Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühren für Arzneimittelzulassung. Verjährung von Gebührenforderungen. Festsetzungsverjährung. Zahlungsverjährung. Entstehung der Gebührenschuld. Fälligkeit der Gebührenschuld
Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenanspruch für die Zulassung oder die Nachzulassung eines Arzneimittels verjährt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG vier Jahre nach Stellung des Zulassungsantrags ohne Rücksicht auf die Fälligkeit.
Normenkette
AMG § 33; VwKostG §§ 11, 14, 17, 20
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 06.10.2004; Aktenzeichen 11 UE 2379/02) |
VG Darmstadt (Entscheidung vom 13.06.2002; Aktenzeichen 3 E 2546/99(1)) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Gebühren für die Zulassung behandelter Blutpräparate durch das Paul-Ehrlich-Institut in Höhe von 45 200 DM.
Die Klägerin beantragte am 20. Dezember 1988 beim Bundesgesundheitsamt die Zulassung und Registrierung von Thrombozytenkonzentraten, die zur Inaktivierung von Blutbestandteilen mit ionisierenden Strahlen behandelt werden. Am 16. Juli 1990 beantragte sie die Zulassung und Registrierung entsprechend behandelter Erythrozytenkonzentrate. Daraufhin erhielt die Klägerin am 20. Januar 1998 vom Paul-Ehrlich-Institut – Bundesamt für Sera und Impfstoffe – als Rechtsnachfolger des Bundesgesundheitsamtes für den hier maßgeblichen Zulassungsbereich Zulassungen für insgesamt vier Thrombozyten- und acht Erythrozytenkonzentrate, jeweils differenziert nach Blutgruppenmerkmalen.
Am 21. Januar 1998 erließ das Paul-Ehrlich-Institut einen Kostenbescheid über insgesamt 45 600 DM, bestehend aus 45 200 DM Gebühren gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6d PEI-KostVO und 400 DM Auslagen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den das Paul-Ehrlich-Institut durch Bescheid vom 2. November 1999 als unbegründet zurückwies, da der Klägerin die von ihr beanspruchte Gebührenfreiheit nicht zustehe.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin daran festgehalten, dass sie Gebührenfreiheit genieße. Außerdem sei die Gebührenforderung verjährt.
Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid – mit Ausnahme des Auslagenbetrages von 400 DM – durch Urteil vom 13. Juni 2001 mit der Begründung aufgehoben, die Gebührenforderung sei verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG mit der Antragstellung im Dezember 1988 zu laufen begonnen habe und daher bei Erlass des Kostenbescheids bereits abgelaufen sei.
Die Berufung der Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 6. Oktober 2004 mit derselben Begründung zurückgewiesen. Dazu hat er ausgeführt, neben der dreijährigen Frist für die Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung von Kosten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwKostG, die gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem der Anspruch fällig geworden sei, sei die vierjährige mit Entstehung des Kostenanspruchs beginnende Frist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG als weitere eigenständige Verjährungsfrist zu beachten. Im Falle einer notwendigen Antragstellung auf Vornahme einer gebührenpflichtigen Amtshandlung beginne diese Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 VwKostG mit dem Eingang des Antrags bei der zuständigen Behörde.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Sie ist der Auffassung, die Gebührenansprüche seien bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht verjährt gewesen. Auch die absolute Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG beginne erst mit der Fälligkeit der Kostenforderung zu laufen. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG, der generell vom Beginn der Verjährung spreche. Zu Unrecht meine das Berufungsgericht, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG enthalte mit dem Verweis auf die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten einen eigenständigen Anknüpfungspunkt, der mit § 11 Abs. 1 VwKostG korrespondiere. Die Gebührenschuld in der letztgenannten Bestimmung sei etwas anderes als der Anspruch auf Zahlung von Kosten. § 11 Abs. 1 VwKostG begründe nur eine Kostenpflicht dem Grunde nach und noch keine konkrete Kostenpflicht. Diese entstehe erst durch die Festsetzung nach § 14 VwKostG. Die Auffassung des Berufungsgerichts führe zu dem unhaltbaren Ergebnis, dass die Gebührenforderung verjähre, bevor sie überhaupt fällig geworden sei.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten für die Arzneimittelzulassung ist § 33 Abs. 1 AMG. Danach erhebt die zuständige Bundesoberbehörde für die Entscheidungen über die Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz Kosten (Gebühren und Auslagen). Die nähere Bestimmung der gebührenpflichtigen Tatbestände und die anzuwendenden festen Sätze oder Rahmensätze werden nach § 33 Abs. 2 Satz 1 AMG durch Rechtsverordnung vom Bundesministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft festgelegt. Dies ist durch die Kostenverordnung für die Zulassung von Arzneimitteln durch das Bundesgesundheitsamt vom 20. Juni 1990 (BGBl I S. 1196), die Nachfolgeverordnung vom 16. September 1993 (BGBl I S. 1634) sowie die dazu ergangene Änderungsverordnung vom 23. Dezember 1998 (BGBl I S. 4054) geschehen. Im Übrigen bestimmt § 33 Abs. 3 AMG, dass das Verwaltungskostengesetz Anwendung findet. Dieses regelt in § 20 VwKostG die Verjährung, auf die die Vorinstanzen die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide gestützt haben.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, die Bescheide seien rechtswidrig, weil die Gebührenansprüche bei ihrer Festsetzung bereits verjährt waren. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung von Kosten – zu diesen gehören nach § 1 Abs. 1 VwKostG Gebühren und Auslagen – nach drei Jahren, spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier der 2. Halbsatz zur Anwendung kommt, der mit der Formulierung “spätestens” die absolute Grenze für die Verjährung setzt. In der Literatur wird diese Auffassung von Schlabach, Verwaltungskostenrecht, § 20 VwKostG Rn. 8 geteilt. Für die Entstehung des Anspruchs stellt das Berufungsgericht auf § 11 Abs. 1 VwKostG ab. Demgegenüber meint die Beklagte, aus § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG ergebe sich, dass der Verjährungsbeginn in jedem Fall – also auch in der 2. Alternative des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG – die Fälligkeit der Forderung voraussetze. Dem ist nicht zu folgen.
Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG spricht eindeutig für die Auffassung des Berufungsgerichts. In dieser Bestimmung sind zwei Verjährungsfristen von drei und von vier Jahren genannt, wobei die zweite Frist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung enden soll. In dieser Alternative ist also ein eigenständiger Anknüpfungspunkt für den Lauf der Verjährungsfrist genannt. Durch den Begriff “spätestens” ist klargestellt, dass es sich insoweit um eine absolute Fristbestimmung handelt. Die Entstehung des Anspruchs, auf die § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG Bezug nimmt, ist in § 11 VwKostG geregelt. Danach entsteht die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei der zuständigen Behörde, im Übrigen mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Die Auffassung der Beklagten, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG beziehe sich nicht auf § 11 Abs. 1 VwKostG, ist nicht nachvollziehbar. Der Anspruch auf Zahlung von Kosten ist das notwendige Korrelat der in § 11 Abs. 1 VwKostG angesprochenen Gebührenschuld. Es bleibt also dabei, dass die 2. Alternative des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG einen eigenständigen klaren Bezugsrahmen hat.
Dieser Bezugsrahmen würde völlig verändert, wenn auch die vierjährige Verjährungsfrist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG von der vorherigen Fälligkeit der Forderung abhängig gemacht würde. Aus der nach der Formulierung erkennbaren Absicht, eine absolute Frist zu setzen, würde auch insoweit eine bewegliche Frist. Damit würde die Regelung überflüssig und gegenstandslos, denn die unzweifelhaft an die Fälligkeit anknüpfende dreijährige Verjährungsfrist des 1. Halbsatzes wäre notwendigerweise stets bereits abgelaufen, wenn die vierjährige Verjährungsfrist zu Ende ginge. Eine derart sinnlose Regelung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
Entscheidend fällt für die Auslegung des Berufungsgerichts der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Anspruchsverpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung ist die Auslegung der Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung danach vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, wäre es in das Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen.
Aus diesem Grunde geht auch die dem zivilrechtlichen Denken verhaftete Argumentation der Beklagten fehl, eine Forderung könne nicht vor Eintritt ihrer Fälligkeit verjähren. Im öffentlichen Recht ist dies durchaus keine ungewöhnliche Gestaltung. So kennt die Abgabenordnung in den §§ 169 bis 171 AO eine Festsetzungsfrist, bei deren Verstreichen die öffentlichrechtliche Forderung erlischt. Von dieser Festsetzungsverjährung ist die Zahlungsverjährung zu unterscheiden, deren Gegenstand der entstandene und festgesetzte Anspruch ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 169 Vorbemerkung 20).
Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungskostengesetzes gibt keinen Anlass zu einer von Wortlaut und Sinn und Zweck abweichenden Auslegung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten durch Verjährung nach drei Jahren erlischt, wobei die Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnen sollte, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. BTDrucks VI/330 S. 6). Die Entwurfbegründung verwies auf entsprechende Regelungen in der Reichsabgabenordnung (BTDrucks VI/330 S. 17). Auf Anregung des Bundesrates erhielt die Vorschrift die Gesetz gewordene Fassung. Zur Begründung hieß es, die vorgeschlagene Fassung unterscheide systematisch klar zwischen dem Eintritt der Verjährung und dem Erlöschen des Anspruchs; darüber hinaus werde im Gegensatz zur Regierungsvorlage primär auf die Fälligkeit des Kostenanspruchs abgestellt. Eindeutige Klarheit über das Verhältnis der beiden unterschiedlichen Verjährungsfristen lässt sich hieraus allenfalls insoweit gewinnen, als der Gesetzgeber ersichtlich beiden Regelungen eine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. Wenn von einem primären Abstellen auf die Fälligkeit die Rede ist, muss die zweite Frist zumindest sekundär auch Bedeutung haben. Dies wäre aber bei der von der Beklagten für richtig gehaltenen Auslegung nicht der Fall.
Für ihre abweichende Auffassung beruft sich die Beklagte schließlich auf § 20 Abs. 3 und 6 VwKostG. Sie meint, da die dort getroffenen Bestimmungen über die Unterbrechung der Verjährung und das Hinausschieben des Erlöschens im Falle der Anfechtung einer Kostenentscheidung jeweils eine Kostenfestsetzung und damit die Fälligkeit des Kostenanspruchs voraussetzen, ergebe sich ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, wenn in § 20 Abs. 1 VwKostG die Möglichkeit einer Verjährung ohne vorgängige Kostenfestsetzung angenommen werde. Das überzeugt nicht. Es ist schon nicht richtig, dass die in § 20 Abs. 3 VwKostG geregelten Unterbrechungstatbestände sämtlich den vorherigen Erlass eines Kostenbescheides voraussetzten. So wird die Verjährung beispielsweise unterbrochen durch Ermittlungen des Kostengläubigers über Wohnsitz oder Aufenthalt des Zahlungspflichtigen. Die Notwendigkeit zu solchen Maßnahmen kann sich auch vor Erlass des Kostenbescheides ergeben, wenn der Adressat nicht ohne weiteres auffindbar ist. In diesem Fall führt die notwendige Ermittlung bereits zur Unterbrechung der Festsetzungsfrist. Im Übrigen ist aber entscheidend, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung wegen Nicht-Tätigwerdens des Kostengläubigers unabhängig davon sinnvoll sein kann, ob die gesetzlich geregelten Unterbrechungstatbestände sich auch auf den Lauf der Festsetzungsfrist oder nur auf den Lauf der durch den Kostenbescheid in Gang gesetzten Zahlungsfrist beziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen