Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Aktenzeichen 1 Bf 373/98.A) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der 1964 geborene Kläger ist togoischer Staatsangehöriger; er kam 1993 nach Deutschland und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Antrag zu Art. 16 a GG und § 51 AuslG als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, daß Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Togo an. Auf die hiergegen erhobene Klage entschied das Verwaltungsgericht – nach Zurücknahme des asylrechtlichen Verpflichtungsantrags – durch Urteil vom 25. November 1993, unter entsprechender Aufhebung des Bundesamtsbescheids werde „festgestellt, daß der Abschiebung des Klägers nach Togo Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen”. Für Personen, die ins Ausland geflüchtet seien, bestünde bei ihrer Rückführung nach Togo die Gefahr unmenschlicher Behandlung und Lebensgefahr (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK). Dieses Urteil wurde rechtskräftig.
In einem später eingeleiteten Widerrufsverfahren entschied das Bundesamt durch Bescheid vom 16. Juni 1995, „die mit dem Urteil des VG … getroffene Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG wird widerrufen”. Zur Begründung führte es aus, die Feststellung von Abschiebungshindernissen sei gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG bei Wegfall von deren Voraussetzungen zu widerrufen, da die Ausländerbehörde insoweit gebunden sei. Das sei hier der Fall, weil die vom Verwaltungsgericht festgestellten Gefahren nachträglich weggefallen seien. In ihr Heimatland zurückgeführte Staatsangehörige Togos müßten aufgrund der neuesten Erkenntnislage nicht mehr mit unmenschlicher Behandlung rechnen.
Auf die Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht den Widerrufsbescheid aufgehoben. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung der Beklagten geändert und die Klage abgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt, der angefochtene Bescheid des Bundesamts sei rechtmäßig. Der Widerruf der Feststellung von Abschiebungshindernisssen sei als Widerruf eines Verwaltungsaktes zu behandeln. Zwar seien die Verwaltungsgerichte nach der Änderung des § 113 Abs. 2 VwGO durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz seit 1991 nicht mehr befugt, behördliche Feststellungen jeder Art durch eine andere Feststellung zu ersetzen. Die danach unzulässige verwaltungsgerichtliche Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG müsse jedoch als eine Abänderungsfeststellung im Sinne des § 113 Abs. 2 VwGO a.F. gedeutet werden, die den angefochtenen Verwaltungsakt als solchen bestehen lasse und ihn nur inhaltlich verändere. Ein derart gerichtlich geänderter Verwaltungsakt könne aber auch nach der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils im üblichen Verfahren zur Änderung rechtskräftig bestätigter behördlicher Verwaltungsakte widerrufen werden. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils vom November 1993 stehe dem Widerruf nicht entgegen, weil sich nach Erlaß des Urteils die Sachlage geändert habe. Die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG lägen bei dem Kläger nicht mehr vor. Ernsthafte Gründe für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers bei seiner Rückkehr nach Togo hätten weder im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung bestanden noch bestünden solche heute. Dies ergebe sich aus den Berichten des Auswärtigen Amtes über die Behandlung von Rückkehrern nach Togo seit Mitte 1995. Auch wegen der im Widerrufsverfahren geltend gemachten Zugehörigkeit zu einer exilpolitischen Vereinigung bestehe nur eine geringe Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung, sofern diese den Behörden des Heimatlandes überhaupt bekannt werden sollte.
Mit der Revision macht der Kläger vor allem geltend, dem Widerruf stehe die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Feststellungsurteils vom November 1993 entgegen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Der Widerruf der verwaltungsgerichtlichen Feststellung ist zwar rechtswidrig. Hierzu ist das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) weder nach § 73 Abs. 3 AsylVfG noch nach § 113 Abs. 2 VwGO a.F. befugt. Dies hat der Senat in dem gleichzeitig ergehenden Urteil im Verfahren BVerwG 9 C 16.99 näher begründet; hierauf wird Bezug genommen. Die fehlerhafte („Widerrufs-”)Entscheidung in dem angegriffenen Bundesamtsbescheid kann aber in eine nach Änderung der Sachlage zulässige neue Feststellung durch Verwaltungsakt, daß für den Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich Togos nicht mehr vorliegen, umgedeutet werden. Alle Voraussetzungen für eine solche Umdeutung nach § 47 VwVfG und für eine negative Feststellung nach § 53 AuslG infolge der geänderten Sachlage liegen vor. Die Änderung der Gefährdungslage für togoische Asylbewerber in der Zeit zwischen November 1993 und der Entscheidung des Berufungsgerichts im Januar 1999 ergibt sich aus den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts. Auch dies hat der Senat im Urteil zu dem Parallelverfahren BVerwG 9 C 16.99 näher ausgeführt. Außerdem hat das Berufungsgericht eine beachtliche persönliche Gefährdung des Klägers wegen seiner im Widerrufsverfahren geltend gemachten exilpolitischen Betätigung prognostisch ausgeschlossen (UA S. 14 f.). Die Verneinung eines Anspruchs auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1, 2, 4 und 6 AuslG und die Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht sind daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils (UA S. 21), auch die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 1 bis 3 AuslG rechtmäßig, sind gegenstandslos, da das Bundesamt im vorliegenden Fall eine Abschiebungsandrohung nicht erlassen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Seebass, Hund, Richter, Beck, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eichberger ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Seebass
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.1999 durch Battiege Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen