Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarklage. Berufungsverfahren. Beschluss ohne mündliche Verhandlung durch das Berufungsgericht. Beamtenstatus. Sonderregelungen im Disziplinarklageverfahren. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Maßnahmebestimmung. Bemessungsregelungen. anerkannte Milderungsgründe. Vorbelastung. Dienstvergehen während einer laufenden Bewährung. Geringwertigkeit. Kollegendiebstahl
Leitsatz (amtlich)
In Disziplinarklageverfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz darf das Berufungsgericht nicht gemäß § 130a VwGO auf eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Aberkennung des Ruhegehalts oder Zurückstufung erkennen oder eine solche Entscheidung bestätigen; dem steht die Sonderregelung des § 59 BDG entgegen, der im Berufungsverfahren Anwendung findet.
Normenkette
BDG §§ 3, 13, 34, 52, 59-60, 65-66; VwGO § 130a
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 10.11.2006; Aktenzeichen 16b D 05.356) |
VG Ansbach (Urteil vom 06.12.2004; Aktenzeichen 6a D 04.01963) |
Tenor
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. November 2006 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Klägerin.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 17. April 2002 war der Beklagte wegen Bedrohung in Tateinheit mit unerlaubten Führens einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Beklagte hatte außerhalb des Dienstes vor seinem Anwesen zwei Personen wegen deren Fahrverhaltens zur Rede gestellt, beleidigt und mit einer nicht geladenen Waffe bedroht. Das sachgleiche Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung vom 26. Juni 2002 gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 14 BDG eingestellt.
Gegenstand der Disziplinarklage ist der durch Urteil des Amtsgerichts Bayreuth vom 19. März 2003 rechtskräftig festgestellte Sachverhalt, nach dem der Beklagte am 4. Dezember 2002 einen 50-€-Schein aus der Geldbörse eines Kollegen in der Absicht, diesen für sich zu behalten, entnahm. Die Geldbörse mit weiterem Bargeld befand sich im unverschlossenen Aktenkoffer des Kollegen, den dieser im Umkleideraum seiner Hundertschaft abgestellt hatte. Der Beklagte wurde wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 45 € verurteilt; die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 17. April 2002 wurde nicht widerrufen. Der Beklagte ließ sich dahin ein, dass er sein damaliges Verhalten nicht erklären könne und den Milderungsgrund einer persönlichkeitsfremden, kurzschlussartigen Spontanhandlung geltend mache.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2004 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten um zwei Stufen in das Eingangsamt eines Polizeimeisters zurückgestuft.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Der Beklagte hat einer Entscheidung nach § 130a VwGO widersprochen und um Gelegenheit gebeten, sich in mündlicher Verhandlung zu äußern, damit sich das Berufungsgericht einen persönlichen Eindruck von ihm machen könne.
Mit Beschluss vom 10. November 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof nach § 130a VwGO der Berufung stattgegeben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung des Vorgehens nach § 130a VwGO hat er ausgeführt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zwar auch bei einem sogenannten Zugriffsdelikt die umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten voraussetze, um einen endgültigen Vertrauensverlust feststellen zu können. Zu einer solchen Entscheidung sehe er sich jedoch anhand der ihm vorliegenden Akten in der Lage; mit Blick auf die bisherigen Einlassungen des Beklagten verspreche er sich aus einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse, die entscheidungserheblich sein könnten.
Die Berufung habe auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte könne den Milderungsgrund der “Geringwertigkeit des gestohlenen Betrages” nicht für sich in Anspruch nehmen, weil er den “Kollegendiebstahl” in der Bewährungszeit begangen habe. Die innere Verbindung der früheren außerdienstlichen Straftat mit dem Kollegendiebstahl liege in persönlichkeitsbedingten Charaktermängeln des Beklagten, der in bestimmten Situationen “spontan” reagiere und dabei vergesse, dass er bei seinem Verhalten die durch das Strafrecht gezogenen Grenzen nicht überschreiten dürfe. Unter diesen Umständen komme dem Beklagten auch nicht der Milderungsgrund einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat zu Gute. Sein Gesamtverhalten sei nicht durch atypische Umstände geprägt, die es rechtfertigten, die Regelmaßnahme bei einem Kollegendiebstahl – die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. November 2006 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. Dezember 2004 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO, § 3 BDG auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt und damit gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG i.V.m. § 59 Abs. 1 BDG verstoßen, die im Disziplinarklageverfahren abschließend die Voraussetzungen für eine Entscheidung über eine zulässige Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss regeln. Die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis verstößt zudem gegen die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG. Dies führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 BDG).
1. Das Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofs ist mit § 59 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG unvereinbar; diese Bestimmungen schließen eine Berufungsentscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss aus. Daher ist § 130a VwGO nicht anwendbar, weil im Bundesdisziplinargesetz etwas anderes bestimmt ist (vgl. § 3 BDG). § 59 Abs. 1 BDG regelt für Disziplinarklagen (§ 34 Abs. 1, § 52 Abs. 1 BDG) abschließend die Möglichkeiten einer materiellrechtlichen Entscheidung durch Beschluss. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 BDG kann das Gericht bei einer Disziplinarklage mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme erkennen, wenn nur ein Verweis, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Kürzung des Ruhegehalts verwirkt ist. § 59 BDG gilt über die Verweisungsnorm des § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Berufungsverfahren. § 66 BDG steht der Anwendbarkeit des § 59 BDG auch im Berufungsverfahren nicht entgegen.
a) Im gerichtlichen Disziplinarverfahren ist grundsätzlich zwischen den Disziplinarklagen (§ 34 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 60 Abs. 2 BDG) und den Klagen gegen Disziplinarverfügungen (§ 60 Abs. 3, § 33 BDG) zu unterscheiden. Disziplinarklagen werden vom Dienstherrn gegen den Beamten erhoben mit dem Ziel der Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts; sie zielen ab auf eine den Beamtenstatus ändernde Entscheidung durch das Gericht. Wegen des damit einhergehenden Eingriffs in den grundgesetzlich geschützten Status des Beamten (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG) sieht das Bundesdisziplinargesetz für Disziplinarklagen ein besonderes Rechtsschutzkonzept vor mit einer Reihe spezieller Regelungen: keine Entscheidung durch den Einzelrichter (§ 46 Abs. 2 Satz 2 BDG), besondere Anforderungen an den Inhalt der Klageschrift (§ 52 Abs. 1, § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG), keine Antragsbindung des Gerichts (§ 60 Abs. 2 Satz 2 BDG), keine Zulassungsberufung (§ 64 Abs. 1 BDG), keine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung gegen den Willen der Verfahrensbeteiligten (§ 59 BDG), so dass der Gerichtsbescheid nach § 84 VwGO ausgeschlossen ist. Diese speziellen Regelungen führen dazu, dass über § 3 BDG abweichende Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung nicht anwendbar sind.
b) § 59 Abs. 1 BDG gilt über die Verweisungsnorm des § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Berufungsverfahren. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG gelten die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren vor dem Verwaltungsgericht (§§ 52 bis 63 BDG) für das Berufungsverfahren entsprechend, soweit sich aus dem Bundesdisziplinargesetz nichts anderes ergibt. Die Anwendung des § 59 BDG ist weder in § 65 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 bis 4 BDG noch sonst im Bundesdisziplinargesetz, insbesondere auch nicht in § 66 Satz 1 BDG, für das Berufungsverfahren ausgeschlossen. Wäre die Vorschrift nur für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehen, hätte sie der Gesetzgeber in § 65 Abs. 1 Satz 2 BDG neben den §§ 53 und 54 BDG als weitere Ausnahme aufgezählt.
c) § 66 Satz 1 BDG steht der Anwendbarkeit des § 59 BDG im Berufungsverfahren über § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht entgegen. § 66 Satz 1 BDG erwähnt zwar, dass das Berufungsverfahren nicht nur durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern auch auf andere Weise abgeschlossen werden kann. Die Vorschrift gilt aber sowohl für Berufungsverfahren bei Disziplinarklagen als auch für solche bei Klagen des Beamten u.a. gegen Disziplinarverfügungen und wiederholt für das Berufungsverfahren nur die für das erstinstanzliche Verfahren maßgebliche Regelung des § 60 Abs. 1 BDG, die (ebenfalls) sowohl für Disziplinarklagen (vgl. § 60 Abs. 2 BDG) als auch für Klagen gegen Disziplinarverfügungen (vgl. § 60 Abs. 3 BDG) gilt. Erstinstanzlich wird die Möglichkeit, gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 BDG nach den Verfahrensregeln der Verwaltungsgerichtsordnung ohne mündliche Verhandlung und anders als durch Urteil zu entscheiden, für das Disziplinarklageverfahren ergebnisabhängig für bestimmte Fälle durch die Spezialregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 BDG beschränkt. Die Zurückstufung, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts sind danach keine Maßnahmen, die in dem ohne mündliche Verhandlung durchzuführenden Beschlussverfahren ausgesprochen werden dürfen; nur für mildere Maßnahmen, die auch mit einer Disziplinarverfügung hätten verhängt werden können, ist mit Zustimmung der Beteiligten das Beschlussverfahren nach § 59 BDG eröffnet. Die hierin zugleich enthaltene materielle Sperre gegenüber den Beamtenstatus ändernde Maßnahmen durch Beschluss gilt erst recht gegenüber nicht von einer Zustimmung getragenen Beschlüssen nach anderen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung, wie dies das Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach § 130a VwGO ist, wenn über den materiellen Disziplinaranspruch entschieden werden soll; die in § 34 Abs. 1 BDG aufgezählten Maßnahmen sollen nicht ohne vorhergehende mündliche Verhandlung ausgesprochen werden können. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass aufgrund des § 66 Satz 1 BDG für das zweitinstanzliche Disziplinarverfahren etwas anderes gelten soll.
Indem das Berufungsgericht auf die Disziplinarklage den Beklagten durch Beschluss gemäß § 130a VwGO aus dem Beamtenverhältnis entfernt hat, hat es die Regelungen des § 65 Abs. 1 i.V.m. § 59 BDG verletzt.
2. Die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist außerdem aufgrund einer Bemessungsentscheidung ausgesprochen worden, die gegen die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG verstößt.
a) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in dem Urteil vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫ = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1; vgl. auch Urteile vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 30.05 – IÖD 2007, 197 ff. = NVwZ 2007, 1196 ff. = DokBer B 2007, 288 ff. und – BVerwG 2 C 9.06 – NVwZ-RR 2007, 695 ff. = DokBer B 2007, 261 ff.) näher bestimmt. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.
Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Dabei können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (Urteile des Senats vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 261 und vom 3. Mai 2007 a.a.O.).
Nach diesen Urteilen gelten die Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG auch für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder und Güter. Der Kollegendiebstahl ist nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Schwere im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar (vgl. Urteile vom 29. September 1989 – BVerwG 1 D 82.97 – juris, vom 13. März 1996 – BVerwG 1 D 55.95 – DokBer B 1996, 207 ff., je m.w.N.). Aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen ist hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge oder Gegenstände insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.
Diese von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn gewichtige und im Einzelfall durchgreifende Entlastungsgründe festgestellt werden. Dann hat das Dienstvergehen keinen endgültigen Vertrauensverlust zur Folge. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die vom Disziplinarsenat zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (Urteile des Senats vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 263 und vom 3. Mai 2007 a.a.O.).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts genügen diesen in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 und 3. Mai 2007 (jeweils a.a.O.) aufgezeigten Anforderungen an die vorzunehmende Gesamtwürdigung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht. Dies wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
Maßgebende Gesichtspunkte für die Maßnahmebemessung stellen die Geringfügigkeit des gestohlenen Betrages, die Vorbelastung des Beklagten (der Einstellungsverfügung vom 26. Juni 2002 lag die Feststellung eines Dienstvergehens zugrunde) und das Handeln des Beklagten in der Bewährungszeit dar. Die Würdigungen des Verwaltungsgerichtshofs, der Beklagte weise Persönlichkeitsmängel auf bzw. neige zu spontanen Reaktionen, werden von den Tatsachenfeststellungen nicht getragen.
c) Sollte das Berufungsgericht nach Abwägung aller belastender und entlastender Umstände zum Ergebnis kommen, dass der Beklagte trotz des schweren Dienstvergehens das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hat mit der Folge, dass der Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme in Betracht kommt, wird zu prüfen sein, ob gemäß § 14 Abs. 1 BDG die Voraussetzungen eines beschränkten Disziplinarmaßnahmeverbots wegen strafrechtlicher Ahndung vorliegen.
Unterschriften
VRiBVerwG Albers ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Dr. Müller
Dr. Müller, Groepper, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen