte Stufe innerhalb desselben Handwerks handele. Der Lehrgang vermittle die für die Ausübung der Tätigkeit als Meister notwendigen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem geordneten Lernvorgang. Er führe auch zum Erwerb zusätzlicher Berechtigungen, nämlich zum selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks und zur Ausbildung von Lehrlingen. Unbeachtlich sei, dass diese Berechtigungen auch auf andere Weise erworben werden könnten und dass der Lehrgang zugleich ein Ausbildungsabschnitt im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b Alt. 2 WPflG sei. Von dem Grundsatz, dass eine Zurückstellung erst dann erfolge, wenn ein Ausbildungsabschnitt zu einem Drittel absolviert sei, mache § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG für Berufsausbildungen eine Ausnahme. Der Lehrgang sei auch am 12. März 2005 rechtsverbindlich zugesagt, jedenfalls aber am 13. Mai 2005 vertraglich gesichert worden. Dass es sich bei der Ausbildung zum Meister für den Kläger nicht um die erste, sondern um die zweite Berufsausbildung handele, sei auf Grund der Änderung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes und anderer Vorschriften (Zweites Zivildienständerungsgesetz – 2. ZDÄndG) vom 27. September 2004 (BGBl I S. 2358) unbeachtlich. Dem Kläger sei die Berufung auf den Härtegrund auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben versagt. Selbst wenn der Zurückstellungsgrund erst mit der schriftlichen Anmeldung vom 12. Mai 2005 und deren Bestätigung durch die Handwerkskammer D… am 13. Mai 2005 und damit nach Erlass des Einberufungsbescheides entstanden sei, habe der Kläger den Zurückstellungsgrund nicht treuwidrig herbeigeführt, da er sich schon vorher um die Teilnahme am Meisterprüfungslehrgang bemüht und sich mündlich angemeldet habe.
Mit Urteil vom 22. Dezember 2005 hat das Verwaltungsgericht den Einberufungsbescheid der Beklagten vom 16. März 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2006 aufgehoben. Zugleich hat es die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zurückstellung vom Wehrdienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Die Klage sei insgesamt zulässig. Soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung des Zurückstellungsbegehrens gerichtet sei, sei sie als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig. Die Beklagte habe über den Zurückstellungsantrag des Klägers, der in seinem Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid unter Geltendmachung von Zurückstellungsgründen zu sehen sei, ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht gesondert entschieden. Die Klage sei auch in vollem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Auch habe der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung seines Zurückstellungsbegehrens. Der Kläger könne dem Einberufungsbescheid einen Zurückstellungsgrund entgegenhalten. Auf die Gründe in dem Beschluss vom 21. Juni 2005 – 11 L 1015/05 – werde insoweit Bezug genommen. Zu ergänzen sei, dass der wehrpflichtrechtliche Begriff der Berufsausbildung eigenständig zu bestimmen sei. Auf die Definition in § 1 Abs. 3 BBiG komme es nicht an.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Vorbereitungslehrgang zu der Meisterprüfung sei ein “sonstiger Ausbildungsabschnitt” im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b Alt. 2 WPflG und keine “Berufsausbildung” im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG. Er könne daher nur dann zur Zurückstellung führen, wenn er bereits zu einem Drittel absolviert worden sei. Der Erwerb des Meistertitels verschaffe dem Träger keine zusätzliche Befähigung oder Berechtigung, einen ihm sonst nicht zugänglichen Beruf auszuüben. Die Berufsausbildung sei grundsätzlich mit der Gesellenprüfung beendet. Der Meister werde gegenüber dem Gesellen des gleichen Handwerks nicht als eigenständiger Beruf angesehen. Der Meister gelte vielmehr als Sinnbild desjenigen, der sein Handwerk besonders gut (“meisterhaft”) ausübe. Dementsprechend stelle der Meistertitel im Sinne des § 51 HwO keine Berufsbezeichnung, sondern den Ausweis einer bestimmten Befähigung dar. Der Begriff der Berufsausbildung sei zudem in § 1 Abs. 3 BBiG definiert. Der Vorbereitungslehrgang zu der Meisterprüfung falle nicht darunter. Dieser sei eine Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 4 BBiG. Einen wehrpflichtrechtlichen Begriff der Berufsausbildung gebe es nicht. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bringe die Ablegung der Meisterprüfung keinen Wechsel der Berufsart mit sich. Sie diene vielmehr dazu, innerhalb der gewählten Berufsart beruflich voranzukommen und aufzusteigen. Die Systematik des Gesetzes zeige, dass es sonstige Formen der Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b Alt. 2 WPflG unterhalb der Schwelle der Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG geben müsse, da die zweite Alternative des Buchst. b andernfalls überflüssig wäre. Eine Reduzierung auf Ausbildungen, die in keinem Zusammenhang mit beruflichen Aspekten stünden, sei nicht sachgerecht. Auch die Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG durch das 2. ZDÄndG spreche gegen die Einbeziehung des Vorbereitungslehrgangs zu einer Meisterprüfung in den Begriff der Berufsausbildung. Sinn der Neuregelung sei es gewesen, auch Wehrpflichtigen mit Allgemeiner Hochschulreife oder Fachhochschulreife eine betriebliche oder beamtenrechtliche Ausbildung zu ermöglichen. Keinesfalls hätten alle weiteren berufsqualifizierenden Ausbildungen dem Schutz des § 12 Abs. 4 WPflG unterstellt werden sollen. Auch sei dem Kläger die Teilnahme an dem Lehrgang allein auf Grund der mündlichen Anmeldung vom 12. März 2005 noch nicht rechtsverbindlich zugesagt worden. Die schriftliche Anmeldung vom 12. Mai 2005 sei erst nach Zugang des Einberufungsbescheides und damit unter Verstoß gegen Treu und Glauben erfolgt. Das Urteil beruhe zudem auf einem Verfahrensmangel, nämlich der mangelnden Aufklärung des Sachverhalts im Sinne von § 86 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, inwiefern die mündliche Anmeldung vom 12. März 2005 tatsächlich zu einer Reservierung der Lehrgangsteilnahme geführt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat unter Hinweis auf den Ablauf der Einberufungsfrist den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.
Entscheidungsgründe
II
Mit Einverständnis der Beteiligten kann das vorliegende Urteil ohne vorherige mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat in der Sache zutreffend entschieden.
1. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bleibt ohne Erfolg, denn der von der Beklagten geltend gemachte Verfahrensfehler der mangelhaften Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend aufgeklärt, ob die mündliche Voranmeldung des Klägers am 12. März 2005 tatsächlich zu einer Reservierung im Sinne einer rechtlichen Zusicherung der Lehrgangsteilnahme geführt habe. Diese Rüge kann keinen Erfolg haben, denn auf den genannten Umstand kam es nach der maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht an. Dieses hat im Beschluss vom 21. Juni 2005 – auf den das Urteil vom 22. Dezember 2005 Bezug nimmt – ausdrücklich offen gelassen, ob dem Kläger die Teilnahme an dem Lehrgang bereits bei der mündlichen Anmeldung am 12. März 2005 im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG rechtsverbindlich zugesagt wurde, und einen Zurückstellungsgrund auch für den Fall angenommen, dass ein Vertrag mit der Handwerkskammer erst mit der schriftlichen Anmeldung vom 12. Mai 2005 und deren Bestätigung vom 13. Mai 2005 zustande gekommen sein sollte. Auch für die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, die schriftliche Anmeldung des Klägers vom 12. Mai 2005 verstoße nicht gegen Treu und Glauben, ist die von der Beklagten für klärungsbedürftig gehaltene Frage ohne Bedeutung. Für das Verwaltungsgericht kam es insoweit lediglich darauf an, dass der Kläger sich bereits vor Erlass des Einberufungsbescheides mündlich für die Teilnahme an dem Meisterprüfungslehrgang angemeldet hat, nicht aber darauf, ob hierdurch eine wirksame Reservierung im Sinne einer rechtsverbindlichen Zusage zustande gekommen ist.
2. a) Der Einberufungsbescheid vom 16. März 2005 für den neunmonatigen Grundwehrdienst ab 1. Juli 2005 hat sich durch Zeitablauf am 31. März 2006 erledigt. Da der Kläger die Aufhebung des erledigten Verwaltungsakts mangels Beschwer nicht mehr begehren kann, hat er zutreffend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, um eine Abweisung seiner unzulässig gewordenen Anfechtungsklage zu vermeiden (vgl. Urteil vom 13. November 2006 – BVerwG 6 C 22.05 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 209 m.w.N.). Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern an ihrem Antrag auf Abweisung der Klage festgehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss in solchen Fällen trotz Erledigung der Hauptsache geprüft werden, ob die Klage zulässig und begründet gewesen ist, wenn die beklagte Partei ein berechtigtes Interesse an der Prüfung dieser Frage hat (vgl. Urteile vom 25. März 1981 – BVerwG 8 C 85.80 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 104 und vom 31. Oktober 1990 – BVerwG 4 C 7.88 – BVerwGE 87, 62 ≪64, 67≫). Ein derartiges Sachentscheidungsinteresse der Beklagten ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Annahme eines berechtigten Interesses daran, den in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit fortzuführen, setzt ebenso wie die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO voraus, dass die Partei mit dem von ihr erstrebten Urteil in der Sache “noch etwas anfangen” kann. Das gilt mit Blick auf das Verhältnis der Beklagten sowohl zum Kläger als auch zu anderen Wehrpflichtigen (vgl. Urteil vom 27. November 1992 – BVerwG 8 C 2.91 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 251). Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verwaltungsstreitverfahrens, denn zur Frage, wie der Besuch des Vorbereitungslehrgangs zu einer Meisterprüfung in das System der Zurückstellungsgründe vom Wehrdienst wegen besonderer Härte nach § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG einzuordnen ist, konnte nach Lage der Dinge eine Entscheidung des Revisionsgerichts erst ergehen, nachdem sich der Einberufungsbescheid durch Ablauf des in ihm festgelegten Zeitraums für die Ableistung des Wehrdienstes erledigt hatte. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben ist die Beklagte auf die höchstrichterliche Klärung dieser Frage angewiesen (vgl. Urteil vom 13. November 2006 a.a.O.).
b) Die Anfechtungsklage gegen den Einberufungsbescheid war bis zu ihrer Erledigung zulässig und begründet. Infolgedessen hat das Revisionsgericht in Bezug auf dieses Klagebegehren – dem vom Kläger mit seiner einseitigen Erledigungserklärung nunmehr sinngemäß gestellten Klageantrag entsprechend – die Erledigung des Rechtsstreits durch Urteil festzustellen (vgl. Urteil vom 25. April 1989 – BVerwG 9 C 61.88 – BVerwGE 82, 41 ≪44≫).
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, war der Einberufungsbescheid rechtswidrig, weil er trotz Vorliegens eines Zurückstellungsgrunds ergangen ist (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 29. Mai 1991 – BVerwG 8 C 52.89 – BVerwGE 88, 241 ≪244≫). Es liegt nämlich der Regelfall einer besonderen Härte gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG vor, weil es sich bei dem Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung um eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift handelt (aa), die zugunsten des Klägers vertraglich gesichert war (bb) und deren Aufnahme durch die Einberufung des Klägers zum Grundwehrdienst verhindert worden wäre, wenn das Verwaltungsgericht den Einberufungsbescheid nicht außer Vollzug gesetzt hätte (cc); die Berufung auf diesen Zurückstellungsgrund ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil er etwa rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden wäre (dd).
aa) Nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag vom Wehrdienst zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG benennt Regelfälle einer besonderen Härte, wobei Nr. 3 dieser Vorschrift die Fälle betrifft, in denen die Zurückstellung wegen einer Ausbildung des Wehrpflichtigen erfolgen soll. Betroffen ist vorliegend der Regelfall des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG, wonach eine besondere Härte in der Regel vorliegt, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Der Meisterprüfungslehrgang ist eine Berufsausbildung im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck.
(1) Der Wortlaut des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG, insbesondere der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der Berufsausbildung, führt im Hinblick auf den Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Er ist einerseits offen für ein enges Begriffsverständnis, wonach Berufsausbildung eine Ausbildung meint, die den Wehrpflichtigen “erstmals zur Ausübung eines Berufes instand setzt” (vgl. Johlen, Wehrpflichtrecht in der Praxis, 4. Aufl. 1996, Rn. 142; Steinlechner/Walz, WPflG, 6. Aufl. 2003, § 12 Rn. 142). Bei diesem Begriffsverständnis wäre die Berufsausbildung mit der Gesellenprüfung – etwa im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk – abgeschlossen, wohingegen die Ausbildung zum Meister als eine Fort- oder Weiterbildung anzusehen wäre. Die weitgehende Gleichsetzung des Begriffs Berufsausbildung mit einer Erstausbildung im Sinne einer ersten Lehre entspricht der Terminologie des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 23. März 2005 (BGBl I S. 931). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG hat die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Nach dieser Definition ist die Berufsausbildung in der Regel eine Erstausbildung, also grundsätzlich die im Anschluss an die Vollzeitschulpflicht absolvierte Lehre (vgl. Hablitzel/Pfaff, BayVBl 1997, 577 ≪581≫; Schlachter, in: Dieterich/Müller-Glöge/Preis/Schaub, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2007, § 1 BBiG Rn. 4).
Ein derart enges Verständnis des Begriffs der Berufsausbildung – im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG – ist durch die Verwendung des gleichlautenden Begriffs in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG jedoch nicht zwingend vorgegeben. Die Vorschrift ist vielmehr auch für ein weites Begriffsverständnis offen, welches jede berufsbezogene Ausbildung, sei es eine Erstausbildung, sei es eine darauf aufbauende weitere Ausbildung wie etwa einen Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung, einschließt.
(2) Aus der Systematik des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG ergibt sich ebenfalls keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob es sich bei dem Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung um eine Berufsausbildung im Sinne des Buchst. c handelt.
Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes und anderer Vorschriften (Zweites Zivildienständerungsgesetz – 2. ZDÄndG) vom 27. September 2004 (BGBl I S. 2358) liegt eine besondere Härte in der Regel vor,
“wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen
a) eine zu einem schulischen Abschluss führende Ausbildung,
b) ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium, in dem zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester bereits erreicht ist, oder einen zu einem Drittel absolvierten sonstigen Ausbildungsabschnitt oder
c) eine bereits begonnene Berufsausbildung
unterbrechen oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde”.
Die Neuregelung lässt eine bereichsspezifische Differenzierung erkennen, nach der Buchst. a die schulische Ausbildung, Buchst. b Alt. 1 die Ausbildung an einer Hoch- oder Fachhochschule und Buchst. c die Berufsausbildung betrifft, während Buchst. b Alt. 2 eine subsidiäre Auffangregelung für Ausbildungen enthält, die nicht unter die genannten bereichsspezifischen Regelungen fallen. Darum und wegen der Einräumung eines nicht weiter eingeschränkten Vorrangs jeder Berufsausbildung vor dem Wehrdienst kann das in Buchst. b Alt. 2 enthaltene Erfordernis, dass ein sonstiger Ausbildungsabschnitt zu einem Drittel absolviert sein muss, nicht als der beherrschende Regelfall angesehen werden.
(3) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht dafür, dass unter einer Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG auch ein Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung zu verstehen ist. Die Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG durch das 2. ZDÄndG vom 27. September 2004 führte in vierfacher Hinsicht zu einer Ausweitung der Zurückstellung wegen einer Berufsausbildung. Zunächst wurde die Zurückstellung auf Wehrpflichtige mit Hochschul- oder Fachhochschulreife ausgeweitet. Weiterhin setzt die Zurückstellung nicht mehr eine Unterbrechung der Berufsausbildung voraus, sondern erfasst auch Fälle, in denen der Dienstbeginn vor der Ausbildung liegt, sofern der Wehrpflichtige bereits über einen Ausbildungsvertrag oder eine Ausbildungszusage verfügt (BTDrucks 15/3279 S. 11 zu der mit § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG sachlich übereinstimmenden Neufassung des § 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c ZDG). Darüber hinaus ist die Begrenzung der Zurückstellung auf die “erste” Berufsausbildung sowie auf Berufsausbildungen mit einer Dauer von nicht mehr als vier Jahren weggefallen.
Die Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG zeigt, dass der Gesetzgeber bestrebt war, die Tatbestände der Zurückstellung wegen einer Ausbildung auszuweiten. Im Jahr 1971 hatte er die Zurückstellung wegen einer ersten Berufsausbildung eingeführt, wobei aus den Materialien hervorgeht, dass er sich bei dem Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG von der Begriffsbestimmung des Berufsbildungsgesetzes löste (BTDrucks 6/2223 S. 4). Mit dem 2. ZDÄndG hat der Gesetzgeber die Zurückstellung wegen einer Berufsausbildung gegenüber der bisherigen Rechtslage, wie dargelegt, deutlich ausgeweitet. Es ist nicht erkennbar, dass er sich dabei nunmehr – im Gegensatz zu seinem früher deutlich gewordenen Verständnis – von einem engen, auf die Erstausbildung begrenzten Begriffsverständnis im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG hat leiten lassen; im Gegenteil hat er die Begrenzung des Zurückstellungsgrunds auf die “erste” Berufsausbildung aufgegeben. Dies spricht dafür, dass es dem Gesetzgeber nicht auf eine Begrenzung des Vorrangs der Berufsausbildung auf die Erstausbildung ankam, sondern – umgekehrt – auf die Ausweitung der Zurückstellungstatbestände auf sämtliche Wehrpflichtige, die eine berufsbezogene Ausbildung anstreben.
(4) Der Zweck der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG, insbesondere des Buchst. c, spricht ebenfalls für die Einbeziehung eines Vorbereitungslehrgangs zu einer Meisterprüfung in den Begriff der Berufsausbildung.
Die Vorschrift soll in bewusster Abkehr von der bisherigen Rechtslage einen nicht weiter eingeschränkten Vorrang der Berufsausbildung vor der Wehrpflicht einführen. Damit soll die Motivation der Wehrpflichtigen, die eigene berufsbezogene Ausbildung so optimal wie möglich zu betreiben, gestärkt werden. Zugleich dient die Bestimmung der Vermeidung einer Unterbrechung, Verschiebung oder Verhinderung einer sonst möglichen Berufsausbildung durch den Wehrdienst und damit dem Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst hohen Ausbildungsstand in der Bevölkerung insgesamt. Das gesetzgeberische Ziel ist damit nicht beschränkt auf ein Mindestmaß an Berufsausbildung im Sinne einer Erstausbildung möglichst breiter Schichten, sondern ebenso gerichtet auf die Anhebung des Standes der beruflichen Ausbildung auf ein möglichst hohes Niveau. Dieser Intention entspricht die Auslegung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG als Schutzvorschrift zugunsten aller ausbildungswilligen Wehrpflichtigen unabhängig vom Stand ihrer Vorbildung. Im Gegensatz dazu würde die von der Beklagten für richtig gehaltene Begrenzung des durch § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG gewährleisteten Berufsausbildungsschutzes auf den Schutz “knapper” Ausbildungsplätze (Lehrstellen) der umfassenden Zielrichtung des Gesetzes nicht gerecht. Der durch diese Vorschrift gewährleistete Schutz ist, wie die Entstehungsgeschichte verdeutlicht, gerade nicht auf Erstausbildungen beschränkt, sondern bezieht sich darüber hinausgehend auf solche berufsbezogenen Ausbildungen, die auf einer vorhandenen ersten Berufsausbildung aufbauen.
Bei der Anwendung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG ist jedoch auch nach der Neufassung durch das 2. ZDÄndG zwischen der durch die Vorschrift geschützten (Berufs-)Ausbildung einerseits und der beruflichen Fortbildung andererseits zu unterscheiden (Urteil vom 13. November 2006 – BVerwG 6 C 22.05 – a.a.O. Rn. 16). Im Gegensatz zur Ausbildung genießt die berufliche Fortbildung nicht den Zurückstellungsschutz des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG (Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 8 C 47.95 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 198). Hierunter fallen Lernvorgänge, die keine zusätzliche Befähigung oder Berechtigung verschaffen, sondern lediglich Fortbildung im ausgeübten Beruf sind, mit der das berufliche Wissen und Können vertieft werden soll (Urteile vom 12. November 1975 – BVerwG 8 C 57.73 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 100 S. 39, vom 21. Januar 1994 – BVerwG 8 C 34.92 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 183 S. 2 und vom 13. November 2006 – BVerwG 6 C 22.05 – a.a.O.). Gegenüber der Berufsausübung und der Fortbildung im ausgeübten Beruf wird die Ausbildung – im Sinne der hier relevanten Berufsausbildung – dadurch gekennzeichnet und abgegrenzt, dass eine als Ausbildung zu qualifizierende Veranstaltung – erstens – überwiegend durch den Ausbildungszweck geprägt sein muss und überdies – zweitens – zum Erwerb einer zusätzlichen, bisher nicht innegehabten Berechtigung zur Berufsausübung führen muss (Urteil vom 21. Januar 1994 – BVerwG 8 C 34.92 – a.a.O.). Die Grenze zwischen einer durch § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG geschützten “Ausbildung” und einer durch diese Vorschrift nicht geschützten “Fortbildung” verläuft danach an einer anderen Stelle als diejenige zwischen einer “Berufsausbildung” im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG einerseits und einer “beruflichen Fortbildung” im Sinne des § 1 Abs. 4 BBiG andererseits. Insbesondere ist eine berufliche Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 4 BBiG in Form der sog. Aufstiegsfortbildung, soweit sie zu einer zusätzlichen Berechtigung führt, noch als Berufsausbildung im Sinne des Wehrpflichtrechts anzusehen.
Entscheidend für die Einordnung eines Lehrgangs ist auch nicht seine Bezeichnung als “Ausbildung”, “Fortbildung” oder “Weiterbildung”, sondern seine überwiegende inhaltliche Prägung durch den Ausbildungszweck, den Teilnehmern eine zusätzliche Befähigung oder Berechtigung zu verschaffen, die ihnen die Ausübung eines sonst nicht zugänglichen Berufs erlaubt (Urteile vom 12. November 1975 – BVerwG 8 C 57.73 – a.a.O. und vom 21. Januar 1994 – BVerwG 8 C 34.92 – a.a.O. S. 3 ≪Staatlich geprüfter Techniker≫). Für die Annahme einer Berufsausbildung kommt es insoweit auf die Berufsbilder an, die kraft rechtlicher Ordnung oder tatsächlicher Übung von der Gesellschaft als selbstständige Berufe angesehen werden (Urteile vom 27. Juli 1977 – BVerwG 8 C 38.76 – a.a.O. S. 92 ≪Verkäufer≫, vom 17. September 1981 – BVerwG 8 C 90.80 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 143 S. 9 ≪Facharzt≫, vom 24. August 1988 – BVerwG 8 C 80.86 – Buchholz 448.11 § 11 ZDG Nr. 27 S. 4 ≪Krankenpflegerhelfer≫ und vom 21. Januar 1994 – BVerwG 8 C 34.92 – a.a.O. ≪Staatlich geprüfter Techniker≫).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Vorbereitungslehrgang zu einer Meisterprüfung um eine Berufsausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG. Sie dient jedenfalls vorwiegend der berufsbezogenen Ausbildung, nämlich der gezielten Vorbereitung auf die u.a. in der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk (Kraftfahrzeugtechnikermeisterverordnung – KfzTechMstrV) vom 10. August 2000 (BGBl I S. 1286) geregelten Anforderungen der Meisterprüfung. Der Lehrgang führt auch – nach Bestehen der Meisterprüfung – zu zusätzlichen berufsausübungsbezogenen Berechtigungen, und zwar zur Berechtigung zum selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1a HwO), zum Ausbilden von Lehrlingen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 22b Abs. 2 Nr. 1 HwO) sowie zum Führen des Meistertitels (§ 51 HwO). Hiermit verbunden ist die Berechtigung, den einem Gesellen nicht zugänglichen Beruf eines Meisters in einem bestimmten Handwerk auszuüben. Der Meister übt nicht – wie die Beklagte meint – den gleichen Beruf wie der Geselle aus, nur – im Unterschied zu diesem – meisterhaft. Vielmehr sind die Tätigkeiten von Geselle und Meister in einem bestimmten Handwerk verschiedene Berufe. Dies ergibt sich bereits aus der herausgehobenen Stellung des Meisters in seinem Handwerk auf Grund der genannten Berechtigungen. Darüber hinaus enthalten § 45 HwO und die auf diese Ermächtigung gestützten Verordnungen – wie etwa die KfzTechMstrV – ausdrückliche Regelungen über das “Berufsbild” des Meisters in dem jeweiligen Handwerk. Hierin ist detailliert geregelt, welche Fertigkeiten und Kenntnisse einem in einem bestimmten Handwerksberuf tätigen Meister zuzuordnen sind (Honig, HwO, 3. Aufl. 2004, § 45 Rn. 3). Hierdurch ist auch normativ das Berufsbild des Meisters in einem bestimmten Handwerk – als eigenständiger Beruf – vorgegeben.
Unerheblich ist, dass der Besuch eines Vorbereitungslehrgangs zu einer Meisterprüfung nicht vorgeschrieben, sondern nur “ratsam” (vgl. Honig, a.a.O., § 49 Rn. 13) ist. Zwar kann nicht jede der Berufsausbildung irgendwie förderliche Maßnahme als Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG anerkannt werden, sondern nur ein allgemeiner, für die Erreichung des Berufsziels notwendiger und unmittelbar dienlicher Ausbildungsgang (Urteil vom 20. März 1964 – BVerwG 7 C 72.63 – BVerwGE 18, 158 ≪159≫ zu einem dem Vorbereitungslehrgang zu einer handwerklichen Meisterprüfung vorhergehenden “Aufbaulehrgang”). Für die Anerkennung einer Ausbildungsmaßnahme als Berufsausbildung im Sinne des Wehrpflichtrechts genügt es jedoch, dass die fragliche Ausbildung in aller Regel von den Auszubildenden mit dem entsprechenden Berufsziel als notwendig angesehen und wahrgenommen wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung werden bundesweit in großer Zahl angeboten. Ihr Besuch vor Ablegung einer Meisterprüfung ist allgemein üblich. Im Allgemeinen wird daher ein Geselle, der sich gewissenhaft auf die Meisterprüfung vorbereiten will, an einem derartigen Vorbereitungslehrgang teilnehmen. Damit handelt es sich um eine im Sinne des Wehrpflichtrechts zur Ablegung der Meisterprüfung notwendige Berufsausbildung.
bb) Die Teilnahme des Klägers an dem Vorbereitungslehrgang zu der Meisterprüfung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts durch die schriftliche Anmeldung vom 12. Mai 2005 und deren schriftliche Bestätigung durch die Handwerkskammer D… vom 13. Mai 2005 im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG vertraglich gesichert. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob dem Kläger die Teilnahme an dem Lehrgang bereits auf Grund seiner mündlichen Anmeldung vom 12. März 2005 rechtsverbindlich zugesagt worden war.
cc) Die Aufnahme des Vorbereitungslehrgangs zu der Meisterprüfung durch den Kläger wäre durch die Einberufung zum 1. Juli 2005, wenn der Kläger ihr nachgekommen wäre, im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG verhindert worden. Die Dienstzeit des neunmonatigen Grundwehrdienstes hätte bis zum 31. März 2006 gedauert. Die Teile III und IV des Vorbereitungslehrgangs sollten jedoch bereits am 2. Januar 2006 beginnen. Die Einberufung stand somit der Teilnahme des Klägers an diesen Teilen des mit der Handwerkskammer D… vertraglich gesicherten Lehrgangs entgegen.
Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger die Teile III und IV des Vorbereitungslehrgangs auch nach Beendigung der Teile I und II, also in der Zeit nach dem 14. November 2006 hätte absolvieren können. Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG stellt ab auf die Verhinderung einer konkreten, rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung. Ohne Belang für diesen Zurückstellungstatbestand ist, ob der Wehrpflichtige auch nach Ableistung seines Grundwehrdienstes die Möglichkeit hätte, eine gleichartige Berufsausbildung zu absolvieren.
dd) Die Berufung auf eine in der Einberufung liegende besondere Härte zu dem festgesetzten Zeitpunkt ist dem Kläger auch nicht deshalb verwehrt, weil er den Zurückstellungsgrund rechtsmissbräuchlich erst nach Zustellung des Einberufungsbescheides herbeigeführt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an einer besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Zurückstellungsgrunds auf ein pflichtwidriges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen sind. Pflichtwidrig ist sein Verhalten dann, wenn es unter Umständen geschieht, die mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar sind und deshalb die Berufung auf die Zurückstellungsvorschriften als missbräuchliche Rechtsausübung erscheinen lassen (Urteil vom 10. Dezember 1969 – BVerwG 8 C 207.67 – BVerwGE 34, 273 ≪275 f.≫). Die allgemeine Handlungsfreiheit des Wehrpflichtigen ist jedoch grundsätzlich nicht beschränkt, so dass er nicht schon dann pflichtwidrig handelt, wenn er den Zurückstellungsgrund selbst herbeiführt (Urteile vom 10. Dezember 1969 – BVerwG 8 C 207.67 – a.a.O. S. 274 f. und vom 24. Juni 1971 – BVerwG 8 C 76.69 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 53 S. 87; Johlen, a.a.O. Rn. 166). Der Handlungsfreiheit des Wehrpflichtigen sind vielmehr erst dann Grenzen gesetzt, wenn seine Einberufung konkret bevorsteht. Angesichts einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Einberufung obliegt es grundsätzlich dem Wehrpflichtigen, sich auf seine Heranziehung zum Wehrdienst einzurichten und hierauf auch bei seinen persönlichen Entscheidungen, mit deren Ausführung er die Voraussetzungen eines Zurückstellungstatbestandes schafft, Rücksicht zu nehmen (Urteile vom 24. Juni 1971 – BVerwG 8 C 76.69 – a.a.O., vom 22. Juni 1984 – BVerwG 8 C 115.82 – Buchholz 448.0 § 24 WPflG Nr. 6 S. 5 und vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 8 C 21.94 – Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 185 S. 14).
Diese Grundsätze sind in Bezug auf die hier einschlägige, neu gefasste Tatbestandsvariante zu konkretisieren, wonach eine besondere Härte nunmehr auch dann vorliegt, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Der Gesetzgeber hatte bei seiner Neuregelung ausdrücklich auch diejenigen Fälle vor Augen, in denen Wehrpflichtige nach Erwerb der allgemeinen Hochschulreife oder der Fachhochschulreife eine betriebliche Ausbildung anstreben (vgl. BTDrucks 15/3279 S. 9). Dieser Personenkreis war aber typischerweise bereits zuvor nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a WPflG zurückgestellt. Daraus wird eine Wertung des Gesetzgebers erkennbar, wonach erfolgreiche Bemühungen des Wehrpflichtigen um einen Ausbildungsplatz rechtlich nicht zu missbilligen sind, solange die Einberufung nicht konkret bevorsteht. Die Privilegierung der zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung würde weitgehend leerlaufen, wenn bereits die mögliche Einberufung nach Ablauf einer Zurückstellung oder im Anschluss an eine Musterung den Wehrpflichtigen daran hindern würde, sich in rechtlich anzuerkennender Weise um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Solche Bemühungen sind erst dann rechtlich zu missbilligen, wenn sie erst nach Ergehen eines Einberufungsbescheides oder dessen Ankündigung im Rahmen einer Anhörung oder Tauglichkeitsüberprüfung in Bezug auf einen konkreten Gestellungstermin erfolgen (§§ 20a, 20b WPflG). Maßgeblicher Zeitpunkt ist derjenige, in welchem sich der Wehrpflichtige erstmals ernsthaft um den fraglichen Ausbildungsplatz beworben hat. Liegt dieser Zeitpunkt vor der Einberufung oder einem gleichwertigen Ereignis, so ist es unschädlich, wenn Zusage oder Vertragsschluss später erfolgen; die diesbezüglichen zeitlichen Abläufe hat der Wehrpflichtige selbst nicht in der Hand.
Nach diesen Grundsätzen liegt ein pflichtwidriges Verhalten des Klägers, das seine Berufung auf einen Zurückstellungsgrund als missbräuchliche Rechtsausübung erscheinen lässt, nicht vor. Zwar hat sich der Kläger erst am 12. Mai 2005 – und damit nach Zustellung des Einberufungsbescheides und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens – bei der Handwerkskammer D… zu dem Vorbereitungslehrgang schriftlich angemeldet. Gleichwohl kann dem Kläger kein Pflichtverstoß angelastet werden, denn er hat sich bereits am 12. März 2005 – und damit vor Erlass des Einberufungsbescheides – bei der Handwerkskammer D… mündlich für diesen Vorbereitungskurs angemeldet. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt mit seiner Einberufung in nächster Zeit rechnen musste, sind nicht ersichtlich. Nach den vom Verwaltungsgericht verwerteten Angaben der Handwerkskammer in dem Schreiben vom 14. Juni 2005 wurde für ihn auf Grund dieser Anmeldung ein Platz in dem Lehrgang reserviert. Selbst wenn – was offen bleiben kann – hiermit noch keine rechtsverbindliche Zusage im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c Alt. 2 WPflG verbunden gewesen und eine vertragliche Sicherung erst durch die Anmeldebestätigung vom 13. Mai 2005 zustande gekommen sein sollte, kann hierin kein Verstoß des Klägers gegen Treu und Glauben gesehen werden. Die rechtliche Absicherung der Teilnahme an dem Lehrgang diente allein dem endgültigen Abschluss seiner diesbezüglichen Bemühungen, die nur auf Grund von Zufällen in der zeitlichen Abfolge nicht vor der Zustellung des Einberufungsbescheides beendet waren.
3. Die vom Kläger weiterhin erhobene Verpflichtungsklage auf Bescheidung des Zurückstellungsantrags hat sich ebenfalls in der Hauptsache erledigt, weil der Vorbereitungslehrgang zu der Meisterprüfung am 14. November 2006 geendet hat und folglich seitdem ein Zurückstellungsgrund nicht (mehr) gegeben ist.
Das – nach Erledigungserklärung des Klägers – auch insoweit anzuerkennende Sachentscheidungsinteresse der Beklagten ergibt sich in Bezug auf die mit dem Verpflichtungsbegehren verbundene Frage, für welchen Zeitraum die Zurückstellung für den mehrfach gegliederten Vorbereitungslehrgang zur Meisterprüfung auszusprechen ist. Auch in dieser Hinsicht ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, weil der Verpflichtungsantrag bis zu seiner Erledigung zulässig und begründet war.
In dem Widerspruch des Klägers gegen den Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes vom 16. März 2005 lag auch ein Zurückstellungsantrag (vgl. Urteil vom 29. Juni 1967 – BVerwG 8 C 33.67 – BVerwGE 27, 257 ≪259 f.≫), über den die Beklagte ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden hat. Daher war die Klage auf Erlass eines Zurückstellungsbescheides gemäß § 75 Satz 1 VwGO auch ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO zulässig.
Das Zurückstellungsbegehren war auch begründet. Wie ausgeführt lagen im Hinblick auf den vom Kläger angestrebten Besuch des Vorbereitungskurses für eine Meisterprüfung die Zurückstellungsvoraussetzungen gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG vor. Nach der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG ist nunmehr jede Berufsausbildung unabhängig von ihrer Einteilung in Ausbildungsabschnitte – und unabhängig von ihrer Dauer – ein Zurückstellungsgrund, so dass es insoweit grundsätzlich nur noch auf ihren Beginn und ihr Ende, nicht aber auf das Merkmal “Ausbildungsabschnitt” – als Teil der Berufsausbildung – ankommt. Keiner Vertiefung bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die rechtliche Behandlung längerer zeitlicher Abstände zwischen verschiedenen Abschnitten einer Berufsausbildung, die insbesondere dann auftreten können, wenn – wie hier – die zeitliche Abfolge mehrerer zu einer Ausbildung gehörender Lehrgänge nicht vorgeschrieben ist (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2006 – 11 L 827/06 – juris). Im vorliegenden Fall schlossen die Teile I und II zeitlich unmittelbar an die Teile III und IV des Vorbereitungslehrgangs an, so dass von einer einheitlichen Berufsausbildung auszugehen war.
4. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO insgesamt für wirkungslos zu erklären, weil sich der Rechtsstreit mit beiden zunächst gestellten Klageanträgen erledigt hat (vgl. Beschlüsse vom 17. Dezember 1993 – BVerwG 3 B 134.92 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103 und vom 20. November 1998 – BVerwG 6 P 8.98 – Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 73).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich, Vormeier
Fundstellen
BWV 2009, 33 |
DÖV 2008, 520 |