Entscheidungsstichwort (Thema)
Normenkontrollverfahren. Antragsbefugnis. Prozessführungsbefugnis. kirchlicher Gemeindeverband. Genehmigungsbedürftigkeit der Klageerhebung. Rückwirkung der Genehmigung. Ablauf der Antragsfrist. Gewerkschaft. Vereinigungsfreiheit. Koalitionsfreiheit. Schutzpflicht. Sonn- und Feiertagsschutz. Beschäftigung von Arbeitnehmern. Zulassung von Ausnahmen. Rechtsverordnung. Gesetzesvorbehalt. Wesentlichkeitstheorie. Bestimmtheitsgrundsatz. Vermeidung erheblicher Schäden. Bedürfnisse der Bevölkerung. Erforderlichkeit von Ausnahmen. Videotheken. öffentliche Bibliotheken. Brauereien. Getränkeindustrie. Eisfabriken. Großhandel. Buchmachergewerbe. Callcenter. Lotto- und Totogesellschaften. Verfahrensfehler. fehlende Begründung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gewerkschaft ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt für einen Normenkontrollantrag gegen eine Rechtsverordnung, die in ihrem Tätigkeitsbereich gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zulässt.
2. Der Vorbehalt des Gesetzes erfordert nicht, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Getränkeindustrie, in Eisfabriken und im Großhandel mit deren Erzeugnissen sowie in Callcentern wegen der Wesentlichkeit dieser Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber, nicht aber auf der Grundlage der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG durch den Verordnungsgeber zugelassen wird.
3. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und die nicht weiter eingegrenzte Beschäftigung in Callcentern sind nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, um erhebliche Schäden zu vermeiden.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1-2, Art. 9 Abs. 1, 3, Art. 140; WRV Art. 139; VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, §§ 61, 138 Nr. 6; ArbZG §§ 9-10, 13; BedGewV § 1 Nrn. 1, 4-5, 8-10
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 12.09.2013; Aktenzeichen 8 C 1776/12.N) |
Tenor
Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung – BedGewV) vom 12. Oktober 2011 (GVBl I S. 664) für unwirksam erklärt hat, wird sein Urteil vom 12. September 2013 geändert. Insoweit werden die Normenkontrollanträge der Antragsteller abgelehnt.
Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BedGewV für unwirksam erklärt hat, wird sein Urteil aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. September 2013 zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Bestimmungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung.
Gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG erließ die Hessische Landesregierung am 12. Oktober 2011 die Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung – BedGewV), die im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 1. November 2011 bekannt gemacht wurde (GVBl I S. 664). Die Verordnung regelt, dass abweichend von dem generellen Verbot des § 9 Abs. 1 ArbZG an Sonn- und Feiertagen in bestimmten Bereichen mit je unterschiedlichen zeitlichen Beschränkungen Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen, soweit die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Zu diesen Bereichen gehören Videotheken und öffentliche Bibliotheken (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV), Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein und Betriebe des Großhandels mit Erzeugnissen dieser Betriebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV), Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels mit diesen Erzeugnissen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV), Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV), Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV) sowie Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV).
Die Antragstellerin zu 1, die ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, hat nach ihren Angaben in Hessen ca. 168 000 Mitglieder, von denen ca. 6 700 in Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind. Der Antragsteller zu 2, das Evangelische Dekanat Darmstadt-Stadt, ist aus den 20 Evangelischen Kirchengemeinden im Gebiet der Stadt Darmstadt gebildet. Es gehört wie der Antragsteller zu 3, das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald, zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Der Antragsteller zu 3 ist aus insgesamt 40 Evangelischen Kirchengemeinden gebildet.
Die Antragstellerin zu 1 hat am 3. September 2012, die Antragsteller zu 2 und zu 3 haben am 29. Oktober 2012 beim Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollanträge gegen die Bedarfsgewerbeverordnung eingereicht und beantragt, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam zu erklären. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben Genehmigungen der Kirchenverwaltung der Landeskirche jeweils vom 23. August 2013 zur Erhebung der Klage im Verwaltungsstreitverfahren nachgereicht. Die Antragsteller haben geltend gemacht: Die Verordnung sei in dem angegriffenen Umfang rechtswidrig. Insoweit lägen die Voraussetzungen für Ausnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht vor. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in diesen Bereichen diene nicht dazu, besondere Bedürfnisse in einem wesentlichen Teil der Bevölkerung zu decken, um dadurch erhebliche Schäden zu vermeiden.
Der Antragsgegner ist den Normenkontrollanträgen entgegengetreten und hat vorgetragen: Der Antrag der Antragstellerin zu 1 sei bereits unzulässig. Sie sei nicht antragsbefugt. Der Antrag sei unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften der Verordnung dienten der Vermeidung erheblicher Schäden, die darin lägen, dass Bedürfnisse der Bevölkerung, namentlich solche der Freizeitgestaltung und der saisonalen Versorgung mit Eis und Getränken, nicht befriedigt würden. Er habe sich insbesondere daran orientiert, dass sich seit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes das Freizeit- und Verbraucherverhalten der Bevölkerung sowie die ökonomischen Rahmenbedingungen gravierend verändert hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch das angefochtene Urteil die Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 BedGewV für unwirksam erklärt: Die Normenkontrollanträge seien zulässig. Die Antragstellerin zu 1 könne geltend machen, durch die angegriffene Verordnung in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV verletzt zu werden. Ob die Antragsteller zu 2 und zu 3 im Zeitpunkt ihrer Antragstellung berechtigt und fähig gewesen seien, ihre Rechte vor einem staatlichen Gericht ohne die nach der Dekanatssynodalordnung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung geltend zu machen, könne offenbleiben, weil die Kirchenleitung die erforderlichen Genehmigungen nachträglich erteilt habe. Die Normenkontrollanträge seien begründet. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Getränkeindustrie und -großhandel), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken für Roh- und Speiseeis sowie entsprechender Großhandel) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Callcenter) seien ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage ergangen. Der Verordnungsgeber habe hier im grundrechtsrelevanten Bereich wesentliche Grundentscheidungen getroffen, die nicht ihm zustünden, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten seien. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV zugunsten von Videotheken und öffentlichen Bibliotheken diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Die Nutzer dieser Einrichtungen könnten sich auf deren Schließung an Sonn- und Feiertagen einstellen, indem sie ihre Vorbereitungen für die Gestaltung dieser Tage schon am Samstag oder einem anderen arbeitsfreien Tag träfen. Auch die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV für Toto- und Lottogesellschaften diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Würden Gewinner und Gewinnquoten um einen Tag verzögert ermittelt und mitgeteilt, liege darin kein solcher Schaden. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV zugunsten des Buchmachergewerbes sei nicht hinreichend bestimmt. Nach der Begründung für die Bedarfsgewerbeverordnung habe diese Ausnahme offenbar nur Pferderennen erfassen sollen. Die Regelung sei jedoch nicht auf zertifizierte bzw. konzessionierte Buchmacher beschränkt, die ausschließlich Pferdewetten abschließen und vermitteln dürften.
Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter, die Normenkontrollanträge abzulehnen: Die Anträge seien unzulässig. Die Antragstellerin zu 1 sei nicht antragsbefugt. Es sei ausgeschlossen, dass sie durch die angegriffenen Vorschriften in eigenen Rechten, namentlich in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 140 GG, Art. 139 WRV verletzt werde. Der Sonn- und Feiertagsschutz nach diesen Bestimmungen sei nicht funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit angelegt. Den Antragstellern zu 2 und zu 3 fehle die Prozessführungsbefugnis.
Ihnen seien kirchenrechtlich keine Aufgaben und damit korrespondierende Rechte zugewiesen, die sich auf den Sonntagsschutz bezögen. Bis zum Ablauf der Antragsfrist habe keine für die Antragstellung erforderliche Genehmigung der Kirchenleitung vorgelegen. Eine Heilung dieses Mangels durch eine nachträgliche Genehmigung scheide aus. Das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen, soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen habe, die Ausnahme zugunsten des Buchmachergewerbes in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Worin der Grund für die Unbestimmtheit liegen solle, sei nicht verständlich. In der Sache habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, die Ausnahmen in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 BedGewV verstießen gegen den Parlamentsvorbehalt. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alles Wesentliche für die Beantwortung der Frage geregelt, wann Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz in Betracht kämen. Die Ausnahmen zugunsten der Videotheken, öffentlichen Bibliotheken und Lotto- und Totogesellschaften dienten der Vermeidung erheblicher Schäden für die Belange der Verbraucher.
Die Antragsteller wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen, namentlich ihre Ausführungen zu ihrer Antragsbefugnis.
Der Vertreter des Bundesinteresses hebt hervor: Der Verwaltungsgerichtshof überdehne die Anforderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergäben. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG alle abwägungserheblichen Gesichtspunkte sowie deren generelle Gewichtung klar benannt und damit alles Wesentliche für die Zulassung weiterer Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen selbst geregelt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Antragsgegners ist nur zum Teil begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Normenkontrollanträge aller Antragsteller für zulässig gehalten. In der Sache ist das angefochtene Urteil mit Bundesrecht vereinbar, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Videotheken und öffentliche Bibliotheken) sowie § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV (Lotto- und Totogesellschaften) für ungültig erklärt hat. Das angefochtene Urteil verletzt aber Bundesrecht, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV (Buchmachergewerbe) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Dienstleistungsunternehmen zur Entgegennahme von Aufträgen, Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation – Callcenter) für ungültig erklärt hat. Hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV ist das Urteil jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Ob dies hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BedGewV ebenfalls zutrifft, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Dagegen erweist sich das angefochtene Urteil hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, ohne dass insoweit weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich wären.
1. Die Anträge sind zulässig.
a) Der Antragstellerin zu 1, der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, fehlt weder die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch das Rechtsschutzinteresse.
aa) Die Antragstellerin kann geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen der Bedarfsgewerbeverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vortrag aus, dass diese Bestimmungen mit der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I S. 1170) nicht vereinbar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ist auch den Interessen von Vereinen und Gewerkschaften zu dienen bestimmt. Die dort geregelten Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung sind in diesem Sinne drittschützend. Die begünstigte Gewerkschaft kann sich darauf berufen, die Voraussetzungen für den Erlass der Rechtsverordnung hätten nicht vorgelegen und die Verordnung verstoße dadurch gegen eine auch sie schützende Rechtsnorm.
§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 – BVerfGE 125, 39 ≪80 f.≫). Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 83). Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 84). Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lassen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 82).
Rhythmisch wiederkehrende Tage der Arbeitsruhe und eine damit einhergehende regelmäßige Arbeitsruhe für alle fördern und erleichtern die Möglichkeit des Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht. Wenn der Vereinigung abgeleitet aus der Vereinigungsfreiheit eine Antragsbefugnis zugebilligt wird, wird ihr mithin, anders als der Antragsgegner meint, nicht etwa erlaubt, die Rechte ihrer Mitglieder als eigene wahrzunehmen. Sie nimmt vielmehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Vereinigung zusteht.
Zwar muss darüber hinaus die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch die angegriffene Rechtsnorm in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sein. Sie kann eine Rechtsnorm nicht angreifen, wenn deren Anwendung sich nicht negativ auf die Verwirklichung gerade ihrer Vereinigungsfreiheit auswirken kann. An dieser Einschränkung scheitert die Antragsbefugnis der Antragstellerin indes nicht. Die Bedarfsgewerbeverordnung gestaltet den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe im Dienstleistungsbereich aus, in dem die Antragstellerin tätig ist.
bb) Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse.
Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermeiden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Maßgeblich ist, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Norm seine Rechtsstellung verbessern kann (Urteil vom 23. April 2002 – BVerwG 4 CN 3.01 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Normen ein Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin unterbliebe.
b) Auch die Anträge der Antragsteller zu 2 und zu 3, der Evangelischen Dekanate Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald, sind zulässig.
aa) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind antragsbefugt. Sie können ebenfalls geltend machen, die angegriffenen Normen verstießen gegen den auch für sie drittschützenden § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG, der auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag konkretisiert, der sich für sie aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergibt.
Entgegen den insoweit geäußerten Zweifeln des Antragsgegners sind die Dekanate nicht bloße übergeordnete Verwaltungsinstanzen oder Dachverbände, die an dem eigentlichen religiösen Auftrag nicht teilhaben. Sie sind vielmehr in ihrem Bereich Religionsgemeinschaften und Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 17 der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Kirchenordnung – KO) in der Fassung vom 20. Februar 2010, Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ABl) 2010 S. 118, hat das Dekanat den Auftrag, das kirchliche Leben in der Region zu gestalten und so das Evangelium in seinem Bereich zu bezeugen. Es dient der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, der Förderung der Zusammenarbeit und dem missionarischen Wirken in der Welt. Das Dekanat trägt Verantwortung für die Entwicklung der kirchlichen Handlungsfelder in seinem Gebiet und fördert neue kirchliche Arbeit in seinem Gebiet.
bb) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie sind juristische Personen in der Gestalt von Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts festgestellt. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Kirchen in Hessen vom 10. Juni 1960 (GVBl I S. 54) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 dieses Vertrages sind die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach Art. 16 Satz 1 KO werden die Dekanate aus den Kirchengemeinden eines zusammengehörenden Gebietes gebildet. Hieraus hat der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass die Dekanate Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht auch dann gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden, wenn das irrevisible Recht Normen der Verwaltungsprozessordnung ergänzt, welche von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen regeln (Urteil vom 1. Juli 1988 – BVerwG 4 C 15.85 – Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69).
cc) Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind prozessführungsbefugt.
Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht.
Die Antragsteller zu 2 und zu 3 sind befugt, über das von ihnen behauptete Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einen Prozess im eigenen Namen zu führen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass Beschlüsse des Dekanatssynodalvorstands über die Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der Dekanatssynodalordnung (DSO) vom 26. November 2003 (ABl 2004, 87) der Genehmigung durch die Kirchenverwaltung bedürfen und erst mit deren Erteilung wirksam werden. Die Vorschrift beschränkt nicht die Befugnis des Dekanatssynodalvorstands, das Dekanat nach außen wirksam zu vertreten. Diese Befugnis ist anderweit in § 24 DSO geregelt. Ebenso wie die weiteren Genehmigungsvorbehalte in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vorschrift der Kirchenverwaltung als Aufsichtsbehörde ein Kontrollrecht bei als wichtig angesehenen Vorgängen ein. Sie betrifft damit nur die interne Willensbildung. Das gerichtlich geltend gemachte Recht steht aber weiterhin allein den Antragstellern zu. Dass ihre interne Willensbildung vor Antragstellung an einem Mangel litt, nimmt ihnen nicht die Prozessführungsbefugnis.
Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob eine Genehmigung, die erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erteilt wird, sich noch auf die Zulässigkeit des Antrags auswirken könnte oder ob dies ausgeschlossen ist, weil die Antragsfrist eine Ausschlussfrist ist.
2. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.
a) Entgegen der Auffassung der Antragsteller folgt dies allerdings (weder hier noch bei den weiteren Bestimmungen der Verordnung) nicht bereits daraus, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG Ausnahmen nur für Betriebe zulasse, der Antragsgegner aber Ausnahmen für Bereiche zugelassen habe.
§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt zum Erlass einer Rechtsverordnung und damit zum Erlass genereller Regelungen. Der Verordnungsgeber soll nicht für einzelne konkrete Betriebe Ausnahmen zulassen, sondern muss die Betriebe nach Branchen oder Tätigkeitsfeldern abstrakt umschreiben. Wenn er dabei von „Bereichen” spricht, weicht er mit dieser Wortwahl nicht von der Ermächtigungsgrundlage ab.
b) Jedoch liegen die Voraussetzungen der Ermächtigung nicht vor. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 Satz 1 ArbZG können die Landesregierungen über die Ausnahmen in § 10 ArbZG hinaus durch Rechtsverordnung weitere Ausnahmen von dem Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist.
Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen ist nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und anderenfalls eintretende erhebliche Schäden zu vermeiden.
aa) Es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen einerseits den Gründen, aus denen eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zugelassen werden darf, und andererseits den Schäden, deren Vermeidung die Zulassung einer Ausnahme dienen soll. Die Schäden bestehen darin, dass Bedürfnisse der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt werden. Zu diesen Bedürfnissen gehören auch solche, welche die Möglichkeit betreffen, die Freizeit an Sonn- und Feiertagen nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. Wird die Freizeitgestaltung jedenfalls für beachtliche Teile der Bevölkerung beeinträchtigt, kann dies einen Schaden darstellen, zu dessen Vermeidung eine Ausnahme zugelassen werden kann. Dass von der Ermächtigung (nur) zur Vermeidung erheblicher Schäden Gebrauch gemacht werden darf, steuert dabei ebenso wie die vorgeschriebene Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe die Anforderungen, die an Bedeutung und Gewicht des Bedürfnisses zu stellen sind, dessen sonst unterbleibende Befriedigung die Zulassung einer Ausnahme vom Beschäftigungsverbot rechtfertigen soll. Im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG „erforderlich” ist die Befriedigung täglich oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nur, wenn ihr Unterbleiben einen erheblichen Schaden darstellt. Insoweit hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Auswahl der Bedürfnisse eingeschränkt, deren Befriedigung eine Ausnahme rechtfertigen soll.
bb) Bedürfnisse der Bevölkerung, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten, sind insbesondere solche, die der Freizeitgestaltung dienen. Der Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die Bürger sollen sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O. S. 85 f.).
Videotheken ermöglichen der Bevölkerung, die Freizeit zu gestalten, indem sie Bildträger, wie Videokassetten und DVD, aber auch Computerspiele vermieten. Sonn- und Feiertage bieten die nötige Zeit und Muße, um sich Filme eigener Wahl, also unabhängig vom jeweiligen Angebot der Lichtspieltheater und des Fernsehens, anzusehen. Jedoch ist es nicht erforderlich, Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen offenzuhalten, damit dieses Bedürfnis befriedigt werden kann.
Bildträger, wie DVD, können ebenso wie Computerspiele werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Wer an Sonn- und Feiertagen eine DVD oder ein Computerspiel verwenden will, muss seinen Bedarf an einem der vorangehenden Werktage decken oder etwa von der Vorführung von Filmen an dem folgenden Sonntag oder Feiertag absehen (vgl. hierzu bereits: (Urteil vom 19. April 1988 – BVerwG 1 C 50.86 – BVerwGE 79, 236 ≪242≫).
Der Verordnungsgeber kann zwar bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Es mag sein, dass es inzwischen in weiten Kreisen der Bevölkerung als ein Mangel empfunden wird, wenn der spontane Wunsch, sich einen bestimmten Film anzusehen, nicht sogleich erfüllt werden kann. Insbesondere über das Internet lassen sich solche Wünsche ohne Aufschub realisieren. Dadurch mag die Einstellung der Bevölkerung weithin geprägt sein, die eine sofortige Verfügbarkeit von Angeboten voraussetzt und erwartet (so im Ergebnis: SächsVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – Vf. 77-II-11 A – NVwZ-RR 2012, 873 ≪879≫).
Ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügt jedoch grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen. Er muss nicht allein deshalb zurückstehen, weil die Kunden ihren an Sonn- oder Feiertagen bestehenden Bedarf etwa an DVD-Filmen zwar an Werktagen decken könnten, ihn aber nicht an diesen Tagen, sondern aufgrund eines spontanen Entschlusses an Sonn- oder Feiertagen decken wollen. Es tritt unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe kein erheblicher Schaden im Sinne der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ein, wenn Wünsche nach einer bestimmten Freizeitgestaltung nur durch vorausschauende Planung realisiert werden können.
cc) Aus denselben Gründen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in öffentlichen Bibliotheken nicht erforderlich, um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Für wissenschaftliche Präsenzbibliotheken gilt ohnedies eine Ausnahme bereits aufgrund von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG.
3. Die Normenkontrollanträge sind ferner begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung zulässt. Auch insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.
Lotto- und Totospielen mag als Freizeitaktivität den Sonn- und Feiertagen zugeordnet werden können. Die Entgegennahme von Spielscheinen ist jedoch nicht erfasst. Abwicklung meint die Arbeiten nach der Ermittlung des Ergebnisses. Die Kabinettsvorlage begründet die Regelung damit, in der Bevölkerung bestehe ein dringendes Informationsbedürfnis für die zeitnahe Auswertung von Lotto- und Totoergebnissen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass ein Aufschub der Abwicklung des Spiels, also die Mitteilung des Ergebnisses einschließlich einer Gewinnquote, nicht auch auf die folgenden Werktage verschoben werden kann. Auch insoweit ist die sofortige Befriedigung des Informationsbedürfnisses nicht in einer Weise dringend, dass durch seinen Aufschub das Freizeitvergnügen erheblichen Schaden nimmt.
4. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (Callcentern) zulässt.
a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist diese Ausnahme allerdings nicht schon deshalb von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Mit dieser Begründung verletzt das angefochtene Urteil vielmehr Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet wesentlich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte” (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 – 1 BvR 1640/97 – BVerfGE 98, 218 ≪251≫).
bb) Gemessen hieran hatte nicht der (Bundes-)Gesetzgeber selbst zu entscheiden, ob für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Callcentern eine Ausnahme zugelassen werden soll. Er durfte diese Entscheidung vielmehr dem Verordnungsgeber überlassen. Was für die Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes und die Schutzpflichten für dadurch konkretisierte Grundrechte wesentlich ist, hat der Gesetzgeber im Arbeitszeitgesetz geregelt. Er hat festgelegt, dass das Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen die Regel ist, eine solche Beschäftigung nur als Ausnahme zugelassen werden kann. Er hat in § 13 Abs. 1 ArbZG festgelegt, welche gegenläufigen Belange hinreichendes Gewicht haben, um eine Ausnahme zu rechtfertigen, in Nr. 2 Buchst. a die Befriedigung von täglichen oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Er hat hierzu weitere Voraussetzungen festgelegt, welche die Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes als Ausnahme sichern.
Auf die Zahl der Betroffenen allein kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, ob das mit der Ausnahme verfolgte Ziel ein solches Gewicht hat, das auch die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen gerechtfertigt erscheint, und ob die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ihren Ausnahmecharakter behält. Die hierfür notwendigen Vorgaben hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber durch die begrenzenden Voraussetzungen der Ermächtigung gemacht.
cc) Unzutreffend ist die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierung lasse nur Annahmen zu, durch welche einem Regelungsbedürfnis regionaler Art Rechnung getragen werden solle.
Zwar enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 13 Abs. 2 ArbZG die Bemerkung, eine Landesverordnung komme insbesondere dann in Frage, wenn das Regelungsbedürfnis regionaler Art sei (BTDrucks 12/5888 S. 30). Schon diese Bemerkung bringt nicht zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber die Ermächtigung zu Gunsten der Landesregierungen auf Regelungsbedürfnisse regionaler Art hat begrenzen wollen. Erst Recht hat eine solche Begrenzung im Normtext keinen Anhalt gefunden. Der Gesetzgeber hat in erster Linie die Bundesregierung zum Erlass der Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt und die Landesregierungen nur, soweit die Bundesregierung von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht. In diesem Fall können die Landesregierungen „entsprechende Bestimmungen” erlassen. Daraus ergibt sich, dass die Regelungskompetenz der Landesregierungen inhaltlich nicht eingeschränkt ist, sondern sie ihnen in demselben Umfang übertragen wird, wie sie der Bundesregierung zusteht.
dd) Eine fehlende Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers kann ferner nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Gesetzgeber – wie der Verwaltungsgerichtshof meint – bei der Neufassung des Arbeitszeitgesetzes, jedenfalls bei späteren Änderungen dieses Gesetzes, bekannt war, dass Callcenter auch an Sonn- und Feiertagen auf unterschiedlichen – nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs: zweifelhaften – Grundlagen tätig waren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs trägt die Schlussfolgerung nicht, wenn der Gesetzgeber gleichwohl in den Katalog des § 10 ArbZG keine Ausnahme zu Gunsten von Callcentern aufgenommen habe, habe er damit zugleich die Wertung getroffen, insoweit überwiege der Sonntagsschutz die Belange der Betriebe und der Bevölkerung, die ihre Dienstleistungen nachfrage.
Dass der Gesetzgeber in möglicher Kenntnis der Verhältnisse Callcenter nicht mit einer eigenen gesetzlichen Ausnahme bedacht hat, stellt kein beredtes Schweigen dar. Der Gesetzgeber kann von einer gesetzlichen Regelung allein deshalb Abstand genommen haben, weil er die Regelung dieses Sachverhalts beispielsweise wegen dessen geringerer Bedeutung dem Verordnungsgeber überlassen wollte.
b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme sind nicht erfüllt. Weitere tatsächliche Feststellungen sind hierfür nicht erforderlich. Der Senat kann deshalb insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV erfasst zum einen Dienstleistungsunternehmen, die als Dienstleister für andere Unternehmen per Telekommunikation Aufträge entgegennehmen, Auskünfte erteilen und beraten. Er erfasst zum anderen Dienstleistungsunternehmen, die durch eigene Beschäftigte bezogen auf ihre eigenen Dienstleistungen solche Leistungen anbieten. In beiden Fällen ist nicht weiter eingegrenzt, in welchen Branchen oder Tätigkeitsfeldern diese Leistungen sollen erbracht werden dürfen.
Mit diesem Inhalt ist die Norm mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar. Ob die engen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, lässt sich angesichts der Weite der Ausnahme und der damit einhergehenden mangelnden Voraussehbarkeit der erfassten Branchen und Tätigkeitsfelder nicht prüfen. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass der Betrieb von Callcentern gleichgültig in welcher Branche oder für welche Tätigkeitsfelder stets erforderlich ist, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.
Unter den Branchen, für die Callcenter tätig sind, sind auch solche, bei denen eine Ausnahme vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist. Dazu gehört namentlich der Versandhandel, für den insbesondere der Antragsgegner aufgrund eines gewandelten Verbraucherverhaltens ein Bedürfnis der Bevölkerung an der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung an Sonn- und Feiertagen per Telekommunikation annehmen möchte. Zwar mag die Muße eines Sonn- und Feiertags vermehrt auch dazu genutzt werden, die Angebote des Versandhandels in Ruhe zu sichten und überlegte Kaufentscheidungen vorzubereiten. Jedoch ist die Erfüllung eines Erwerbswunsches durch Abgabe eines Auftrags, gegebenenfalls nach vorheriger Einholung zusätzlicher Auskünfte oder weiterer Beratung auch an den folgenden Werktagen ohne Weiteres möglich. Das Bedürfnis nach weiteren Auskünften, nach Beratung oder Erteilung eines Auftrags muss nicht sofort befriedigt werden. Diese Tätigkeiten sind eng der werktäglichen Geschäftigkeit und den alltäglichen Erwerbswünschen zuzurechnen. Ihr Aufschub ist hinzunehmen; eine erhebliche Einbuße des Freizeitwerts ist mit ihm nicht verbunden.
Allenfalls für einzelne Branchen mag es vorstellbar sein, dass angesichts eines gewandelten Verbraucherverhaltens oder aus anderen Gründen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis nach Entgegennahme von Aufträgen, nach Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation besteht, welches auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Callcentern als erforderlich erscheinen lässt. Mangels jeden Anhaltspunktes im Normtext ist es den Gerichten aber verwehrt, selbst einen eigenen Katalog zulässiger Felder für eine Betätigung von Callcentern an Sonn- und Feiertagen aufzustellen, um die Norm zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Soweit über Callcenter Dienste abgewickelt werden, die an Sonn- und Feiertagen erreichbar sein müssen, um sonst eintretende erhebliche Schäden an Rechtsgütern zu verhindern, bedarf es einer übergangsweisen Aufrechterhaltung der Norm nicht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Notdiensten beschäftigt werden. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sie erfasst alle Dienstleistungen und Tätigkeiten zur Hilfeleistung, wie Schlüsseldienste, Reparaturnotdienste und Sperrannahmedienste der Banken und Kreditkartenunternehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Dienste in den Unternehmen selbst oder über ausgelagerte Callcenter erreichbar sind.
5. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels zulässt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
a) Insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen.
b) Das angefochtene Urteil erweist sich nicht schon deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, weil – wie die Antragsteller geltend gemacht haben – die Verordnung (insgesamt und deshalb auch bezogen auf diese Regelung) dem Abwägungsgebot nicht genügt und aus diesem Grund unabhängig davon ungültig ist, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die in Rede stehende Ausnahme vorgelegen haben.
Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann in der Regel nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden. Der parlamentarische Gesetzgeber leitet im Rahmen seiner Verordnungsermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den Verordnungsgeber weiter. Mit der Rechtssetzung durch Verordnung sind vorbehaltlich gesetzlicher Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzlichen Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche – wie hier – nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (Urteil vom 26. April 2006 – BVerwG 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 Rn. 16).
c) Ob das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme nicht erfüllt sind, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit muss die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Auf der bisherigen Tatsachengrundlage lässt sich weder feststellen noch ausschließen, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels erforderlich ist, um tägliche oder an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.
aa) Allerdings liegt auf der Hand, dass Getränke nicht erst an Sonn- und Feiertagen produziert werden und zur Verfügung stehen, um Bedürfnisse der Endverbraucher noch am selben Tag zu befriedigen. Soweit es um Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumwein geht, kann nur die Tatbestandsvariante in Betracht kommen, dass die Beschäftigung der Arbeitnehmer (auch) an Sonn- und Feiertagen für die Befriedigung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG verlangt in dieser Variante („täglicher Bedarf”) nicht, dass durch die Beschäftigung an dem Sonntag ein Bedarf an demselben Sonntag befriedigt wird.
Dabei kann unterstellt werden, dass ein tägliches Bedürfnis an Brauereierzeugnissen und alkoholfreien Getränken vorhanden ist. Regelmäßig wird allerdings die Befriedigung dieses Bedürfnisses keine Produktion auch an Sonn- und Feiertagen erfordern, sondern durch den Ausstoß an Getränken an den übrigen Tagen gedeckt werden können. Soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b BedGewV eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nur in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober des Jahres zulässt, darf die Vorschrift ferner nicht dahin missverstanden werden, dass in dieser Zeit durchgängig an jedem Sonn- und Feiertag die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme steht unter dem allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 1 BedGewV, dass die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Dies kann allenfalls in Spitzenzeiten der Nachfrage zutreffen, also insbesondere im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden, wenn etwa die Produktion aus den Zeiten geringerer Nachfrage und eine insoweit mögliche Lagerhaltung nicht mehr ausreicht, auch den jetzt erhöhten Bedarf zu decken, und die Kapazitäten der Getränkehersteller aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen nicht auf einen solchen Spitzenbedarf ausgerichtet sind. Sie könnten deshalb in derartigen Spitzenzeiten auf eine Produktion rund um die Woche angewiesen sein, um den dann täglich gegebenen erhöhten Bedarf auch (zeitversetzt zur Produktion) täglich decken zu können.
bb) Soweit die Ausnahme sich auf Betriebe des Großhandels bezieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c BedGewV), kommt als Grundlage der Regelung nur die Tatbestandsalternative in Betracht, dass die Belieferung der Kundschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen dient, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten.
Für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse ist eine Ausnahme nicht erforderlich. Außerhalb der Sonn- und Feiertage werden die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Versorgung mit Getränken in erster Linie über Verkaufsstellen befriedigt. Für ihre Belieferung ist der Großhandel nicht auf die Sonn- und Feiertage angewiesen. Selbst ein größerer Absatz von Getränken am Wochenende kann durch eine Belieferung am frühen Montag ausgeglichen werden.
An Sonn- und Feiertagen treten Bedürfnisse der Bevölkerung an Erzeugnissen der Brauereien, an alkoholfreien (Erfrischungs-)Getränken und an Schaumwein besonders hervor in Restaurants, Ausflugslokalen und an diesen Tagen geöffneten Vergnügungsstätten. Restaurants können sich grundsätzlich an Werktagen ausreichend eindecken. Die Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG dient nicht dazu, Fehldispositionen einzelner Unternehmen auszugleichen (zutreffend: Richardi/Annuß, NZA 1999, 953 ≪956≫). Dass eine Belieferung dieser Kunden des Großhandels an Sonn- und Feiertagen über den Ausgleich von Fehldispositionen hinaus erforderlich ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung dort zu befriedigen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.
6. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie in Betrieben des Großhandels mit diesen Erzeugnissen zulässt, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden.
Auch insoweit verletzt der Verwaltungsgerichtshof aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung dieser Ausnahme erfüllt sind und das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit muss die Sache aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden.
7. Die Normenkontrollanträge sind unbegründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen zulässt. Insoweit ist die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG gedeckt.
a) Mit seiner gegenteiligen Annahme verletzt der Verwaltungsgerichtshof Bundesrecht.
aa) Entgegen der Rüge des Antragsgegners leidet das angefochtene Urteil insoweit nicht an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs genügen dem formalen Begründungserfordernis (zu ihm etwa: Beschluss vom 4. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 187.98 – Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Es ist erkennbar, mit welchen Überlegungen der Verwaltungsgerichtshof zu seiner Annahme gelangt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt. Er hat der Begründung des Entwurfs der Rechtsverordnung entnommen, der Verordnungsgeber habe mit dieser Norm eine Ausnahme zu Gunsten der Buchmacher auf Pferderennbahnen für Rennen an Sonn- und Feiertagen schaffen wollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Wortlaut der Norm eine so eingeschränkte Ausnahme aber nicht entnehmen können und deshalb gemeint, der Verordnungsgeber habe seinen Regelungswillen nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht. Aus diesen Überlegungen mag sich eine Unbestimmtheit der Norm nicht ergeben können. Das begründet aber keinen formalen Mangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.
bb) Bundesrecht verletzt aber die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei nicht hinreichend bestimmt. Die Norm mag auslegungsbedürftig sein, sie ist aber auch auslegungsfähig.
Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV dürfen Arbeitnehmer im Buchmachergewerbe nicht schlechthin an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sondern nur zur Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen. Dabei kann es sich nur um solche Veranstaltungen handeln, die an diesem Tage stattfinden und für die sich deshalb aus anderen Vorschriften ergeben muss, dass sie an diesen Tagen etwa aus Gründen der Freizeitgestaltung der Bevölkerung auch stattfinden dürfen (hierzu: § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG). Ferner ergibt sich aus der Bezugnahme auf Veranstaltungen zugleich, dass die Wetten nur an der Stätte der Veranstaltung entgegen genommen werden dürfen. Erfasst werden damit insbesondere Rennsportveranstaltungen, etwa auf Pferderennbahnen.
b) In dieser Auslegung ist § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Bei der Annahme von Wetten für Veranstaltungen am Veranstaltungsort handelt es sich um einen spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarf, der als Bestandteil des Freizeiterlebnisses aus der Situation geboren ist und, um nicht den Freizeitgenuss insgesamt zu gefährden, nur an Ort und Stelle befriedigt werden kann (zutreffend: Richardi/Annuß, a.a.O.).
Unterschriften
Neumann, Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
Haufe-Index 7602700 |
BVerwGE 2015, 327 |
AuA 2015, 49 |
DÖV 2015, 618 |
GewArch 2015, 356 |
JZ 2015, 124 |
VR 2015, 179 |
DVBl. 2015, 3 |
Kirche & Recht 2014, 259 |
Kirche & Recht 2015, 106 |
Personalmagazin 2015, 65 |
sis 2015, 150 |