Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit, Risiko der Entstehung einer –. Beschäftigungsverbot, mutterschutzrechtliches –. Erzieherin, Mumpserkrankung als Berufskrankheit. Gefährdung, erhöhte – für werdende Mutter. Infektionsgefahr, besondere –. Infektionskrankheit als Berufskrankheit. Mutterschutzrecht, Beschäftigungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Eine in einem Kindergarten als Erzieherin tätige werdende Mutter, die nicht über Mumps-Antikörper verfügt, ist aufgrund ihrer Tätigkeit der Gefahr, sich mit Mumps zu infizieren, im Sinne der Nummer 3101 der Anlage zu § 1 Berufskrankheiten-Verordnung besonders ausgesetzt. Dieses Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit bewirkt nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 2. Alternative MuSchG ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot.
Normenkette
MuSchG § 4 Abs. 2 Nr. 6; SGB VII § 9 Abs. 1; BKV Nr. 3101 Anlage zu § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. September 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots, das der Beklagte im Hinblick auf die in einem von der Klägerin getragenen Kindergarten als Erzieherin tätige Beigeladene für die gesamte Dauer der Schwangerschaft ausgesprochen hat, weil die Beigeladene über zu geringe Mumps-Antikörper verfügte.
Mit Bescheid vom 14. März 2002 stellte der Beklagte fest, dass die seinerzeit schwangere Beigeladene, die als Erzieherin den von der Klägerin getragenen Kindergarten “St. I…” leitete und nach ärztlicher Feststellung keine Mumps-Antikörper besaß, unter das Beschäftigungsverbot des § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Mutterschutzgesetzes – MuSchG – falle und aus diesem Grund ihre Weiterbeschäftigung im Bereich des Kindergartens während der Zeit der Schwangerschaft nicht zulässig sei. Angesichts der fehlenden Mumps-Antikörper könne die bei dem ständigen Umgang mit Kindern im Kindergarten gegebene hohe Ansteckungsgefahr während der Schwangerschaft zu einer Gefahr sowohl für die werdende Mutter als auch für das ungeborene Kind führen.
Sowohl der Widerspruch der Klägerin gegen diesen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid als auch der gerichtliche Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieben ohne Erfolg. Die am 2. Juli 2002 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen (Urteil vom 11. September 2003, ZfSH/SGB 2003, 752). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Verfügung finde ihre Rechtsgrundlage in der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG, wonach werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürften, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt seien oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung für die werdende Mütter oder eine Gefahr für die Leibesfrucht bestehe. Die Krankheit Mumps sei als eine Berufskrankheit von Erzieherinnen in einem Kindergarten anzusehen; bei fehlenden Mumps-Antikörpern könne durch das Risiko, hieran zu erkranken, eine erhöhte Gefährdung für eine Schwangere eintreten. Zur Bestimmung des gesetzlichen Begriffs der Berufskrankheit sei auf die Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch – SBG VII – abzustellen, da § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG ohne abweichende Begriffsbestimmung den Begriff “Berufskrankheit” verwende. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII seien Berufskrankheiten diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichne. Die auf dieser Grundlage erlassene Berufskrankheiten-Verordnung lege hierzu in § 1 fest, dass Berufskrankheiten die in der Anlage bezeichneten Krankheiten seien. Von ihnen komme im vorliegenden Fall die in dem streitigen Bescheid bereits benannte Ziffer 3101 in Betracht. Hiernach seien Berufskrankheiten Infektionskrankheiten, wenn der Betroffene im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt sei. Um eine andere Tätigkeit in dem genannten Sinne handele es sich bei der Tätigkeit der Erzieherin in einem Kindergarten.
Mumps sei eine Infektionskrankheit, die vorwiegend im Kinder- und Jugendalter auftrete und die vor allem durch Tropfeninfektion oder – was seltener der Fall sei – durch mit Speichel kontaminierte Gegenstände übertragen werde. Im Bereich des Kindergartens sei diese Übertragungsgefahr deshalb besonders groß, weil in einer durchaus beachtlichen Zahl von Fällen Mumps-Infektionen ohne äußere klinische Erscheinungen verliefen, so dass die betroffenen Kinder äußerlich gesund wirkten und dementsprechend auch die Kindergärten besuchten, wo sie unbemerkt sowohl andere Kinder als auch Erzieherinnen, die nicht oder nicht über ausreichende Mumps-Antikörper verfügten, infizieren könnten. Aber selbst soweit eine Mumps-Erkrankung mit äußerlichen Anzeichen verbunden sei, müsse ein hohes Ansteckungsrisiko bejaht werden, weil die Infektiosität bereits eine Woche vor dem Auftreten von Krankheitserscheinungen beginne. Das ab diesem Zeitraum bereits gegebene Ansteckungsrisiko, dessen konkretes Ausmaß von der jeweils gegebenen Impfrate abhänge, müsse insgesamt als durchaus hoch angesehen werden und sei ausweislich der Sachverständigengutachten mit einem Infektionsrisiko, wie es im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium bestehe, durchaus vergleichbar. Dass Mumps-Erreger in einem Kindergarten nicht dauerhaft vorhanden seien, stehe dem nicht entgegen. Für die rechtliche Bewertung, ob Mumps als Berufskrankheit angesehen werden müsse, sei ausschließlich maßgeblich, ob die Betroffenen in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr ausgesetzt seien wie z.B. in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege; dies sei nach den gutachterlichen Stellungnahmen der Fall. Inwieweit damit die Situation von Schulen vergleichbar sei, bedürfe keiner abschließenden Bewertung. Auch ohne eine entsprechende statistische Erhebung sei davon auszugehen, dass die Gefahr der Infizierung mit Mumps in einem Kindergarten schon deshalb deutlich größer sei, weil dort der körperliche Kontakt mit Kindern weitaus intensiver sei als in einer Schule. Mögliche alternative Ansteckungsgefahren im privaten Bereich, auf die die Klägerin weiterhin hinweise, hinderten die Einordnung von Mumps als Berufskrankheit wegen des Bezuges auf die berufliche Tätigkeit hier ebenfalls nicht; überdies dürfte das Risiko einer Schwangeren, sich in der Privatsphäre an Mumps zu infizieren, bei realistischer Betrachtung deutlich geringer sein als in einem Kindergarten. Mit dem hiernach für die Beigeladene gegebenen Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit sei wegen der bei einer Infektion möglichen Sekundärfolgen und der schwangerschaftsbedingten Schwierigkeiten einer adäquaten Therapie eine gesteigerte Gefährdung für die werdende Mutter anzunehmen. Den von der Klägerin gestellten Hilfsbeweisanträgen brauche das Gericht nicht nachzugehen, weil die ihnen zugrunde liegenden Tatsachenfragen entweder geklärt oder für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich seien.
Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihr Klagebegehren weiter und rügt eine Verletzung des § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend das für das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Klägerin erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht. Dieses ist durch die Regelungen in der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Verordnung zur Anpassung der Gefahrstoffverordnung an die EG-Richtlinie 98/24/EG und andere EG-Richtlinien vom 23. Dezember 2004 (BGBl I S. 3758), insb. die nunmehr nach § 15a der Biostoffverordnung vorgesehenen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen unter Angebot entsprechender Impfungen bei einer Tätigkeit mit impfpräventablen biologischen Arbeitsstoffen, nicht nachträglich entfallen, zumal gegen die Beigeladene inzwischen wegen erneuter Schwangerschaft erneut ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden ist.
In der Sache hat das Berufungsgericht im Einklang mit dem Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot bestätigt, weil für die als Erzieherin in einem Kindergarten tätige Beigeladene mangels Mumps-Antikörpern durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung bestand.
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten zulässigerweise (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 – BVerwG 5 C 42.89 – Buchholz 436.4 § 4 MuschG Nr. 1) durch Verwaltungsakt getroffene Feststellung, dass die Beigeladene einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot unterfällt, ist § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG, wonach werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, “bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt sind oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung für die werdende Mutter oder eine Gefahr für die Leibesfrucht besteht.” Für die hier angenommene erhöhte Gefährdung durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit hat das Berufungsgericht zur Ausfüllung des Begriffs der “Berufskrankheit” zutreffend auf die Legaldefinition in § 9 Abs. 1 SGB VII und die hierauf gestützten Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) abgestellt. § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG setzt den Begriff der “Berufskrankheit” voraus, ohne ihn selbständig mutterschutzrechtlich auszufüllen, eine Anknüpfung an die unfallversicherungsrechtliche Legaldefinition der Berufskrankheit liegt bei einer systematischen Auslegung auch im Interesse der Einheit der Rechtsordnung nahe. Da diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, braucht der Senat nicht zu klären, ob angesichts des auf Prävention gerichteten Schutzzwecks der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und des hohen Rangs der betroffenen Schutzgüter (s. Senat, Urteil vom 27. Mai 1993, a.a.O.) im Bereich der Infektionskrankheiten mutterschutzrechtlich geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Infektion und einer hieraus folgenden Schädigung von Mutter oder Kind zu stellen sind.
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 dieses Gesetzes begründenden Tätigkeit erleiden, wobei die Bundesregierung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen ermächtigt ist, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nr. 3101 der Anlage zu § 1 BKV bestimmt als Berufskrankheiten “Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war”. Der Senat sieht keine durchgreifenden Bedenken, die Betreuungstätigkeit in einem kirchlichen Kindergarten in ihrer erzieherisch-pflegerischen Sozialisationsfunktion der “Wohlfahrtspflege” im Sinne der Nr. 3101 Anlage zu § 1 BKV zuzuordnen, kann diese Frage im Ergebnis aber offen lassen. Denn jedenfalls handelt es sich bei der Betreuungstätigkeit (auch) in einem kirchlichen Regelkindergarten im Sinne der Nr. 3101 Anlage zu § 1 BKV um eine andere Tätigkeit, in der die Erzieherinnen – zumindest in Bezug auf eine vorwiegend im Kinder- und Jugendalter auftretende Infektionskrankheit wie Mumps – der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt sind. Sowohl die “Wohlfahrtspflege” als auch die “andere Tätigkeit” treten in der Aufzählung der Nr. 3101 Anlage zu § 1 BKV neben den Gesundheitsdienst und die Tätigkeit in einem Laboratorium; für diese Bereiche ist daher auf die tätigkeitsbedingt besondere Infektionsgefahr und nicht darauf abzustellen, ob die berufliche Tätigkeit in einem Betrieb oder einer Einrichtung erbracht wird, die der Versorgung oder Betreuung kranker Menschen dient, in der typischerweise und ständig in besonderem Maße infektiöse Krankheiterreger vorhanden sind, also typischerweise oder überwiegend erkrankte Menschen zusammenkommen, oder die Tätigkeit im Umgang gerade mit infektiösem Material besteht. Eine derartige Beschränkung vernachlässigte die selbständige Bedeutung der Aufnahme der “Wohlfahrtspflege” und der “anderen Tätigkeit” und ist auch sonst nicht zur Eingrenzung von “Berufskrankheiten” erforderlich, weil es maßgeblich auch darauf ankommt, dass durch die konkrete berufliche Tätigkeit eine besondere, überdurchschnittliche Gefahr in Bezug auf die jeweils in Rede stehende Infektion bestehen muss (s. nur BSG, Urteil vom 30. Mai 1988 – 2 RU 33/87 – NZA 1988, 823; Urteil vom 28. August 1990 – 2 RU 64/89 – ≪juris≫; Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 15/97 – BB 1998, 327; s.a. – für die Anerkennung als Dienstunfall – VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 1990 – 4 S 1743/88 – DVBl 1990, 885 ≪Ls.≫). Diese gesetzliche Voraussetzung der Bestimmung einer Krankheit als Berufskrankheit (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) greift Nr. 3101 Anlage zu § 1 BKV mit dem Erfordernis auf, dass der Betroffene durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße “besonders” ausgesetzt gewesen sein muss; die allgemeine Gefährdung, die bei Infektionskrankheiten im Alltag bei einem Zusammentreffen mehrerer Personen besteht, reicht hiernach nicht aus. Ergibt sich bei einer beruflichen Tätigkeit indes, dass eine Person durch diese andere Tätigkeit einer Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt ist, besteht kein Anlass, diese besondere Gefährdung deswegen unberücksichtigt zu lassen, weil die Tätigkeit nicht durch den ständigen Umgang mit erkrankten Personen oder infektiösem Material geprägt ist. Die Zuordnung einer Tätigkeit oder eines Tätigkeitsbereiches zu einer “anderen Tätigkeit” bedeutet auch keine Ausgrenzung oder gar Stigmatisierung dieser Tätigkeit, so dass auch der auf eine Anwendung der Biostoffverordnung bezogene Einwand der Klägerin nicht durchgreift, ihre Einrichtung diene der Kinderbetreuung und sei keine “biologische Infektionsanstalt”.
Das Berufungsgericht hat zutreffend und verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Beigeladene wegen ihrer Tätigkeit als Erzieherin in dem Kindergarten der Klägerin in Bezug auf die Infektionskrankheit “Mumps” der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Der vorliegende Rechtsstreit gibt dabei keinen Anlass zu einer umfassenden Beurteilung der in einem Kindergarten als Berufskrankheit in Betracht kommenden Infektionskrankheiten. Zu beurteilen ist allein die Frage, ob eine in einem Kindergarten tätige Erzieherin, die nicht über Mumps-Antikörper verfügt, im Sinne der Nr. 3101 der Anlage zu § 1 BKV aufgrund ihrer Tätigkeit in ähnlichem Maße der Gefahr besonders ausgesetzt gewesen ist, sich mit Mumps zu infizieren. Dies ist auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht in verfahrensfehlerfreier Auswertung verschiedener gutachterlicher Stellungnahmen und sonstiger Erkenntnisquellen getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Fall. Für den Risikovergleich ist darauf abzustellen, ob eine im Vergleich zu den anderen Tätigkeitsbereichen vergleichbare und eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besondere Infektionsgefahr besteht; es kommt mithin darauf an, ob die Beigeladene aufgrund der von ihr als Erzieherin auszuübenden Tätigkeit nach den zur Zeit des Beschäftigungsverbotes bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen der Gefahr einer Mumpserkrankung in besonderem Maß ausgesetzt gewesen war. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass es sich bei Mumps um eine Infektionskrankheit handelt, die vorwiegend im Kinder- und Jugendalter auftritt, die vor allem durch Tropfeninfektion oder durch mit Speichel kontaminierte Gegenstände übertragen wird und bei der im Bereich des Kindergartens diese Übertragungsgefahr deshalb besonders groß ist, weil in einer beachtlichen Zahl von Fällen Mumps-Infektionen ohne äußere klinische Erscheinungen verlaufen und die Infektiosität zudem bereits eine Woche vor dem Auftreten von Krankheitserscheinungen beginnt. Die von dem Berufungsgericht ausdrücklich getroffene Bewertung, dass das ab diesem Zeitraum bereits gegebene, konkret von der jeweiligen Impfrate abhängige Ansteckungsrisiko als hoch anzusehen und mit einem Infektionsrisiko, wie es im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium besteht, vergleichbar sei, ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat diese Feststellungen auch frei von den von der Klägerin gerügten Verfahrensfehlern getroffen, die überwiegend auch deswegen nicht vorliegen, weil sie für die Entscheidung nicht erhebliche Fragen, etwa eine erhöhte Gefährdung auch der Leibesfrucht betreffen. Das Berufungsgericht durfte, ohne gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht zu verstoßen, insbesondere die von dem Beklagten eingeholten Äußerungen des Staatlichen Gewerbearztes Dr. S… verwerten, und zwar ungeachtet dessen, dass dieser bei einer anderen Stelle desselben Rechtsträgers handelt (BVerwG, Beschluss vom 13. März 1992 – BVerwG 4 B 39.92 – NVwZ 1993, 268; Beschluss vom 30. Dezember 1997 – BVerwG 11 B 3.97 – NVwZ 1998, 634). Es hat schließlich auch nicht dadurch gegen Verfahrensrecht verstoßen, dass es eine in einem Parallelverfahren eingeholte gutachterliche Stellungnahme herangezogen und gewürdigt hat, die den Beteiligten bekannt war; sie hatten ausreichend Gelegenheit und Anlass, sich hierzu zu äußern (s.a. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1985 – BVerwG 9 B 71.85 – NJW 1986, 3221).
Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen auch die Bewertung, dass eine Erzieherin in einem Kindergarten ohne entsprechenden Impfschutz bzw. Antikörper der Gefahr einer Mumpserkrankung mit besonderer, im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung berufsspezifisch deutlich erhöhter, überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist. Der Senat sieht es mit dem Berufungsgericht und als Allgemeinkundig nicht des weiteren, statistischen Beweises bedürftig an, dass der enge – auch körperliche – Kontakt zu den Kindern, der auch weitaus intensiver ist als in einer Schule, eine Erzieherin in einem Kindergarten in Bezug auf die Infektionskrankheit Mumps, die vorwiegend im Kinder- und Jugendalter auftritt, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung und anderen Tätigkeiten einer besonderen, über das normale Maß deutlich hinausgehenden Ansteckungsgefahr aussetzt. Diese Bewertung gründet in dem Zusammenspiel der spezifischen Infektionsbedingungen bei Mumps, der altersbedingten Häufung der Krankheit auch im Kindergartenalter und der besonderen Intensität des Kontakts mit (möglicherweise unerkannt) erkrankten Kindern; einer genauen Quantifizierung der Risikoerhöhung durch entsprechende epidemiologische Untersuchungen, die mangels entsprechender Studien erst noch vorgenommen werden müssten, bedarf es hierzu angesichts der qualitativen Zusammenhänge nicht. Bei hiernach zu bejahender besonderer Infektionsgefahr stehen – wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat – ebenfalls vorhandene Ansteckungsgefahren in der Privatsphäre oder in der Öffentlichkeit der Einordnung von Mumps als Berufskrankheit auch deswegen nicht entgegen, weil gerade die berufliche Tätigkeit besondere Nähekontakte zu möglicherweise unerkannt infektiösen Kindern mit sich bringt und der Begriff der Berufskrankheit nicht auf solche Krankheiten beschränkt ist, die nur und ausschließlich mit einer bestimmten beruflichen Tätigkeit zusammenhängen, aber nicht in der allgemeinen Öffentlichkeit auftreten. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass zu näherer Prüfung oder Aufklärung der Frage, ab welchem Grad des Impfschutzes der einen Kindergarten besuchenden Kinder das Infektionsrisiko auch für eine Erzieherin ohne entsprechende Antikörper in einem Kindergarten auf ein Maß reduziert wird, das keine besondere Infektionsgefahr mehr darstellt.
Das Berufungsgericht hat aufgrund der verfahrensfehlerfrei verwerteten Erkenntnisse zu den Auswirkungen einer nach Vorstehendem als Berufskrankheit einzuordnenden Mumpserkrankung während der Schwangerschaft weiterhin rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass diese mit einer erhöhten Gefährdung für die werdende Mutter verbunden wäre. Damit ist auch die weitere tatbestandliche Voraussetzung eines Beschäftigungsverbots nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 2. Alternative MuSchG erfüllt; nicht erforderlich ist, dass zusätzlich kumulativ auch eine Gefahr für die Leibesfrucht bestehen müsse, so dass das Berufungsgericht dieser Frage nicht durch weitere Sachaufklärung nachzugehen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
FamRZ 2005, 1742 |
DVBl. 2005, 1340 |