Entscheidungsstichwort (Thema)
Investive Inanspruchnahme vor Erlass des Investitionsvorrangbescheides. Rechtsschutz gegen Investitionen. Sicherung von Investitionen. effektiver Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
- Ein ablehnender Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO genügt für den Ausschluss der Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück gemäß § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG nicht, wenn er keine (umfassende) tatsächliche und rechtliche Prüfung des angefochtenen Investitionsvorrangbescheides enthält.
- § 7 Abs. 1 InVorG ermächtigt auch zum Erlass eines Investitionsvorrangbescheides für zugesagte Investitionen, die bereits während des Verwaltungsverfahrens durchgeführt worden sind.
Normenkette
InVorG § 7 Abs. 1, § 12 Abs. 3 S. 4; GVO § 7 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 27.08.2003; Aktenzeichen 2 K 284/97 GE) |
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit eines Investitionsvorrangbescheides und eines Investitionsfeststellungsbescheides der Beklagten.
Die Klägerinnen haben die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück S. 14 in G.… nach dem Vermögensgesetz beantragt. Die Beigeladene war Leiterin der auf dem Grundstück betriebenen staatlichen H.…-Apotheke, die sie seit November 1990 selbst betreibt und deren Geschäftsbetrieb sie mit Vertrag vom 27. Dezember 1990 von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben erworben hatte.
Die Beigeladene beantragte für dieses Grundstück bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. Februar 1991 die Erteilung einer Bescheinigung über besondere Investitionszwecke. Von dem Antrag informierte die Beklagte die Klägerin zu 2. Diese wandte sich im Namen aller Klägerinnen mit Schreiben vom 13. Mai 1991 gegen eine Veräußerung des Grundstücks und wies darauf hin, dass sich innerhalb der Familie ein Investor gefunden habe.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1991 erteilte die Beklagte der Beigeladenen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Investitionsgesetz die Bescheinigung des Inhalts, dass ein besonderer Investitionszweck vorliege und die Inanspruchnahme des Objekts erfordere, weil das Vorhaben dringlich sowie geeignet für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sei. Gegen diesen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid legten die Klägerinnen Widerspruch ein und stellten beim Kreisgericht Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 27. Februar 1992 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, weil das Investitionsgesetz außer Kraft sei.
Die Beigeladene hatte zuvor mit notariellem Kaufvertrag vom 7. Februar 1992 das Grundstück von der Beklagten erworben.
Sie reichte bei der Beklagten unter dem 8. April 1992 Unterlagen ein, welche die von ihr geplanten und bereits getätigten Vorhaben betrafen. Die Beklagte hörte die Klägerinnen dazu mit Schreiben vom 16. Juni 1992 an und erließ am 27. Juli 1992 einen Bescheid auf der Grundlage von § 3a VermG a.F., wonach das Grundstück an die Beigeladene zur Durchführung eines investiven Zweckes veräußert werde. Hiergegen wandten sich die Klägerinnen und begehrten vom Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Die Beigeladene wurde derweilen am 13. November 1992 als Eigentümerin des Grundstücks S. 14 in G.… in das Grundbuch eingetragen.
Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 28. März 1994 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, weil dem Bescheid die Rechtsgrundlage fehle, da § 3a VermG a.F. bereits am 22. Juli 1992 außer Kraft getreten sei.
Daraufhin erließ die Beklagte den hier im Streit befindlichen Bescheid vom 30. Juni 1994 des Inhalts, dass der Verkauf des Grundstücks an die Beigeladene für einen investiven Zweck erfolge und zwar zur Durchführung der grundlegenden Sanierung des Gebäudes, der Schaffung von Versorgungseinrichtungen im Keller, einer Apotheke im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss, einer Arztpraxis im 2. Obergeschoss sowie von Sonderwohnfunktionen im 3. und 4. Obergeschoss.
Gegen den vorgenannten Bescheid legten die Klägerinnen Widerspruch ein und stellten beim Verwaltungsgericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 4. Januar 1995 als unzulässig zurück.
Die Beklagte erließ auf Antrag der Beigeladenen unter dem 27. Juni 1995 den weiteren Bescheid des Inhalts, dass die Beigeladene die zugesagten Maßnahmen durchgeführt habe. Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen Widerspruch ein.
Das Thüringer Landesverwaltungsamt hob mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 1997 den Investitionsbescheid vom 27. Juli 1992 auf und wies die übrigen Widersprüche zurück.
Mit ihrer Klage haben die Klägerinnen vorgetragen: Für den Erlass des Bescheides vom 30. Juni 1994 hätte es eines neuen Verfahrens mit einem neuen Vorrangplan bedurft, zu dem sie hätten gehört werden müssen. Durch den nachträglichen Erlass des Bescheides könne das seit 1992 rechtswidrig betriebene Verfahren nicht geheilt werden. Die Investitionen seien im Vertrauen auf den Bestand des Investitionsbescheides vom 27. Juli 1992 erfolgt. Bei Erlass des Bescheides vom 30. Juni 1994 habe es keine Investitionen mehr gegeben, mit denen die Beigeladene nachhaltig hätte beginnen können.
Die Klägerinnen haben beantragt,
den Investitionsvorrangbescheid der Beklagten vom 30. Juni 1994 und den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 13. Januar 1997, aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Meinung, der Klage fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 2003 die Klage abgewiesen und zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt: Die Anfechtungsklage gegen den Investitionsvorrangbescheid sei unzulässig. Den Klägerinnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihnen ein Rückübertragungsanspruch nach dem Vermögensgesetz nicht zustehe. Da ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes rechtskräftig abgelehnt worden sei und die Beigeladene mit der tatsächlichen Durchführung der zugesagten Investition nachhaltig begonnen habe, sei ein etwaiger Restitutionsanspruch erloschen. Die Klägerinnen könnten nicht mit Erfolg einwenden, dass es bei Erlass des Investitionsvorrangbescheides keine Investitionen mehr gegeben habe, mit denen die Beigeladene nachhaltig habe beginnen können. Zwar sei das Investitionsvorranggesetz grundsätzlich darauf angelegt, dass die investiven Maßnahmen erst nach dem Erlass des Investitionsvorrangbescheides begönnen, aber Sinn und Zweck des Gesetzes ergäben, dass die bei Erlass des Bescheides vom 30. Juni 1994 bereits nachhaltig getätigten Investitionen durch diesen Bescheid hätten legitimiert werden dürfen. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, den dringend erforderlichen wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Ländern zu befördern. Deshalb könne es für die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Investitionsvorrangbescheides nicht entscheidend auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem die Erfüllung der Anforderungen des Gesetzes durch Bescheid festgestellt worden sei. Der zuständigen Stelle müsse es möglich sein, einen rechtswidrigen Investitionsvorrangbescheid zu heilen, obwohl die Investitionsmaßnahmen bereits abgeschlossen seien. Die Klage sei auch unbegründet. Der Bescheid sei formell in Ordnung und materiell rechtmäßig. Der besondere Investitionszweck nach dem Investitionsvorranggesetz liege vor, und es habe kein anderes Vorhaben bestanden, das hätte vorrangig berücksichtigt werden müssen. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 27. Juni 1995 sei ebenfalls unbegründet; die dort getroffenen Feststellungen über die durchgeführten investiven Maßnahmen seien nicht zu beanstanden.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen im Wesentlichen, dass das angefochtene Urteil auf einem fehlerhaften Verständnis der Ausschlussregelung des § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG i.V.m. der Überleitungsvorschrift des § 28 Abs. 2 InVorG beruhe.
Die Klägerinnen beantragen,
unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gera vom 27. August 2003 den Investitionsvorrangbescheid der Beklagten vom 30. Juni 1994 und den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 13. Januar 1997, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Klägerinnen nicht für Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt den Rechtsausführungen der Klägerinnen entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Zwar verletzt das Verwaltungsgericht mit seiner Annahme, die Klage sei unzulässig, Bundesrecht. Den Klägerinnen fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse (1). Ihre Klage kann aber aus den weiteren, das Urteil selbstständig tragenden Gründen keinen Erfolg haben; denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (2).
Das Verwaltungsgericht hat es am Rechtsschutzbedürfnis fehlen lassen, weil § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG eingreifen würde. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein anerkennenswertes Interesse an der Aufhebung des Investitionsvorrangbescheides im Klageverfahren nicht besteht, wenn die Veräußerung unabhängig von der mit der Klage beantragten Aufhebung des Investitionsvorrangbescheides auf Dauer Bestand hat (Urteil vom 22. Juni 1995 – BVerwG 7 C 17.94 – Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 5 S. 4 f.). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG hier aber nicht zur Anwendung.
Nach Nr. 1 der genannten Vorschrift bestehen Ansprüche auf Rückübertragung nicht, wenn ein vom Anmelder gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs rechtskräftig abgelehnt und (Nr. 2) mit der tatsächlichen Durchführung der zugesagten Investition nachhaltig begonnen worden ist. Das Verwaltungsgericht sieht beide Voraussetzungen als gegeben an. Nr. 1 liegt hingegen nicht vor.
Zwar ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Januar 1995 rechtskräftig – weil unanfechtbar, vgl. § 23 Abs. 2 InVorG – abgelehnt worden. Doch die bloße Erfolglosigkeit des Eilantrages füllt den Regelungsgehalt der Vorschrift nicht aus. Das ergibt sich unmittelbar aus der Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Abs. 4 GG. Dem Anmelder muss ein effektiver Rechtsschutz gegen den Investitionsvorrangbescheid gewährt sein. Soll die Effektivität, wie hier vom Gesetz vorgesehen, der einstweiligen Rechtsschutz leisten, bedingt dies eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (Urteil vom 26. Mai 1999 – BVerwG 8 C 8.98 – Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 11). Anders als bei der sonst üblichen Intensität dürfen die Einwände nicht nur summarisch geprüft werden, sondern haben zu einer umfassenden Klärung der Rechtmäßigkeit des Investitionsvorrangbescheides hinzuführen (Urteil vom 22. Juni 1995 – BVerwG 7 C 17.94 – Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 5; BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 1 BvR 2386/94 – VIZ 1999, 87 m.w.N.). Diesem verfassungsrechtlichen Gebot genügt der vorliegende Eilbeschluss nicht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Investitionsvorrangbescheid als unzulässig abgewiesen, weil bereits eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Vermögenswertes auf den Investor (gemeint ist die Beigeladene) erfolgt sei. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides wurde deshalb nicht einmal summarisch überprüft. Diese Verfahrensweise verkennt zum einen, dass der Anmelder gehalten ist, den Anordnungsantrag auch nach Übereignung des Vermögenswertes weiterzuverfolgen, um den Eintritt der für ihn nachteiligen Rechtsfolgen von § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG zu verhindern (vgl. Beschluss vom 18. März 1994 – BVerwG 7 B 37.94 – Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 2). Die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts hat zum anderen gegen sich, dass sie jegliche inhaltliche Überprüfung des Investitionsvorrangbescheides ausschließt. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG kann die Folge nicht sein, dass im zugehörigen Hauptsacheverfahren der Gehalt des Investitionsvorrangbescheides ebenfalls richterlicher Überprüfung vorenthalten wird.
Da die Voraussetzungen Nr. 1 und 2 von § 12 Abs. 3 Satz 4 InVorG kumulativ gegeben sein müssen, um den Restitutionsanspruch entfallen zu lassen, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen der Nr. 2 hier erfüllt waren.
Die Klage ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Im Revisionsverfahren ist zwar der Bescheid vom 20. August 2003 über die Berechtigung der Klägerinnen vorgelegt worden. Danach ist aus der Erbengemeinschaft nur die Klägerin zu 3 bezüglich ihres ehemaligen Erbanteils Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes. Hieraus würde im Hinblick auf das streitbefangene Grundstück die Unmöglichkeit der Restitution (§ 4 Abs. 1 VermG) folgen; denn die frühere Berechtigung der Klägerin zu 3 an dem Grundstück war gesamthänderisch mit den Rechten der anderen beiden Klägerinnen verbunden. Aus dem vermögensrechtlichen Grundsatz der Konnexität zwischen Schädigungstatbestand, betroffenem Vermögenswert und Restitution ergibt sich, dass die Restitution nur möglich ist, wenn sie in die Gesamthand erfolgen kann. Nach dem Bescheid ist jedoch die Erbengemeinschaft nicht rückgabeberechtigt.
Der Restitutionsausschlussgrund, den das Amt festgestellt hat, nimmt den Klägerinnen aber weder die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) – als Adressatinnen des Investitionsvorrangbescheides sind sie zur Klage befugt – noch fehlt es am daneben erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Dessen könnte es ermangeln, wenn von vornherein feststünde, dass den Klägerinnen ein Klageerfolg nichts einbrächte. Das könnte der Fall sein, wenn es offensichtlich wäre, dass der Restitutionsausschlussgrund nicht vorliege. Hier jedoch haben die Klägerinnen zu 1 und 2 rechtzeitig Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. August 2003 eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist. Die Aktenlage lässt zwar keine Prognose über die Erfolgsaussicht zu, aber durch die Einlegung des Widerspruchs bleibt den Klägerinnen die Möglichkeit erhalten, dass ihr angemeldeter Anspruch anerkannt wird. Diese Rechtsposition rechtfertigt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage, ob die Möglichkeit auch ernsthaft ist, gehört zur Prüfung der Rechtsbetroffenheit im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 7 C 55.93 – Buchholz 428 § 3 a VermG Nr. 2 sowie Beschluss vom 7. November 1995 – BVerwG 7 C 71.94 – Buchholz 428.1 § 5 InVorG Nr. 3).
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Mit dieser vom Verwaltungsgericht getroffenen Einschätzung erweist sich das angefochtene Urteil als tragfähig, so dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist.
a) Das Verwaltungsgericht hat keinen Anlass dafür gesehen, den Investitionsvorrangbescheid vom 30. Juni 1994 in formeller und materieller Hinsicht zu beanstanden. Die Klägerinnen bezweifeln hingegen, ob die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Bescheides ausreiche, weil alle Investitionen bereits getätigt gewesen seien. Eine solche rechtliche Schlussfolgerung trifft nicht zu.
Zwar sieht § 7 Abs. 1 Satz 1 InVorG die Erteilung eines Investitionsvorrangbescheides “für das beabsichtigte Vorhaben” vor. Das Gesetz geht mithin von einem Bescheid aus, der noch der Vollziehung bedarf, verwehrt der Behörde aber nicht, nach Abschluss der Prüfung gemäß §§ 4 und 5 InVorG auch einen Bescheid zu erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die dem Antrag zugrunde liegende, im Verlaufe des Investitionsverfahrens getätigte Investition einem besonderen Investitionszweck dient und Vorzug im Sinne von § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 InVorG genießt. Diese Gleichbehandlung rechtfertigt sich aus dem Normzweck, ohne dabei die Interessenlage des Anmelders eines Restitutionsanspruchs nachteilig zu verschieben.
Das Anliegen des Gesetzgebers besteht darin, im Interesse des wirtschaftlichen Aufschwungs und der dafür dringend erforderlichen Förderung von Investitionen im Beitrittsgebiet alle Maßnahmen zu begünstigen, welche die gesetzlichen Anforderungen an investive Zwecke (§ 3 InVorG) erfüllen (Urteil vom 29. September 1993 – BVerwG 7 C 39.92 – BVerwGE 94, 195 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 3 sowie BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1991 – 1 BvR 1730/91 – BVerfGE 85, 130 ≪134≫). Deshalb lässt § 7 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 GVO den Erlass eines nachträglichen Investitionsvorrangbescheides zu. Auch hier steht der Sicherungszweck zum Schutze getätigter Investitionen im Vordergrund. Das Investitionsvorranggesetz schützt inzwischen auch Investitionen, die nicht im Investitionsvorrangbescheid zugesagt waren, aber den Anforderungen an einen besonderen Investitionszweck im Sinne von § 3 Abs. 1 InVorG entsprechen, sowie solche, die von einem anderen als dem im Investitionsvorrangbescheid genannten Vorhabenträger stammen (§ 15 Abs. 1 Sätze 3 und 4 InVorG). Allerdings sind diese Bestimmungen durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz nach seinem Art. 7 Abs. 1 erst am 24. Juli 1997 in Kraft getreten (BGBl I 1997, 1823, 1824 ≪1831≫). Die Neufassung, obwohl sie sich keine Rückwirkung beimisst, macht aber den hohen Stellenwert deutlich, den der Gesetzgeber den Investitionen im Beitrittsgebiet zuweist.
Die Interessenlage des am Investitionsverfahren beteiligten Anmelders erfährt keine wesentliche Verschiebung in dem Falle, dass die Investition bei Erlass des Investitionsvorrangbescheides schon getätigt war. Der Anmelder, dessen Verfahrensrechte berücksichtigt worden sind, wird durch die vorgezogene Investition nicht schutzbedürftiger gegenüber demjenigen, der von einer erst in der Durchführung befindlichen Investition betroffen ist. Zwar kann ein (nachträglicher) Investitionsvorrangbescheid die Verfügungsbeschränkung von § 3 Abs. 3 bis 5 VermG aussetzen, gegen die eine vorgezogene Investition verstoßen hat. Aber die Durchsetzung des Anspruchs auf Rückübertragung steht ohnehin unter dem Vorbehalt, dass Grundstücke und Gebäude zu besonderen Investitionszwecken anderweitig verwendet werden können (§ 2 InVorG). Daher hält sich ein Investitionsvorrangbescheid, der eine schon durchgeführte Investition unter Schutz stellt, innerhalb der Belastungen, die das Gesetz dem Anmelder vorgegeben hat.
Der angefochtene Bescheid unterliegt auch in förmlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken. Die Revision wendet zwar ein, mit dem Erlass des Investitionsbescheides vom 27. Juli 1992 sei eine Zäsur eingetreten, welche einen erneuten investiven Bescheid ausgeschlossen habe. Dabei lassen die Klägerinnen aber außer Betracht, dass Art. 14 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I 1257 ≪1285≫) auf nach § 3a VermG a.F. betriebene, am 22. Juli 1992 noch nicht abschließend beschiedene Verfahren zur Aussetzung der Verfügungsbeschränkung Anwendung findet. Danach ist das eingeleitete Verfahren nach neuem Recht fortzuführen, allerdings brauchen Anhörungen nicht wiederholt zu werden, und es kann mit einem Investitionsvorrangbescheid gemäß § 7 InVorG abgeschlossen werden. Lediglich dann, wenn schon eine abschließende Entscheidung vorgelegen hatte, war ein Bescheid nach dem Investitionsvorranggesetz nicht mehr statthaft. Eine solche abschließende Entscheidung hätte hier nur ein Widerspruchsbescheid sein können (vgl. Urteile vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 21.94 – a.a.O. und vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 10.94 – Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 4). § 28 Abs. 2 InVorG, auf den in der Revision abgehoben wird, besagt nichts anderes. Diese Überleitungsvorschrift, die erst im Klageverfahren mit dem Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom 17. Juli 1997 (BGBl I 1823 ≪ 1826≫) in das Investitionsvorranggesetz eingeführt worden ist und den vorgenannten Art. 14 Abs. 5 Sätze 1 bis 5 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes abgelöst hat, definiert die abschließende Entscheidung als “die letzte Verwaltungsentscheidung”. Damit ist gegebenenfalls der Widerspruchsbescheid gemeint. Am 30. Juni 1994, dem Tag des Erlasses des hier fraglichen Investitionsvorrangbescheides, war über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juli 1992 noch nicht entschieden gewesen.
Die Maßgabe, dass Anhörungen gemäß dem Investitionsvorranggesetz nicht nachgeholt zu werden brauchen, bedingt zweierlei: Zum einen war eine Anhörung unter Beifügung des Vorhabenplans (§ 5 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 3 InVorG) nicht zusätzlich erforderlich (vgl. Kimme, Offene Vermögensfragen, Bd. II, Vor § 1 InVorG, Rn. 45). Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – das Investitionsvorhaben unverändert geblieben ist. Zum anderen bemisst sich die Prüfung, ob eine ausreichende Anhörung stattgefunden hat, nach § 3a Abs. 3 VermG a.F. Sie führt im vorliegenden Fall zu keinen rechtserheblichen Bedenken.
b) Auch der Bescheid vom 27. Juni 1995 ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Er gibt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 InVorG wieder, dass die Beigeladene die Investition, die Gegenstand des Investitionsvorrangbescheides vom 30. Juni 1994 ist, durchgeführt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung für richtig befunden. An seine im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Erkenntnisse ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO); denn zulässige und begründete Revisionsgründe sind nicht vorgebracht. Die Klägerinnen zweifeln die Rechtmäßigkeit des Bescheides allein mit Blick auf die Rechtswidrigkeit an, unter der nach ihrer Auffassung der Investitionsvorrangbescheid leide. Doch da sie mit dieser Einschätzung der Rechtslage nicht durchdringen können, braucht es der Klärung nicht, ob die Rechtmäßigkeit des einen von der des anderen Bescheides abhängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Golze, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen
BVerwGE 2005, 231 |
ZfIR 2005, 666 |