Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Rückübertragung. Widmung zum Gemeingebrauch. Sachen im Anstaltsgebrauch. öffentliche kommunale Einrichtung. maßgeblicher Zeitpunkt der Widmung. Stichtagsregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nutzung eines Flurstücks durch die freiwillige Feuerwehr, die Post und die Gemeinde, die dort eine Bücherei und eine Dienstleistungsstelle betrieben hat, schließt die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück nicht aus.
2. Die Nutzung eines Grundstücks als öffentliche Einrichtung der Gemeinde für die wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Betreuung ihrer Einwohner ist kein Indiz für eine Widmung zum Gemeingebrauch.
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für eine Widmung zum Gemeingebrauch, welche die Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken ausschließt, ist der 29. September 1990.
Normenkette
VermG § 3 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2
Verfahrensgang
VG Dessau (Urteil vom 11.07.2000; Aktenzeichen A 3 K 107/97 DE) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 11. Juli 2000 wird insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich des Flurstücks 120 der Flur 3 der Gemarkung H., eingetragen im Grundbuch H. Blatt 320, abgewiesen worden ist.
Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der landwirtschaftliche Betrieb des Vaters der Kläger wurde im Jahre 1953 wegen sog. Republikflucht enteignet und in das Eigentum des Volkes überführt. Die Kläger begehren die Rückübertragung des Eigentums an den Grundstücken; im anhängigen Revisionsverfahren geht es um das Flurstück 120 der Flur 3 der Gemarkung H. mit einer Größe von 1 433 qm.
Der Beklagte lehnte durch Teilbescheid vom 29. Mai 1995 u.a. die Rückübertragung dieses Flurstücks ab, stellte aber fest, dass die Kläger Berechtigte im Sinne des öffentlichen Vermögensrechts seien. Die Rückübertragung komme nicht in Betracht, weil das Flurstück durch die Gemeinde H. dem Gemeingebrauch zugänglich gemacht worden sei. Als Dorfplatz sei es das kulturelle Zentrum der Gemeinde und als parkähnliche Anlage allen zugänglich. Den Widerspruch der Kläger wies der Widerspruchsausschuss bei dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 25. März 1997 zurück.
Die Beigeladene zu 1 hat im anschließenden Klageverfahren angeführt, dass das Flurstück 120 an 360 Tagen im Jahr als Parkplatz genutzt werde und als Dorfplatz zum Abhalten von Festen und Einwohnerversammlungen zur Verfügung stehe. Des Weiteren befinde sich dort ein Wartehäuschen für die Bushaltestelle und ein Feuerwehrgerätehaus, bei dem es sich um ein seit den 1970er Jahren genutztes ehemaliges Gebäude der Bauernwirtschaft handele. Der Parkplatz sei etwa 1993 in befestigter Form angelegt worden und auch als solcher ausgewiesen, zuvor hätten sich auf diesem Platz mehrere Schuppen befunden, in denen Gerätschaften zur Gartenpflege und Durchführung sonstiger Arbeiten gelagert hätten. Diese Schuppen habe die Gemeinde etwa in den 1970er Jahren errichtet. Bis 1991 habe sich dort auch ein massiver Klinkerbau, das ehemalige Stallgebäude der Bauernwirtschaft, befunden. Es sei bis zum Abriss 1991 als Poststelle, Gemeindebücherei und Dienstleistungsstelle der Gemeinde genutzt worden.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Juli 2000 die auf Rückübertragung des Eigentums an diesem Grundstück gerichtete Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Eine Rückgabe sei ausgeschlossen, weil das Flurstück dem Gemeingebrauch gewidmet sei. Das Gelände sei begrünt und für jedermann zugänglich, es werde von der Gemeinde als öffentlicher Parkplatz, aber auch als Dorfplatz und kulturelles Zentrum genutzt. Außerdem befinde sich dort eine Bushaltestelle sowie das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr. Da die Widmung zum Gemeingebrauch zukünftig fortbestehen solle, sei ein Restitutionsausschlussgrund gegeben. Dem stehe nicht entgegen, dass die konkrete gegenwärtige Nutzung zum Teil erst seit 1993 bestehe. Die Widmung der Fläche zum Gemeingebrauch habe bereits durchgehend seit den 1970er Jahren bestanden, da dort wesentliche gemeindliche Einrichtungen angesiedelt gewesen seien. Es sei nur eine teilweise Änderung einzelner Nutzungen erfolgt, während der Gesamtcharakter als ein zentraler Punkt in der Gemeinde erhalten geblieben sei.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des materiellen Rechts und des Untersuchungsgrundsatzes durch das Verwaltungsgericht.
Sie beantragen,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Dessau vom 11. Juli 2000, des Teilbescheides des Beklagten vom 29. Mai 1995 und des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt vom 25. März 1997 zu verpflichten, das Eigentum an dem Flurstück 120 der Flur 3 der Gemarkung H., eingetragen im Grundbuch H. Blatt 320, an sie rückzuübertragen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1 tritt der Revision entgegen.
Der Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Kläger hat mit dem Ergebnis der Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) Erfolg. Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO); denn die Rückübertragung des Eigentumsrechts an dem hier noch im Streit befangenen Grundstück ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht aus Gründen des Gemeingebrauchs (§ 5 Abs. 1 Buchst. b VermG) ausgeschlossen (1.). Das Verwaltungsgericht hat aber nicht geprüft, ob wegen baulichen Aufwandes an dem Feuerwehrhaus die Restitution teilweise ausgeschlossen ist (§ 5 Abs. 1 Buchst. a VermG). Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an hinreichenden Tatsachenfeststellungen (2.).
1. Das Verwaltungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass die Kläger Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind, weil ihr Vater von Maßnahmen gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG betroffen war. Dagegen ist weder revisionsrechtlich etwas einzuwenden noch bringen die Beteiligten Abweichendes vor.
a) Das Verwaltungsgericht hat sodann angenommen, dass die Rückübertragung des Eigentumsrechts nach § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG ausgeschlossen sei, weil das fragliche Grundstück dem Gemeingebrauch gewidmet worden sei. Dort seien seit den 1970er Jahren wesentliche gemeindliche Einrichtungen angesiedelt und bis nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes (29. September 1990) vorhanden gewesen. Gemeint sind das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr, die Poststelle, die Gemeindebücherei und die Dienstleistungsstelle der Gemeinde. Doch mit dieser Begründung lässt sich das Vorliegen des Tatbestandes von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht rechtfertigen.
Eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an einem Grundstück ist danach ausgeschlossen, wenn das Grundstück dem Gemeingebrauch gewidmet wurde. Der Begriff des Gemeingebrauchs deckt sich mit dem des öffentlichen Sachenrechts und umschreibt die Nutzung einer Sache, die jedermann oder zumindest einem nicht individualisierten Personenkreis ohne besondere Zulassung eröffnet ist. Dazu gehören Sachen im sog. Anstaltsgebrauch nicht, weil der Zugang zu ihnen reglementiert ist (Urteile vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 55.94 – BVerwGE 100, 70 ≪74 f.≫ = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 5 S. 3 ≪6 f.≫ und vom 12. Dezember 2001 – BVerwG 8 C 30.00 – zur Veröffentlichung bestimmt). Um in diesem Zusammenhang vergleichbare Verwaltungseinheiten handelte es sich bei den vorgenannten Einrichtungen. Sie durften nur aufgrund einer besonderen, stillschweigend erteilten Zulassung von den Bürgern während bestimmter Öffnungszeiten genutzt werden oder stehen – wie das Feuerwehrhaus – der Allgemeinheit nach wie vor nicht ohne weiteres offen.
b) Auch aus anderen Gründen erweist sich die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht als richtig, der Ausschlussgrund von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG sei gegeben.
aa) Nach dem angefochtenen Urteil soll das Grundstück ein zentraler Ort der Gemeinde gewesen sein, doch diese Annahme allein kann den Tatbestand einer Widmung zum Gemeingebrauch noch nicht ergeben. Denn den Entscheidungsgründen lässt sich weder entnehmen, ob das Gelände über das für ein Aufsuchen der dort vorhanden gewesenen Gebäude erforderliche Maß hinaus der Allgemeinheit aus einem weiteren Zweck frei zugänglich war – etwa zu Erholungszwecken oder als öffentliche Verkehrseinrichtung –, noch für welche konkrete öffentliche Nutzung es zusätzlich bestimmt war. Die Gemeinwohlfunktion eines Grundstücks genießt restitutionsrechtlich fortdauernden Schutz erst aufgrund einer Widmung. Unter ihr wird eine Erklärung der staatlichen Stelle verstanden, dass eine Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll. Die Erklärung kann hier, da das Recht der DDR den Begriff der Widmung als solchen nicht kannte, konkludent, also durch schlüssiges Verhalten der zuständigen staatlichen Stelle erfolgt gewesen sein. Dabei reichte bloßes behördliches Dulden oder Geschehenlassen etwa dergestalt nicht aus, dass Passanten das Gelände überqueren oder Fahrzeuge gelegentlich abstellen durften. Die Tatsache, dass das Gelände mit seiner gewissen natürlichen Beschaffenheit frei zugänglich dalag, weil es nicht eingezäunt gewesen ist, oder weil die Fläche bei Gelegenheit zu Zusammenkünften der Gemeindeanwohner oder als Ort sonstiger Veranstaltungen genutzt worden war, lässt auf eine konkrete Bestimmung des Gemeingebrauchs nicht schließen. Die widmungsmäßigen Umstände müssen auf den Willen der damals zuständigen Stelle, z.B. des Rats der Gemeinde, zurückzuführen sein. Maßgeblich ist die Erkennbarkeit des Behördenwillens, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll. Für den Fall, dass es an einer eindeutigen Erklärung fehlt, hat die Rechtsprechung einen derartigen Erklärungswillen aus Indizien abgeleitet (vgl. OVG Münster Urteil vom 16. September 1975 – III A 1279/75 – NJW 1976, 820). Selbst solche Anhaltspunkte sind aber den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus den Verwaltungsvorgängen und dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beteiligten. Soweit der Beklagte und die Beigeladene zu 1 im Revisionsverfahren auf einige Veranstaltungen hingewiesen haben – im Jahre 1984 unter dem Motto „Promenadenmischungen in Hundeluft”, 1988 ein „Wasserfest” sowie alljährliche Feuerwehrfeste –, mag daraus im kommunalrechtlichen Sinne zu folgern sein, dass die Gemeinde den ehemaligen Hofplatz zu einer öffentlichen Einrichtung für die wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Betreuung ihrer Einwohner bestimmt hatte. Aber eine Widmung zum Gemeingebrauch lag darin nicht; denn anzunehmen, dass jedermann einen Anspruch auf Nutzung dieses Geländes als Veranstaltungsort hatte, wäre grundlos.
bb) Eine nach § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG beachtliche Widmung kann schließlich nicht darin gesehen werden, dass dort im Jahre 1993 nach Abriss mehrerer Schuppen und des als Poststelle, Gemeindebücherei und Dienstleistungsstelle genutzten Gebäudes ein Wartehäuschen und ein Parkplatz in befestigter Form angelegt und als solche ausgewiesen worden sind. Eine restitutionsverdrängende Wirkung kommt einer Widmung nur zu, wenn sie am 29. September 1990, dem Tag, an dem das Vermögensgesetz in Kraft getreten ist, vorgelegen hat. Das ergibt eine an Wortlaut, Sinn und Zweck, Systematik und Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung der Vorschrift.
Gemeinsamer Zweck der in § 5 Abs. 1 VermG geregelten Ausschlusstatbestände ist es, bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes nicht dadurch infrage zu stellen, dass die früheren Eigentumsverhältnisse wieder begründet werden. Der Vorschrift liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass an der Aufrechterhaltung solcher Veränderungen ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. § 5 Abs. 1 VermG setzt den Eckwert Nr. 3 a) der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 um, in dem diese Zielrichtung bereits deutlich zum Ausdruck kommt (Urteil vom 1. Dezember 1995 – BVerwG 7 C 27.94 – BVerwGE 100, 77 ≪80≫ = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 6 S. 10 ≪12≫). Dieser Eckwert gibt die Zielrichtung vor. Er geht zwar davon aus, dass grundsätzlich enteignetes Grundvermögen an die ehemaligen Eigentümer oder Berechtigten zurückzugeben ist, sieht aber die Berücksichtigung der unter Buchstabe a genannten Fallgruppen vor. Fallgruppe Buchstabe a lautet dabei: „Die Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden, deren Nutzungsart bzw. Zweckbestimmung insbesondere dadurch verändert wurden, dass sie dem Gemeingebrauch gewidmet, im komplexen Wohnungs- und Siedlungsbau verwendet, der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine neue Unternehmenseinheit einbezogen worden ist, ist von der Natur der Sache her nicht möglich. In diesen Fällen wird eine Entschädigung geleistet, soweit nicht bereits nach den für die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Vorschrift entschädigt worden ist.”
Sinn und Zweck der die Rückgabe ausschließenden Tatbestände ist damit, dass die noch während des Bestehens der DDR eingetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen der Grundstücksnutzung und der Zweckbestimmung des Grundstücks respektiert werden sollen und deshalb eine Rückübertragung „von der Natur der Sache her” (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG) nicht möglich ist. Bereits in der Gemeinsamen Erklärung, aber auch in § 5 Abs. 1 VermG ist die gesetzgeberische Wertung enthalten, dass das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der während der Existenz der DDR eingetretenen Änderung der Nutzung oder der Zweckbestimmung des Grundeigentums dem privaten Interesse an einer Rückgabe vorgeht. Es ist auf solche rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen der jeweiligen Grundstücks- oder Gebäudesituation abzustellen, die zur Zeit der Herrschaft der Rechtsordnung der DDR eingetreten sind. Diese ist mit dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes, also am 29. September 1990, und damit unmittelbar vor Wirksamwerden des Beitritts der DDR so gut wie beendet gewesen. Einen Vorrang bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen nach diesem Zeitpunkt bezweckt § 5 Abs. 1 VermG nicht. Es spricht nichts dafür, dass es ein Anliegen der DDR war, künftige Sachlagen in Bezug auf anmeldebelastete Grundstücke auch noch unter den Schutz vor Restitution stellen zu wollen. Zu der rechtlichen Beurteilung bestimmter nach dem Beitritt eingetretener rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen der Nutzungsart oder der Zweckbestimmung von Grundstücken oder Gebäuden verhält sich die Gemeinsame Erklärung ebenso wenig wie die Regelung von § 5 Abs. 1 VermG.
Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG bestätigt das Ergebnis dieser teleologischen Betrachtungsweise. Durch die Verwendung des Imperfekts bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es ihm um abgeschlossene Vorgänge gegangen ist. Es muss bereits in der Vergangenheit eine Widmung zu Zwecken des Gemeingebrauchs erfolgt sein. Damit verträgt sich nicht, dass noch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz eine Änderung zu berücksichtigen ist. Die Erläuterung der Bundesregierung zu § 5 VermG (BTDrucks 11/7831 S. 7) untermauert dieses Verständnis: „Restitution kommt weiter nicht in Betracht, wenn Grundstücke und Gebäude dem Gemeingebrauch gewidmet, d.h. etwa zum Bau von Straßen und sonstigen Verkehrseinrichtungen … oder zum Bergbau verwendet worden sind.” Diese Vergangenheitsform schaltet jede Zukunftsgerichtetheit aus.
Hingegen erschließt sich der Inhalt von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG in systematischer Hinsicht nicht eindeutig. Einerseits lässt sich aus § 5 Abs. 2 VermG, der ausdrücklich für die Fälle des Absatzes 1 Buchst. a und d den Stichtag „29. September 1990” in Bezug nimmt, kein Gegenschluss für die Fälle des Absatzes 1 Buchst. b und c herleiten. Das macht der entstehungsgeschichtliche Hintergrund dieser erst durch Art. 1 Nr. 1 des Hemmnisbeseitigungsgesetzes mit Wirkung vom 29. März 1991 in das Vermögensgesetz eingefügten Vorschrift deutlich. Danach bezweckte die Gesetzesergänzung, das Verhältnis der konkurrierenden Ausschlusstatbestände von § 5 Abs. 1 Buchst. a und d VermG und des § 1 Buchst. c BInvG (a.F.) voneinander abzugrenzen. Es ergaben sich insoweit bei entsprechenden Eigeninvestitionen des Verfügungsberechtigten Konkurrenzlagen, die durch die entsprechende Stichtagsregelung aufgelöst werden sollten (vgl. Hellmann in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz § 5 Rn. 84). Für die Tatbestände von § 5 Abs. 1 Buchst. b und c VermG bestand kein Klarstellungsbedarf.
Andererseits ergibt sich ein systematisches Argument für die hier vorgenommene Interpretation aus dem engen Zusammenhang zwischen den Regelungen in § 5 Abs. 1 Buchst. a und b VermG. Erstere bildet einen Auffangtatbestand für solche Vermögenswerte, die von den nachgenannten Ausschlussgründen nicht erfasst werden. Ferner hilft das Verständnis von § 4 Abs. 2 VermG weiter. Danach ist ein zum Ausschluss der Rückübereignung führender redlicher Erwerb nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes nicht mehr möglich (Beschluss vom 20. Juni 1995 – BVerwG 7 B 117.95 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 19 S. 45 ≪46 f.≫).
Dem gegenüber ist der restitutionsausschließenden Wirkung von § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG nichts Verallgemeinerndes zu entnehmen. Danach steht zwar einem Berechtigten nur ein Anspruch auf den Erlös zu, wenn über das anmeldebelastete Grundstück zu seinen Lasten verfügt worden ist. Die Beachtlichkeit dieses nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes eintretenden Umstandes ist aber der besonderen Ausgestaltung des als bloß obligatorisch wirkenden Unterlassungsanspruchs von § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG geschuldet und findet darin seine Besonderheit.
Hingegen ist dem Normverständnis von § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG kein Rückschluss auf den hier fraglichen Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen. Dort wird eine Rückübertragung des Eigentumsrechts zwar ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her unmöglich ist. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn die Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück einen schwerwiegenden nachbarrechtlichen Nutzungskonflikt verursachen (vgl. Urteil vom 29. Juli 1999 – BVerwG 7 C 31.98 – Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 2 S. 4 ≪7≫) oder zu einem mit den bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften unvereinbaren Zustand führen würde (Beschluss vom 24. September 1996 – BVerwG 7 B 279.96 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 35 S. 83 ≪84≫). Eine vergleichbare Problematik besteht hier nicht. Die Widmung zum Gemeingebrauch einer Sache überlagert nur die konkrete Eigentumslage, indem sie auf dem Eigentum als öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit lastet. Sie kann ihre Wirksamkeit nicht durch eine Restitution verlieren. § 6 Abs. 6 StrG LSA bringt diese Folgenlosigkeit mit der Regelung zum Ausdruck, dass durch Verfügungen oder Enteignungen über die der Straße dienenden Grundstücke die Widmung nicht berührt wird. Zu Straßen gehören nach § 2 Abs. 1 StrG LSA Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, mithin auch ein Parkplatz.
Schließlich ergibt sich für die Auslegung von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nichts weiter Erhellendes aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Deren Anwendungsbereich ist durch die bereits benannte Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vorgeprägt. Die dort niederlegten Ziele finden sich im Gesetzestext wieder.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar steht fest, dass das streitbefangene Grundstück am 29. September 1990 nicht dem Gemeingebrauch gewidmet war, so dass es auf die von der Revision geltend gemachte Verfahrensrüge nicht mehr ankommt. Aber das Verwaltungsgericht muss noch ermitteln, ob hinsichtlich des Feuerwehrgebäudes der Ausschlussgrund von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG besteht, den der Beklagte erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht hat. Geschützt wird danach ein öffentliches Interesse an der Zweckbestimmung eines Gebäudes, für das ein erheblicher baulicher Aufwand betrieben worden ist, der nicht wegen Rückgabe nutzlos werden soll. Dabei kann sich der Ausschlussgrund nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf einen Teil des betreffenden Grundstücks beschränken (Urteil vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 C 32.99 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27 Seite 7 ≪16 f.≫ m.w.N.).
Die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz ist mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Hinblick auf den baulichen Aufwand und die abteilbare Grundstücksfläche unumgänglich. Das Verwaltungsgericht wird gegebenenfalls durch Einnahme einer Ortsbesichtigung zu prüfen haben, welcher Geländestreifen für die im öffentlichen Interesse liegende geschützte Nutzung erforderlich ist.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Postier
Fundstellen
Haufe-Index 738177 |
BVerwGE, 67 |
ZfIR 2002, 903 |
NJ 2002, 493 |