Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamteter Chefarzt. Nebentätigkeit. persönliches Behandlungsrecht. Inanspruchnahme der sachlichen und personellen Infrastruktur der Klinik. Nutzungsentgelt. Pauschalierung. pflegesatzrechtliche Kostenerstattung. Pflegesatzvereinbarung. Angemessenheit des Vorteilsausgleichs. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Beamtete Chefärzte, denen die persönliche Behandlung von Privatpatienten mit den Mitteln des Krankenhauses als Nebentätigkeit gestattet ist, haben als Nutzungsentgelt zusätzlich zu der pflegesatzrechtlichen Kostenerstattung des Krankenhauses einen angemessenen Vorteilsausgleich zu entrichten.
Der Vorteilsausgleich ist der Höhe nach angemessen, wenn er angesichts der wirtschaftlichen Vorteile der beamteten Chefärzte sachlich gerechtfertigt und zumutbar ist. Dies ist bei einem Vorteilsausgleich von 20 v.H. der Bruttoeinnahmen für die Nebentätigkeit an einer Universitätsklinik zu bejahen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 5; LBG NRW § 72 Abs. 1, § 75 S. 2 Nr. 6; HNtV NRW § 17 Abs. 1 Nr. 2; BPflV 1996 § 7 Abs. 2 Nr. 4, § 22 Abs. 3, § 24 Abs. 2
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.03.2006; Aktenzeichen 6 A 554/04) |
VG Düsseldorf (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen 2 K 132/99) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger ist seit Februar 1993 beamteter Professor im Fachbereich Medizin der Universität D… und Leiter der Abteilung für Nuklearmedizin (Chefarzt) der Universitätsklinik. Mit der Ernennung erhielt er die Nebentätigkeitsgenehmigung, Privatpatienten in der Klinik ambulant und stationär zu behandeln, sowie die Genehmigung, für diese Behandlungen Einrichtungen, Personal und Material der Klinik in Anspruch zu nehmen. Hierfür muss der Kläger einen Teil der durch die Nebentätigkeit erzielten Bruttoeinnahmen als Nutzungsentgelt abführen.
Im ersten Halbjahr 1996 erzielte der Kläger aus der Nebentätigkeit im stationären Bereich Bruttoeinnahmen von 24 219,47 DM. Hierfür setzte der Rektor der Universität ein Nutzungsentgelt von 14 989,53 DM fest, das sich aus einer Kostenerstattung von 10 145,64 DM (11 014,17 DM abzüglich eines verrechneten Guthabens) und einem Vorteilsausgleich von 4 843,89 DM zusammensetzt.
Der Kläger hält diese Festsetzung für rechtswidrig, weil ihm nicht deutlich mehr als die Hälfte der Bruttoeinnahmen belassen werde. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Die Festsetzung entspreche den Vorgaben des § 17 Abs. 1 Nr. 2 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung – HNtV – für das Nutzungsentgelt bei ärztlicher Nebentätigkeit im stationären Bereich. Danach habe der Arzt eine Kostenerstattung nach Maßgabe der jeweiligen Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung und einen Vorteilsausgleich von 20 v.H. der bezogenen Vergütung zu zahlen. Das sich daraus ergebende Nutzungsentgelt sei angemessen im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes – LBG NRW. Der pauschalierte Vorteilsausgleich gewährleiste, dass dem Arzt deutlich mehr als die Hälfte desjenigen Teils der Vergütung belassen werde, den er durch seinen persönlichen Einsatz erwirtschaftet habe. Hierzu zählten die nach Abzug der Kostenerstattung verbleibenden Bruttoeinnahmen. Der auf die Kostenerstattung entfallende Teil der Vergütung müsse ausgeklammert werden, weil damit die durch die Nebentätigkeit verursachten Kosten des Krankenhauses gedeckt würden.
Die Anwendung des § 17 Abs. 1 Nr. 2 HNtV führe zu angemessenen Nutzungsentgelten: Der Kläger habe durch seine Nebentätigkeit im stationären Bereich im ersten Halbjahr 1996 eine Vergütung von 12 266,45 DM erwirtschaftet (gesamte Bruttoeinnahmen abzüglich des Kostenerstattungsanteils). Setze man diesen Betrag mit dem abzuführenden Vorteilsausgleich von 4 843,89 DM ins Verhältnis, so zeige sich, dass dem Kläger rund 60 v.H. des wirtschaftlichen Nutzens seiner Nebentätigkeit verbleiben.
Die pauschale Bemessung der Kosten der Klinik und des wirtschaftlichen Vorteils des Arztes nach Hundertsätzen der Nebentätigkeitsvergütung sei hinzunehmen, weil konkrete Ermittlungen einen hohen Verwaltungsaufwand erforderten und sich erhebliche tatsächliche Unsicherheiten nicht vermeiden ließen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2006 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. Dezember 2003 aufzuheben sowie den Bescheid des Rektors der Universität D… vom 22. Juli 1996 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 1998 insoweit aufzuheben, als darin ein Nutzungsentgelt für stationäre Behandlungen von Privatpatienten in Höhe von 14 989,53 DM festgesetzt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das festgesetzte Nutzungsentgelt für stationäre Behandlungen im ersten Halbjahr 1996 findet seine Rechtsgrundlage hinsichtlich der Kostenerstattung in § 24 Abs. 2, § 22 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 der Bundespflegesatzverordnung – BPflV – i.d.F. der Verordnung zur Neuordnung des Pflegesatzrechts vom 26. September 1994 (BGBl I S. 2750), hinsichtlich des Vorteilsausgleichs in § 17 Abs. 1 Nr. 2 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen – HNtV – i.d.F. der Zweiten Änderungsverordnung vom 19. November 1993 (GV. NRW S. 964). Diese verordnungsrechtlichen Vorschriften sind mit höherrangigem Recht vereinbar.
1. Leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) wird üblicherweise vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen. Bei Chefärzten im Beamtenverhältnis gilt die Ausübung dieses persönlichen Behandlungsrechts als Nebentätigkeit, sodass sein Inhalt durch die Nebentätigkeitsgenehmigung festgelegt wird. Demzufolge wird die Behandlung von Kassenpatienten dem Hauptamt zugeordnet, während die Behandlung von Privatpatienten als Nebentätigkeit gilt. Auf diese Weise wird es beamteten Chefärzten ermöglicht, sich innerhalb ihres dienstlichen Tätigkeitsfeldes zugleich privatwirtschaftlich zu betätigen. Sie erhalten die Gelegenheit, während des Dienstes ein zusätzliches Erwerbseinkommen zu erzielen.
Die Möglichkeit, ein persönliches Behandlungsrecht zu vereinbaren oder zuzusichern, sowie die Ausübung der entsprechenden Nebentätigkeit unter Inanspruchnahme der sachlichen und personellen Infrastruktur der Klinik sind als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne vom Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 – 2 BvR 513, 558/74 – BVerfGE 52, 303 ≪334 f.≫). Der verfassungsrechtliche Schutz erstreckt sich jedoch nicht auf die Erwartung, den überwiegenden Teil der Nebentätigkeitsvergütung zu behalten. Vielmehr darf der Dienstherr beamteten Chefärzten nicht nur die Kosten der Nebentätigkeit in Rechnung stellen, sondern auch deren wirtschaftliche Vorteile abschöpfen. Auch können Chefärzte nicht darauf vertrauen, dass diese finanziellen Belastungen nach Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht mehr erhöht werden (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 a.a.O. ≪343 f.≫ und Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2006 – 2 BvR 385/05 – NVwZ-RR 2007, 185). Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt schon deshalb kein weitergehender Schutz, weil die Freiheit der Berufsausübung aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – BVerwGE 124, 347 ≪353≫).
2. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetzes – LBG NRW – hat der Beamte, der bei der Ausübung von Nebentätigkeiten Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn in Anspruch nimmt, hierfür ein angemessenes Entgelt zu entrichten; das Entgelt kann auch nach einem Hundertsatz der für die Nebentätigkeit bezogenen Vergütung bemessen werden. Gemäß § 75 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 LBG NRW erlässt die Landesregierung durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Höhe des an den Dienstherrn zu entrichtenden Entgelts. Das Entgelt ist mindestens kostendeckend zu bemessen und soll den besonderen Vorteil berücksichtigen, der dem Beamten durch die Inanspruchnahme entsteht. Es darf nur bei Wahrnehmung eines Nebenamtes, bei unentgeltlicher Durchführung der Nebentätigkeit oder bei voller Kostentragung durch einen Dritten entfallen.
§ 72 Abs. 1 Satz 2 und § 75 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW entfalten allerdings nur Rechtswirkungen für den Vorteilsausgleich. Insoweit stellen sie inhaltlich bindende Vorgaben dar, an denen § 17 Abs. 1 Nr. 2 HNtV zu messen ist. Dagegen sind die landesgesetzlichen Regelungen der Kostenerstattung unwirksam, weil sie durch das Pflegesatzrecht des Bundes verdrängt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich diese Rechtsfolge aus Art. 31 GG oder aus Art. 72 Abs. 1 GG ergibt (vgl. hierzu Urteil vom 27. November 1992 – BVerwG 8 C 9.91 – Buchholz 406.11 § 127 BBauG/BauGB Nr. 64 = NVwZ 1993, 1197).
Der Erlass von Regelungen über die Kostenerstattung ist von der Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und der Regelung der Krankenhauspflegesätze gemäß Art. 74 Nr. 19a GG gedeckt. Dieser Kompetenztitel erstreckt sich auf Regelungen darüber, wer in welcher Höhe für die Kosten der Krankenhausversorgung aufzukommen hat. Er umfasst auch Kostenerstattungspflichten für Ärzte, die berechtigt sind, die Infrastruktur des Krankenhauses zur Erzielung eigener Einkünfte in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 16. November 2000 – BVerwG 2 C 35.99 – BVerwGE 112, 170 ≪176≫ = Buchholz 237.95 § 81 SHLBG Nr. 2).
Auf dieser Kompetenz beruht die der Bundesregierung durch § 16 Satz 1 Nr. 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes – KHG – i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl I S. 886) erteilte Ermächtigung, durch Rechtsverordnung die Nutzungsentgelte zu regeln, die von Ärzten mit Berechtigung zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen zu entrichten sind, soweit diese Entgelte pflegesatzmindernd zu berücksichtigen sind. Hiervon hat die Bundesregierung durch den Erlass der Vorschriften über die Kostenerstattung gemäß § 24 Abs. 2, § 22 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV für das hier maßgebende Jahr 1996 inhaltlich abschließend Gebrauch gemacht. Folgerichtig heißt es in § 24 Abs. 6 BPflV, dass beamtenrechtliche Regelungen durch die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt werden, soweit sie ein über die Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen. Dementsprechend enthält § 17 Abs. 1 Nr. 2 HNtV keine landesrechtliche Kostenerstattungsregelung, sondern verweist insoweit auf die jeweils geltenden Regelungen der Bundespflegesatzverordnung.
3. Die für das erste Halbjahr 1996 festgesetzte Kostenerstattung des Klägers entspricht § 24 Abs. 2, § 22 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV. Gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmungen bestehen keine Bedenken.
Stationäre Behandlungen, die ein Chefarzt aufgrund seines persönlichen Behandlungsrechts als Nebentätigkeit vornimmt, stellen wahlärztliche Leistungen im Sinne von § 22 Abs. 3 BPflV dar. Als solche gehören sie nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, die dem Krankenhaus durch Pflegesätze vergütet werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 und 2 BPflV). Die auf wahlärztliche Leistungen entfallenden Kosten des Krankenhauses sind gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV nicht pflegesatzfähig. An die Stelle der Vergütung durch Pflegesätze treten gemäß § 24 Abs. 2 BPflV Ansprüche des Krankenhauses gegen den Chefarzt auf Ausgleich der nicht pflegesatzfähigen Kosten. Dadurch wird sichergestellt, dass der Chefarzt die Einnahmeausfälle des Krankenhauses deckt, die er durch die Ausübung seines persönlichen Behandlungsrechts verursacht.
Diese Ausfälle werden gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV pauschal auf Hundertsätze der vom Chefarzt erzielten Gebühren festgelegt. Durch Verweis auf das Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Ärzte – GOÄ – werden zwei Leistungsgruppen gebildet. Bei sog. persönlichen Leistungen werden 20 v.H., bei sog. technischen Leistungen 40 v.H. der Gebühren als Pflegesatzausfälle und damit als Kosten des Krankenhauses bestimmt. Da nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV für die Berechnung jeweils die Gebühren vor Abzug der pauschalen Gebührenminderung von 25 v.H. gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 GOÄ maßgebend sind, sind effektiv 26,7 und 53,3 v.H. der angefallenen Gebühren zu erstatten. Der hohe Kostenerstattungsanteil des dem Kläger für den stationären Bereich auferlegten Nutzungsentgelts ergibt sich daraus, dass er im ersten Halbjahr 1996 überwiegend sog. technische Leistungen erbracht hat.
Die Kostenerstattungspflicht ist dem Grunde nach geeignet und erforderlich, um zu verhindern, dass dem Dienstherrn durch die Inanspruchnahme der Infrastruktur des Krankenhauses für die Erwerbstätigkeit der beamteten Chefärzte wirtschaftliche Nachteile entstehen. Beamte haben diejenigen Kosten und Einnahmeausfälle vollständig auszugleichen, die sie durch die Nutzung von Mitteln des Dienstherrn für ihre Erwerbstätigkeit verursachen. Wie dargelegt gilt dies auch für die Ausübung des persönlichen Behandlungsrechts.
Auch die Pauschalierung der Kostenerstattung durch prozentuale Anteile der durch die Nebentätigkeit verdienten Gebühren ist sachlich gerechtfertigt. Zum einen wäre jedenfalls die konkrete Ermittlung der auf die Nebentätigkeit entfallenden Personalkosten des Krankenhauses mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Denn alle stationären Behandlungen finden in ein- und demselben betrieblichen Umfeld statt; es wird dieselbe sachliche und personelle Infrastruktur in Anspruch genommen. Daher müsste festgestellt werden, mit welchem Anteil ihrer Arbeitszeit Krankenhausärzte und Pflegepersonal für die Nebentätigkeit des Chefarztes herangezogen werden. Dieser Anteil hängt aber von dessen Arbeitsweise und sonstiger Arbeitsbelastung ab und kann sich jederzeit ändern. Denn auch die Verpflichtung des Chefarztes, Privatpatienten persönlich zu behandeln, erstreckt sich nur darauf, dass er die grundlegenden Entscheidungen zur Diagnostik und Therapie persönlich treffen und die wesentlichen Eingriffe selbst vornehmen muss (vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2004, § 24 Rn. 276 m.w.N.). Da die pflegesatzrechtlichen Kostenerstattungsregelungen einen bundesweit für alle Krankenhäuser geltenden Maßstab vorzugeben haben, dürften der Aufwand derartiger Kostenermittlungen und die Aussagekraft der dadurch gewonnenen Erkenntnisse in keinem Verhältnis zum Ertrag für die Abgabengerechtigkeit stehen.
Zum anderen ist eine konkrete Kostenermittlung mit dem im Jahr 1996 geltenden pflegesatzrechtlichen Regelungssystem nicht zu vereinbaren. Die Kostenerstattungsregelungen gemäß § 24 Nr. 2, § 22 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV sind in dieses System eingebettet, dessen Grundzüge sich wie folgt darstellen:
Nach dem Grundsatz der prospektiven Budgetvereinbarung sind die Pflegesätze, d.h. die Vergütung der pflegesatzfähigen stationären Leistungen des Krankenhauses zur Deckung seiner voraussichtlichen Betriebskosten, zwischen Krankenhausträger und Sozialleistungsträgern für einen von ihnen festzulegenden Zeitraum im Voraus auszuhandeln (§ 2 Nr. 4, § 18 Abs. 1 bis 3 KHG). Kommt eine Einigung nicht zustande, so setzt eine paritätisch besetzte Schiedsstelle die Pflegesätze fest (§ 18 Abs. 4, § 18a KHG). Hinsichtlich des Inhalts der Pflegesatzvereinbarung ist den Vertragsparteien innerhalb des von § 17 KHG, §§ 3 ff. BPflV vorgegebenen Rahmens ein erheblicher Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dies betrifft die Festlegungen, welche Faktoren mit welchem Gewicht bei der Entgeltbestimmung zu berücksichtigen sind und wie das Volumen der Erlöse des Krankenhauses voraussichtlich ausfällt. Diese Festlegungen müssen auf der Grundlage von Prognosen über die künftige Entwicklung getroffen werden und sind daher zwangsläufig mit Unsicherheiten verbunden. Bei der Pflegesatzvereinbarung handelt es sich um eine die relevanten Aspekte zusammenfassende Gesamtlösung, die durch Verständigung der Vertragsparteien über unterschiedliche Kalkulationen und Schätzungen und somit durch gegenseitiges Nachgeben zustande kommt. Daher können die einzelnen Bestandteile nicht isoliert betrachtet werden (vgl. Quaas/Zuck, a.a.O. § 24 Rn. 316, 329 m.w.N.). Die Genehmigungsbehörde ist gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG auf eine Rechtskontrolle der Pflegesatzvereinbarung beschränkt. Sie kann die Genehmigung nur im Ganzen erteilen oder versagen; inhaltliche Änderungen sind ihr verwehrt (Urteil vom 21. Januar 1993 – BVerwG 3 C 66.90 – BVerwGE 91, 363 ≪366 ff.≫).
Abweichungen von den zugrunde liegenden Prognosen führen grundsätzlich nicht zu einer nachträglichen Änderung der Pflegesätze. Das Krankenhaus soll Überschüsse behalten dürfen; umgekehrt hat es die von ihm zu vertretenden Verluste zu tragen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 KHG).
Diese Grundsätze gelten auch für die Festlegung der voraussichtlichen Gesamthöhe der durch persönliche Behandlungen verdienten Gebühren, die gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BPflV für die Gesamthöhe der Kostenerstattungen maßgebend sind. Dieser nicht pflegesatzfähige Gesamtbetrag geht als Abzugsposten, der die Höhe der Pflegesätze mindert, in die Pflegesatzvereinbarung ein. Seine Festlegung ist als Teil der Gesamtlösung Verhandlungssache; die Vertragsparteien müssen sich auch hierüber einigen. Demnach stößt die konkrete Ermittlung der von den Chefärzten zu tragenden Kosten nicht nur auf erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten, sondern ist auch nicht systemgerecht.
4. Der Vorteilsausgleich für die stationären Behandlungen des Klägers im ersten Halbjahr 1996 entspricht § 17 Abs. 1 Nr. 2 HNtV. Nach dieser Vorschrift hat ein Chefarzt, dessen Nebentätigkeit für den stationären Bereich nach dem 31. Dezember 1992 genehmigt wurde, Kostenerstattung nach Maßgabe des Pflegesatzrechts zuzüglich eines Vorteilsausgleichs von 20 v.H. der bezogenen Vergütung zu zahlen. Diese Pauschale ist mit den gesetzlichen Vorgaben gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2, § 75 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW vereinbar. Diese verlangen die Entrichtung eines angemessenen Vorteilsausgleichs, d.h. die angemessene Abgeltung des wirtschaftlichen Nutzens, den der Chefarzt aus der Inanspruchnahme der personellen und sachlichen Infrastruktur für stationäre Behandlungen von Privatpatienten auf eigene Rechnung zieht.
Der Begriff der Angemessenheit wird durch § 72 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW als Maßstab für das Entgelt vorgegeben, aber nicht näher umschrieben. Sein gesetzlicher Bedeutungsgehalt kann gesetzessystematisch durch den Rückgriff auf die Verordnungsermächtigung des § 75 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW näher bestimmt werden. Danach soll das Entgelt, das für die Inanspruchnahme der Infrastruktur der Klinik zu entrichten ist, mindestens kostendeckend bemessen sein und den besonderen Vorteil berücksichtigen, der durch die Inanspruchnahme entsteht. Daraus lässt sich entnehmen, dass das Entgelt nur dann angemessen ist, wenn zusätzlich zu der Kostenerstattung der besondere Vorteil abgegolten wird. Der Vorteilsausgleich darf nur entfallen, wenn die Voraussetzungen eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes gegeben sind.
Der gesetzliche Begriff des besonderen Vorteils ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt: Er umfasst den gesamten wirtschaftlichen Nutzen, den der Chefarzt bei der Ausübung seiner Nebentätigkeit aus der Inanspruchnahme der Infrastruktur des Krankenhauses zieht. Dieser Nutzen besteht in der Ersparnis der Investitions- und Betriebskosten für eine eigene Arztpraxis, in der Minimierung des Unternehmerrisikos wegen Fehlens der Vorhaltekosten und des Risikos eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes sowie in dem Wettbewerbsvorteil gegenüber niedergelassenen Ärzten, die in aller Regel nicht über eine vergleichbare Infrastruktur verfügen (Urteile vom 2. September 1999 – BVerwG 2 C 22.98 – BVerwGE 109, 283 ≪291≫ und vom 16. November 2000 – BVerwG 2 C 35.99 – BVerwGE 112, 170 ≪172≫ = Buchholz 237.95 § 81 SHLBG Nr. 2; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2006 – 2 BvR 385/05 – NVwZ-RR 2007, 185).
Bei der Bestimmung der zulässigen Höhe des Vorteilsausgleichs ist zu berücksichtigen, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, Chefärzten den überwiegenden Teil ihrer Nebentätigkeitsvergütung zu belassen. Der Schutz, den die Ausübung des persönlichen Behandlungsrechts mit den Mitteln der Klinik als hergebrachter Grundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG genießt, erstreckt sich nicht auf das hierfür zu entrichtende Nutzungsentgelt. Dieses unterliegt verfassungsrechtlichen Beschränkungen nur im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2006 a.a.O.).
Die zulässige Höhe des Vorteilsausgleichs wird auch durch den Begriff der Angemessenheit im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2, § 75 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW nicht näher vorgegeben. Die Gesetzesauslegung ist insoweit unergiebig. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der gesetzliche Begriff auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verweist. Angemessen ist ein Vorteilsausgleich, der verhältnismäßig ist. Der Vorteilsausgleich muss angesichts des wirtschaftlichen Nutzens der Chefärzte sachlich gerechtfertigt sein und darf die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschreiten.
Dem Verordnungsgeber steht für die Konkretisierung ein Bewertungsspielraum zu, der sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachbereichs ergibt (vgl. Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – BVerwGE 124, 347 ≪353≫). Denn der für die Höhe des Vorteilsausgleichs maßgebende wirtschaftliche Nutzen lässt sich nicht exakt beziffern. Darüber hinaus gilt auch für beamtete Chefärzte, dass die Nebentätigkeitsvergütung keine existenzielle Bedeutung hat, weil der Lebensunterhalt durch die Alimentation für das Hauptamt sichergestellt wird (vgl. Urteil vom 24. November 2005 a.a.O. ≪354≫).
Davon ausgehend hält sich der durch § 17 Abs. 1 Nr. 2 HNtV vorgegebene Vorteilsausgleich in Höhe von 20 v.H. der bezogenen Nebentätigkeitsvergütung, d.h. der Bruttoeinnahmen, noch im Rahmen des Angemessenen. Eine Pauschale in dieser Höhe ist sachlich gerechtfertigt, wenn man neben der Ersparnis von Investitions- und Betriebskosten für eine vergleichbare Arztpraxis auch den Wettbewerbsvorteil in Rechnung stellt, der den Chefärzten durch die Infrastruktur einer Universitätsklinik vermittelt wird.
Der Vorteil der Aufwendungsersparnis wird zwar dadurch geschmälert, dass die Vergütung für stationäre privatärztliche Leistungen durch den pauschalen Gebührenabschlag von 25 v.H. gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 GOÄ gemindert wird. Dadurch soll verhindert werden, dass den privatärztlich behandelten Patienten Kosten doppelt in Rechnung gestellt werden. Wie sich aus § 4 Abs. 3 GOÄ ergibt, enthalten die Gebühren einen Anteil, durch den Sach- und Personalkosten einer ärztlichen Praxis abgegolten werden. Zugleich erhebt das Krankenhaus mit dem Pflegesatz auch von privatärztlich behandelten Patienten Kosten ähnlicher Art (BGH, Urteile vom 17. September 1998 – III ZR 222/97 – NJW 1999, 868 ≪869≫ und vom 13. Juni 2002 – III ZR 186/01 – BGHZ 151, 102 ≪105≫). Nichtsdestotrotz fällt der Vorteil der Aufwendungsersparnis aber weiterhin ins Gewicht. Denn die Kosten für die Bereitstellung und den Betrieb der medizinischen Ausstattung einer Universitätsklinik, die den Chefärzten zugute kommt, liegen in aller Regel deutlich über den vergleichbaren Kosten, die in einer Arztpraxis anfallen.
Ausschlaggebende Bedeutung für die Angemessenheit des Vorteilsausgleichs kommt dem Wettbewerbsvorteil zu, den die Infrastruktur einer Universitätsklinik beamteten Chefärzten gegenüber niedergelassenen Ärzten vermittelt. Den Chefärzten stehen besonders qualifizierte Ärzte und nichtärztliche Mitarbeiter während der regelmäßigen Arbeitszeiten zur Verfügung, die auch im Bereich des persönlichen Behandlungsrechts weisungsgebunden sind. Sie können mit einem medizinischen Ausstattungsstandard arbeiten, der dem jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepasst ist. Dies gilt insbesondere für den kostenaufwendigen Bereich der sog. technischen Leistungen. Gerade Universitätskliniken besitzen eine erhebliche Anziehungskraft, weil Patienten hier zu Recht moderne Infrastruktur, hochqualifiziertes Personal und somit Behandlung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erwarten. Dies können sich Chefärzte, denen ein persönliches Behandlungsrecht eingeräumt ist, auf der gesicherten wirtschaftlichen Grundlage der Alimentation ohne unternehmerisches Risiko zu Nutze machen.
Die Abgeltung dieser wirtschaftlichen Vorteile mit 20 v.H. der Bruttoeinnahmen ist noch zumutbar. Immerhin verbleibt den Chefärzten deutlich mehr als die Hälfte der um die Kostenerstattung bereinigten Bruttoeinnahmen der Nebentätigkeit. Hinzu kommt, dass sie diese während des Dienstes ausüben können, ohne durch Erfordernisse des Hauptamtes eingeschränkt zu werden. Auch hat die pflegesatzrechtliche Kostenerstattungspflicht bei der Beurteilung der Zumutbarkeit außer Betracht zu bleiben. Denn der Dienstherr darf die Nutzung dienstlicher Einrichtungen für private Erwerbstätigkeiten von Beamten davon abhängig machen, dass ihm dadurch keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Die Beamten können zur Deckung der von ihnen verursachten Kosten, hier der Einnahmeausfälle aufgrund niedrigerer Pflegesätze, herangezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dr. Kugele, Dr. Müller, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1999040 |
BVerwGE 2008, 252 |
ArztR 2009, 97 |
DÖD 2008, 108 |
DÖD 2008, 95 |
DÖV 2008, 685 |
PersV 2008, 473 |
PersV 2009, 229 |
AUR 2008, 159 |
GesR 2008, 386 |
Städtetag 2008, 40 |
NWVBl. 2008, 392 |